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20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12. bis 14.09.2003, Rostock

Verändert sich die Stimmgrundfrequenz von Frauen beim Übergang in die Menopause bei Hormonsubstitution und spielt die Art der Progesteronkomponente eine Rolle?

Poster

  • Markus Deck - Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie, Stoystr. 3, D-07740 Jena; Tel.: ++49-3641-935434; Fax: ++49-3641-935432
  • corresponding author Thomas Braunschweig - Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie, Stoystr. 3, D-07740 Jena; Tel.: ++49-3641-935434; Fax: ++49-3641-935432
  • Petra Schelhorn-Neise - Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie, Stoystr. 3, D-07740 Jena; Tel.: ++49-3641-935434; Fax: ++49-3641-935432
  • Gottwalt Klinger - Friedrich-Schiller-Universität Jena, Universitätsfrauenklinik, Bachstr. 18, D-07743 Jena

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Rostock, 12.-14.09.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. DocP03

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Published: September 12, 2003

© 2003 Deck et al.
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Zusammenfassung

Die in der Hormon-Replacement-Therapie (HRT) zur Linderung postmenopausaler Beschwerden eingesetzten Sexualsteroide können ebenfalls Einfluss auf die Stimme nehmen. Da bei den Progestagenkomponenten solcher in der HRT angewandten Medikamente auch Substanzen zum Einsatz kommen, die nachweislich eine androgene Partialwirkung haben, wurden über einen Zeitraum von 2 Jahren die Auswirkungen auf die Stimme von Kliogest und Klimodien untersucht, zwei Präparate, die in der HRT angewandt werden, jedoch qualitativ unterschiedliche Progestagenkomponenten enthalten. Kliogest enthält Norethisteronacetat, ein Progestagenderivat mit partieller Androgenwirkung, Klimodien ein Progestagenderivat mit antiandrogener Potenz. Dabei sollte beobachtet werden, welche Auswirkungen eine HRT auf die Stimmgrundfrequenz hat, und ob Klimodien gegenüber Kliogest bezüglich der Wirkungen auf die Stimme einen Vorteil in der Behandlung von Frauen in der Postmenopause birgt. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass weder in der Versuchsgruppe, deren Probandinnen Kliogest eingenommen hatten, noch in der mit Klimodien behandelten Gruppe, eine signifikante Veränderung der Stimmgrundfrequenz eingetreten ist. Daraus folgt, dass sowohl Kliogest als auch Klimodien als HRT der erwarteten „Verschlechterung" der Stimme bei postmenopausalen Frauen entgegenwirkt, und Präparate mit antiandrogener Potenz (Klimodien) gegenüber Präparaten mit androgener Partialwirkung (Kliogest) bezüglich einer Beeinflussung der Stimmgrundfrequenz keine Vorteile bergen.


Text

Einleitung

Mit dem Klimakterium der Frau kommt es auf Grund einer zunehmenden Ovarialinsuffizienz zur Verminderung der Oestrogen- und Progesteronsynthese. Daraus resultiert für viele Frauen eine ganze Reihe von psychisch-vegetativen wie auch somatischen Beschwerden. Von den Frauen als unangenehm werden vor allem plötzliche Hitzewallungen gefolgt von Schweißausbrüchen empfunden. Diese sind oft mit Herzklopfen, Schlaflosigkeit und kognitiven Einbußen kombiniert.

Psychisch treten depressive Verstimmungen, erhöhte Reizbarkeit, Aggressivität, erhöhte Empfindsamkeit und Verletzbarkeit, einhergehend mit Stimmungsschwankungen, auf.

Auf somatischer Ebene kann es auf Grund mangelnder Proliferation zu Veränderungen im Bereich der Schleimhäute kommen, wodurch sich ein Gefühl von Trockenheit einstellt.

Dass die weibliche Stimme gegenüber der Sexualhormonspiegel sehr empfindlich ist, ist bekannt. So zeigt sich im fertilen Alter, bedingt durch die hormonelle Steuerung der verschiedenen Zyklusphasen auch eine Beeinflussung der Stimmfunktion in unterschiedlichem Ausmaß. Das praemenstruelle Syndrom ist dafür ein beredtes Beispiel [1], [2], [3]. Eine Hormonempfindlichkeit des Larynx, deren Grundlage Sexualhormonrezeptoren am Phonationsorgan sind, ist nachgewiesen[4]. So kann es zu einem Absinken der Grundfrequenz der Stimme, einem Verlust der Leichtigkeit der Stimme und zu einer schnelleren Ermüdbarkeit kommen [1]. Auch unter Gabe oraler Kontrazeptiva wurden solche Veränderungen der Stimme beobachtet [5].

Die Veränderung der Sexualhormonspiegel im Klimakterium lassen Auswirkungen auf die Stimmqualität auch hier erwarten.

Da Androgene, die ebenfalls stimmmodulierende Potenz besitzen [6], während des Klimakterium relativ zu den Östrogenspiegeln zunehmen, kann es zu Hirustismus sowie einem Absinken der Grundfrequenz, Heiserkeit und Rauigkeit der Stimme sowie Verlust der hohen Tonlagen kommen [1], da sich auch der Resonanzraum unter dem Einwirken der Androgene vergrößert. Wichtig in diesem Zusammenhang scheint auch die Tatsache zu sein, dass durch eine androgeninduzierte Schleimhautproliferation Stimmbandbewegungen verlangsamt werden und dadurch Stimmveränderungen hervorgerufen werden können. In einigen Fällen führen Androgene - dosisabhängig - zu einer Vergrößerung des Kehlkopfes mit Ausbildung des für den männlichen Habitus typischen Adamsapfels. Das geschieht jedoch nur bei einer Hormonsubstitution vor oder während der Pubertät. Danach findet kein nachweisbares Wachstum des Larynx bei Hormongabe mehr statt [7].

