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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Systematische Planung fächerübergreifenden Unterrichts am Beispiel des Modellstudiengangs Medizin an der Ruhr-Universität Bochum

Systematic planning of interdisciplinary teaching in the medical model curriculum at the Ruhr-University Bochum

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Thorsten Schäfer - Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Fakultät, Büro für Studienreform Medizin, Bochum, Deutschland
  • author Ute Köster - Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Fakultät, Büro für Studienreform Medizin, Bochum, Deutschland
  • author Bert Huenges - Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Fakultät, Büro für Studienreform Medizin, Bochum, Deutschland
  • author Andreas Burger - Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Fakultät, Büro für Studienreform Medizin, Bochum, Deutschland
  • author Herbert Rusche - Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Fakultät, Büro für Studienreform Medizin, Bochum, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2007;24(3):Doc147

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/zma/2007-24/zma000441.shtml

Received: June 19, 2007
Published: August 15, 2007

© 2007 Schäfer et al.
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Zusammenfassung

Der Forderung der Approbationsordnung, „… der Unterricht im Studium soll fächerübergreifendes Denken fördern und soweit zweckmäßig problemorientiert am Lehrgegenstand ausgerichtet sein“ (ÄAppO §2 (2)), wurde im Modellstudiengang Medizin an der Ruhr-Universität Rechnung getragen, indem ein standardisiertes Planungsverfahren für den gesamten Unterricht entwickelt und angewendet wurde. Das Verfahren erfolgt in 3 Treffen einer themenorientierten Planungsgruppe und läuft – aufbauend auf Vorarbeiten eines Curriculumentwurfs und der Erstellung eines Lehrinhaltekatalogs durch die jeweiligen Fachvertreter in folgenden Schritten ab: 1. Sichtung, Revision und Ergänzung der vorgeschlagenen Lehrinhalte, Schwerpunktbildung und thematische Sortierung. Operationalisierung der Lehrinhalte in konkrete Lehrziele, Absprache der Inhalte unter den Fächern. 2. Planung der Abfolge grundlagenwissenschaftlicher, klinisch-theoretischer und klinischer Inhalte und gemeinsamer Lehrveranstaltungen, Entwicklung von Fallgeschichten, Festlegung der Details zu den Unterrichtsveranstaltungen. 3. Diskussion der Fallgeschichten, Abstimmung der Lehrveranstaltungen und des Stundenplans, Planung der Prüfungsfragen und der Evaluation.

Über die inhaltliche, zeitliche und räumliche Verknüpfung des interdisziplinären Unterrichts liegen nun Erfahrungen, Evaluationen und Prüfungsergebnisse aus acht Semestern vor. Dank des standardisierten Vorgehens wurde der erforderliche Arbeitsaufwand für den komplexen Abstimmungs- und Planungsprozess für alle Beteiligten kalkulierbar.

Schlüsselwörter: Curriculum, Problem-basiertes Lernen, fächerübergreifender Unterricht

Abstract

The German Regulation on the Licensing of Doctors (Approbationsordnung für Ärzte, ÄAppO) demands: “…the medical education is supposed to promote interdisciplinary thinking and should – as far as practicable – aim at the learning objectives in a problem-based way” (ÄAppO §2 (2)). We have put this into action in the Medical Reformed Curriculum at the Ruhr-University Bochum by the implementation of a standardized planning procedure, which covers the entire teaching effort. The planning takes place in three meetings of theme-based planning groups based on the preparatory work of a curriculum draft and a catalogue of learning objectives. These are the concrete planning steps: 1. Screening, revisal and completion of the suggested learning objectives, concentration of the main topics and its thematical arrangements; phrasing of concrete learning objectives, coordination of topics among the disciplines. 2. Planning of the sequence of scientifical and clinical topics and of joint lessons; development of clinical paper cases, specification of the teaching lessons. 3. Discussion of the paper cases, coordination of individual lessons and of the schedule, planning of exam cases and of the evaluation strategy.

We look back on a four-year experience on the planning of interdisciplinary teaching, including students’ evaluations and academic achievements. This standardized procedure makes it possible to calculate the necessary effort of this complex process of coordination and planning for all persons involved.

