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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Ortsabhängige Analyse der Schwingungseigenschaften von Stimmlippen mittels Phonovibrogrammen

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppV20

doi: 10.3205/10dgpp29, urn:nbn:de:0183-10dgpp295

Published: August 31, 2010

© 2010 Meyer et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Der quantitativen Analyse von Stimmlippenschwingungen kommt im Rahmen der evidenzbasierten Diagnostik von Dysphonien eine tragende Bedeutung zu. Endoskopische Hochgeschwindigkeitsvideosysteme ermöglichen heutzutage einen Einblick in die dynamische Struktur von Stimmlippenschwingungen, deren Auswertung bedarf jedoch einer geeigneten objektiven Analyse. Durch die Entwicklung der Phonovibrographie ist es gelungen, die Schwingungsmuster beider Stimmlippen unabhängig voneinander zu analysieren und durch objektive Parameter zu beschreiben [1]. Durch die phonovibrographische Auswertung können die Schwingungseigenschaften beider Stimmlippen an unterschiedlichen glottalen Positionen genau dargestellt und deren ortsabhängige Feinstruktur analysiert werden. Dies ermöglicht eine umfassende Beschreibung der Schwingungsdynamik bei gesunder [2] als auch pathologischer Stimmgebung.

Material und Methoden: Stimmlippenschwingungen von 10 gesunden Probanden wurden mittels Hochgeschwindigkeitsendoskopie aufgezeichnet und jeweils eine aus 500 Einzelbildern bestehende Sequenz segmentiert und mit Phonovibrogrammen (PVG) analysiert. Basierend auf der PVG-Analyse wurden klinisch relevante Parameter wie der Open-Quotient, die Glottisschluss-Insuffizienz als auch die Stabilität der Schwingungsamplituden und der Schwingungszyklen der linken und rechten Stimmlippe entlang der gesamten glottalen Achse bestimmt.

Ergebnisse: Die berechneten Parameter erlauben eine ortsabhängige Analyse und quantitative Darstellung des Schwingungsverhaltens beider Stimmlippen entlang der gesamten glottalen Achse. Die Parameter zeigen, dass sich das Schwingungsverhalten der Stimmlippen entlang der Glottisachse systematisch ändert. Weiterhin zeigt die quantitative Auswertung des Kollektivs gesunder Stimmprobanden, dass ein linearer Zusammenhang zwischen Parametern wie der Glottisschluss-Insuffizienz und dem Open-Quotient als auch zwischen Amplituden- und Zyklenstabilität beider Stimmlippen existiert.

Diskussion: Das PVG ermöglicht sowohl eine klinisch wertvolle Visualisierung der Stimmlippendynamik als auch eine quantitative Analyse beider Stimmlippen für jede Position entlang der glottalen Achse. Durch Analyse der PVGs lassen sich die horizontalen Schwingungsmuster der Stimmlippen vollständig quantifizieren und grundlegende Mechanismen der Stimmentstehung auf glottaler Ebene untersuchen.


Text

Einleitung und Hintergrund

Digitale endoskopische Hochgeschwindigkeits-(HG-)videosysteme ermöglichen heutzutage genaue Einblicke in die Feinstruktur der Dynamik von Stimmlippenschwingungen. Bei der Analyse von HG-Videoaufnahmen ist nicht nur die seitengetrennte sondern auch die ortsselektive Betrachtung der Schwingungscharakteristika von Bedeutung. Weiterhin ist eine objektive Auswertung von HG-Videos zur Elimination subjektiv geprägter Bewertungen anzustreben. Durch die computergestützte Auswertung von digitalen HG-Videoaufnahmen mittels Phonovibrographie lässt sich das Schwingungsverhalten jeder Stimmlippe getrennt und ortsabhängig entlang der glottalen Achse analysieren und graphisch darstellen [1]. Ebenso ist die Berechnung objektiver Parameter wie die lateralen Schwingungsamplituden, der Öffnungsquotient (OQ) und die Glottisschlussinsuffizienz (GCI) zur Beschreibung der Stimmlippendynamik sowohl bei gesunder als auch pathologischer Stimmgebung möglich [2].

