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132. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

28.04. - 01.05.2015, München

Innovative Strategien zur Funktionsrekonstruktion an der oberen Extremität bei Halsrückenmarkschädigung (Tetraplegie)

Meeting Abstract

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  • Andreas Gohritz - Unispital Basel / Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Handchirurgie, Basel, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 132. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 28.04.-01.05.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15dgch116

doi: 10.3205/15dgch116, urn:nbn:de:0183-15dgch1161

Published: April 24, 2015

© 2015 Gohritz.
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Einleitung: Eine hohe Querschnittslähmung kann jeden von uns plötzlich aus dem Leben reissen, sei es durch Verkehrs- oder Sportunfall, Sturz, Ischämie oder Tumor. Die chirurgische Wiederherstellung der Ellenbogen- und Handgelenkstreckung sowie einer kontrollierten Greifform bietet ein enormes Potenzial, Autonomie, Mobilität und das Selbstwertgefühl von mindestens 70% aller Halsmarkgelähmten zu verbessern.

Material und Methoden: Dieser Beitrag stellt innovative Konzepte zur Rekonstruktion der Arm-und Hand-Funktion dar, die unsere Gruppe in insgesamt 16 Studien während der letzten 5 Jahre erarbeitet hat.

Ergebnisse:

1.
Kombinierte einzeitige Verfahren: Im Gegensatz zur traditionellen Trennung von Beuger- und Streckerphasen verbessert die einzeitige Kombination von insgesamt 5-7 Einzeleingriffen (sog. Alphabet-Operation) die aktive Finger- und Daumenbeugung, passive Finger- und Daumenstreckung und intrinsische Funktion der Mm. lumbricales in einem Schritt. Greifkraft und -funktion waren größer, Patientenzufriedenheit höher und Reha-Zeiten kürzer als in der Vergleichsgruppe.
2.
Sofortige Nachbeübung: Die aktive und passive Nachbehandlung beginnt am 1. postoperativen Tag, dies motiviert die Patienten sehr und vermeidet Adhäsionen und Bewegungsdefizite.
3.
Stabile Seit-zu-Seit-Naht: Sofortige geschützte Bewegung wird möglich aufgrund besonders stabiler Sehnennähte mit beidseits gekreuzer und ca. 5 cm überlappender Sehnenaht, die eine grössere Reissfestigkeit und bessere Gleiteigenschaften hat als die Pulvertaft-Verflechtung.
4.
Nerven-Transfers: Transfers von verzichtbaren Axonen des N. axillaris, N. musculocutaneus und N. radialis von oberhalb der Rückenmarkschädigung haben sich als anatomisch möglich und wirksam erwiesen. Sie können die Nachbehandlung im Vergleich zur Muskelumlagerung verkürzen oder erleichtern (z. B. bei der Ellenbogenstrecker-Rekonstruktion), aktive anstatt passive Funktionen ermöglichen (z. B. bei der Finger- und Daumenstreckung) und neue Perspektiven eröffnen für Patienten, die nicht von klassischen Verfahren profitieren können (z. B. Patienten ohne steuerbare Muskeln an Unterarm und Hand)
5.
Besondere Patientengruppen: Zuverlässig gute Ergebnisse konnten auch bei Personen mit stabiler nicht-traumatischer Tetraplegie, älteren Patienten (über 60 Jahre) sowie bei Rekonstruktion mehr als 10 Jahre nach der Rückenmarkverletzung erreicht werden. Diese Patientengruppen werden aufgrund der steigenden Lebenserwartung weltweit zunehmen.

Schlussfolgerung: Zusammenfassend ist die chirurgische Funktionsverbesserung an Arm und Hand bei Tetraplegikern ist eine innovative und sehr effektive Form der Handchirurgie, deren Bekanntheits- und Nutzgrad aber leider gering ist. Die vorgestellten neuen Ansätzen können helfen, die Gebrauchsfähigkeit von Arm und Hand bei diesen extrem eingeschränkten Patienten zuverlässig zu verbessern, sind aber auch für andere Patienten (z. B. nach peripheren Nervenverletzungen) nutzbringend.