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23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

Ergebnisse einer phoniatrischen Untersuchung von Vorschulkindern mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

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  • corresponding author presenting/speaker Rainer Müller - Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppP07

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Published: September 5, 2006

© 2006 Müller.
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Zusammenfassung

Einleitung: Bei Kindern mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte kann es zu Störungen des Hörvermögens und der Sprachentwicklung kommen. Ziel der therapeutischen Bemühungen ist die termingerechte Integration der Kinder in eine Regelschule.

Methode: Bei 14 Vorschulkindern wurden HNO-Spiegelbefund, Audiogramm, rhinomanometrischer, logopädischer und nasometrischer Befund erhoben.

Ergebnisse: 3 Kinder hatten bds. Paukenröhrchen, 2 einen einseitigen Trommelfelldefekt. Die Hörprüfung ergab 13-mal eine Schallleitungsschwerhörigkeit bds., 1-mal eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit. In der rhinomanometrischen Untersuchung zeigte sich eine mittelgradige bis schwere Obstruktion. Die Beurteilung der Sprache ergab 6-mal eine Sprachentwicklungsverzögerung, 9-mal eine Palatolalie, 13-mal eine Dyslalie, 10-mal eine Rhinophonia aperta. Bei 8 Kindern war die Umgangssprache stark auffällig bis unverständlich.

Diskussion: Die Auswertung wird durch den unterschiedlichen Grad der Spaltbildung und Zusatzstörungen erschwert. Auffallend war die schlechte Nasenatmung aller Kinder. Nur 2 Kinder hatten eine sprach- relevante Hörstörung. Die schlechte Umgangssprache von 8 Kindern ist auf den hohen Grad der Spaltbildung und/oder zusätzliche Faktoren wie Schwerhörigkeit, geistige Retardierung und späte logopädische Therapie zurückzuführen. Bei gutem Hörvermögen, frühzeitiger logopädischer Betreuung und Engagement der Eltern können auch bei Spaltbildung gute sprachliche Erfolge erreicht werden.


Text

Einleitung

Bei Kindern mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte ist in der Regel die normale Nasenatemfunktion gestört. Mittelohrentzündungen sind häufiger. Eine eingeschränkte Funktion des Gaumensegels kann zur Störung der Tubenfunktion und damit der Belüftung des Mittelohres mit Paukenhöhlenerguss und Schallleitungsschwerhörigkeit führen. Die für die Sprachentwicklung wichtige auditive Wahrnehmung ist oftmals gestört. Da die von der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte betroffenen Organe auch Sprechwerkzeuge sind, kommt es auch dadurch zu Sprachstörungen. Oftmals haben diese Kinder noch zusätzliche Störungen im Rahmen eines Syndroms. Ziel der therapeutischen Bemühungen ist die termingerechte volle Integration der Kinder in eine Regelschule. Aus diesem Grund wurde der Ist-Zustand von Vorschulkindern erhoben, um eine evtl. notwendige Therapieoptimierung einzuleiten.

Methode

Bei 14 Kindern (5 Mädchen, 9 Jungen) in einem Durchschnittsalter von 5 Jahren (4;5 – 5;9) mit einer Spaltbildung wurden HNO-Spiegelbefund, Audiogramm, rhinomanometrischer, logopädischer und nasometrischer Befund erhoben. Der logopädische Befund erfasste: Stimmklang, Stimmeinsatz, Atmung, Körpertonus, motorische Funktion der Sprechwerkzeuge, Artikulation anhand der Ravensburger Lautprüfung, Nasalitätsbeurteilung nach Mühler, allgemeine sprachliche Fähigkeiten (Lexikon, Syntax, Morphologie, Spontansprache, Sprachverständnis). Das Hörvermögen wurde mit dem Audiometer der Firma Hortmann AG, die Luftdurchgängigkeit der Nase mittels der anterioren Rhinomanometrie am Rhinomanometer der Firma Hortmann AG und die Nasalität am Nasometer der Firma Kay-Elemetrics erhoben. Bei letztgenannter Untersuchung sprachen die Kinder einen Satz mit vielen Nasalen („Meine Mama malt einen Mond.“), einen Satz ohne Nasale („Das Auto fährt auf der Straße.“) nach und erzählten eine Bildgeschichte.

