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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Korrelation zwischen der Functional Oral Intake Scale (FOIS), Penetration Aspiration Scale (PAS) und dem Dysphagia Handicap Index (DHI) bei Patienten mit neurogener Dysphagie

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV1

doi: 10.3205/17dgpp01, urn:nbn:de:0183-17dgpp013

Published: August 30, 2017

© 2017 Kovacs-Sipos et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Eine Dysphagie kann die Nahrungsaufnahme im Alltag und somit die Lebensqualität der Patienten einschränken sowie zu einer erheblichen psychischen Belastung führen. Zur Erfassung der subjektiven Beschwerden liegen schluckspezifische Fragebögen vor, wie z.B. der Dysphagia Handicap Index (DHI). Bis heute wurde jedoch noch nicht untersucht, wie diese mit objektiv erhobenen Einschränkungen der Schluckfunktion zusammenhängen. Im Rahmen dieser Studie wird geprüft, ob subjektive Schluckbeschwerden gemäß DHI mit klinisch objektivierbaren Befunden zusammenhängen.

Material und Methoden: Im Rahmen einer Querschnittstudie haben 51 Patienten (19 Frauen und 32 Männer) im Durchschnittsalter von 65.5 Jahren (25 bis 81) mit neurologisch bedingten Schluckstörungen den deutschen Dysphagia Handicap Index (DHI) von 05/2013 bis 08/2015 ausgefüllt. Bei jedem Patienten erfolgte eine fiberendoskopische Schluckuntersuchung (FEES), anhand derer die Einschränkung der Schluckfunktion mittels Penetration Aspiration Scale (PAS) und Functional Oral Intake Scale (FOIS) bestimmt wurden. Die Korrelationen der einzelnen Fragen und der Unterskalen (emotional, funktionell, physisch) des DHI mit PAS und FOIS wurden mittels Spearman’s rho berechnet.

Ergebnisse: In der Verteilung der klinischen Diagnosen waren der Stimmlippenstillstand mit 33,3% (n=17) und Motoneuronerkrankungen mit 15,7% (n=8) am häufigsten.

Es besteht eine signifikante Korrelation zwischen PAS und der Aussage P9 des DHI (p< 0.05). Zwischen FOIS und der Aussage F1 ist die Korrelation hoch signifikant (p<0,001), und mit der Aussage P1 ist signifikant (p<0,05).

Diskussion: Der DHI zeigte 3 signifikante Korrelationen für die Fragen P1, P9, F1 mit objektiv erhobenen Einschränkungen der Schluckfunktion gemäß PAS und FOIS, wobei hiervon 2 Fragen zum «physischen» Bereich gehörten. Diese Ergebnisse sind Hinweise für die Aussagekraft des DHI bei einer Schluckstörung.

Fazit: Bei Patienten mit einer neurogenen Dysphagie lag ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen subjektiven Schluckbeschwerden gemäß DHI und objektivierbaren Befunden gemäß PAS und FOIS vor. Die Fragen P1, P9 und F1 des DHI waren die besten Indikatoren für das Vorliegen einer instrumentell nachweisbaren Schluckstörung.


Text

Einleitung

Die Inzidenz von Dysphagien beträgt 7% der Gesamtbevölkerung in Deutschland, und bei über 55-jährigen Patienten sogar 16–22% [1]. Ätiologisch wird zwischen strukturellen, neurogenen, und funktionellen Dysphagien unterschieden [1], [2]. Strukturelle Schluckstörungen werden am häufigsten durch Kopf- und Halstumoren verursacht [3], häufigster Grund für eine neurogene Dysphagie ist der Schlaganfall [4]. Eine Dysphagie kann die Nahrungsaufnahme im Alltag deutlich einschränken, und in schweren Fällen zu einer Aspirationspneumonie führen. Dies kann mit einer erheblichen individuellen psychischen Belastung sowie einer eingeschränkten allgemeinen und schluckspezifischen Lebensqualität verbunden sein. Zur Erfassung von subjektiven schluckspezfischen Beschwerden liegen im Deutschen mehrere standardisierte Fragebögen vor, der MD Anderson Dysphagia Inventory (MDADI), Sydney Swallow Questionnaire (SSQ) und Dysphagia Handicap Index (DHI) [3]. Der Dysphagia Handicap Index wurde in 2010 auf Englisch und in den letzten Jahren in verschiedenen Sprachen (u.a. japanisch, iranisch) validiert [5], [6]. Mittels 26 Fragen werden die funktionellen, physischen und emotionalen Auswirkungen einer Dysphagie erhoben [5]. Bis jetzt wurde nicht ausführlich untersucht, wie subjektive Schluckbeschwerden gemäß DHI mit objektiv erhobenen Daten zur Schluckfunktion zusammenhängen. Zur objektiven Untersuchung der Schluckfunktion werden im klinischen Alltag am häufigsten die „Fiberoptisch Endoskopische Evaluation des Schluckens“ (FEES) und die Videofluoroskopie angewendet [4]. Zur objektiven Dokumentation des FEES-Befundes können im Deutschen 2 validierte Skalen verwendet werden: die Penetrations-Aspirations-Skala (PAS) und Functional Oral Intake Scale (FOIS) [4]. Im Rahmen dieser Studie wird geprüft, ob subjektive Schluckbeschwerden gemäß DHI mit klinisch objektivierbaren Befunden gemäß PAS und FOIS zusammenhängen.

