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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Visualisierung des Schluckvorgangs mittels Oberflächenelektromyographie und Elektropalatographie

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc59

doi: 10.3205/15dgpp50, urn:nbn:de:0183-15dgpp501

Published: September 7, 2015

© 2015 Zaretsky et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Oberflächenelektromyographie (sEMG) und Elektropalatographie (EPG) eignen sich zur Ableitung schluckrelevanter Teilfunktionen. Ziel der vorliegenden Studie ist die Generierung eines mathematischen Modells anhand einer kombinierten sEMG- und EPG-Ableitung mit simultan durchgeführter Videofluoroskopie (VFS) zur Darstellung des oropharyngealen Schluckablaufs in einem Animationsmodell.

Material und Methoden: sEMG, EPG und VFS wurden simultan bei drei gesunden männlichen Probanden (49, 52, 61 Jahre) bei drei Schlucken (5 und 20 ml flüssiges, 10 ml dickflüssiges Kontrastmittel) sowie bei Artikulation aller deutschen Laute in zwei Sätzen durchgeführt. Die VFS-Aufnahmen wurden in Einzelbilder konvertiert, in denen schluckrelevante Strukturen, z.B. Velum, Hyoid, und unbewegliche Referenzpunkte mittels 64 Punkten markiert wurden. Mit einer für dieses Projekt entwickelten Software wurden diese VFS-Daten mit denen des sEMG und EPG zusammengeführt, um auf Basis einer multilinearen Regression schluckrelevante Teilbewegungen mit alleiniger sEMG- und EPG-Ableitung zu visualisieren.

Ergebnisse: Für die in der VFS über 64 Punkte definierten schluckrelevanten Strukturen ließen sich Regressionskoeffizienten bestimmen und entsprechende Teilbewegungen als Animation darstellen, wobei die VFS-Werte nun durch die Koeffizienten geschätzt werden können.

Diskussion: Die Visualisierung des oropharyngealen Schluckablaufs auf Basis einer sEMG- und EPG-Ableitung ist bei schluckgesunden Probanden möglich. Die hier vorgestellte Technologie sollte an einer größeren Stichprobe weiterentwickelt werden, um Anwendungsmöglichkeiten in der Versorgung von Patienten mit einer Schluckstörung unterschiedlicher Genese hinsichtlich Diagnostik und Therapie zu evaluieren.

Fazit: Die kombinierte sEMG- und EPG-Ableitung eignet sich für die Visualisierung des oropharyngealen Schluckablaufs in einem Animationsmodell.


Text

Hintergrund

Oberflächenelektromyographie (sEMG) und Elektropalatographie (EPG) eignen sich zur Ableitung schluckrelevanter Teilfunktionen. In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere Studien veröffentlicht, in denen Zusammenhänge zwischen Muskelaktivitäten und sEMG-Signalen nachgewiesen wurden [1], [2], [3], [4], [5]. Vor allem konnten schluckassoziierte sEMG-Signale von laryngealen, submentalen und pharyngealen Elektrodenpositionen bei gesunden, aber auch schluckauffälligen Probanden demonstriert werden [6], [7]. Ziel der vorliegenden Studie ist die Generierung eines mathematischen Modells anhand einer kombinierten sEMG- und EPG-Ableitung mit simultan durchgeführter Videofluoroskopie (VFS) zur Darstellung des oropharyngealen Schluckablaufs in einem Animationsmodell.

Material und Methoden

sEMG, EPG und VFS wurden simultan bei drei gesunden männlichen Probanden (49, 52, 61 Jahre) bei drei Schlucken (5 und 20 ml flüssiges, 10 ml dickflüssiges Kontrastmittel) sowie bei Artikulation aller deutschen Laute in zwei Sätzen durchgeführt. sEMG-Mikrovoltwerte wurden an 16 Kanälen in schluckrelevanten Regionen am Gesicht und Hals aufgezeichnet. EPG-Signale wurden an 62 Kontaktsensoren von individuell angefertigten EPG-Platten aufgenommen. Die VFS-Aufnahmen wurden in Einzelbilder konvertiert (25/Sek), in denen schluckrelevante Strukturen, z.B. Velum, Hyoid, und unbewegliche Referenzpunkte mittels 64 Punkten markiert wurden. Mit einer für diese Studie entwickelten Software wurden diese VFS-Daten mit denen des sEMG und EPG zusammengeführt, um auf Basis einer multilinearen Regression schluckrelevante Teilbewegungen mit alleiniger sEMG- und EPG-Ableitung zu visualisieren. Die Synchronisierung der sEMG-, EPG- und VFS-Daten erfolgte über akustische Signale am Anfang der Messung.

