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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

General needs assessment: Besteht Interesse an Fortbildung in Evidenz-basierte Medizin? Eine Umfrage unter Lehrärzten für Allgemeinmedizin

General needs assessment for an evidence-based medicine curriculum - a survey among general practitioners involved in teaching

Forschungsarbeit/research article Humanmedizin

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  • corresponding author Dirk Moßhammer - Universität Tübingen, Lehrbereich Allgemeinmedizin, Tübingen, Deutschland
  • author Gernot Lorenz - Universität Tübingen, Lehrbereich Allgemeinmedizin, Tübingen, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2010;27(1):Doc13

doi: 10.3205/zma000650, urn:nbn:de:0183-zma0006500

Received: November 27, 2008
Revised: October 20, 2009
Accepted: November 24, 2009
Published: February 24, 2010

© 2010 Moßhammer et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Praxis- und patientenorientierte EbM (Evidenz-basierte Medizin)-Curricula können die Patientenversorgung verbessern. Curriculums-Entwicklung in der Medizin basiert auf einem Qualitätssicherungsprozess mit initialer Bedürfnisanalyse der Beteiligten. Es ist nicht bekannt, ob bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern überhaupt Interesse an Fortbildung in EbM besteht. Ziel der Untersuchung war es deshalb, die quantitative und qualitative Interessenlage von Lehrärzten der Allgemeinmedizin für Fortbildung in EbM zu erheben.

Methodik: Alle 202 Lehrärzte unserer Fakultät wurden in einer freiwilligen, anonymisierten und standardisierten Briefumfrage zu ihrem Interesse an einem EbM-Curriculum, ihren favorisierten Themen und ihren Vorschlägen sowie zu Zeitaufwand und Teilnahmekosten befragt.

Ergebnisse: Die Rückantwortrate lag bei 70 Prozent (n=141). Von diesen bekundeten 64 Prozent (n=90) Interesse an einem EbM-Curriculum, 23 Prozent (n=33) kein Interesse und 13 Prozent (n=18) Unentschlossenheit. Die am meisten favorisierten Themen waren „Leitlinien“ (64 Prozent, n=69), „Meta-Analysen“ (60 Prozent, n=65), „Kritisches Lesen“ (54 Prozent, n=58) und „Recherche-Fragen stellen“ (49 Prozent, n=53). Die Großteile der insgesamt 43 Vorschläge betrafen Kursthemen (z. B. Arzt-Patient-Interaktion, sozial-ethische Aspekte, Gesundheitsökonomie, Prävention) und Lehrmethoden (regelmäßiges Angebot, Internet-Plattform, e-learning, Vorträge, Fallbeispiele, eigene Referate). Fast 40 Prozent jener Lehrärzte, die Angaben zur Zeitaufwendung machten (n=83), wünschen höchstens bis zu sechs bis acht Stunden Fortbildung in EbM (n=33). Andererseits gab rund ein Drittel (n=27) an, dass ein EbM-Curriculum kontinuierlich (also in regelmäßigen Abständen) angeboten werden sollte. Vierundsechzig Prozent der Lehrärzte, die Angaben zu Teilnehmerbeiträgen machten (n=77), wären bereit, höchstens bis zu 25 Euro pro Kursstunde zu bezahlen (n=49).

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse ermutigen zunächst zum Angebot eines kurzen EbM-Curriculums für Lehrärzte in Allgemeinmedizin. Darüber hinaus kann ein kontinuierliches Konzept eingeplant werden. Eine Vorabkalkulation bzw. ein Probelauf müsste klären, ob mit den akzeptierten Teilnehmerbeiträgen derartige Angebote auszurichten sind.

Schlüsselwörter: Evidenz-basierte Medizin, Curriculum-Entwicklung, Allgemeinmedizin, Fortbildung

Abstract

Introduction: Practice- and patient-oriented evidence-based medicine (EBM) curricula can improve patient care. Curriculum development is based on an initial needs assessment of the targeted participants. It is unknown whether general practitioners (GPs) involved in teaching are actually interested in EBM curricula. Therefore, the aim of this study was to quantitatively and qualitatively assess the interest of these GPs in further training in EBM.