Ergebnisse

5 Kinder hatten eine einseitige Spaltbildung (2 komplett, 3 inkomplett), 8 eine inkomplette beidseitige Spalte und 1 Kind nur eine Uvula bifida. Bei 7 Kindern war der Kiefer mitbetroffen. 5 Kinder wiesen zusätzliche Schädigungen auf (CATCH 22-Syndrom, Pierre-Robin-Syndrom (2), hochgradige Innenohrschwerhörigkeit, subaortaler Ventrikelseptumdefekt). Bei allen Kindern war zum Untersuchungszeitpunkt die Spaltbildung im Lippen-, Gaumen- und Segelbereich verschlossen. 3 Kinder hatten beidseits Paukenröhrchen, 2 weitere einen einseitigen Trommelfelldefekt. Eine Adenotomie war bei einem Kind erfolgt. Bei keinem Kind bestand eine Velopharyngealplastik. Die Hörprüfung ergab 13mal eine Schallleitungsstörung bds. (12mal ≤ 20 dB, 1mal ≥ 20 dB) und 1mal eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit. In der rhinomanometrischen Untersuchung zeigte sich 2mal eine mittelgradige, 6mal eine schwere Obstruktion und 4mal eine praktisch verschlossene Nase nach Abschwellung. Bei 2 Kindern konnte die Messung nicht erfolgreich durchgeführt werden. Die Beurteilung der Sprache ergab 6mal eine Sprachentwicklungsverzögerung, 9mal eine Palatolalie, 13mal eine Dyslalie, 10mal eine Rhinophonia aperta. Bei 8 Kindern war die Umgangssprache stark auffällig bis unverständlich. Tabelle 1 [Tab. 1] gibt die logopädischen Befunde nach ihrer Ausprägung wieder. Bei 4 Kindern war bis zum Untersuchungszeitpunkt keine logopädische Therapie erfolgt.

Diskussion

Der Grad der Spaltbildung war bei den 14 Kindern sehr unterschiedlich. Er reichte von der Uvula bifida bis zur kompletten einseitigen bzw. inkompletten beidseitigen Spaltbildung. Bei 5 Kindern lagen zusätzliche Störungen vor. Dadurch wird die Auswertung der Störungen im HNO- und phoniatrisch/logopädischen Bereich erschwert. Auffallend war die schlechte Nasenatmung aller Kinder. Hierbei ist jedoch auf die Schwierigkeit einer rhinomanometrischen Untersuchung bei 5-jährigen Kindern hinzuweisen. Nur 2 Kinder hatten eine für die Sprachentwicklung deutlich relevante Hörstörung. Die anderen Kinder wiesen einen durchschnittlichen Hörverlust von 13 dB auf. Die am Nasometer erhobenen Befunde zeigten eine gute Übereinstimmung mit den auditiven Befunden. Die stark bis unverständliche Umgangssprache von 8 Kindern ist auf den hohen Grad der Spaltbildung und/oder zusätzliche Faktoren wie hochgradige Schwerhörigkeit, Zweisprachigkeit (vietnamesisch-deutsch), geistige Retardierung und spät einsetzende logopädische Therapie zurückzuführen. Sollte eine Optimierung der logopädischen Therapie ohne Erfolg bleiben, ist u. U. auch eine Velopharyngealplastik zu diskutieren. Kinder mit einer alleinigen Spaltbildung im Lippenbereich wiesen nur geringe Sprachauffälligkeiten auf, so dass keine logopädische Therapie, sondern nur eine Beratung erfolgte. 2 Kinder hatten eine Sprachübungstherapie aufgrund sozialer Umstände nicht wahrgenommen. Die Auswertung zeigt aber auch, dass bei guter chirurgischer Therapie, frühzeitig einsetzender logopädischer Betreuung und Engagement der Eltern auch bei ausgeprägter Spaltbildung gute sprachliche Erfolge erreicht werden können.

Ein optimales Hörvermögen, ein frühzeitiger Beginn der logopädischen Therapie, ggf. in Kombination mit einer frühkindlichen Rehabilitation und das Engagement der Eltern sind für eine optimale sprachliche Entwicklung von Kindern mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte erforderlich. Dabei kommt den so genannten Spaltzentren an größeren Kliniken eine große Bedeutung zu.