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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Musikerfahrung von Patienten mit SSD vor und nach Cochlea Implantation im Vergleich zu normal hörenden Probanden

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker S. J. Brockmeier - Abt. für Pädaudiologie, Universität Basel, Basel, Schweiz
  • R. Mlyinski - HNO-Klinik, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • A. Radeloff - HNO-Klinik, Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • T. Stark - HNO-Klinik, Technische Universität, München, Deutschland
  • C. Teschke - HNO-Klinik, Technische Universität, München, Deutschland
  • F. Honneger - Abt. für Pädaudiologie, Universität Basel, Basel, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV33

doi: 10.3205/14dgpp58, urn:nbn:de:0183-14dgpp585

Published: September 2, 2014

© 2014 Brockmeier et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In der Vergangenheit war die Kombination eines normal hörenden Ohres mit einem CI auf der anderen Seite nicht erfolgreich. Jedoch wurde diese Therapieoption durch den technischen Fortschritt möglich. Die Ergebnisse, die bisher berichtet wurden, beziehen sich auf das Hören im Störgeräusch sowie das räumliche Hören.

Untersuchungen zum Musikerleben sind bisher nicht erfolgt.

Diese Fragestellung ist besonders interessant, da ein normal hörendes Ohr, dem es optimal möglich ist, musikalische Reize aufzunehmen und weiterzuleiten, mit einem technischen Hilfsmittel kombiniert wird, das für die Wahrnehmung von Musik nur begrenzt geeignet ist.

Material und Methoden: Bisher wurden 9 Nutzer in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer waren zwischen 20 und 60 Jahren alt.

Die Implantatnutzungsdauer lag zwischen 3 Monaten und 3 Jahren. 8 nutzen das Medel Concerto System, einer ein Nucleus Freedom System.

Der MUMU Fragebogen wurde zur Erhebung des Musikerlebens eingesetzt. In 27 Fragen werden darin die musikalischen Aktivitäten und die Musikwahrnehmung erfasst. Es wird der Zeitraum vor der Hörminderung, vor der Implantation und nach der Implantation erfasst.

Ergebnisse: Alle Patienten berichten über einen Einbruch der musikalischen Aktivitäten und des Musikerlebens durch die Ertaubung. Alle tragen das CI zum Musikhören. Nach der Implantation ist es bei allen Patienten wieder zu einer Verbesserung bezüglich des Musikgenusses und der musikalischen Aktivitäten gekommen. Es wird im Wesentlichen wieder das Niveau der Zeit vor der einseitigen Ertaubung erreicht.

Diskussion: In der Literatur gibt es keine Berichte darüber, dass das Musikhören durch eine einseitige Hörminderung negativ beeinflusst wird. Die SSD-Patienten zeigten nach Implantation ebenso einen Zuwachs an musikalischen Aktivitäten wie die Patienten, die bei beidseitiger Schwerhörigkeit implantiert wurden.

Fazit: Obwohl das CI nur eingeschränkt geeignet ist, Musik zu übertragen, scheint der binaurale Höreindruck, der dadurch erzielt wird, nicht nur eine Verbesserung des Hörens im Störgeräusch sondern auch des Musikhörens zu bewirken.


Text

Einleitung

Die publizierten, positiven Ergebnisse einer einseitigen Cochlea Implantation bei kontralateraler Normalhörigkeit beziehen sich auf das Hören im Störgeräusch sowie das räumliche Hören und die Tinnitusmaskierung.

Untersuchungen zum Musikerleben sind bisher nicht erfolgt. Diese Fragestellung ist besonders interessant, da ein normal hörendes Ohr mit den physiologischen Gegebenheit, die erforderlich sind, um Musik wahrzunehmen, mit einem technischen Hilfsmittel kombiniert wird, das für die Wahrnehmung von Musik nur begrenzt geeignet ist, da durch den übertragenen Frequenzbereich, den Dynamikumfang sowie die fehlende Feinstruktur von Implantaten Musik nicht adäquat abgebildet wird.