Methods: Our 202 GPs were involved in a written survey using standardized questionnaires addressing their interest in and proposals for EBM curricula, along with their favored topics. Data on course fee and time the teaching physicians are willing to invest for EBM curricula were also collected.

Results: The response rate was 70 percent (n = 141). Among the respondents, 64 percent were interested in EBM curricula (n = 90), 23 percent were not (n = 23), and 13 percent were unsure (n = 18). The most favored topics were “Guidelines” (64 percent, n = 69), “Meta-Analysis” (60 percent, n = 65), “Critical Reading” (54 percent, n = 58), and “Asking Research Questions” (49 percent, n = 53). The 43 proposals were related to course themes (e.g., physician–patient interaction, socio-ethical aspects, health economics, and prevention) and teaching methods (e.g., continuous courses, Internet platforms, e-learning, reports, case reports, own reports). Almost 40 percent of the responding GPs were willing to invest up to six to eight hours in an EBM curriculum (n = 33). On the other hand, according to about one-third (n = 27), EBM curricula should be held continuously. Sixty-four percent of the responding GPs (n = 77) were willing to pay a maximum of 25 euros per curriculum lesson.

Conclusion: The results suggest that it would be effective to offer at first a short EBM curriculum for GPs involved in teaching. A continuous curriculum might also be considered. A test calculation or a test run should be performed to check whether a course can be financed with the fee found acceptable.

Keywords: Evidence-based medicine, needs assessment, curriculum, education, medical, graduate, general practice, continuing medical education


Einleitung

Ein Curriculum umfasst eine möglichst präzise Regelung nicht nur von Lernzielen und Lerninhalten, sondern auch von Lernprozessen und der Lernorganisation eines Studienganges oder Fachgebietes. Es kann sich auch auf Programme der Aus-, Weiter- oder Fortbildung (z. B. Rotationsprogramme) beziehen. Ein Curriculum geht also weiter als ein so genannter Lehrplan, der in der Regel auf die Aufzählung der Unterrichtsinhalte beschränkt ist. Moderne Curricula ordnen zudem ihre Ausbildungsmodule verschiedenen Lernbereichen zu und streben dadurch einen systematischen Kompetenzerwerb an. Lernbereiche eines EbM (Evidenz-basierte Medizin)-Curriculums betreffen insbesondere den kognitiven, sensomotorischen und affektiven Umgang mit Studientypen, Leitlinien, Kritischem Lesen wissenschaftlicher Artikel, systematischen Übersichtsarbeiten, Literaturquellen und Datenbanken oder biostatistischen Kenngrößen.

Das Konzept der EbM wurde von Dave Sackett und Kollegen entwickelt. Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erschien bereits die vierte Auflage seines Buches „Clinical Epidemiology – a Basic Science for Clinical Medicine“ [1], [2]: „EbM ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise und bestmöglicher externer Evidenz aus systematischer Forschung.“

Untersuchungen zeigen, dass Ärzte täglich durchschnittlich zwölf Mal zur Beantwortung patientenbezogener Fragen spezifische Informationen für ihre Entscheidungsfindung benötigen [3] und dass ein Großteil dieser Fragen unbeantwortet bleibt [4]. Im primärärztlichen Bereich führen adäquate Informationen zur Beantwortung solcher klinischen Fragestellungen in mehr als der Hälfte der Fälle zur Optimierung des Behandlungsplans [5].

Verschiedene internationale Untersuchungen haben gezeigt, dass eine der Ursachen für Defizite in der Patientenversorgung in der medizinischen Fortbildung, insbesondere in EbM, zu suchen ist [6], [7]. Mehrere Untersuchungen haben bestätigt, dass durch praxis- und patientenorientierte EbM-Curricula die Patientenversorgung verbessert werden kann [8], [9], [10], [11]. So besteht heutzutage akademischer Konsens über die Nützlichkeit von EbM-Curricula [7], [12].

Curriculumsentwicklung in der Medizin basiert auf einem Qualitätssicherungsprozess, an dessen Anfang die allgemeine und spezielle Bedürfnisanalyse der Beteiligten steht [13]. Da allzu oft jedoch Gestaltung und Themenauswahl von EbM-Experten vorgenommen wird [12], [14], findet eine strukturierte Curriculum-Entwicklung zu wenig Berücksichtigung.

