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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Kortikale Aktivierung postlingual ertaubter CI-Träger bei der Verarbeitung von Intonationsphrasen als prosodische Informationen

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Willy Mattheus - Sächsisches Cochlear Implant Centrum, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Deutschland
  • author Dirk Mürbe - Sächsisches Cochlear Implant Centrum, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Deutschland
  • author Anja Hahne - Sächsisches Cochlear Implant Centrum, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV29

doi: 10.3205/17dgpp44, urn:nbn:de:0183-17dgpp442

Published: August 30, 2017

© 2017 Mattheus et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Das Verstehen von Sprache ist mit einem Cochlea Implantat (CI) ist für postlingual ertaubte Patienten oft in kurzer Zeit wieder gut möglich. Vor allem auf Wortebene wird der Inhalt von Sprache wieder gut erfasst. Komplexere syntaktische Informationen sowie prosodische Informationen bereiten hingegen oft Schwierigkeiten. Diese Studie soll mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) nach Unterschieden in der kortikalen Aktivität zwischen Normalhörenden und postlingual ertaubten CI-Trägern von gesprochen Sätzen mit mehreren Intonationsphrasen suchen. fNIRS ist für CI-Träger sehr gut geeignet, weil funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgrund des im Kopf implantierten Magneten nicht in Frage kommt.

Material und Methoden: 10 postlingual ertaubten CI-Trägern (CI) sowie altersentsprechenden normalhörenden Kontrollprobanden (NH) wurden im Freifeld gesprochene Sätze präsentiert. Mit dem System NIRSport (Fa. NIRX Medical, Berlin) wurden Konzentrationsänderungen für oxygeniertes und deoxygeniertes Blut auf jeweils 10 Positionen über den Temporallappen der rechten und linken Hemisphäre gemessen. Die Konzentrationsverläufe wurden für jede Position getrennt nach oxy/deoxy und Gruppe (CI/NH) ausgewertet und mittels statistischer Varianzanalyse untersucht.

Ergebnisse:

1.
Bei CI und NH zeigten sich links- und rechts-hemisphärisch signifikante Aktivitäten über den Temporallappen.
2.
CI und NH zeigten signifikante Aktivitäten über den rechts- und linkshemispärischen Brodman-Arealen 44 und 45 (Broca Areale).
3.
Die Aktivierung der Areale 44 und 45 ist bei NH stärker und rechts lateralisiert.

Diskussion: Die signifikanten Unterschiede für beide Gruppen lassen auf veränderte Verarbeitung prosodischer Informationen zwischen dem Hören mit Cochlea-Implantat und dem natürlichen Hören schließen. Diese Unterschiede lassen sich durch die Konzentration der CI-Träger auf die semantische Ebene stützen. Der verminderte akustische Informationsgehalt, der durch das CI an den Hörnerv weitergegeben wird, erschwert die Aufnahme prosodischer Informationen. Studien zu kompensatorischen Effekten zwischen auditorisch und visuell verarbeitenden Hirnarealen könnten die Beobachtungen ebenfalls stützen.

Fazit: fNIRS ist geeignet, um akustisch verarbeitende Kortexareale zu detektieren und so Aufschluss über eine veränderte Verarbeitung akustischer Reize beim Hören mit Cochlea Implantat zu geben. Inwieweit die detektierten Unterschiede mit behavioralen Daten korrelieren und ob es längsschnittliche Effekte gibt, sollen Folgestudien klären.


Text

Hintergrund

Das Verstehen von Sprache ist mit einem Cochlea Implantat (CI) ist für postlingual ertaubte Patienten oft in kurzer Zeit wieder gut möglich. Vor allem auf Wortebene wird der Inhalt von Sprache wieder gut erfasst. Komplexere syntaktische Informationen sowie prosodische Informationen bereiten hingegen oft Schwierigkeiten [1]. Diese Studie soll mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) nach Unterschieden in der kortikalen Aktivität zwischen Normalhörenden und postlingual ertaubten CI-Trägern von gesprochen Sätzen mit mehreren Intonationsphrasen suchen. fNIRS ist für CI-Träger sehr gut geeignet, weil funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgrund des im Kopf implantierten Magneten nicht in Frage kommt.

Material und Methoden

10 postlingual ertaubten CI-Trägern (CI) sowie altersentsprechenden normalhörenden Kontrollprobanden (NH) wurden im Freifeld gesprochene Sätze präsentiert. Mit dem System NIRSport (Fa. NIRX Medical, Berlin) wurden Konzentrationsänderungen für oxygeniertes und deoxygeniertes Blut auf jeweils 10 Positionen über den Temporallappen der rechten und linken Hemisphäre gemessen. Die Konzentrationsverläufe wurden für jede Position getrennt nach oxy/deoxy und Gruppe (CI/NH) ausgewertet und mittels statistischer Varianzanalyse untersucht (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Ergebnisse

1.
Bei CI und NH zeigten sich links- und rechts-hemisphärisch signifikante Aktivitäten über den Temporallappen.
2.
CI und NH zeigten signifikante Aktivitäten über den rechts- und linkshemispärischen Brodman-Arealen 44 und 45 (Broca Areale).
3.
Die Aktivierung der Areale 44 und 45 ist bei NH stärker und rechts lateralisiert [2], [3].

Abbildung 2 [Abb. 2]

Diskussion

Die signifikanten Unterschiede für beide Gruppen lassen auf veränderte Verarbeitung prosodischer Informationen zwischen dem Hören mit Cochlea-Implantat und dem natürlichen Hören schließen. Diese Unterschiede lassen sich durch die Konzentration der CI-Träger auf die semantische Ebene stützen. Der verminderte akustische Informationsgehalt, der durch das CI an den Hörnerv weitergegeben wird, erschwert die Aufnahme prosodischer Informationen. Studien zu kompensatorischen Effekten zwischen auditorisch und visuell verarbeitenden Hirnarealen könnten die Beobachtungen ebenfalls stützen.

Fazit

fNIRS ist geeignet, um akustisch verarbeitende Kortexareale zu detektieren und so Aufschluss über eine veränderte Verarbeitung akustischer Reize beim Hören mit Cochlea Implantat zu geben. Inwieweit die detektierten Unterschiede mit behavioralen Daten korrelieren und ob es längsschnittliche Effekte gibt, sollen Folgestudien klären.


Literatur

1.
Meister H, Tepeli D, Wagner P, Hess W, Walger M, von Wedel H, Lang-Roth R. Experimente zur Perzeption prosodischer Merkmale mit Kochleaimplantaten [Experiments on prosody perception with cochlear implants]. HNO. 2007 Apr;55(4):264-70. DOI: 10.1007/s00106-006-1452-1 External link
2.
Arimitsu T, Uchida-Ota M, Yagihashi T, Kojima S, Watanabe S, Hokuto I, Ikeda K, Takahashi T, Minagawa-Kawai Y. Functional hemispheric specialization in processing phonemic and prosodic auditory changes in neonates. Front Psychol. 2011;2:202. DOI: 10.3389/fpsyg.2011.00202 External link
3.
Wartenburger I, Steinbrink J, Telkemeyer S, Friedrich M, Friederici AD, Obrig H. The processing of prosody: Evidence of interhemispheric specialization at the age of four. Neuroimage. 2007 Jan;34(1):416-25. DOI: 10.1016/j.neuroimage.2006.09.009 External link
4.
Jasper HH. Report of the committee on methods of clinical examination in electroencephalography: 1957. Electroencephalography and Clinical Neurophysiology. 1958;10(2):370-5. DOI: 10.1016/0013-4694(58)90053-1 External link