Die in der Hormon-Replacement-Therapie (HRT) angewandten synthetischen Sexualsteroide können wie die nativen Hormone ebenfalls Einfluss auf die weibliche Stimme nehmen.

Methode

Da sich unter den bei der HRT angewandten Hormonen auch Gestagene mit unterschiedlich ausgeprägter Androgenwirkung befinden, wurden in der vorliegenden Studie an 70 Frauen über einen mehrjährigen Zeitraum die Auswirkungen von Kliogest und Klimodien auf die Stimmgrundfrequenz geprüft. Beide Präparate, zur Hormonsubstitution im Klimakterium angewandt, enthalten qualitativ unterschiedliche Progestagenkomponenten. Während Kliogest Norethisteronacetat, ein Progestagenderivat mit partieller Androgenwirkung enthält, besitzt Klimodien dagegen ein Progestagenderivat mit antiandrogener Potenz (Dienogest). Daraus ergaben sich zwei Fragestellungen für die Studie:

Verändert sich die Grundfrequenz bei den Probandinnen im Gesamt-Beobachtungszeitraum?

Kommt es zu unterschiedlicher Beeinflussung beider Präparate?

Neben regelmäßigen gynäkologischen Untersuchungen nahmen die Frauen an folgenden phoniatrischen Untersuchungen teil:

1. Jahr:vier stimmärztliche Untersuchungen

2. Jahr:eine stimmärztliche Untersuchung

3. Jahr:eine stimmärztliche Untersuchung

Jede Untersuchung enthielt die folgenden Schwerpunkte:

·Anamnese

·Hörprüfung

·HNO Status

·Stroboskopie

·Logopädische Untersuchung

·Stimmfeld

·Objektive Untersuchung des akustischen Stimmsignals

Dabei wurde die Stimmgrundfrequenz auditiv bei gespanntem und ungespanntem Sprechen bestimmt. Die objektive Frequenzbestimmung schloss das ungespannte Sprechen und die Phonation ausgehaltener Vokale ein.

Die Studie wurde nach dem ersten Jahr von 54 Frauen beendet. Nach dem zweiten Jahr nahmen noch 25 Frauen an der Studie teil und nach dem dritten Jahr beendeten 16 Frauen die Studie. Das Durchschnittsalter der Frauen bei Studienbeginn betrug im Mittel 55 ± 6 Jahre.

Ergebnisse und Diskussion

Die Stimmgrundfrequenz änderte sich weder bei den Frauen mit dem dienogesthaltigen Präparat noch bei den Frauen, deren Präparat Norethisteronacetat enthielt. Vor allem ein Absinken der Grundfrequenz war nicht zu beobachten.

Die Stimmgrundfrequenz veränderte sich im Untersuchungszeitrum weder in der Gruppe, deren Frauen Kliogest eingenommen hatten, noch in der mit Klimodien behandelten Gruppe signifikant. Daraus ist zu sehen, dass sowohl Kliogest als auch Klimodien als HRT einer erwarteten Absenkung der Stimme bei Frauen in der Postmenopause zumindest in dem von uns beobachteten Zeitraum von maximal 3 Jahren entgegenwirkt. Außerdem lässt sich gesichert festhalten, dass Präparate mit antiandrogener Potenz (Klimodien) gegenüber Präparaten mit androgener Restwirkung (Kliogest) bezüglich einer Beeinflussung der Stimmgrundfrequenz zumindest in der von uns bevorzugten Dosierung keine Vorteile bergen.


Literatur

1.
J. Abitbol, P. Abitbol, B. Abitbol: Sex Hormones and the Female Voice. Journal of voice, Vol. 13, No. 3, pp. 424-446, 1999
2.
S. W. Chae, G. Choi, H. J. Kang, J. O. Choi, S. M. Jin: Clinical Analysis of Voice Change as a Parameter of Premestrual Syndrome. Journal of voice, Vol 15, No.2, pp.278-283, 2001
3.
J. Wendler, W. Seidner, G. Kittel, U. Eysholdt: Lehrbuch der Phon-und Pädaudiologie; Georg Thieme Verlag New - York 1996
4.
S. R. Newman, J. Butler, E. H. Hammond, S. D. Gray: Preliminary Report on Hormone Receptors in the Human Vocal Fold. Journal of voice, Vol. 14, No.1, pp. 72-81, 2000
5.
G. Klinger, P. Schelhorn-Neise, T. Braunschweig, C Siegert: Langzeituntersuchungen zum Einfluß Chlormadion-, Levonogestrel- und Dienogest-haltiger Kontrazeptiva auf die Stimmfunktion der Frau; aus A.T. Teichmann (Hg): Diagnostik - Präklinik und Klinik eines Gestagens ;Walter de Gruyter, Berlin - New York, 1995
6.
M. A. Pattie, B. E. Murdoch, D. Theodoros, K. Forbes: Voice Changes in Women Treated for Endometriosis and Related Conditions: The Need for Comprehensive Vocal, Journal of voice, Vol.12, No.3, pp. 366-371, 1998
7.
M. Heinemann: Hormone und Stimme; Johann Ambrosius Barth Leipzig 1976
8.
G. Wirth: Stimmstörungen - Lehrbuch für Ärzte, Logopäden, Sprachheilpädagogen und Sprecherzieher; 4. überarbeitete Auflage, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, 1995