gms | German Medical Science

25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 14.09.2008, Düsseldorf

Die Rolle des Vokaltraktes in der Passaggioregion bei professionellen Tenören

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Matthias Echternach - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Johan Sundberg - Abteilung für Sprache, Musik und Hören, Königlich Technische Hochschule Stockholm, Stockholm, Schweden
  • Susan Arndt - Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Michael Markl - Abteilung für MRT-Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Düsseldorf, 12.-14.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgppV57

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dgpp2008/08dgpp80.shtml

Published: August 27, 2008

© 2008 Echternach et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Einleitung: Die Rolle des Vokaltraktes bei Änderung von Stimmregistern ist nach wie vor unklar. In einer Pilotstudie konnten Unterschiede in der Konfiguration des Vokaltraktes zwischen einem Bariton und einem Tenor aufgezeigt werden, wenn diese in der Tonhöhe an Stelle des Falsetts das Modalregister nach oben führen. Die vorliegende Arbeit soll untersuchen, ob es sich hierbei um systematische Effekte handelt.

Material: Fünf professionelle Tenöre wurden hinsichtlich des Passaggios mit dem Real-Time-MRT mit einer Auflösung von 8 Bildern pro Sekunde untersucht. Sie wurden aufgefordert, eine aufsteigende Tonleiter über das Passaggio hinweg einmal mit Beibehalt des Registers und einmal mit Übergang in das Falsettregister auf dem Vokal /a/ zu singen.

Ergebnisse: Die Daten zeigen, dass es zu deutlichen Änderungen des Vokaltraktes bei gleicher Tonhöhe zwischen dem Falsett und dem Modalregister kommt. Insbesondere eine Uvulaelevation und eine Weitstellung des Pharynx scheint ein Charakteristikum für das Beibehalten des Registers oberhalb des Passaggio darzustellen, wohingegen das Falsettregister mit einer deutlichen Elevation und Kippung des Kehlkopfes vergesellschaftet scheint.

Schlussfolgerung: Das Singen in hohen Tonhöhen zeigt deutliche Konfigurationssänderungen des Vokaltraktes in Abhängigkeit des gewählten Registers bei professionellen Tenören, welche im Sinne der Filtertheorie zu der akustischen Unterscheidung der Register beitragen dürften.


Text

Einleitung

Die Rolle des Vokaltraktes bei Änderung von Stimmregistern ist nach wie vor unklar. In einer Pilotstudie wurden ein professioneller Bariton und ein professioneller Tenor hinsichtlich Änderungen des Vokaltraktes in verschiedenen Registerkonditionen des Modalregisters und des Falsettregisters bzw. Voix mixte mit einer dynamischen Echtzeit-Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht [1]. In einer Untersuchung bei Sängerinnen konnte diese Technologie ebenfalls bereits erfolgreich zur Untersuchung von Registerübergängen eingesetzt werden [2].

Die vorliegende Arbeit soll untersuchen, wie sich der Kehlkopf hinsichtlich seiner Elevation bzw. Kippung in Bezug auf Registerfunktionen verändert und ob es sich bei den in der Pilotstudie beschriebenen Änderungen des Vokaltraktes bei männlichen Sängern um systematische Effekte handelt.

Material und Methoden

Für die vorliegende Studie wurden fünf professionelle Operntenöre untersucht. Keiner der Probanden klagte über Stimmbeschwerden. Mittels Videostroboskopie konnten organische Störungen der Stimmlippen bei allen Probanden ausgeschlossen werden.

Die Bildgebung erfolgte mit dem 3.0 T TIM TRIO (Siemens, Deutschland) MRT-Gerät. Die MRT Aufnahmen wurden mit einer zeitlichen Auflösung von 8 Bildern pro Sekunde mit den folgenden Sequenzparametern aufgenommen:

8 Bilder pro Sekunde, Räumliche Auflösung = 1.4 x 2.2 mm 2 , TE 0.84 ms, TR 2.53 ms, FA 5°, band width 650 Hz/Px, matrix 192x144, FOV 250x215 mm 2 , GRAPPA = 2

Das Tonsignal wurde mit einem optischen Mikrophon (Optisches Mikrophon: Fa. MR confon, Magdeburg, Deutschland, OptiMRI Geräusch Reduktions Software, Fa. Optoacoustics Ltd., Or-Yehuda, Israel) aufgezeichnet. Den untersuchten Personen wurde das Audiosignal im Sinne eines auditiven Feedback über den Kopfhörer in das MRT übermittelt (Fa. MR confon, Magdeburg, Deutschland).

