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23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

Zusammenhang zwischen den Angaben im AVWS-Anamnesebogen der DGPP und den Ergebnissen des Heidelberger Vorschulscreenings

Correlation between “Questionnaire of Auditory Perception Disorders” and “Heidelberger Vorschulscreening”

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Peter Kummer - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • Markus Preclik - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • author Michael Döllinger - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • author Frank Rosanowski - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • author Ulrich Eysholdt - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität Erlangen, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppV06

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Published: September 5, 2006

© 2006 Kummer et al.
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Zusammenfassung

Zur standardisierten Anamneseerhebung wurde von der Arbeitsgruppe AVWS der DGPP ein Fragebogen erstellt (FB-AVWS). Validierungsstudien an Grundschülern belegen den Wert des Fragebogens. Die vorliegende Studie untersucht seine Anwendbarkeit bei Vorschulkindern.

Der Fragebogen wurde bei 84 Vorschulkindern eingesetzt, die der berichtenden Abteilung mit Verdacht auf AVWS bzw. Sprachentwicklungsstörung vorgestellt wurden. Seine Ergebnisse wurden korrelationsstatistisch (2-seitige Spearman-Rangkorrelation) mit Untertests des Heidelberger Vorschulscreenings HVS und zwei Untertests des Heidelberger Sprachentwicklungstests HSET verglichen.

Statistisch signifikante, schwache Korrelationen ergaben sich zwischen der FB-Skala „Auditive Diskrimination“ und den HVS Untertests „Expressive Anlautanalyse“ (rho 0,222; p<0,042) und „Artikulomotorik“ (rho 0,250; p<0,022) und der Skala „Auditives Gedächtnis“ mit dem Untertest „auditive Merkspanne“(rho 0,226; p<0,039) des HVS.

Der FB-AVWS erscheint daher auch im Vorschulalter geeignet, die Anamnese bei Kindern mit dem Verdacht auf eine AVWS oder Sprachentwicklungsstörung sinnvoll zu ergänzen. Die fehlende Normierung im Vorschulalter und die Schwäche der gefundenen Korrelationen erlauben derzeit keine Verwendung als diagnostisches Instrument.


Text

Einleitung

Die Arbeitsgruppe AVWS hat zur standardisierten Anamneseerhebung einen Fragebogen erstellt [1]. Er wurde an Schulkindern normiert und erfasst unter anderem Angaben der Erziehungsperson zur auditiven Diskrimination (DI) und zum auditiven Gedächtnis (GD).

Validierungsstudien fanden bei Schulkindern meist schwache Korrelationen zwischen diesen Fragebogenskalen und entsprechenden Leistungen im Heidelberger Lautdifferenzierungstest [2], dem Verbalen Lern- und Merkfähigkeits-Test [3], dem Zahlenfolgengedächtnis (PET, HAWIK) und dem Mottier-Test [4].

Die frühzeitige Erfassung einer Störung der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung ist jedoch bereits im Vorschulalter von Bedeutung. Sie erlaubt das Training hinsichtlich des Schriftspracherwerbs relevanter Leistungen.

Die vorliegende Studie untersucht daher, ob ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des Fragebogens (DI und GD) und des Heidelberger Vorschulscreenings (HVS) besteht und ob sich dieser diagnostisch nutzen lässt.

Material und Methode

Die Fragebögen wurden von den Eltern vor der Erstvorstellung ausgefüllt. Im Rahmen einer ambulanten Untersuchung wurden neben der Lautbildung (PLAKKS) sprachliche Leistungen mit den Untertests Verstehen grammatischer Strukturen, Imitation grammatischer Strukturen, Begriffsklassifikation, Plural-Singular-Bildung aus dem Heidelberger Sprachentwicklungstests (HSET) und die auditive Verarbeitung und Wahrnehmung mittels des Heidelberger Vorschulscreenings (HVS) untersucht. Ausschlusskriterien waren eine periphere Schwerhörigkeit, ein nonverbaler IQ<85 (CFT-1) und eine nicht-deutsche Muttersprache. Das Durchschnittsalter der 84 Kinder (35 Mädchen) zwischen 5 und 7 Jahren lag bei 6 Jahren (S.D. 0,4).