Material und Methoden

Im Rahmen einer Querschnittstudie haben 51 Patienten (19 Frauen und 32 Männer) im Durchschnittsalter von 65.5 Jahren (25 bis 81 Jahre) mit neurologisch bedingten Schluckstörungen den deutschen Dysphagia Handicap Index (DHI) von 05/2013 bis 08/2015 ausgefüllt. Bei jedem Patienten erfolgte eine fiberendoskopische Schluckuntersuchung (FEES), anhand derer die Einschränkung der Schluckfunktion mittels Penetration Aspiration Scale (PAS) und Functional Oral Intake Scale (FOIS) bestimmt wurden. Die Korrelationen der einzelnen Fragen und der Unterskalen (emotional, funktionell, physisch) des DHI mit den Skalen PAS und FOIS wurden mittels des Spearman’s rho berechnet. Zusätzlich wurde auch mittels Spearman’s rho der Einfluss des Alters statistisch untersucht.

Ergebnisse

In der Verteilung der klinischen Diagnosen waren der Stimmlippenstillstand mit 33,3% (n=17) und Motoneuronerkrankungen mit 15,7% (n=8) am häufigsten. Zwischen dem Alter und den Fragen E3, E7, F1–F3, P3–5, P7–9 und ZF zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang (p<0,05). Signifikante Korrelationen lagen zwischen PAS und der Aussage P9 sowie zwischen FOIS und der Aussage F1 und P1 vor. Für FOIS und die Aussage F1 war die Korrelation hoch signifikant (p<0,001) und mit der Aussage P1 signifikant (p<0,05).

Diskussion

In unserer Studie zeigten die 3 Fragen P1, P9 und F1 des deutschen Dysphagia Handicap Index (DHI) signifikante Korrelationen mit objektiv erhobenen Einschränkungen der Schluckfunktion gemäß PAS und FOIS. Somit sind diese Fragen die besten Indikatoren für das tatsächliche Vorliegen einer nachweisbaren Schluckstörung. Dies ist besonders im Hinblick auf die Anwendung des Fragenbogens im Rahmen von klinischen Screenings relevant, und zeigt, dass Patienten mit Auffälligkeiten in diesen Fragen zeitnah instrumentell untersucht werden sollten.

Bis anhin standen nur eingeschränkte Daten zum Zusammenhang zwischen subjektiven und objektiven Schluckbeschwerden zur Verfügung. Im Rahmen der Validierung des DHI von Silbergleit et al. wurde eine Videofluoroskopie zur Objektivierung der Schluckstörungen durchgeführt. Dort zeigten sich signifikant unterschiedliche Ergebnisse für den gesamten DHI, sowie alle Unterskalen für verschiedene Patientengruppen je nach Schweregrad der Dysphagie [7].

Eine Arbeit von Oda et al. untersucht, wie die Resultate des DHI mit den Ergebnissen einer Videofluoroskopie bei Patienten einer neurologischen und psychiatrischen Klinik zusammenhängen [6]. Dabei zeigte sich eine signifikante Differenz für den gesamten DHI zwischen Patienten mit mittelschwerer und keiner Dysphagie sowie zwischen Patienten mit schwerer und keiner Dysphagie [6].

Diese Arbeiten belegen, dass Zusammenhänge zwischen subjektiven Beschwerden gemäß DHI und objektiven Befunden vorliegen können. Zusammen mit den vorliegenden aktuellen Ergebnissen deutet dies auf eine hohe Validität und klinische Aussagekraft des DHI bei Patienten mit Schluckstörungen hin.

Schlussfolgerungen

  • In unserer Studie bei Patienten mit einer neurogenen Dysphagie lag ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen subjektiven Schluckbeschwerden gemäß DHI und objektivierbaren Befunden gemäß PAS und FOIS vor.
  • Die Fragen P1, P9 und F1 des DHI waren die besten Indikatoren für das tatsächliche objektivierbare Vorliegen einer Schluckstörung.

Literatur

1.
Hanke F, Rittig T, Simonis, D et al. Konsensuspapier – Bedarfsgerechte Medikation bei neurologischen und geriatrischen Dysphagie-Patienten. MMW-Fortschritte der Medizin Originalien. 2014;2:64-71. DOI: 10.1007/s15006-014-3228-y External link
2.
Wendler J, Seidner W, Eysholdt U. Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie. Stuttgart: Thieme.
3.
Dwivedi RC, St Rose S, Chisholm EJ, Georgalas C, Bisase B, Amen F, Kerawala CJ, Clarke PM, Nutting CM, Rhys-Evans PH, Harrington KJ, Kazi R. Evaluation of swallowing by Sydney Swallow Questionnaire (SSQ) in oral and oropharyngeal cancer patients treated with primary surgery. Dysphagia. 2012 Dec;27(4):491-7. DOI: 10.1007/s00455-012-9395-z External link
4.
Zielske J, Bohne S, Axer H, Brunkhorst FM, Guntinas-Lichius O. Dysphagie-Management im Akut- und Langzeitverlauf bei kritisch kranken intensivpflichtigen Patienten [Dysphagia management of acute and long-term critically ill intensive care patients]. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2014 Oct;109(7):516-25. DOI: 10.1007/s00063-013-0217-3 External link
5.
Asadollahpour F, Baghban K, Asadi M. Validity and Reliability of the Persian Version of the Dysphagia Handicap Index (DHI). Iran J Otorhinolaryngol. 2015 May;27(80):185-91.
6.
Oda C, Yamamoto T, Fukumoto Y, Nakayama K, Sato M, Murata M, Kobayashi Y. Validation of the Japanese translation of the Dysphagia Handicap Index. Patient Prefer Adherence. 2017;11:193-198. DOI: 10.2147/PPA.S126052 External link
7.
Silbergleit AK, Schultz L, Jacobson BH, Beardsley T, Johnson AF. The Dysphagia handicap index: development and validation. Dysphagia. 2012 Mar;27(1):46-52. DOI: 10.1007/s00455-011-9336-2 External link