Insbesondere gibt es keine Daten darüber, ob bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern überhaupt Interesse an Fortbildung in EbM besteht.

Ziel der Untersuchung war es deshalb, die quantitative und qualitative Interessenlage von Lehrärzten der Allgemeinmedizin für ein EbM-Curriculum zu erheben.


Methoden

Alle 202 Lehrärzte des Lehrbereichs Allgemeinmedizin unserer Fakultät wurden in einem standardisierten Anschreiben per Post über die Befragung informiert (die Teilnahme war freiwillig). Die Lehrärzte wurden gebeten, einen einseitigen, anonymisierten Fragebogen zu beantworten und im beiliegenden frankierten Rückumschlag an den Lehrbereich zurückzusenden. Die Rücksendefrist belief sich auf zwei Wochen. Die Entwicklung des Fragebogens erfolgte unter Einbeziehung internationaler Literatur über EbM-Curricula und deren Themen [12], [14], [15] sowie unter Berücksichtigung der Lernbereiche bereits national existierender Curricula.

Es wurden drei geschlossene Fragen zum Interesse, zu Lehrmethoden und Themen für einen EbM-Kurs gestellt. Die offenen Fragen adressierten Vorschläge und zeitliche sowie finanzielle Investitionsbereitschaft für ein solches Curriculum. Die Auswertung erfolgte rein deskriptiv mit dem Statistik-Programm SAS Version 9.1.


Ergebnisse

Innerhalb der zweiwöchigen Frist antworteten 70 Prozent (n=141) der 202 Lehrärzte.

Interesse

Von den 141 Antwortenden bekundeten 64 Prozent (n=90) Interesse an einem EbM-Curriculum, 23 Prozent (n=33) kein Interesse und 13 Prozent (n=18) Unentschlossenheit.

Favorisierte Lehrmethoden

Als Lehrmethode wurden von zweiundsechzig Prozent (n=67) der 108 potentiell Interessierten (Interessierte, n=90, plus Unentschlossene, n=18) das „Seminar“, von 47 Prozent (n=51) der „Vortrag“ und von 31 Prozent (n=33) der Lehrärzte die „Kleingruppenarbeit“ favorisiert.

Favorisierte Themengebiete

Abbildung 1 [Abb. 1] stellt die Ergebnisse der Befragung zu den favorisierten Themengebieten dar. Circa 50 bis 64 Prozent favorisierten jeweils „Leitlinien“, „Metaanalysen“, „Critical Reading“ und „Recherche-Fragen“. Die Themen „Studiendesign“, „Kenngrößen“, „Statistik“ und „Literaturrecherche“ wurden jeweils von rund einem Drittel favorisiert. Mit eher geringen 16 bzw. 11 Prozent stellen „Pharmavertreter-Informationen“ und „Epidemiologie“ die Schlusslichter dar.

Ein Großteil der Lehrärzte (73 Prozent, n=102) favorisierten zwei bis fünf Themengebiete (10 Prozent (n=14) zwei Themengebiete, je 26 Prozent drei bzw. vier Themengebiete (n=37 bzw. n=36) und 11 Prozent (n=15) fünf Themengebiete). 13 Prozent (n=18) wählten ausschließlich unter den vier am häufigsten genannten Themen („Leitlinien“, „Metaanalysen“, „Critical Reading“ und „Recherche-Fragen“) aus. Der überwiegende Teil (71 Prozent, n=100) wählte zusätzlich noch andere Themen. Die verbleibenden Anteile fallen auf Nichtantwortende (13 Prozent, n=19) und Angaben von einem favorisierten Thema (n=4), von sechs und sieben Themen (n=8 bzw. n=5) sowie von acht bis zehn Themen (je n=1).

Freie Vorschläge

Freie Vorschläge (n=43) machten 30 Prozent (n=32) der potentiell an einem EbM-Curriculum interessierten Lehrärzte (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Inhaltlich gleiche Vorschläge sind aus Gründen der Übersichtlichkeit übergeordneten Begriffen zugeteilt. Zum Teil sind die Vorschläge identisch mit Themen der geschlossenen Fragen (siehe z. B. „Critical Reading“ oder „Literatur-Recherche“). Etwa 75 Prozent der Vorschläge betreffen Themen und etwa 25 Prozent Lehrmethoden.