Material und Methode

Der MUMU Fragebogen [1] wurde zur Erhebung des Musikerlebens eingesetzt. Die Daten werden wie folgt analysiert: SSD-CI Träger im Verlauf vor der Hörminderung, vor der Implantation, nach der Implantation; SSD-CI Träger im Vergleich zu einem Normalkollektiv. Bisher wurden 9 Nutzer in die Studie eingeschlossen mit Implantatnutzungsdauer zwischen 3 Monaten und 3 Jahren. 8 nutzen das Medel Concerto System mit der Sprachkodierungsstrategie FSP4, einer ein Nucleus Freedom System. Die normal hörenden Kontrollen wurden aus einem aktuellen Kollektiv zur Normierung des MUMU-Fragebogens entnommen und nach Alter und musikalischer Vorerfahrung gematched [2].

Die statistische Auswertung erfolgte mittels IBM SPSS Statistics 22 (Chi2Test, Wilcoxson Test) P-Wert <0.05 werden als signifikant gewertet.

Ergebnisse

Alle Patienten berichten über einen Einbruch der musikalischen Aktivitäten und des Musikerlebens durch die Ertaubung. Nach der Implantation ist es bei allen Patienten wieder zu einer Verbesserung bezüglich des Musikgenusses und der musikalischen Aktivitäten gekommen. Alle tragen das CI zum Musikhören. Daten sind in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt. 7/9 CI-Träger haben trainiert Musik zu hören, mit dem Hören von bekannter (N=6), und unbekannter Musik (N=3). Bei fünf war dies Teil der CI-Rehabilitation.

Im Vergleich mit der SSD-CI Patienten mit den normal hörenden besteht sowohl vor der Hörminderung als auch der Implantation kein signifikanter Unterschied. Dies gilt sowohl für die summarischen Items, die in der Tabelle 2 [Tab. 2] aufgeführt sind, als auch für die Überprüfung der Einzelpunkte wie. z.B. die Beurteilung einzelner Musikstile bezüglich ihrer Klangqualität.

Diskussion

Die Beobachtung, dass ein einseitiger, hochgradiger Hörverlust zu einer Verminderung der musikalischen Aktivitäten führt, wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Die von den Patienten empfundene Einschränkung ist sehr ausgeprägt und wird von jedem einzelnen Studienteilnehmer berichtet. Ob es sich hier um eine Begleiterscheinung des Traumas „Ertaubung“ handelt oder, ob die Qualität des Musikhörens und damit sekundär auch die Quantität, tatsächlich von der Fähigkeit des binauralen Hörens abhängen, muss weiter untersucht werden. Ein Hinweis, dass es sich um einen binauralen Effekt handeln könnte ist, dass sequenziell bilateral implantierte Personen berichten, dass durch das zweite Implantat die Qualität des Musikerlebens deutlich gebessert wird [3].

Durch die Cochlea Implantation bei einseitiger Ertaubung nehmen der Musikgenuss und die musikalischen Aktivitäten der Patienten wieder zu. Die CI-Träger beurteilen den Zustand dabei fast genauso wie vor der Hörminderung und nicht signifikant schlechter als die normal hörenden Kontrollen. Es kann diskutiert werden, ob es sich um einen positiven Nebeneffekt des besseren Hörens im Störgeräusch oder des verbesserten Richtungshörens und der damit gewonnen Lebensqualität handelt oder ob das CI, trotz seiner technischen Limitierung, einen positiven Beitrag zum Musikhören leistet. Die Tatsache, dass ausnahmslos alle untersuchten CI-Träger mit SSD das CI zum Musikhören tragen, legt letzteres nahe.

Fazit

Eine einseitig, neu aufgetretene Taubheit beeinflusst das Musikererleben negativ. Dies kann durch eine Cochlea Implantation wieder gebessert werden.


Literatur

1.
Brockmeier SJ. Munich Music Questionnaire (MUMU). MED-EL GmbH; 2000. Verfügbar unter: http://www.medel.com/int/media-gallery-print-materials-rehab/ External link
2.
Brockmeier SJ, Fitzgerald D, Searle O, Fitzgerald H, Grasmeder M, Hilbig S, Vermiere K, Peterreins M, Heydner S, Arnold W. The MuSIC perception test: a novel battery for testing music perception of cochlear implant users. Cochlear Implants Int. 2011 Feb;12(1):10-20. DOI: 10.1179/146701010X12677899497236 External link
3.
Veekmans K, Ressel L, Mueller J, Vischer M, Brockmeier SJ. Comparison of music perception in bilateral and unilateral cochlear implant users and normal-hearing subjects. Audiol Neurootol. 2009;14(5):315-26. DOI: 10.1159/000212111 External link