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5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V.

03.03. - 05.03.2016, Essen

Stress schlägt auf den Magen: eine EMA Studie

Meeting Abstract

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Essen, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgess008

doi: 10.3205/16dgess008, urn:nbn:de:0183-16dgess0089

Published: February 18, 2016

© 2016 Blechert et al.
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Hintergrund: Hunger, Nahrungsaufnahme und Sättigung sind homeostatisch geregelt, um die Energieversorgung des Körpers sicherzustellen. Die heutige Ernährungsumgebung scheint jedoch zu immer stärkeren Abweichungen von diesen Regelkreisen zu führen: Stress und Emotion sowie omnipräsente hochschmackhafte Nahrungsmittel führen bei manchen zu Essen ‚über den Hunger hinaus‘. Anderen scheint Stress ‚auf den Magen zu schlagen’. Diese widersprüchlichen Zusammenhänge in der Literatur geben Fragen nach Situations- oder Traitmoderatoren auf. Die vorliegende Studie untersuchte daher den Zusammenhang von Stress und geschmacksbedingtem (im Gegensatz zu hungerbedingtem) Essen mittels ecological momentary assessment (EMA).

Methoden: N= 43 Teilnehmende beantworteten via Smartphone über 10 Tage hinweg 5 mal täglich Fragen zu positiven und negative Emotionen, (Überforderungs-)Stress sowie die Frage, wieviel der Nahrung geschmacksbedingt vs. hungerbedingt verzehrt wurde. Abends wurde zudem die Stärke verschiedener Stressortypen (arbeitsbezogen, engeres vs. weiteres soziales Umfeld sowie daily hassles) erhoben. Hierarchisch lineare Modelle mit Zeitversatz (lagging) analysierten prospektive Einflüsse von Emotionen und Stress auf geschmacksbedingtes und hungerbedingtes Essen. Trait-level Moderatoren wurden mit dem Dutch Eating Behavior Questionnaire (DEBQ) erfasst.

Ergebnisse: Mehr Stress führte in der Folge zu reduziertem geschmacksbedingten Essen. Vor allem arbeitsbezogene Stressoren waren für diesen Zusammenhang verantwortlich. Emotionen zeigten keine signifikante Prädiktion, ebenso wenig wurde hungerbedingtes Essen aufgeklärt. Der negative Stress-Geschmacksessen Zusammenhang wahr vor allem bei Personen ausgeprägt, die ihr Essen generell nicht stark regulieren (gezügeltes Essen Skala des DEBQ). Emotionales und externes Essen waren keine signifikanten Moderatoren.

Schlussfolgerung: Wenn alltagsnah erfasst scheint (Arbeits-)Stress sich dämpfend auf geschmacksbedingtes Essen auszuwirken und zwar vor allem bei Personen, die eher ‘intuitiv’, d.h. nicht stark reguliert essen. Dies könnte durch stressbedingte Sympathikusaktivierung und die resultierende Hemmung verdauungsbezogener Prozesse vermittelt sein, allerdings bezieht sich der Befund nicht auf Hunger, was auf einen hedonischen Prozess hinweist. Der Befund steht auch im Widerspruch zu manchen Laborstudien, die disinhibiertes Essen unter Stress oder negativen Emotionen beschreiben und stellt somit die externe Validität dieser Studien in Frage.