Angaben zum zeitlichen Umfang

Tabelle 2 [Tab. 2] gibt an, wie viel Zeit die Lehrärzte bereit sind, für ein EbM-Curriculum aufzuwenden. Die Angaben einzelner Stunden (a), Stundenangaben pro Zeiteinheit, z. B. 4 h pro Woche (b) und reine Wortangaben (c) sind getrennt dargestellt mit Nennung der Häufigkeiten (bezogen auf die potentiell Interessierten, n=108). Fast 40 Prozent jener Lehrärzte, die Angaben zur Zeitaufwendung machten (n=83), wünschen höchstens bis zu sechs bis acht Stunden Fortbildung zu diesem Thema (n=33). Rund ein Drittel (n=27) der sich hierzu äußernden Lehrärzte machten Angaben mit Kontinuitätscharakter (b).

Angaben zu Teilnehmerbeiträgen

Tabelle 3 [Tab. 3] gibt an, welchen Betrag die Lehrärzte bereit sind für eine Curriculum-Teilnahme zu bezahlen. Ca. 50 Prozent der potentiellen Interessenten haben einen konkreten Teilnehmerbeitrag genannt. Die meisten Angaben können in Euro pro Stunde dargestellt werden (b) und liegen zwischen ca. 10 und 25 Euro. Somit wären 64 Prozent der Lehrärzte, die Angaben zu Teilnehmerbeiträgen machten (n=77), bereit, höchstens bis zu 25 Euro pro Stunde bezahlen (n=49). Ca. zwanzig Prozent der Angaben weisen keinen konkreten Betrag auf; fast dreißig Prozent enthielten sich zu dieser Frage.


Diskussion

Ziel dieser Untersuchung war es, die Bedürfnisse von Lehrärzten der Allgemeinmedizin für ein EbM-Curriculum zu erheben, insbesondere ihre quantitative und qualitative Interessenlage.

Nicht-Antwort reduziert die Fallzahl und kann prinzipiell zur Verzerrung der Studienergebnisse führen. Aufgrund der hohen Beteiligungsrate bei dieser anonymen Umfrage von 70 Prozent (n=141) kann jedoch von einer relativ hohen Repräsentativität der Ergebnisse ausgegangen werden [16]. Außerdem zeigt die Auswertung, dass die Fragen intensiv bearbeitet wurden: Weit über 80 Prozent gaben mindestens ein favorisiertes Thema an (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Besonders bei den offenen Fragen zu Teilnahmekosten und zum Zeitaufwand antworteten 70 bzw. fast 80 Prozent (siehe Tabelle 2 [Tab. 2] und 3 [Tab. 3]).

Selbst unter der Annahme, dass es sich bei 30 Prozent der Lehrärzte, die nicht antworteten, um Desinteressierte handelt, liegt der Anteil der potentiellen Interessenten bei 53 Prozent. Somit ist mindestens einer von zwei Lehrärzten für Allgemeinmedizin an der Teilnahme an einem EbM-Curriculum interessiert. Klar Interesse bekundeten 64 Prozent der antwortenden Lehrärzte (n=141). Werden die Unentschlossenen (n=18) zur Gruppe der potentiellen Interessenten gezählt, erhöht sich dieser Wert auf über 80 Prozent. Diese Zahlen lassen mit großer Sicherheit auf reges Interesse an einem EbM-Curriculum schließen. Allerdings muss prinzipiell Bias durch die Antwort nach sozialer Erwünschtheit bedacht werden, wodurch das Interesse überschätzt würde. Es soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, dass die Ergebnisse sich auf Lehrärzte für Allgemeinmedizin beziehen und nicht zwangsläufig auf andere Gruppen von Ärzten übertragen werden können.

Die vorliegende Arbeit fokussierte primär darauf, ob prinzipiell Interesse an einem EbM-Curriculum besteht. Im Hinblick auf kurze Erhebungsinstrumente wurde auf die Befragung der Lehrärzte von sensiblen soziodemografischen und praxisspezifischen Variablen verzichtet. Entsprechend wurde die Frage nach Vorkenntnissen in EbM (und insbesondere nach Englischkenntnissen) bei der Fragebogenentwicklung nicht berücksichtigt. Somit konnte eine stratifizierte Auswertung nach diesen Antwort-Einflussfaktoren nicht stattfinden.

