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51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

21.09. - 23.09.2017, Düsseldorf

Effekte von negativen Studien und Arzneimittelwarnungen auf die Arzneimittelverordnung am Beispiel der dualen RAS-Blockade

Meeting Abstract

  • A. Angelow - Inst. für Community Medicine, Abt. Allgemeinmedizin, Greifswald, Deutschland
  • T. Ploner - Universität Potsdam, Potsdam, Deutschland
  • T. Grimmsmann - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung M-V e. V., Referat Arzneimittel & Methoden, Schwerin, Deutschland
  • J. Walker - Health Risk Institute, Berlin, Deutschland
  • J.-F. Chenot - Inst. für Community Medicine, Abt. Allgemeinmedizin, Greifswald, Deutschland

51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Düsseldorf, 21.-23.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17degam299

doi: 10.3205/17degam299, urn:nbn:de:0183-17degam2996

Published: September 5, 2017

© 2017 Angelow et al.
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Text

Hintergrund: Die Veröffentlichung der ONTARGET-Studie 2008 zeigte, dass die bis dahin diskutierte duale Renin-Angiotensin-System (RAS) - Blockade mit Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmern (ACEI) und Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB) zu einer Nierenfunktionsverschlechterung und vermehrter symptomatischer Hypotonie führt; 2014 folgte eine Warnung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). Zum direkten Reninhemmer Aliskiren wurde 2012 die negative ALTITUDE-Studie zur Kombination von ACEI oder ARB mit Aliskiren veröffentlicht und zwei Rote-Hand-Briefe informierten über neue Kontraindikationen.

Fragestellung: Führen Veröffentlichungen von negativen Studien, Rote-Hand-Briefen / anderen Warnungen der EMA oder neue Kontraindikationen bzw. Zulassungseinschränkungen zu einer Abnahme der Verordnung und Neuverordnungen einer dualen RAS-Blockade?

Methoden: Beobachtungsstudie basierend auf Verordnungsdaten von ca. 3 Millionen erwachsenen Versicherten von 2008 bis 2015.

Ergebnisse: Ab 2009 fiel der Anteil Versicherter mit einer Kombination aus ACEI und ARB von 6,2/1000 kontinuierlich auf 4,0/1000 in 2015 ab; die Rate jährlicher Neuverordnungen sank von 2,3/1000 auf 1,9/1000 Versicherte nur leicht. Von 2011 nahm die Weiterverordnungsrate für eine duale RAS-Blockade mit Aliskiren von 2,3/1000 auf 0,3/1000 und die Neuverordnungsrate von 1/1000 auf 0,05/1000 ab. Die meisten Antihypertensiva wurden von Hausärzten verordnet. 59% der Patienten mit dualer RAS-Blockade und 44% der Patienten mit ACEI oder ARB und Aliskiren erhielten ihre Verordnungen von einem Arzt.

Diskussion: Negative Daten zur Arzneimitteltherapiesicherheit aus publizierten Studien und bloße Warnhinweise der Zulassungsbehörden scheinen von einem größeren Teil der Ärzte nicht wahrgenommen oder befolgt zu werden. Konkrete neue Kontraindikationen haben einen stärkeren Effekt auf Verordnungsraten. Alternative Interventionen, z. B. verbesserte Warnungen durch Praxissoftware oder Rückmeldung durch Apotheken, sind notwendig, damit Erkenntnisse zu Arzneimitteltherapiesicherheit in der Praxis ankommen.