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100 Jahre Phoniatrie in Deutschland
22. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie
24. Kongress der Union Europäischer Phoniater

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

16. bis 18.09.2005, Berlin

Magnetoenzephalographische Messung auditorisch evozierter Antworten auf elektrische Stimulation am Promontorium

Magneto-encephalographic measurement of auditory evoked responses to electrical promontory stimulation

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Arne Knief - Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Germany
  • author Kerstin Müller - Fachhochschule Münster, Physikalische Technik, Steinfurt, Germany
  • author Dirk Deuster - Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Germany
  • author Christo Pantev - Universtitätsklinikum Münster, Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse, Münster, Germany
  • author Antoinette G. Dinnesen - Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Münster, Germany

100 Jahre Phoniatrie in Deutschland. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 24. Kongress der Union der Europäischen Phoniater. Berlin, 16.-18.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05dgppV14

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Published: September 15, 2005

© 2005 Knief et al.
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Zusammenfassung

Als Test für einen funktionierenden Hörnerven kann bei der Voruntersuchung von Patienten, die mit einem Cochlea Implantat (CI) versorgt werden sollen, eine elektrische Stimulation am Promontorium durchgeführt werden. Eine Aussage, ob der Hörnerv noch funktioniert, ist möglich, allerdings ist die Prognose über das Hörvermögen mit CI begrenzt. Die Interpretation der Ergebnisse eines Promontoriumstests wird dadurch erschwert, dass sich die Aussagen der Patienten über ihre Höreindrücke nicht überprüfen lassen, so können z. B. Fühlwahrnehmungen vom Patienten als Höreindrücke fehl gedeutet werden. Eine Messung der kortikalen Aktivität und deren Lokalisation kann Informationen darüber bringen, ob überhaupt und in welcher Intensität auditorische oder andere Areale stimuliert werden. Hier bietet die Magnetoenzephalographie (MEG) die Möglichkeit, Gehirnaktivität mit sehr hoher Zeit- und Ortsauflösung zu messen.

Drei Patienten wurden während der elektrischen Stimulation mit der MEG gemessen. Für die Messung gilt es, das Stimulationsartefakt möglichst zu reduzieren. Nach einer Optimierung der Stimulusparameter konnte das Artefakt mit einer Hauptkomponentenanalyse aus den gemessenen Daten eliminiert werden. Bei geeigneter Wahl der Stimulation konnten die N100m Antwort mit Quelle im auditorischen Kortex nachgewiesen werden und so die subjektiven Angaben über Höreindrücke mit einer objektiven Messung bestätigt werden. Darüber hinaus ist ein Vergleich mit Normalhörenden Probanden möglich.


Text

Einleitung

Für den Erfolg einer Cochlea Implantation (CI) bei ertaubten Patienten ist eine funktionierende Hörbahn eine wesentliche Voraussetzung. Eine adäquate akustische Stimulation der Hörbahn ist bei diesen Patienten oftmals nicht mehr möglich. Als Test für einen funktionierenden Hörnerven kann bei der Voruntersuchung von Patienten, die mit einem Cochlea Implantat versorgt werden sollen, eine elektrische Stimulation am Promontorium durchgeführt werden. Die Prognose über das Hörvermögen mit CI ist allerdings begrenzt [1], [2].

Die Interpretation der Ergebnisse eines Promontoriumstests wird dadurch erschwert, dass sich die Aussagen der Patienten über ihre subjektiven Höreindrücke vor dem Hintergrund z. T. längerer Taubheit nicht überprüfen lassen, so können z. B. Fühlwahrnehmungen vom Patienten als Höreindrücke fehlgedeutet werden.

Eine Überprüfung der Angaben ermöglicht die Magnetoencephalographie (MEG) mit der Messung der Gehirnaktivität nach einer Stimulation des Hörnerven und deren Lokalisation. Als eine Komponente zur Untersuchung bietet sich die N100 aus dem auditorischen Kortex bei einer Latenz von 100 ms an, die nicht nur bei Normalhörenden sondern auch bei CI-Patienten aufgezeichnet werden konnte [3].

Methoden

Anschließend an einen routinemäßigen subjektiven Promontorialtest im Rahmen der Voruntersuchungen zur Cochlea Implantation wurden drei Patienten mit der Magnetoencephalographie gemessen. Die Patienten sind postlingual ertaubt und weiblich. Sie waren 39, 50 und 73 Jahre alt.

Die MEG-Messungen wurden mit einem 275 Kanal Ganzkopf-MEG-System (CTF275, VSM MedTech, Ltd., Coquitlam, Kanada) durchgeführt. Für die Stimulation am Promontorium während der MEG-Messung wurde dasselbe Gerät verwendet wie bei der subjektiven Testung (Promontory Stimulator, Cochlear Ltd., Lane Cove, Australien).

