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Dreiländertagung D-A-CH
24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28. - 30.09.2007, Innsbruck, Österreich

Der erweiterte Ductus und Saccus endolymphaticus (large endolymphatic duct and sac syndrome LEDS) – Analyse bildgebender Befunde und klinischer Manifestationen

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirugie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. Dreiländertagung D-A-CH, 24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V.. Innsbruck, Österreich, 28.-30.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgppV46

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Published: August 28, 2007

© 2007 Bartel-Friedrich et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Das LEDS stellt die häufigste radiologisch nachweisbare Innenohrfehlbildung (IO-FB) im Zusammenhang mit einer sensorineuralen Schwerhörigkeit (SNHL) dar. Dennoch ist das LEDS im deutschsprachigen Raum weniger bekannt. Es war das Ziel, Daten zur Prävalenz, klinischen Manifestation und den Befunden der Schnittbildgebung in der eigenen Patientenpopulation zu präsentieren.

Methoden: Bei 169 Patienten (P), die wegen Fehlbildungsverdacht eine Schnittbildgebung erhielten, identifizierten wir alle radiologisch nachweisbaren LEDS-Fälle. Die retrospektive Analyse umfasste die klinisch-audiologischen Daten sowie die im Zeitraum zwischen 1994 and 2003 durchgeführten HR-CT- und MRT-Untersuchungen.

Ergebnisse: Bei 17 P (10%, medianes Alter: 12 Jahre, 12 weiblich) bzw. 28 Ohren (O) zeigte sich ein LEDS. Bei 10 P (6%; 15 O) bestand ein isoliertes LEDS, 7 P zeigten weitere IO-FB. Zum Zeitpunkt der Bildgebung ergab sich eine SNHL bei 9 O (acht O mit zusätzlicher Schallleitungskomponente), eine Taubheit bei 17 O und eine Normakusis bei zwei O. Von 26 O mit LEDS (2 O wegen unsicherem Verlauf ausgeschlossen) zeigten 17 O eine progrediente (PR) oder fluktuierend progrediente (FPR) SNHL (10 -71%- von 14 O mit isoliertem LEDS), bei 9 O verlief die SNHL konstant (vier O mit isoliertem LEDS). 7 von 11 P mit PR- oder FPR-SNHL (auf wenigstens einem O) erlitten teilweise rezidivierende Hörstürze (11 von 17 O; 7 O mit isoliertem LEDS). Hörsturz-Trigger fanden sich bei 6 P. Eine Korrelation zwischen morphologischem Defektausmaß und dem Grad der SNHL war nicht nachweisbar.

Fazit: Das LEDS kann eine möglicherweise bisher zu wenig beachtete Ursache einer PR- oder FPR-SNHL und rezidivierender Hörstürze bei Kindern und jungen Erwachsenen sein. Die zeitnahe Bildgebung spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnosesicherung.


Text

Hintergrund

Der erweiterte Ductus und Saccus endolymphaticus (LEDS = „large endolymphatic duct and sac syndrome“) stellt die häufigste radiologisch nachweisbare Innenohrfehlbildung (IO-FB) im Zusammenhang mit einer sensorineuralen Schwerhörigkeit (SNHL = „sensorineural hearing loss“) dar [2], [10]. Es wurden sowohl isolierte (ohne zusätzliche IO-FB) als auch kombinierte Manifestationen, häufig kombiniert mit der Mondini-Malformation der Kochlea, beschrieben [2], [5], [9]. Typischerweise beginnt die mit dem LEDS assoziierte Schwerhörigkeit prae- oder perilingual, sie kann als SNHL oder kombinierte Schwerhörigkeit auftreten sowie fluktuierend oder progredient verlaufen [6], [8]. Für einen Progress mit plötzlichem Hörverlust im Sinne eines Hörsturzes gaben einige Autoren für einen Teil der Fälle Triggermechanismen (sportliche Aktivität, Bagatell- oder Barotraumata) an [4], [6]. Das LEDS kann teilweise bzw. unterschiedlich häufig mit Syndromen assoziiert sein. Beispielsweise wurden LEDS-Manifestationen bei Patienten mit Pendred-Syndrom (nahezu 100% der Fälle, [8]), mit Branchio-Oto-Renal-Syndrom (ca. 30% der Fälle, [3]), mit Waardenburg-Syndrom (ca. 50% der Fälle, [7]) and mit CHARGE (Coloboma, Heart disease, Atresia choanae, Retarded growth, Retarded development or central nervous system anomalies, Genital hypoplasia, Ear anomalies or deafness)-Assoziation (ca. 66% der Fälle, [1]) beschrieben. Nichtsdestotrotz ist das LEDS im deutschsprachigen Raum bzw. im radiologischen und pädaudiologischen Alltag weniger bekannt. Daher evaluierten wir die Prävalenz des LEDS in der eigenen Patientenpopulation mit dem Ziel, Daten zu den Befunden in der Schnittbildgebung (CT und MRT), zur klinischen Manifestation und zum Verlauf zu präsentieren.

