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29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Validierung des Tierstimmentests (mFAST)

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Nikolas Dudek - Lehrstuhl für Audiopädagogik, Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • author Frans Coninx - Lehrstuhl für Audiopädagogik, Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Yaw Offei - University of Winneba, Winneba, Ghana

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppV44

doi: 10.3205/12dgpp80, urn:nbn:de:0183-12dgpp808

Published: September 6, 2012

© 2012 Dudek et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Ermittlung der frequenzspezifischen Hörschwelle mit Sinustönen (PTA) ist goldener Standard in der Audiometrie. Dennoch ist dieses Verfahren nicht ohne Probleme. Um mögliche Effekte der Feinstruktur der Hörschwelle zu reduzieren und alltagsrelevante Reize anzubieten, wird der Einsatz spektral komplexerer, breitbandigerer Stimuli postuliert. Besonders bei der Testung von jüngeren Kindern verspricht man sich dadurch Vorteile.

Beim Tierstimmentest (mFAST: multi-Frequency Animal Sound Test) werden vier Tierstimmen (Kuh, Hund, Katze und Vogel) mit unterschiedlicher spektraler Zusammensetzung und mittlerer Frequenz (500, 1 k, 2 k, 4 kHz) verwendet, um die audiometrischen Hörschwellen in einem adaptiven Verfahren einzuschätzen.

Material und Methoden: In einer ersten Validierung wurden die mFAST-Schwellen mit denen für äquivalente Rauschbänder und Reintöne verglichen (normalhörende Erwachsene). Zudem wurden die mFAST-Schwellen bei normalhörenden Kindern (4–6 Jahre) mit dem Tonaudiogramm (PTA) verglichen.

Bei 45 normalhörenden Erwachsenen (89 Ohren, Alter: 20–30 J.) wurden die Hörschwellen mit dem AuriCheck® Handheld Audiometer gemessen.

Neben mFAST wurde das duoTone Verfahren (Reintöne und Rauschbänder) eingesetzt, dem dasselbe adaptive Verfahren wie bei mFAST zugrunde liegt.

33 Kinder einer Kindertagesstätte (58 Ohren; 4–6 J.) wurden mit mFAST getestet, davon 28 Ohren zusätzlich spielaudiometrisch mit PTA.

Ergebnisse: Bei den Erwachsenen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen mFAST und duoTone bei Rauschen und Reintönen (mit Ausnahme von 7dB Unterschied bei 4 kHz Reintönen).

Alle Kinder konnten mit mFAST getestet werden, während bei 20% eine Testung mit PTA nicht gelang. Die Hörschwellen waren altersabhängig und lagen bei mFAST durchschnittlich 6 dB über der PTA-Schwelle.

Die Testdauer konnte mit einer kürzeren mFAST Version erheblich reduziert werden.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass mFAST als eine (bessere) Alternative zur Reintonaudiometrie bei Hörscreening und -testung jüngerer Kinder eingesetzt werden kann.

Erste Ergebnisse der Validierung bei Hörgeschädigten werden präsentiert.


Text

Einleitung und Hintergrund

Die Ermittlung der frequenzspezifischen Hörschwelle mit Sinustönen (PTA) ist goldener Standard in der Audiometrie bei Erwachsenen und Kindern.

Dennoch ist dieses Verfahren nicht ohne Probleme. So können Effekte der Feinstruktur der Hörschwelle die Ergebnisse verfälschen [1]. Zudem sind besonders bei der Testung von jüngeren Kindern Sinustöne nicht immer optimal und führen zu einer geringen Aufmerksamkeitsspanne. Hier scheint der Einsatz alltagsnaher, spektral komplexerer und breitbandigerer Stimuli Vorteile zu versprechen [2], [3].

Ein Verfahren, das die beschriebenen Anforderungen berücksichtigt und zudem schnell und effizient durchführbar ist, ist der multifrequente Tierstimmentest (mFAST).

Beim mFAST werden vier Tierstimmen (Kuh, Hund, Katze und Vogel) verwendet, jeweils ca. eine Oktave breit und mit unterschiedlicher mittlerer Frequenz (500, 1 k, 2 k, 4 kHz, Abbildung 1 [Abb. 1]). In einer spielähnlichen Situation soll das Kind am Laptop oder Touchscreen das Bild des Tieres anwählen, dessen Stimme es zuvor gehört hat. Es wird eine automatische multi-adaptive Prozedur verwendet, die je nach Antwort (korrekt oder falsch) dieselbe Tierstimme beim nächsten Versuch entweder 7 dB leiser oder 14 dB lauter anbietet. Innerhalb kurzer Zeit lassen sich so die Hörschwellen für vier Frequenzbereiche der Tierstimmen ermitteln, die dann zur Einschätzung der PTA-Schwellen verwendet werden.

Material und Methoden

Das mFAST-Testverfahren wurde schrittweise validiert:

1.
Die mFAST-Schwellen normalhörender Erwachsener wurden mit den Hörschwellen für äquivalente Rauschbänder und Sinustöne verglichen. Bei 45 normalhörenden Erwachsenen (89 Ohren, Alter: 20–30 J.) wurden dazu drei Hörschwellen mit dem AuriCheck® Handheld Audiometer gemessen. Neben mFAST wurde das duoTone Verfahren (für Sinustöne und mFAST-äquivalente Rauschbänder) eingesetzt, dem dasselbe adaptive Verfahren wie bei mFAST zugrunde liegt. Die Testpersonen sollten dabei angeben, ob sie einen langen, tiefen Reiz oder drei kurze, hohe Reize gehört haben.
2.
Die mFAST-Schwellen normalhörender Kinder wurden mit den PTA-Hörschwellen verglichen. 33 Kinder einer Kindertagesstätte (58 Ohren; Alter: 4–6 J.) wurden dazu mit mFAST getestet, davon 28 Ohren zusätzlich spielaudiometrisch mit PTA (500, 1 k, 2 k und 4 kHz). Außerdem wurden 10 Kinder (20 Ohren; 4–6 J.) mit einer verkürzten mFAST Variante getestet, die statt vier Hörschwellen nur zwei Schwellen ermittelt (0,7 und 3 kHz). Davon wurden 14 Ohren zusätzlich mit PTA getestet.
3.
Die mFAST-Schwellen hörgeschädigter Erwachsener wurden mit den Daten des Tonaudiogramms verglichen. Dazu wurden 17 hörgeschädigte Erwachsene (34 Ohren; Alter: 33–86 J., M=73,7 J.) in einem Hörakustikgeschäft mit dem AuriCheck® Handheld Audiometer mit mFAST getestet. Zusätzlich wurden die korrespondierenden PTA-Schwellenwerte aus den Patientenakten übermittelt. Als Ausschlusskriterium galt ein Hörverlust von mehr als 80 dB HL bei einer Frequenz.

Ergebnisse

1.
Bei den normalhörenden Erwachsenen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen mFAST und duoTone (mit Ausnahme von 7dB HL Unterschied bei den 4 kHz Sinustönen). Die durchschnittlichen Hörschwellen lagen über die Frequenzen hinweg bei 7,3 dB HL (mFAST), 6,6 dB HL (Rauschen) und 4,2 dB HL (Reintöne).
2.
Alle Kinder konnten mit mFAST getestet werden, während bei 20% der Kinder eine Testung mit PTA aufgrund mangelnder Kooperation nicht gelang. Die Hörschwellen waren altersabhängig und lagen bei mFAST (vier Schwellen) über die Tierstimmen hinweg durchschnittlich bei 13 dB HL. Die mFAST-Schwellen der zusätzlich mit PTA getesteten Ohren (n=28) lagen durchschnittlich bei 12 dB HL. Damit lagen sie im Schnitt 6 dB über der korrespondierenden PTA-Schwelle (Abbildung 2 [Abb. 2]). Dieser Unterschied war für die Frequenzbereiche 1, 2 und 4 kHz signifikant (8,5; 9; 5 dB HL). Für 500 Hz war der Unterschied nicht signifikant (0,5 dB HL). Die Dauer der Testung mit mFAST betrug im Schnitt 251 Sekunden pro Ohr. Durch die kürzere mFAST Version mit zwei Schwellenwerten konnte die Testdauer auf durchschnittlich 150 Sekunden pro Ohr reduziert werden. Die durchschnittlichen Hörschwellen lagen hier insgesamt bei 14 dB HL (mFAST; n=20 Ohren). Die mFAST-Schwellen lagen im Durchschnitt 5 dB über den PTA-Schwellen (n=14; mFAST: 12 dB HL; PTA: 7 dB HL).
3.
Die durchschnittlichen mFAST-Schwellen der hörgeschädigten Erwachsenen lagen bei 37 (Kuh), 43 (Hund), 53 (Katze) und 57 dB HL (Vogel). Die entsprechenden PTA-Schwellen lagen bei 33 (500 Hz), 39 (1kHz), 48 (2kHz) und 61 dB HL (4kHz). Damit lagen die mFAST-Schwellen durchschnittlich 4,5 dB HL über den PTA-Schwellen mit Ausnahme der 4kHz-Schwelle, die bei mFAST ca. 4 dB niedriger war als bei PTA. Diese Unterschiede waren nicht signifikant. Die Korrelation zwischen mFAST und PTA war mit r=.85 (p<0.01) signifikant. Einige Testpersonen (n=4) hatten Probleme die Tierstimme „Katze“ zu erkennen, obwohl sie diese aufgrund ihrer (tonaudiometrischen) Hörschwelle für 2 kHz hätten hören müssen.

Diskussion und Fazit

Insgesamt zeigte sich in allen drei Validierungstests eine gute Übereinstimmung zwischen mFAST- und PTA-Schwellenwerten. Genauer zu untersuchen ist der signifikante Unterschied zwischen mFAST und PTA bei Kindern im Frequenzbereich von 1–4 kHz. Zudem ist noch unklar, warum einige hörgeschädigte Erwachsene die Tierstimme „Katze“ nicht erkennen konnten.

Im Mittel konnten auch die mit mFAST entdeckten Hörverluste der hörgeschädigten Erwachsenen gut mit den Daten aus dem Tonaudiogramm bestätigt werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass mFAST als eine (bessere) Alternative zur Reintonaudiometrie bei Hörscreening und -testung jüngerer Kinder eingesetzt werden kann. Eine weitere Validierung bei hörgeschädigten Kindern folgt.

Für Screeningzwecke ist eine weitere Verkürzung der Testdauer anzustreben.

Danksagung

Besonderer Dank gilt Frau Kopka (Hörgeräteakustik Geers in Köln) für die mFAST-Datenerhebung mit AuriCheck.


Literatur

1.
Lee J, Long G. Stimulus characteristics which lessen the impact of threshold fine structure on etimates of hearing status. Hear Res. 2012 Jan;238 (1-2): 24-32. DOI: 10.1016/j.heares.2011.11.011 External link
2.
Myers LL, Letowski TR, Abouchacra KS, Kalb JT, Haas EC. Detection and recognition of octave-band sound effects. J Am Acad Audiol. 1996 Oct;7(5):346-57.
3.
Massie R, Dillon H, Ching T, Birtles G. The evaluation of nontonal stimuli for hearing assessment of young children. Austr NZ J Audiol. 2005 May;27 (1): 10-17. DOI: 10.1375/audi.2005.27.1.10 External link