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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

10 Jahre qUNHS in Nordrhein – Sind die Qualitätskriterien des G-BA realistisch?

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Silke Fabian - Hörscreeningzentrum Nordrhein, Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Kruthika Thangavelu - HNO-Klinik, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Martin Walger - Cochlear-Implant-Zentrum Köln (CIK), Hörscreeningzentrum Nordrhein, Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Ruth Lang-Roth - Cochlear-Implant-Zentrum Köln (CIK), Hörscreeningzentrum Nordrhein, Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV16

doi: 10.3205/17dgpp30, urn:nbn:de:0183-17dgpp303

Published: August 30, 2017

© 2017 Fabian et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Bereits 2007 wurde die Hörscreeningzentrale Nordrhein und damit verbunden die Möglichkeit zum universellen, qualitätsgesicherten Neugeborenenhörscreening erfolgreich etabliert. Mit der Änderung der Kinderrichtlinie zum Neugeborenen-Hörscreening ab dem 01.01.2009 hat sich die Zahl der erfassten Kinder stetig erhöht und nach mittlerweile 10 Jahren erfasst das Hörscreeningzentrum Nordrhein in einem Zweistufen-Hörscreening ca. 60% der in der Region geborenen Kinder.

Ist mithilfe der Hörscreeningzentrale Nordrhein die Einhaltung der Qualitätsparameter und Zielkriterien der neuen Kinderrichtlinie möglich?

Material und Methoden: In insgesamt 69 Geburts- und Kinderkliniken sowie 39 Follow up-Einrichtungen in Nordrhein wurden vom 01.05.2007 bis 01.05.2017 die Daten von 374.206 Neugeborenen erhoben. Für die deskriptive, retrospektive Analyse wurden die Daten aus der Trackinsoftware Audio_SC der Firma path medical exportiert und analysiert.

Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum von 10 Jahren haben durchschnittlich 98,7% der Kinder in den jeweiligen Einrichtungen ein Hörscreening erhalten. 95,6% der untersuchten Kinder wiesen ein unauffälliges Hörscreening auf und bei durchschnittlich 3,4% der Kinder war das Ergebnis kontrollbedürftig, so dass eine Nachuntersuchung in einer Follow-up-Einrichtung notwendig wurde. Das Erstscreening erfolgte durchschnittlich am 4,8 Tag, wobei hier ebenfalls Kinderkliniken und Kinderintensivstationen mit einbezogen wurden. Das Erstdiagnosealter von hörgestörten Kindern lag durchschnittlich im 2,9 Lebensmonat. Die Lost to Follow up Rate lag bei 1%.

Diskussion: Die Vorgaben des G-BA hinsichtlich der Erfassungsrate von mind. 96% der in den teilnehmenden Geburtseinrichtungen geborenen Kindern, konnte hier erreicht werden. Die Rate der Kinder für die eine pädaudiologische Kontrolluntersuchung notwendig wurde, lag ebenfalls innerhalb der vorgegebenen Kriterien von max. 4%. Ebenso wurden die Vorgaben des G-BA mit einem Erstdiagnose-Alter vor der 12. Lebenswoche erreicht.

Diese Ergebnisse stellen eindrücklich den positiven Effekt eines UNHS mit Tracking auf das Erstdiagnose- Alter einer kindlichen Hörstörung dar, denn das lag vor Einführung deutschlandweit im Mittel bei 39 Monaten.

Fazit: Durch die Kooperation mit der Hörscreeningzentrale Nordrhein konnten die notwendigen Zielkriterien des G-BA-Beschlusses erreicht werden. Wünschenswert wäre ein Anschluss aller Geburtseinrichtungen an die Hörscreeningzentrale Nordrhein und somit die flächendeckende Erfassung sowie die Möglichkeit des Trackings aller Neugeborenen in der Region.


Text

Hintergrund

Bereits 2007 wurde an der HNO-Uniklinik in Köln das Hörscreeningzentrum Nordrhein und damit verbunden die Möglichkeit zum universellen, qualitätsgesicherten Neugeborenenhörscreening erfolgreich etabliert. Mit der Änderung der Kinderrichtlinie zum Neugeborenen-Hörscreening ab dem 01.01.2009 durch den G-BA hat sich die Zahl der erfassten Kinder stetig erhöht und nach mittlerweile 10 Jahren erfasst das Hörscreeningzentrum Nordrhein in einem Zweistufen-Hörscreening ca. 60% der in der Region geborenen Kinder. Zusätzlich konnten rund 39 Nachuntersuchungsstellen (darunter Kliniken und Praxen) erfolgreich als durchführende Follow-up Einrichtungen etabliert werden. Es stellt sich die Frage ob neben einer hohen Erfassungsrate auch weiterhin die vorgegeben Qualitätsparameter und Zielkriterien durch die teilnehmenden Einrichtungen erfüllt werden können, und welchen Einfluss die Hörscreeningzentrale Nordrhein auf die Prozessqualität hat.

