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Wo liegen die Grenzen in der Onkochirurgie heute? Bericht über die erste mikrochirurgische Rekonstruktion des Unterkiefers bei einem Patient mit Kunstherz
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Published: | April 24, 2015 |
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Einleitung: Die Herztransplantation (HTX) stellt die einzig kurative Therapie der terminalen Herzinsuffizienz dar. Aufgrund des Mangels an Spenderorganen werden ventrikuläre Unterstützungssysteme (VAD) heute sowohl zur Überbrückung bis zur HTX als auch zur definitiven Therapie bei Kontraindikationen der HTX zur Verbesserung der Überlebensrate und Lebensqualität standardisiert eingesetzt, wobei in der aktuellen Literatur eine Lebenserwartung mit VAD von bis zu 8 Jahren angegeben wird. Es stellt sich die ethisch moralische Frage, wie bei Patienten mit vorhersehbar begrenzter Lebenserwartung beim Auftreten einer ebenfalls die Lebenserwartung begrenzenden malignen Zweiterkrankung umzugehen ist.
Material und Methoden: Uns wurde ein 64-jähriger Patient nach Implantation eines linksventrikulären VAD bei terminal ischämischer Herzinsuffizienz mit einem Plattenepithelkarzinom des linken Unterkiefers im Stadium IV (cT4a, cN2b, cM0) vorgestellt. Nach interdisziplinärer Diskussion in der Kopf-Hals-Tumor-Konferenz wurde aufgrund der guten Prognose mit VAD die Indikation für einen primär kurativen Therapieansatz (Hemimandibulektomie mit gleichseitiger Neck dissection und Rekonstruktion mittels mikrochirurgisch anastomosiertem Fibulatransplantat) gestellt.
Der Eingriff erfolgte nach entsprechend interdisziplinärer Vorplanung mit der Klinik für Anästhesie unter Allgemeinanästhesie in Anwesenheit eines Kardiotechnikers im OP der MKG-Chirurgie. Die Arterie wurde wie üblich End-zu-End-, beide Begleitvenen an die Vena jugularis interna End-zu-Seit-anastomosiert. Die postoperative Überwachung erfolgte auf der Intensivstation des angegliederten Herzzentrums. Der Patient war entsprechend der kardiochirurgischen Vorgaben nach Bridging der zuvor bestehenden Antikoagulation (Prasugrel/ Phenprocoumon) perioperativ kontinuierlich mit unfraktioniertem Heparin in therapeutischer Dosierung antikoaguliert (Ziel-aPTT: 60-80 sek.). Der „systolische“ Druck war LVAD-bedingt – entgegen dem sonst üblichen Vorgehen – bei 80 mmHg (bei einem Mitteldruck von 75 mmHg) limitiert. Der Blutfluss in der Arterie war LVAD-bedingt kontinuierlich und erschwerte das sonst typische Monitoring der Anastomose mittels Doppler. Es zeigte sich im Verlauf eine komplikationslose Einheilung des Fibulatransplantates, der orale Kostaufbau erfolgte ab dem 3. postoperativen Tag. Die histopathologische Aufbereitung ergab eine R0-Resektion bei pT4a pN2b (10 Lymphknotenmetastasen mit extrakapsulärem Wachstumsmuster). Aufgrund der geringen Datenlage wurde eine adjuvante Monoradiatio bis 64 Gy eingeleitet.
Schlussfolgerung: Das Vorhandensein eines VAD stellt aus operationstechnischer Sicht keine Kontraindikation zur erweiterten chirurgischen Tumortherapie bei Kopf-Hals-Tumoren dar. Allerdings sollte dieser Eingriff nur an Kliniken der Maximalversorgung mit entsprechender Infrastruktur durchgeführt werden. Aufgrund der mittlerweile guten Überlebensraten von bis zu 8 Jahren mit VAD stellte das orale Plattenepithelkarzinom die limitierende Erkrankung dar. Bedingt durch die Malignomerkrankung wurde die Indikation der VAD-Therapie vom “bridge to transplantation“ zur „destination therapy“ verschoben.