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28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
2. Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie; Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

09.09. - 11.09.2011, Zürich, Schweiz

Stimmfeldmessung bei prä- und postlingual ertaubten CI-Patienten

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), 2. Dreiländertagung D-A-CH. Zürich, 09.-11.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dgppV27

doi: 10.3205/11dgpp37, urn:nbn:de:0183-11dgpp377

Published: August 18, 2011

© 2011 Hilmers et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Das Kennzeichen gehörlos geborener Menschen ist eine monotone und überhöhte Sprechstimme aufgrund der eingeschränkten auditiven Rückkopplung. Das Ziel der Untersuchung war der Vergleich der Stimmfelder [SF] prä [päl]- und postlingual [pol] ertaubter weiblicher Erwachsener mit Cochlea Implantat.

Material und Methoden: 13 erwachsene weibliche CI-Trägerinnen wurden prospektiv hinsichtlich ihrer Stimmparameter (SingSF, SprechSF, mittlere Sprechstimmlage) mit dem Kay-CSL Model 4500 Voice Range Profile untersucht. 6 Patientinnen waren päl- und 7 pol-ertaubt.

Ergebnisse: Die päl-ertaubte Gruppe zeigt einen leisen, behauchten Stimmcharakter mit eingeschränkter Dynamik. Die SF liegen im Rahmen des NormSF, sind aber in 3/6 Fällen im Umfang reduziert.

Die pol-ertaubte Gruppe zeigt einen regelrechten Stimmcharakter, 2 zeigen eine auffällige Artikulation und die Intensitätsminima liegen erhöht bei ca. 73 dB. Ihre SF sind in 4/7 Fällen spitz und um ca. 2. Ganztöne nach links verschoben gegenüber einem weiblichen NormST. Die Dynamik ist eher erhöht.

Diskussion: In dieser kleinen Stichprobe der weiblichen Cochleaimplantat Patienten ist ein Unterschied der Stimmqualität in Abhängigkeit von der auditiven Vorerfahrung nachweisbar. In der päl Gruppe war die Stimmqualität erwartungsgemäß eingeschränkt, wenngleich eine überhöhte Sprechstimmlage nicht nachweisbar war. Lassen sich hierin Rückschlüsse auf das präoperative Restgehör ziehen oder liegt die Ursache in der Cochleaimplantation?


Text

Einleitung und Hintergrund

Das Kennzeichen gehörlos geborener Menschen ist eine monotone und überhöhte Sprechstimme aufgrund der eingeschränkten auditiven Rückkopplung. Das Ziel der Untersuchung war der Vergleich der Stimmfelder prä- und postlingual ertaubter weiblicher Erwachsener mit Cochlea Implantat.

Material und Methoden

Für die Untersuchung wurden insgesamt 13 weibliche CI-Trägerinnen unterschiedlichen Alters ausgewählt, die ihr Cochlea-Implantat aufgrund prä- bzw. postlingualer Ertaubung bekamen. 6 Patientinnen konnten der prälingualen Gruppe und 7 der postlingualen Gruppe zugeordnet werden. Untersucht wurden sowohl ihr Sing- und Sprechstimmfeld, als auch die mittlere Sprechstimmlage. Die Software zur Ermittlung der Stimmparameter war das Kay-CSL Model 4500 Voice Range Profile. Als Referenz galt das Normstimmfeld nach Schultz-Coulon/Klingholz (1990). Zusätzlich wurde bei jeder Patientin eine Stimmanamnese mithilfe des Erhebungsbogens der Abteilung für Pädaudiologie und Phoniatrie der Uniklinik Köln vorgenommen.

Ergebnisse

Die Beurteilung der Spontan- und Arbeitsstimme stellte sich bei den prälingual ertaubten CI-Trägerinnen etwas uneinheitlich dar. 3/6 zeigten einen leisen und behauchten Stimmcharakter. Dynamisch hingegen waren keine Auffälligkeiten zu erkennen, auch Stimmein- und -absätze können als physiologisch betrachtet werden. Die Sprechqualität brachte wiederum bei 3/6 Patientinnen Schwierigkeiten bei der Bildung von Verschlusslauten mit sich. Die Sprechstimmlagendifferenz war regelrecht bei durchschnittlich 1 Ganzton. Betrachtet man die Stimmfelder der untersuchten 6 prälingual ertaubten Patientinnen, fällt allgemein zunächst ein reduziertes Gesamtbild auf. Auch wenn sich die Linien etwas unregelmäßiger und „holpriger“ darstellen, ist zu erkennen, dass sie sich dennoch viel näher im Rahmen des Normstimmfeldes aufhalten. Die Pianokurve verläuft bis auf eine Ausnahme flach aufsteigend. Die Fortekurve zeigt initial einen leicht steilen Aufstieg, der aber dann abflacht und sich meist bis zum Intensitätsmaximum aufschwingt. Eine Reduzierung der Fortekurve im oberen Drittel zeigen nur 2 Patientinnen. Das Intensitätsminimum liegt im Schnitt bei ca. 60 dB, das Maximum hingegen ist verteilt zwischen 85 bis sogar 114 dB zu finden. Die Pianokurve liegt insgesamt niedriger als in der Vergleichsgruppe. Bei 3 von 6 Patientinnen kann eine mäßige bis deutliche Verkürzung beider Kurven beschrieben werden. Insgesamt überschreiten die Stimmfelder kaum den Spielraum des Normstimmfeldes, sind aber bezüglich der Stimmleistung eher reduziert dargestellt.