Ergebnisse

Für die in der VFS über 64 Punkte definierten schluckrelevanten Strukturen ließen sich Regressionskoeffizienten bestimmen und entsprechende Teilbewegungen als Animation darstellen, wobei die VFS-Werte nun durch die Koeffizienten geschätzt werden können. Auf der Abbildung 1 [Abb. 1] wird die Visualisierung des Schluckvorgangs eines Probanden im Vergleich mit den gemittelten Werten von drei Probanden demonstriert, die man als „Referenzstandard“ heranziehen kann. Die Visualisierung kann sowohl direkt während der Aufnahme als auch von gespeicherten Daten erfolgen, wobei mehrere Parameter der sEMG-Darstellung angepasst werden können: Zeitachse, Signalverstärkung, Glättungsgrad. Des Weiteren eignet sich das Programm für die halbautomatisierte Bearbeitung von sEMG-Daten einschl. Bestimmung von kurvenmorphologischen Faktoren: Integral, Latenz, Anstiegs- und Abstiegsflanke, Amplitude und Schwerpunkt.

Diskussion

Die Visualisierung des oropharyngealen Schluckablaufs auf Basis einer sEMG- und EPG-Ableitung ist bei schluckgesunden Probanden möglich. Die hier vorgestellte Technologie sollte an einer größeren Stichprobe weiterentwickelt werden, um Anwendungsmöglichkeiten in der Versorgung von Patienten mit einer Schluckstörung unterschiedlicher Genese hinsichtlich Diagnostik und Therapie zu evaluieren. Das entwickelte Programm ist für den Einsatz in Biofeedback-Geräten geeignet.

Fazit

Die kombinierte sEMG- und EPG-Ableitung eignet sich für die Visualisierung des oropharyngealen Schluckablaufs in einem Animationsmodell.


Literatur

1.
Palmer PM, Luschei ES, Jaffe D, McCulloch TM. Contributions of individual muscles to the submental surface electromyogram during swallowing. J Speech Lang Hear Res. 1999 Dec;42(6):1378-91. DOI: 10.1044/jslhr.4206.1378 External link
2.
Perlman AL, Palmer PM, McCulloch TM, Vandaele DJ. Electromyographic activity from human laryngeal, pharyngeal, and submental muscles during swallowing. J Appl Physiol. 1999 May;86(5):1663-9.
3.
Vaiman M, Eviatar E, Segal S. Surface electromyographic studies of swallowing in normal subjects: a review of 440 adults. Report 1. Quantitative data: timing measures. Otolaryngol Head Neck Surg. 2004 Oct;131(4):548-55. DOI: 10.1016/j.otohns.2004.03.013 External link
4.
Vaiman M, Eviatar E, Segal S. Surface electromyographic studies of swallowing in normal subjects: a review of 440 adults. Report 2. Quantitative data: amplitude measures. Otolaryngol Head Neck Surg. 2004 Nov;131(5):773-80. DOI: 10.1016/j.otohns.2004.03.014 External link
5.
Vaiman M, Eviatar E, Segal S. Evaluation of normal deglutition with the help of rectified surface electromyography records. Dysphagia. 2004;19(2):125-32. DOI: 10.1007/s00455-003-0504-x External link
6.
Crary MA, Carnaby Mann GD, Groher ME. Biomechanical correlates of surface electromyography signals obtained during swallowing by healthy adults. J Speech Lang Hear Res. 2006 Feb;49(1):186-93. DOI: 10.1044/1092-4388(2006/015) External link
7.
Ertekin C, Aydoğdu I, Yüceyar N, Pehlivan M, Ertaş M, Uludağ B, Celebi G. Effects of bolus volume on oropharyngeal swallowing: an electrophysiologic study in man. Am J Gastroenterol. 1997 Nov;92(11):2049-53.