Material und Methoden

Insgesamt wurden 69 Geburts- und Kinderkliniken und 39 Nachuntersuchungsstellen (Follow-up) im Zeitraum vom 01.05.2007 bis zum 01.05.2017 mit 374.206 Patienten in die Berechnung einbezogen. Die Daten wurden aus der Trackinsoftware Audio_SC der Firma path medical exportiert und dann mittels deskriptiver, retrospektiver Analyse ausgewertet.

Ergebnisse

Im Untersuchungszeitraum von 10 Jahren wurden in Nordrhein ca. 81.000 Kinder pro Jahr geboren (Daten Statistisches Landesamt NRW), von denen insgesamt 373.261 Kinder in der Hörscreeningzentrale Nordrhein erfasst werden konnten. Durchschnittlich haben 98,7% (368.463 Kinder) der erfassten Kinder in den verschiedenen Einrichtungen ein Hörscreening erhalten. Dabei sind ebenfalls die Risikokindern aus Kinderkliniken oder von Kinderintensivstationen inkludiert. Bei 0,4% der Kinder (1.504 Kinder) wurde das Hörscreening durch die Eltern abgelehnt.

Von den untersuchten Kindern hatten 95,6% (352.298 Kinder) ein unauffälliges und 3,4% (12.461 Kinder) ein kontrollbedürftiges Hörscreeningergebnis. Das Erstscreening erfolgte durchschnittlich am 5. Lebenstag, wobei hier ebenfalls Kinderkliniken und Kinderintensivstationen mit einbezogen wurden. Für die Kinder mit kontrollbedürftigem Hörscreening wurde die Kontrolle in einer Follow-up Einrichtung notwendig. Das Erstdiagnosealter der tatsächlich hörgestörten Kinder lag im Zeitraum von 10 Jahren durchschnittlich im 3. Lebensmonat, bei einer Lost-to-Follow-up Rate (Kinder, die trotz kontrollbedürftigem Ergebnis nicht mehr zu einer Nachuntersuchung erschienen sind) von durchschnittlich 1% (3.656 Kinder).

Diskussion

Die Vorgaben des G-BA hinsichtlich der Erfassungsrate von mind. 96% der in einer Einrichtungen geborenen Kindern, konnte hier erreicht werden. Die Rate der Kinder für die eine pädaudiologische Kontrolluntersuchung notwendig wurde, lag ebenfalls innerhalb der vorgegebenen Kriterien von max. 4%. Ebenso wurden die Vorgaben des G-BA mit einem Erstdiagnose-Alter vor der 12. Lebenswoche erreicht.

Die Rate der gescreenten Kinder ist über die Jahre nahezu konstant geblieben, es gibt in der Auswertung keine signifikanten Schwankungen. Allerdings gib es einen statistisch signifikanten Anstieg der Ablehnungen durch die Eltern, dieses hängt mit der steigenden Anzahl der erfassten Kinder zusammen.

Durch das qualitätsgesicherte Neugeborenen-Hörscreening mit Tracking in Nordrhein konnte das Erstdiagnose-Alter bei kindlichen behandlungsbedürftigen Hörstörungen von 39 Lebensmonaten auf unter 3 Lebensmonate gesenkt werden.

Fazit

Durch die Kooperation mit der Hörscreeningzentrale Nordrhein konnten die notwendigen Zielkriterien des G-BA-Beschlusses in fast allen teilnehmenden Einrichtungen erreicht werden. Auch in etablierten und gut funktionierenden Hörscreeningzentralen ist die engmaschige Betreuung und Schulung des Personals notwendig, um die vorgegebenen Qualitätsparameter auch langfristig beibehalten zu können. Wünschenswert wäre ein Anschluss aller Geburtseinrichtungen an die Hörscreeningzentrale Nordrhein und somit die flächendeckende Erfassung, sowie die Möglichkeit des Trackings aller Neugeborenen in der Region.


Literatur

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