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132. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

28.04. - 01.05.2015, München

Therapeutische Strategien bei komplexen syndromalen Schädelnahtsynostosen

Meeting Abstract

  • Tilmann Schweitzer - Neurochirurgische Klinik und Poliklinik der Universitätsklinik Würzburg, Sektion Pädiatrische Neurochirurgie, Würzburg, Deutschland
  • Hartmut Böhm - Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Mund,- Kiefer,- u. plast. Gesichtschirurgie, Direktor: Prof. Dr. Dr. A. Kübler, Würzburg, Deutschland
  • Christian Linz - Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Mund,- Kiefer,- u. plast. Gesichtschirurgie, Direktor: Prof. Dr. Dr. A. Kübler, Würzburg, Deutschland
  • Johannes Wirbelauer - Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Direktor: Prof. Dr. C.P. Speer, Würzburg, Deutschland
  • Herbert Trautner - Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie, Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c. N. Roewer, Würzburg, Deutschland
  • Ralf-Ingo Ernestus - Neurochirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Würzburg, Direktor Prof.R.-I. Ernestus, Würzburg, Deutschland
  • Jürgen Krauß - Neurochirurgische Klinik und Poliklinik der Universitätsklinik Würzburg, Sektion Pädiatrische Neurochirurgie, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 132. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 28.04.-01.05.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15dgch235

doi: 10.3205/15dgch235, urn:nbn:de:0183-15dgch2357

Published: April 24, 2015

© 2015 Schweitzer et al.
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Text

Einleitung: Bei den syndromalen Kraniosynostosen stehen die Probleme Kraniostenose, Orbitostenose und Faziostenose im Mittelpunkt. Hinzu kommen Begleitfehlbildungen. Nach gesicherter Primärdiagnose muss eine zuverlässige Kooperation mit dem Hausarzt und heimatnahen Instituten aufgebaut werden. Das operative Vorgehen, die notwendigen Nachkontrollen und die Planung von Folgeoperationen sind vor dem Hintergrund zu verstehen, dass es sich bei diesen Erkrankungen um eine Störung des Wachstums, also um einen dynamischen Prozess handelt, der prinzipiell unbeeinflussbar bleibt.

Material und Methoden: Unsere heutige Vorgehensweise hat sich aus einer 30-jährigen kontinuierlichen Erfahrung der Würzburger Arbeitsgruppe heraus entwickelt. In dieser Zeit wurde die schwierige Diagnostik und Therapie teils retrospektiv, teils prospektiv untersucht und die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Behandlung analysiert. Zum diagnostischen Rüstzeug gehören: Klinische, syndromologische und ggf. molekulargenetische Untersuchung, Ophthalmoskopie, Polysomnographie, otologische Untersuchung, Ultraschall, digitale Röntgen-Nativaufnahmen, MRT, spezielle handchirurgische Analyse, später kieferorthopädisch-kieferchirurgische Analysen.

Die daraus resultierende individuelle Strategie wird an 5 Beispielen verdeutlicht.

Ergebnisse: In unserem kraniofazialen Zentrum sehen wir jährlich bis zu 20 Erstvorstellungen syndromaler Schädelnahtsynostosen. Bereits die sorgfältige klinische Untersuchung erlaubt die Diagnose in vielen Fällen zu stellen. Bei Unsicherheiten wird eine humangenetische Abklärung veranlasst, denn die genannten Folgeerscheinungen sind in hohem Maße syndromspezifisch. Hirndruckerscheinungen können Folge einer Kraniostenose, einer Liquorzirkulationsstörung oder einer venösen Abflussstörung sein. Erweiterte Ventrikel können Ausdruck einer Liquorzirkulationsstörung oder einer Anlagestörung sein. Im ersten Lebensjahr muss man mit einer Kraniostenose nur bei vorzeitigem Verschluss mehrerer Nähte rechnen. Aufgrund der osteogenen Potenz der infantilen Dura kann eine operative Versorgung innerhalb der ersten 7 Lebensmonate osteoklastisch geplant werden. Es kann gelegentlich sinnvoll sein, eine Liquorzirkulationsstörung zunächst nicht zu korrigieren, sondern im Sinne eines „Bioexpanders“ zu nutzen, um ein größeres Schädelinnenvolumen zu erreichen. Mit der Vorverlagerung der Stirnpartie mit entsprechender Überkorrektur kann im Rahmen einer weiteren Operation im zweiten Lebensjahr eine bleibende Korrektur erreicht werden.

Das Intervall augenärztlicher Verlaufskontrollen während des Hirnwachstums richtet sich nach dem zugrunde liegenden Syndrom. Dasselbe gilt für Neuro-pädiatrische Verlaufskontrollen, Schlaflaboruntersuchungen, HNO-ärztliche Kontrollen und Eingriffe sowie für die kieferchirurgische und kieferorthopädische Begleitung. Soweit möglich wird die operative Therapie der mit vielen syndromalen Formen assoziierten Mittelgesichtshypoplasie bis zum Ende der Pubertät hinausgeschoben, da bei früherer Versorgung das mit dem 7ten Lebensjahr einsetzende Gesichtswachstum eine hohe Rezidivwahrscheinlichkeit mit sich bringen würde.

Schlussfolgerung: Unser Betreuungskonzept komplexer Kraniosynostosen, das heimatnahe ärztliche Begleitung und gezielte diagnostische bzw therapeutische Maßnahmen in einem Zentrum kombiniert, hat die physische Gesundheit, aber auch die psychosoziale Entwicklung der betroffenen Kinder erheblich verbessert.