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5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V.

03.03. - 05.03.2016, Essen

Kognitive Verarbeitung von Nahrungsreizen bei akut erkrankten und remittierten Patientinnen mit Anorexia Nervosa – eine Eyetracking-Studie

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Kathrin Schag - Universitätsklinikum Tübingen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Tabea Richter - Universitätsklinikum Tübingen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Sebastian Martin Benito - Universitätsklinikum Tübingen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Elisabeth Leehr - Universitätsklinikum Tübingen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Annette Conzelmann - Universitätsklinikum Tübingen, Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Tübingen, Deutschland
  • author Tobias Renner - Universitätsklinikum Tübingen, Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Tübingen, Deutschland
  • author Stephan Zipfel - Universitätsklinikum Tübingen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland
  • author Katrin Giel - Universitätsklinikum Tübingen, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Essen, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgess047

doi: 10.3205/16dgess047, urn:nbn:de:0183-16dgess0479

Published: February 18, 2016

© 2016 Schag et al.
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Text

Hintergrund: Der Anorexia Nervosa (AN) könnte eine gestörte Belohnungsverarbeitung gegenüber Nahrung als ursächlicher und/oder aufrechterhaltender Faktor zugrunde liegen, denn Nahrungsreize werden von Patientinnen mit AN negativer bewertet und tendenziell vermieden (Übersicht bei Giel et al., 2011; Park et al., 2014). Bislang ist allerdings unklar, inwiefern diese kognitiven Verzerrungen prämorbid vorliegen, in Folge der Erkrankung entstehen und inwiefern sie nach einer Remission bestehen bleiben.

Methoden: Um die Verarbeitungsprozesse in unterschiedlichen Erkrankungsstadien zu untersuchen, haben wir jugendliche und erwachsene akut erkrankte AN-Patientinnen (AN), gewichtsrehabilitierte remittierte AN-Patientinnen (REM) und gesunde Kontrollprobandinnen (KG) untersucht. Zur Untersuchung der Belohnungsverarbeitung wurden Bildpaare bestehend aus jeweils einem Nahrungsreiz und einem Kontrollreiz dargeboten. Ein vorgeschalteter Hinweisreiz zeigte die Position des Nahrungsreizes an. Die Probandinnen wurden instruiert, das Bildmaterial frei zu explorieren und konnten durch den Hinweisreiz entscheiden, ob sie sich dem Nahrungsreiz zu- oder abwenden. Mittels Eyetracking wurden die initiale Fixation und Gesamtfixationsdauer auf beide Reizkategorien aufgezeichnet, die frühe und spätere Verarbeitungsprozesse abbilden.

Ergebnisse: Alle drei Gruppen zeigten bei der initialen Fixation eine Bevorzugung der Nahrungsreize im Vergleich zu den Kontrollreizen. Die AN-Gruppe zeigte kürzere Gesamtfixationsdauern auf Nahrungsreize als die REM- und KG-Gruppe, während sich bei den Kontrollreizen keine Unterschiede ergaben. Zudem wurden die Nahrungsreize von der AN-Gruppe als eher unangenehm bewertet, von der REM-Gruppe als neutral und von der KG als eher angenehm, während die Kontrollreize in allen Gruppen gleich bewertet wurden.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse weißen darauf hin, dass AN- und REM-Probandinnen wie gesunde Frauen Nahrungsreize initial verstärkt aufsuchen. In späteren Verarbeitungsstufen vermeiden AN-Patientinnen im Vergleich zu REM und KG jedoch die Nahrungsreize und bewerten sie negativer. Diese Ergebnisse sind konform mit der Annäherungs-Vermeidungs-Hypothese auf Nahrungsreize bei akuter AN (Giel et al., 2011). Die REM-Probandinnen weisen mit der KG vergleichbare Blickbewegungen auf und bewerten die Nahrungsreize als neutral. REM-Frauen könnten sich demzufolge nach längerer Zeit mehr und mehr an die kognitive Verarbeitung von gesunden Personen annähern.