Material und Methoden

10 stimmgesunde Probanden wurden starr endoskopisch mittels digitaler HG-Videoendoskopie (4000 Bilder/Sekunde) bei gehaltener Phonation laryngoskopiert. Die computergestützte Auswertung der HG-Aufnahmen erfolgte mittels Phonovibrogrammen (PVG) die jeweils aus einer aus 500 Einzelbildern bestehenden Sequenz einer jeden HG-Aufnahme berechnet wurden. Die Schwingungscharakteristika entlang der glottalen Achse wurden für beide Stimmlippen jeweils getrennt voneinander extrahiert und neben den klinisch etablierten Parametern wie dem Öffnungsquotient und der Glottisschlussinsuffizienz wurde weiterhin die Stabilität der Schwingungsamplituden und -zyklen entlang der gesamten glottalen Achse berechnet.

Ergebnisse

Individuell für jede Stimmlippe lassen sich mit der PVG-Analyse entlang der glottalen Achse die sich ändernden Schwingungseigenschaften ortsselektiv quantifizieren und graphisch darstellen. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt das sich ändernde gemittelte Schwingungsverhalten der Stimmlippen entlang der glottalen Achse für das Kollektiv der 10 untersuchten gesunden Probanden. Die Maxima der Schwingungsamplitude liegen für beide Stimmlippen im medialen Bereich (links: 47%, rechts: 48%) der glottalen Achse. Korrespondierend dazu findet sich unter gehaltener Phonation die größte Breite der Glottis im mittleren Bereich mit deutlicher Abnahme in Richtung der Kommissuren. Das Amplitudenverhältnis der beiden Stimmlippen beträgt im Mittel 0,975±0,136 und zeigt gerade im medialen Bereich der glottalen Achse die höchste Symmetrie. Der Öffnungsquotient offenbart einen in ventraler Richtung klar erkennbaren abnehmenden Verlauf und beträgt im Mittel 0,6122±0,1474.

In Abbildung 2 [Abb. 2] ist für das untersuchte Kollektiv gesunder Probanden der Zusammenhang zwischen den Mittelwerten des OQ und GCI sowie zwischen den glottalen Amplituden- und Zyklenvariabilitäten gezeigt. Bei den stimmgesunden Probanden ist die Zunahme der Amplitudenvariabilität gleichzeitig mit einem Anstieg der Zyklenvariabilität verbunden. Ebenso korrespondiert ein steigender mittlerer Öffnungsquotient mit einer zunehmenden Glottisschlussinsuffizienz.

Diskussion

Zur Beurteilung von Stimmlippenschwingungen ist allein die Analyse der zeitabhängigen Glottisfläche nicht ausreichend. Die Veränderungen der Schwingungscharakteristika entlang der glottalen Achse demonstrieren, dass zur exakten Beschreibung von Stimmlippenschwingungen eine ortsspezifische Analyse des Schwingungsmusters entlang der gesamten glottalen Achse benötigt wird. Diese ortsselektive Untersuchung wird durch die Analyse von Phonovibrogrammen ermöglicht, welche weiterhin nicht nur die glottale Dynamik erfasst, sondern auch die objektive seitengetrennte und ortabhängige Bestimmung schwingungscharakteristischer Parameter erlaubt. Aus den Phonovibrogrammen lassen sich weitere etablierte klinische Parameter extrahieren, die eine umfassende Beschreibung des Schwingungsverhaltens ermöglichen.


Literatur

1.
Lohscheller J, Eysholdt U, Toy H, Döllinger M. Phonovibrography: mapping high-speed movies of vocal fold vibrations into 2-D diagrams for visualizing and analyzing the underlying laryngeal dynamics. IEEE Trans Med Imaging. 2008;27(3):300-9. DOI: 10.1109/TMI.2007.903690 External link
2.
Döllinger M, Lohscheller J, McWhorter A, Kunduk M. Variability of normal vocal fold dynamics for different vocal loading in one healthy subject investigated by phonovibrograms. J Voice. 2009;23(2):175-81. DOI: 10.1016/j.jvoice.2007.09.008 External link