Alle Probanden wurden aufgefordert, eine diatonische Tonleiter von C4 bis zum A4 auf dem Vokal /a/ nach oben zu singen. Hierbei sollten die Probanden in einer ersten Kondition einen Registerwechsel vom Modalregister zum Falsettregister zwischen E4 und F4 vollziehen. In einer zweiten Kondition sollte das Modalregister über den Bereich des eigentlichen Registerwechsels (Passaggio) nach oben geführt werden, so dass der bei einem Tenor häufig als „Voix mixte“ bezeichnete Registerbereich erreicht wird.

Die Registerübergänge wurden von 3 Ratern während der Messung verifiziert. Das akustische Signal wurde hinsichtlich der Grundfrequenz mit der PRAAT-Software (Universität Amsterdam, Niederlande) ausgewertet.

In jedem einzelnen Bild der MRT-Sequenz wurden Lage und Abstand verschiedener Anatomischer Strukturen bestimmt. Die einzelnen Messdistanzen sind in Abbildung 1 [Abb. 1] angezeigt.

Ergebnisse

Für die Sequenzen mit einem Übergang zum Falsett konnte in allen Sequenzen ein Registerwechsel zwischen E4 und F4 durch die Rater bestätigt werden. Die Auswertungen der Messdistanzen zeigen, dass es zu deutlichen Änderungen des Vokaltraktes bei gleicher Tonhöhe zwischen dem Falsett und der Voix mixte in Abhängigkeit von der Registerfunktion kommt (Abbildung 2 [Abb. 2]). Insbesondere eine Uvulaelevation und eine Weitstellung des Pharynx scheint ein Charakteristikum für die Voix mixte oberhalb des Passaggio darzustellen. Die Lippenöffnung und die Kieferöffnung sind in der Voix mixte gegenüber dem Falsett verstärkt. Im Gegensatz hierzu scheint das Falsettregister mit einer deutlichen Elevation und Kippung des Kehlkopfes verbunden.

Diskussion

Die vorliegenden Ergebnisse unterstreichen die Ergebnisse der Pilotstudie, in der ein Singen in hohen Tonhöhen oberhalb des Passaggios mit deutlichen Veränderungen des Vokaltraktes einherging [1]. Insbesondere zeigte sich wiederum eine deutliche Uvulaelevation und eine Weitstellung des Pharynx. Beide Modifikationen sollten zu einer Änderung von Resonanzen des Vokaltraktes und somit zu Änderungen der Formanten führen. Hinsichtlich der Beurteilung des Abschlusses nasaler Räume sind dynamische volumetrische Untersuchungen für die Zukunft sinnvoll.

Beim Wechsel in das Falsett waren ein deutliches Kippen und eine Elevation des Larynx darstellbar. Eine Kippung könnte durch die Aktivität des M. cricothyroideus verursacht sein. Schon von anderen Autoren wurde anhand anatomischer und elektromyographischer Untersuchungen ein relatives Übergewicht des M. cricothyroideus gegenüber dem M. vocalis als Charakteristikum beim Singen im Falsett gegenüber dem Modalregister vermutet [3], [5]. Auch die Elevation des Larynx in Abhängigkeit der Stimmregister wurde schon zuvor beschrieben [4]. Es ist anzunehmen, dass es durch Verkürzung des Vokaltraktes zu einer Erhöhung aller Formanten kommt. Auch die Modifikationen, welche für die Voix mixte beschrieben wurden, sollten einen Einfluss auf die Formanten haben. So ist zu vermuten, dass die Öffnung der Lippen ebenfalls zu einer Erhöhung der Formanten führt und die Erweiterung des Pharynx speziell den zweiten Vokalformanten erhöht.

Diese Hypothesen sollten durch akustische Studien mit inverser Filterung in ähnlichen Versuchskonditionen überprüft werden.

Schlussfolgerung

Das Singen in hohen Tonhöhen zeigt deutliche Konfigurationsänderungen des Vokaltraktes in Abhängigkeit des gewählten Registers bei professionellen Tenören, welche im Sinne der Filtertheorie zu der akustischen Unterscheidung der Register beitragen.


Literatur

1.
Echternach M, Sundberg J, Arndt S, Breyer T, Markl M, Schumacher M, Richter B. Vocal Tract and Register Changes Analysed by Real Time MRI in Male Professional Singers - a Pilot Study. Logoped Phoniatr Vocol. 2008;33:67-73.
2.
Echternach M, Sundberg J, Arndt S, Markl M, Schumacher M, Richter B. Vocal tract in female registers - a dynamic real-time MRI study. J Voice. 2008 (in press).
3.
Hirano M, Vennard W, Ohala J. Regulation of register, pitch and intensity of voice. An electromyographic investigation of intrinsic laryngeal muscles. Folia Phoniatr (Basel). 1970;22:1-20.
4.
Nadoleczny M. Untersuchungen über den Kunstgesang. Berlin: Springer; 1923.
5.
Van den Berg JW. Vocal ligaments versus registers. NATS Bulletin. 1963;20:16-21.