Die Stimulation erfolgte mit elektrischen Pulszügen der Länge 50 ms mit der Frequenz 100 Hz sowie in einer Messung bei einer Patientin mit der Länge 20 ms und einer Frequenz 50 Hz. Die Frequenzen wurden so ausgewählt, dass bei den Patientinnen gute Höreindrücke erreicht wurden. Von jedem Stimulus wurden 200 Epochen aufgezeichnet, ein Messdurchgang dauerte 10 min. Der Stimulationsstrom wurde auf Werte gesetzt, bei der die Patientinnen angenehme Höreindrücke hatten. Bei zwei Patientinnen erfolgten die Messungen nacheinander beidseits, wobei die Nadeln im Ohr für die gesamte Messung belassen wurden. Bei einer Patientin wurde die Nadel auf der linken Seite vor der MEG-Messung entfernt, da hier nur unangenehme Empfindungen im subjektiven Test auftraten.

Zur Reduzierung des Stimulationsartefakts in den aufgezeichneten Daten wurde die Methode der Hauptkomponenteneliminierung (PCEM) [4] eingesetzt. Es wird nach einer Hauptkomponentenanalyse die Komponente, die die größte Varianz erklärt und damit größtenteils das Artefakt enthält, herausgerechnet.

Mit den artefaktreduzierten Daten wird dann eine Dipolschätzung zur Quellenlokalistion durchgeführt, um den Ursprung der Aktivität zu bestimmen. Anschließend kann die Aktivierungsfunktion der Quelle (Quellenwellenform) berechnet werden. Hierdurch wird mit einem räumlichen Filter das Artefakt weiter reduziert.

Ergebnisse

In allen Messungen wurden Stimulationsartefakte beobachtet, die trotz der kurzen Stimuluslänge die gesuchten Hirnantworten durch langsames Ausklingen überlagerten. In den Messungen, bei denen auf beiden Seiten Nadeln lagen, waren die Artefakte beidseits im Bereich der Sensoren so groß, dass die anschließende Artefaktreduktion durch die PCEM nicht ausreichte, eine Dipollokalisation durchzuführen.

In der Messung, bei der nur eine Nadel vorhanden war, gelang die weitere Auswertung. Auf der Stimulationsseite sind die Störungen so hoch, dass nur die kontralaterale Seite zur Auswertung gelangt: Bei der rechtsseitigen Stimulation wurden nur die Kanäle der linken Hemisphäre weiter benutzt. Das Stimulationsartefakt lässt sich bei einer Stimuluslänge von 20 ms im Bereich der Gehirnantwort um 100 ms so weit reduzieren, dass ein dipolares Muster in den gemessenen Magnetfeldern sichtbar wird (Abbildung 1 [Abb. 1]). Eine Dipollokalisation liefert einen Dipol bei einer Latenz von 100 ms, der im nicht-primären auditorischen Kortex lokalisiert werden kann und der N100 bei Normalhörenden entspricht (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Während der elektrischen Simulation mit transtympanalen Elektroden am Promontorium ist es möglich, magnetische Felder aus dem auditorischen Kortex als Antwort auf diese Stimulation aufzuzeichnen. Die Quellen dieser Felder zeigen eine funktionierende Hörbahn bei der untersuchten Patientin.

Damit die N100 bei 100 ms messbar ist, müssen Maßnahmen zur Artefaktreduktion getroffen werden. Eine kontralateral liegende Nadel verursacht, auch wenn sie nicht angeschlossen ist, und nicht der Stimulation dient, Störungen, die eine Datenauswertung unmöglich machen. Sie wirkt als Antenne und verursacht Feldschwankungen in den über ihr liegenden Magnetfeldsensoren. Die Datenanalyse ist nur bei einseitiger Nadellage möglich. Durch die Elimination der größten Komponente einer Hauptkomponentenanalyse lässt sich das Artefakt soweit reduzieren, dass eine Dipolanalyse und die anschließende Berechnung der Quellenwellenform möglich sind.

Die Stimulation des Promontoriums und die Messung der kortikalen Antworten bieten Informationen über die Funktionsfähigkeit der Hörbahn über die subjektiven Angaben hinaus. Die durchgeführten Untersuchungen bilden die Grundlage für weitere Messungen, bei denen Stimulusparameter variiert werden können, um die Qualität einer zum Teil schon deprivierten Hörbahn zu bestimmen.


Literatur

1.
O. Deguine, B. Fraysse, A. Uziel, N. Cochard, F. Reuillard-Artiere, J. Piron, M. Mondain, 1993. Predictive Factors in Cochlear Implant Surgery. Adv. Otorhinolaryngology, 48, 142-145.
2.
B. J. Gantz, T. S. Tyler, J. T. Rubinstein, A. Wolaver, M. Lowder, T. Abbas, T. Brown, M. Hughes, J. P. Preece, 2002. Binaural Cochlear Implants Placed During the Same Operation. Otology & Neurootology, 23, 169-180.
3.
C. Pantev, B. Ross, A. Wollbrink, M. Riebandt, K. W. Delank, E. Seifert, A. Lamprecht-Dinnesen, 2002. Acoustical and Electrically Evoked Responses of the Human Cortex Before and After Cochlear Implantation. Hearing Research, 171, 191-195.
4.
T. Kobayashi, S. Kuriki, 1999. Principal Component Elimination Method fot the Improvement of S/N in Evoked Neuromagnetic Field Measurements. IEEE Transactions on Biomedical Engineering, 46(8), 951-958.