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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Ein schwerer Fall von Lipoidproteinose des Larynx mit Dysphonie und Dyspnoe

Poster

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP12

doi: 10.3205/17dgpp25, urn:nbn:de:0183-17dgpp254

Published: August 30, 2017

© 2017 Eder et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Lipoidproteinose (Urbach-Wiethe-Syndrom) ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Haut- und Schleimhauterkrankung. Es zeigen sich proteinreiche Plaques in Haut- und Schleimhäuten, die vielfältige Symptome machen können, das Leitsymptom ist eine von Kindheit an bestehende Heiserkeit.

Material und Methoden: Eine 46-jährige Patientin mit schwerer Heiserkeit und Atemnot bei Lipoidproteinose wird vorgestellt. Spiegelbefundlich zeigten sich weißliche höckrige Plaques im Bereich der Mundhöhle, des Oro- und Hypopharynx und Larynx.

Ergebnisse: Die Resektion der larynxeinengenden Strukturen mittels CO2-Laser und Mikroinstrumenten ist Therapie der Wahl bei Dyspnoe, seit dem Eingriff vor 1,5 Jahren ist der Befund stabil, die Dysphonie besserte sich jedoch langfristig nicht.

Diskussion: Bei derzeit fehlender ursächlicher Therapie ist die symptomatische Therapie der Erkrankung vorrangig. Diese beinhaltet ggf. Resektion von raumfordernden Lipoidproteinablagerungen, v.a. bei Dyspnoe, Schleimhautpflege und ggf. genetische Beratung und Untersuchung der Familie im Falle von Kinderwunsch.

Fazit: Bei histologisch proteinreichen und makroskopisch sichtbaren Ablagerungen in der Schleimhaut des Oro-, Hypopharynx und Larynx mit Dysphonie und ggf. Dyspnoe muss an eine Lipoidproteinose gedacht werden. Diese wird dann mit einer ECM1-Gendiagnostik gesichert. Die Therapie erfolgt bisher ausschließlich symptomatisch.


Text

Hintergrund

Die Lipoidproteinose, auch Urbach-Wiethe-Syndrom genannt, ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Haut- und Schleimhauterkrankung, die erstmals 1929 beschrieben wurde [1]. Genetisch zeigt sich eine Mutation des Gens für das Extrazelluläre Matrixprotein 1 – das ECM1-Gen. Die die Krankheit verursachenden Mutationen sind vielfältig und führen zum Verlust der Genfunktion [2]. Es zeigen sich dann proteinreiche Plaques in Haut und Schleimhäuten. Histopathologisch zeigen sich PAS-positive Hyalin- und Lipoid-Ablagerungen [3]. Diese führen zu einer Verdickung von Haut- und Schleimhäuten, die wiederum vielfältige Symptome machen können. In einer Arbeit zeigte sich in allen eingeschlossenen 22 Fällen die von Kindheit an bestehende Heiserkeit als das Leitsymptom [4]. Deshalb ist diese Erkrankung trotz der vielseitigen Klinik für den HNO-Arzt und Phoniater als Differenzialdiagnose der Heiserkeit wichtig.

Material und Methoden

Eine 46-jährige Patientin mit schwerer Heiserkeit und Atemnot bei Lipoidproteinose wird vorgestellt. Die Patientin berichtete bei Erstvorstellung über eine seit der frühen Kindheit bestehende Heiserkeit. Als Ursache dafür sei in der Vergangenheit eine Kehlkopfanomalie mit einseitiger Stimmlippenparese genannt und teilweise mit Augmentation einer Stimmlippe behandelt worden. Spiegelbefundlich zeigten sich bei Erstvorstellung weißliche höckrige Plaques im Bereich der Mundhöhle, des Oro- und Hypopharynx und Larynx. Die Stimmlippen selber erschienen weißlich verdickt und derb. Zu diesem Zeitpunkt war die Heiserkeit weiterhin führend in der Symptomatik (R3 B3 H3). Im Verlauf wurde dann zunehmend über Luftnot und Atemprobleme beim Schlafen geklagt. Die histopathologische Untersuchung der Plaques zeigte proteinreiche Ablagerungen. Es wurden zunächst eine Amyloidose und eine rheumatoide Erkrankung ausgeschlossen. Eine Ösophagogastroduodenoskopie und Koloskopie waren unauffällig. In einer MRT-Bildgebung des Halses konnten die inspektorisch verdickten Strukturen, v.a. auf Larynxebene bestätigt werden. Im weiteren Verlauf wurde dann die humangenetische Untersuchung für eine Lipoidproteinose veranlasst.