Bei der Beurteilung der Spontan- und Arbeitsstimme zeigt die postlingual ertaubte Gruppe bei 5/7 Patientinnen einen regelrechten Stimmcharakter. 2 zeigen eine auffällige Artikulation in Form eines knarrenden und etwas zu lauten Stimmklangs und einer Beeinträchtigung bei der Bildung von Verschlusslauten. Bei der Sprechstimmlagendifferenz zeigten wiederum 2/7 Patientinnen einen Ambitus von 3,5 Ganztönen (131–196 Hz und 165–247 Hz). Nahezu alle zeigen im Vergleich zum weiblichen Normstimmfeld eine deutliche Linksverschiebung der Tontiefe um ca. 2 Ganztöne, die bis maximal 87 Hz reicht. Auch die maximal erreichte Tonhöhe ist bei 5 von 7 Patientinnen deutlich verringert und liegt im Schnitt bei ungefähr 392 Hz. Ein weiterer Unterschied zeichnet sich bei der Pianokurve ab. Sie ist bei 4 Patientinnen ausschließlich im Tieftonbereich vorhanden und steigt steil, beinahe proportional zur Intensität, an. Bei den 3 anderen ist die Kurve zwar eher flach, die Intensitätsminima liegen jedoch erhöht bei ca. 73 dB. Die Fortekurve zeigt in den meisten Fallen im Hochtonbereich keinen Abschwung mehr, sondern endet eher abrupt am Intensitätsmaximum. Die Dynamik ist insgesamt eher erhöht.

Diskussion

In dieser kleinen Stichprobe der weiblichen Cochleaimplantat Patienten ist ein Unterschied der Stimmqualität in Abhängigkeit von der auditiven Vorerfahrung nachweisbar. In der prälingualen Gruppe war die Stimmqualität erwartungsgemäß eingeschränkt, wenngleich eine überhöhte Sprechstimmlage nicht nachweisbar war. Lassen sich hierin Rückschlüsse auf das präoperative Restgehör ziehen oder liegt die Ursache in der Cochleaimplantation? Betrachtet man die Stimmfelder nun einmal innerhalb einer Gruppe und berücksichtigt die Dauer der Ertaubung und den Impantationszeitpunkt, so lässt sich zumindest für die Gruppe der postlingual Ertaubten sagen, dass sich eine frühzeitige Implantation offensichtlich positiv auf die spätere Qualität des Sprech- uns Singvermögens auswirkt. Die Stimmfelder der kurzzeitig Ertaubten zeigen insgesamt eine größere Dynamik. Offensichtlich lassen sich die über einen längeren Zeitraum konditionierten Stimmveränderungen schlechter korrigieren und das Neuerlernen des Hörens und die Assoziationen mit dem Sprachapparat scheinen erschwert. Kritisch ist sicher zu bemerken, dass zur Bestätigung der Ergebnisse sicher eine Ausweitung der Fallzahl indiziert sein mag, wobei auch die die Untersuchung einer gegengeschlechtlichen Gruppe ratsam sein könnte. Zum anderen stellt sich auch die Frage der Compliance der Patientinnen. Da die Präsentation der Stimme in Form einer Stimmfelduntersuchung, sicher auch insbesondere für Hörgeschädigte, eine besondere Herausforderung darstellt und auch ein gewisses Maß an Mut bedarf, kann dies zu Ungenauigkeiten bei der Messung geführt haben. Grundsätzlich aber wurden bei keiner Patientin besondere Auffälligkeiten hinsichtlich dieser Problematik deutlich, sodass von einer recht homogenen Motivation ausgegangen werden kann. Ein anderer Faktor sind vielleicht unregelmäßige Voraussetzungen innerhalb der Gruppen bezogen auf eine bilaterale oder unilaterale Versorgung mit einem Cochlea-Implantat. Ein anderer Faktor, der bei dieser Untersuchung nicht berücksichtigt wurde, ist die Programmierung der Implantate.


Literatur

1.
Svirsky MA, Robbins AM, Kirk KI, Pisoni DB, Miyamoto RT. Language development in profoundly deaf children with cochlear implants. Psychol Sci. 2000;11(2):153-8.
2.
Hunter EJ, Svec JG, Titze IR. Comparison of the produced and perceived voice range profiles in untrained and trained classical singers. J Voice. 2006;20(4):513-26. DOI: 10.1016/j.jvoice.2005.08.009 External link
3.
Peng SC, Tomblin JB, Turner CW. Production and perception of speech intonation in pediatric cochlear implant recipients and individuals with normal hearing. Ear Hear. 2008;29(3):336-51. DOI: 10.1097/AUD.0b013e318168d94d External link