Zweiseitige Spearman-Rangkorrelationen wurden zwischen den T-Werten der Fragebogenskala GD und des Untertests auditive Merkspanne des HVS, sowie zwischen den T-Werten der Fragebogenskala DI und der Untertests expressive Anlautanalyse, phonematische Differenzierung und Artikulomotorik berechnet (SPSS für Windows, Version 14.0.1). Zur Bewertung der diagnostischen Bedeutung der beiden Skalen wurden Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte bezogen auf die Ergebnisse des HVS an Hand dichotomisierter Werte (T-Wert 40 im HVS bzw. 60 im FB-AVWS) berechnet. Für den Fragebogen wurden T-Werte aus der Normierung an Schulkindern übernommen [2].

Ergebnisse

Signifikante, schwache Korrelationen fanden sich zwischen der Fragebogenskala GD und dem Untertest auditive Merkspanne des HVS (r=-0,226; p=0,039) und zwischen der Skala DI und den Untertests expressive Anlautanalyse (r=-0,222; p=0,042) und Artikulomotorik (r=-0,250; p=0,022), nicht jedoch dem Untertest phonematische Differenzierung (r=-0,090; p=0,415). Wegen der Orientierung der T-Wert-Äquivalente des FB-AVWS sind die Korrelationen erwartungsgemäß negativ.

Bezogen auf die Ergebnisse des HVS blieben die Werte zur Sensitivität und Spezifität der Skalen GD und DI des FB-AVWS allgemein auf niedrigem Niveau (Tabelle 1 [Tab. 1]). Auch eine Änderung der T-Wertgrenzen des Fragebogens erbrachte im Rahmen von ROC-Analysen keine nennenswerte Optimierung.

Diskussion

Die hier bei Vorschulkindern gefundene schwache Korrelation zwischen der Skala GD des FB-AVWS und der auditiven Merkspanne für Zahlen des HVS ist mit Ergebnissen von Untersuchungen an Schulkindern gut vergleichbar. Eine ebenfalls schwache Korrelation fand sich zwischen der Skala GD und Ergebnissen des Verbalen Lern- und Merkfähigkeits-Tests [3], wenn auch keine signifikante Korrelation mit dem Gedächtnis für Zahlenfolgen [4].

Die Skala DI korrelierte bei Schulkindern schwach mit Ergebnissen des Mottier-Tests [4] und den Untertests Lautanalyse und Lautidentifikation/Kinästhetik des Heidelberger Lautdifferenzierungstest [2]. Ähnlich wie bei diesen Studien mit Schulkindern fanden sich in der vorliegenden Untersuchung bei Vorschulkindern signifikante Korrelationen nur zu den Untertests Artikulomotorik und Anlautanalyse, nicht aber zum Untertest phonematische Differenzierung.

Eine diagnostische Bedeutung der Fragebogenskalen GD und DI kann durch die ermittelten Werte für Sensitivität und Spezifität – bezogen auf die Resultate des HVS – nicht belegt werden. Durch die bei Vorschulkindern fehlende Normierung des FB-AVWS, deren Leistungen möglicherweise nicht ganz altersgerecht bewertet werden, sollte dies nicht wesentlich eingeschränkt sein, da auch die Normierungsuntersuchung keine klassenspezifischen Unterschiede fand [1]. Auch die bei Vorschulkindern fehlenden Antworten auf Fragen zu Diktaten sollten keinen wesentlichen Einfluss haben, da die Berechnung der Skalenmittelwerte auf der Anzahl der beantworteten Fragen beruht.

Die Untersuchung bestätigt daher die Anwendbarkeit des FB-AVWS im Sinne einer Anamneseergänzung auch bei Vorschulkindern.


Literatur

1.
Heuckmann C, Nickisch A. Normierung des Anamnesebogens zur Erfassung Auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS). In: Kruse E, Gross, M (Hrsg.). Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2003/2004; 2003. S. 296-9.
2.
Nickisch A, Kiese-Himmel C, Schönweiler R, Gross M, Radü H. Zusammenhänge zwischen „Anamnesebogen für Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen“ und „Heidelberger Lautdifferenzierungstest“. Laryngo-Rhino-Otol. 2005;84:487-92.
3.
Buller N, Ptok M, Hecker H. Untersuchungen zur ökologischen Validität des Verbalen Lern- und Merkfähigkeits-Tests (VLMT) In: Kruse E, Gross,M (Hrsg.). Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2002/2003; 2003. S.317-8.
4.
Raap M, Nickisch A, Radü H, Kiese-Himmel C, Schönweiler R. Zusammenhang von Elternangaben in zwei Dimensionen des AVWS-Anamnesebogens (DGPP) mit Außenkriterien. In: Kruse E, Gross M (Hrsg.). Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2003/2004; 2004.