Ergebnisse

Die ECM-1-Gendiagnostik konnte die Verdachtsdiagnose bestätigen. Es wurden 2 unterschiedliche Mutationen nachgewiesen. Bei fehlenden kausalen Therapieoptionen – eine Steroidtherapie hatte keinen Effekt auf die Symptomatik gehabt – begleiten wir die Patientin über derzeit schon über 4 Jahre. Bei zunehmender Dyspnoe wurde vor 1,5 Jahren dann als symptomatischer Therapieansatz die Resektion der larynxeinengenden Strukturen mittels CO2-Laser und Mikroinstrumenten durchgeführt. Seitdem ist der klinische Befund stabil, die Patientin verspürt seitdem keine Luftnot mehr, die Dysphonie besserte sich jedoch langfristig nicht.

Diskussion

Bei derzeit fehlender ursächlicher Therapie ist die symptomatische Therapie der Lipoidproteinose vorrangig. Nach humangenetischer Diagnosestellung beinhaltet diese Schleimhautpflege und ggf. die Resektion von Lipoidproteinablagerungen, v.a. bei Dyspnoe. Auch die Tracheotomie kann bei ausgeprägter Symptomatik notwendig werden [5]. In der Literatur ist eine Verbesserung der Stimme durch chirurgische Maßnahmen beschrieben [4]. Genauso ist aber auch das Ausbleiben einer langfristigen Verbesserung der Stimme durch die Resektion der Ablagerungen dokumentiert [6], [7]. In unserem Fall hatte die Resektion ebenso wenig einen positiven Effekt auf die Stimme. Andere systemische Manifestationen wie Ablagerungen in den Lidern, im Verdauungstrakt, Vagina, Hoden, Pankreas, Blase und ZNS sind möglich, können aber auch symptomlos bleiben [5], [8], [9]. Eine genetische Beratung und Untersuchung der Familie im Falle von Kinderwunsch sollten ebenso erfolgen.

Fazit

Bei histologisch proteinreichen und makroskopisch sichtbaren Ablagerungen in der Schleimhaut des Oro-, Hypopharynx und Larynx mit Dysphonie und ggf. Dyspnoe muss an eine Lipoidproteinose gedacht werden. Diese wird dann mit einer ECM1-Gendiagnostik gesichert. Die Therapie erfolgt bisher ausschließlich symptomatisch.


Literatur

1.
Urbach E, Wiethe C. Lipidosis cutis et mucosae. Virchows Archiv Pathol Anat Physiol Klin Med. 1929;273:285–319. DOI: 10.1007/BF02158983 External link
2.
Hamada T, McLean WH, Ramsay M, Ashton GH, Nanda A, Jenkins T, Edelstein I, South AP, Bleck O, Wessagowit V, Mallipeddi R, Orchard GE, Wan H, Dopping-Hepenstal PJ, Mellerio JE, Whittock NV, Munro CS, van Steensel MA, Steijlen PM, Ni J, Zhang L, Hashimoto T, Eady RA, McGrath JA. Lipoid proteinosis maps to 1q21 and is caused by mutations in the extracellular matrix protein 1 gene (ECM1). Hum Mol Genet. 2002 Apr;11(7):833-40. DOI: 10.1093/hmg/11.7.833 External link
3.
Aziz MT, Mandour MA, el-Ghazzawi IF, Belal A, Talaat AM. Urbach-Wiethe disease in O.R.L. practice. (A clinical and histochemical study of the laryngeal lesions). J Laryngol Otol. 1980 Nov;94(11):1309-19. DOI: 10.1017/S0022215100090137 External link
4.
Xu W, Wang L, Zhang L, Han D, Zhang L. Otolaryngological manifestations and genetic characteristics of lipoid proteinosis. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2010 Nov;119(11):767-71.
5.
Savage MM, Crockett DM, McCabe BF. Lipoid proteinosis of the larynx: a cause of voice change in the infant and young child. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 1988 Feb;15(1):33-8. DOI: 10.1016/0165-5876(88)90048-1 External link
6.
Honings J, van Rossum MM, van den Hoogen FJ. Vocal fold hyalinosis in Urbach-Wiethe disease, a rare cause of hoarseness. B-ENT. 2015;11(2):151-5.
7.
Al Dousary S, Al Anazy FH. Long-term follow-up of lipoid proteinosis laryngeal manifestations. International J of Pediatric Otorhinolaryngol Extra. 2011; 6(4):175-7. DOI: 10.1016/j.pedex.2010.07.003 External link
8.
Yakout YM, Elwany S, Abdel-Kreem A, Abou Seif S. Radiological findings in lipoid proteinosis. J Laryngol Otol. 1985 Mar;99(3):259-65. DOI: 10.1017/S0022215100096651 External link
9.
Friedman L, Mathews RD, Swanepoel PD. Radiographic and computed tomographic findings in lipid proteinosis. A case report. S Afr Med J. 1984 May;65(18):734-5.