Methoden

Bei allen Patienten, die nach audiologischer Indikation mit Fehlbildungsverdacht eine Schnittbildgebung erhielten, identifizierten wir alle radiologisch nachweisbaren LEDS-Fälle einschließlich weiterer IO-FB. Die retrospektive Analyse umfasste die klinisch-audiologischen Daten sowie die im Zeitraum zwischen 1994 and 2003 durchgeführten HR-CT- und MRT-Untersuchungen.

Ergebnisse

Von 169 Patienten zeigten 17 Patienten (medianes Alter: 12 Jahre, 12 weiblich) bzw. 28 Ohren erweiterte endolymphatische Strukturen. Bei 10 Patienten (6%; 15 Ohren) waren keine weiteren IO-FB nachweisbar (bezeichnet als isoliertes LEDS), sieben Patienten zeigten weitere IO-FB (Abbildung 1a und 1b [Abb. 1]). Bei einem Patienten war eine intralabyrinthäre Blutung nach Hörsturz auffällig. Die Audiometrie zum Zeitpunkt der Bildgebung ergab eine SNHL bei 9 Ohren (acht Ohren mit zusätzlicher geringer Schallleitungskomponente), eine Taubheit bei 17 Ohren und ein normales Hörvermögen bei zwei von 28 Ohren (Tabelle 1 [Tab. 1]). Von 26 Ohren mit LEDS (Tabelle 2 [Tab. 2]; ein isoliertes und ein kombiniertes LEDS wegen unbekanntem Verlauf ausgeschlossen) zeigten 17 Ohren eine progrediente oder fluktuierend progrediente Schwerhörigkeit (10 von 14 Ohren – 71% – mit isoliertem LEDS), bei 9 Ohren verlief die Schwerhörigkeit konstant (vier Ohren mit isoliertem LEDS). Sieben von 11 Patienten mit progredienter oder fluktuierend progredienter Schwerhörigkeit (auf wenigstens einem Ohr) erlitten teilweise rezidivierende Hörstürze (elf von 17 Ohren; sieben Ohren mit isoliertem LEDS). Ein Trigger für die akute Hörverschlechterung fand sich bei 6 Patienten. Eine Korrelation zwischen dem Ausmaß der morphologischen Defekte und dem Schwerhörigkeitsgrad war nicht nachweisbar. Nur fünf jüngere Patienten erhielten die Bildgebung innerhalb der ersten 2 Jahre nach Beginn der Schwerhörigkeit. Bei zwei Patienten wird ein Pendred-Syndrom vermutet. Drei Patienten wurden erfolgreich mit einem CI versorgt.

Fazit

Das LEDS kann eine möglicherweise bisher zu wenig beachtete Ursache einer progredienten oder fluktuierend progredienten Schwerhörigkeit und rezidivierender Hörstürze bei Kindern und jungen Erwachsenen sein. Die zeitnahe Bildgebung spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnosesicherung.


Literatur

1.
Bauer PW, Wippold II FJ, Goldin J, Lusk RP. Cochlear implantation in children with CHARGE association. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2002;128:1013-17.
2.
Casselmann JW, Kuhweide R, Ampe W, D'Hont G, Offeciers EF, Faes WK, Pattyn G. Inner ear malformations in patients with sensorineural hearing loss detection with gradient-echo (3DFT-CISS) MRI. Neuroradiology. 1996;38(3):278-86.
3.
Ceruti S, Stinckens C, Cremers CW, Casselmann JW. Temporal bone anomalies in the branchio-oto-renale syndrome. Detailed computed tomographic and magnetic resonance imaging findings. Otol Neurootol. 2002;23(2):200-7.
4.
Govaerts PJ, Casselmann JW, Daemers K, De Ceulaer G, Somers T, Offeciers EF. Audiological findings in large vestibular aqueduct syndrome. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 1999;51(3):157-64.
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Hirai S, Cureoglu S, Schachern PA, Hayashi H, Paparella MM, Harada T. Large vestibular aquaeduct syndrome: a human temporal bone study. Laryngoscope. 2006;116:2007-11.
6.
Jackler RK, De La Cruz A. The large vestibular aqueduct syndrome. Laryngoscope. 1989;99(1):1238-42; discussion 1242-3.
7.
Madden C, Halsted MJ, Hopkin RJ, Choo DI, Benton C, Greinwald Jr JH. Temporal bone abnormalities associated with hearing loss in Waardenburg syndrome. Laryngoscope. 2003;113:2035-41.
8.
Pryor SP, Madeo A, Reynolds J, Sarlis N, Arnos K, Nance W, Yang Y, Zalewski C, Brewer C, Butman J, Griffith A. SLC26A4/PDS genotype-phenotype correlation in hearing loss with enlargement of the vestibular aqueduct (EVA): evidence that Pendred syndrome and non-syndromic EVA are distinct clinical and genetic entities. J Med Genet. 2005;42:159-65.
9.
Sennaroglu L, Saatci I. A new classification for cochleovestibular malformations. Laryngoscope. 2002;112:2230-41.
10.
Valvassori GE, Clemis JD. The large vestibular aqueduct syndrome. Laryngoscope. 1978;88:723-8.