In einer internationalen Untersuchung wurden EbM-Experten befragt, welche EbM-Themenbereiche ihrer Meinung nach für Anfänger wichtig sind. Sie gewichteten am stärksten die Themen „Einführung in die EbM“, „Formulierung von Recherche-Fragen“, „Literaturrecherche“, „Deutung von Therapiestudien“ und „Einführung in systematische Reviews und Meta-Analysen“. Für Fortgeschrittene wurden hingegen die Themen „Deutung anderer Studientypen (Diagnose-, Prognosestudien …)“, „Statistik und mathematische Themen“, „Entscheidungsfindung“ und „Patientenwerte“ am stärksten gewichtet [14]. Die Häufigkeitsverteilung der favorisierten Themen in Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt, dass demnach Einsteiger-Themen die höchsten Anteile erzielten („Leitlinien“, „Metaanalysen“, „Critical Reading“, „Recherche-Fragen“). Allerdings sind „Studiendesign“, „Kenngrößen“ und „Statistik“ als Themengebiete für eher Fortgeschrittene ebenfalls mit Anteilen von über 30 bis 40 Prozent stark vertreten. Auch aus den Freitext-Antworten (insgesamt 43 Vorschläge) sind sowohl Themen für Anfänger als auch für Fortgeschrittene (z. B. „Pharmakotherapie“ oder „Andere Themen“) herauszulesen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Da die differenzierte Auswertung jedoch zeigte, dass der überwiegende Teil (über 70 Prozent) beide Themengebiete gleichzeitig wählte, ist nicht von einer Unterteilung des Kollektivs in Lehrärzte für Einsteiger-Themen und für Fortgeschrittene-Themen auszugehen. Warum die Themengebiete „Pharmavertreter-Gespräch“ und „Epidemiologie“ (letzteres wird als Fortgeschrittenen-Thema [14] angesehen) so gering ausfielen, bleibt unklar.

Tabelle 2 [Tab. 2] impliziert, dass ein Großteil der Lehrärzte aufgrund der Angaben einzelner und eher weniger Stunden ein kurzes Curriculum wünscht. Der andere Großteil scheint eine Kontinuität zu bevorzugen aufgrund der Angaben einzelner Stunden pro Zeiteinheit (pro Woche, pro Monat oder pro Jahr). Diese Vermutungen können durch die Freitextantworten „kompakt“ (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) bzw. „regelmäßige Qualitätszirkel“ (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) und „Zeit spielt kein Rolle“ (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) unterstützt werden.

Was lässt sich nun aus den Ergebnissen dieser Untersuchung für die Gestaltung eines EbM-Curriculums für Lehrärzte in Allgemeinmedizin ableiten?

1.
Es besteht Interesse.
2.
Sowohl ein kompaktes als auch regelmäßiges Gesamtkonzept kann bei der Planung berücksichtigt werden.
3.
Es sollten fachtypische Themen eingeplant werden.

Der Aufbau soll dabei auf die Lernbereiche bereits bestehender EbM-Curricula zurückgreifen [17]. Diese Lernbereiche können unter Einbeziehung der hier eruierten Ergebnisse in Modulform unter Berücksichtigung der Wünsche der Adressaten (z. B. eher kompakt oder kontinuierlich) dargeboten werden. Insbesondere sollten sie an fachtypischen Themengebieten ausgerichtet werden. Bei der Vorbereitung bzw. Ausgestaltung der Module des Curriculums denken die Autoren an die direkte Einbeziehung erfahrener Allgemeinmediziner. Zudem können die Module, die von Experten oder von in EbM-Unterricht geschulten Experten abgehalten werden sollen, durch die Moderation EbM-kompetenter, erfahrener Allgemeinmediziner bereichert werden.

Ein Curriculum über zwei- bis viermal 90 Minuten (entsprechend vier bis acht Stunden) wäre ein guter Einstieg, da ein großer Teil der Lehrärzte höchstens bis zu sechs bis acht Stunden Fortbildung zum Thema EbM wünscht (Tabelle 2). Ob dieses mit den akzeptierten Kosten von bis zu höchsten 100 bis 200 Euro auszurichten ist, müsste eine Vorabkalkulation bzw. ein Probelauf zeigen.


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