Keywords: Curriculum, problem-based learning, interdisciplinary teaching


Einleitung

Die 9. Novelle der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (ÄAppO) (9) fordert im Paragraphen 2, der sich mit den Unterrichtsveranstaltungen befasst:

„Der Unterricht im Studium soll fächerübergreifendes Denken fördern und soweit zweckmäßig problemorientiert am Lehrgegenstand ausgerichtet sein. Die Universitäten haben im erforderlichen Umfang fächerübergreifenden Unterricht … anzubieten. Die Vermittlung der naturwissenschaftlichen und theoretischen Grundlagen ist auf die medizinisch relevanten Ausbildungsinhalte zu konzentrieren. Die Vermittlung des theoretischen und klinischen Wissens soll während der gesamten Ausbildung so weitgehend wie möglich miteinander verknüpft werden. Neben den Veranstaltungen … sind Seminare im Umfang von mindestens 98 Stunden als integrierte Veranstaltungen, in die geeignete klinische Fächer einbezogen werden, vorzusehen; darüber hinaus sind weitere Seminare mit klinischem Bezug im Umfang von mindestens 56 Stunden vorzusehen.“ (§ 2 Abs. 2 ÄAppO)

Aus der Sicht der Lernenden ist das Angebot fächerübergreifenden Unterrichts, die Konzentration auf medizinisch relevante Grundlagen und die Verknüpfung theoretischen und klinischen Wissens sehr zu begrüßen, erleichtert es doch das Verständnis, fasst unterschiedliche Sichtweisen zu einem Ganzen zusammen und macht die Relevanz der einzelnen Ausbildungsinhalte offensichtlich [7]. Aus Sicht der Lehrenden hingegen ist die Planung und Durchführung eines integrierten, fächerübergreifenden Unterrichts eine große Herausforderung, erfordert er doch detaillierte Absprachen sowohl auf curricularer Ebene wie in den Einzelheiten konkreter Lehrveranstaltungen.

Mit dem Modellstudiengang Medizin an der Ruhr-Universität Bochum startete die Medizinische Fakultät zum Wintersemester 2003/2004 nach zweijähriger Planungsphase ein themenzentriertes, fächerübergreifendes und vollständig integriertes Curriculum für eine Kohorte von 42 Studierenden pro Jahrgang. An die Stelle von Plenarvorlesungen traten gegenstandsbezogene Studiengruppen, die den Lernstoff nach den Prinzipien des Problem-basierten Lernens [16] unter Anleitung eines erfahrenen Tutors selbst erarbeiteten. Diese Tutoren wurden im Rahmen eines medizindidaktischen Fortbildungsprogramms der Medizinischen Fakultät auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Als Tutoren und Dozenten wurden gemäß der Studienordnung für den Modellstudiengang (§7(5)) „…nach Möglichkeit nur solche Lehrkräfte eingesetzt, die diese Schulung besucht haben.“

Grundlage des Problem-basierten Lernens bildeten in den ersten vier Semestern authentische Patientenfälle in Papierform. Ab dem fünften Semester wurden diese durch reale Patienten ersetzt. Flankiert wurde dieser Studierenden-zentrierte Ansatz durch Seminare, Praktika und praktische Übungen, zu den jeweiligen Schwerpunktthemen der Woche. Zur Realisierung dieses bis ins Detail integrierten Unterrichts wurde ein standardisiertes Planungsverfahren entwickelt, das den Planungsaufwand bei höchstmöglicher Effizienz möglichst gering hält und mit drei Sitzungen der jeweiligen Planungsgruppen auskommt. Dies soll im Folgenden dargestellt werden:


Projektbeschreibung

Vorarbeiten

1. Entwurf des Curriculums

Der Fakultätsrat ernannte einen Fakultätsbeauftragten für die Studienreform aus dem Kreis der Hochschullehrer, der den Planungs- und Umsetzungsprozess leitet. Er konstituierte ein Planungsteam aus Ärzten, einer Sozialwissenschaftlerin, einer Unternehmensberaterin und einer Psychologin, die einen ersten Entwurf eines themenzentrierten Curriculums entwarfen. Dieser wurde in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe „AG Modellstudiengang“ diskutiert, fertig gestellt und im Fakultätsrat verabschiedet.

Wie in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt, teilt das Curriculum das Studium in vier Phasen ein, beginnend mit der Betrachtung der Organsysteme des Körpers in den ersten vier Semestern, gefolgt von den Entwicklungsphasen des Menschen von der intrauterinen Entwicklung bis zum Greisenalter im fünften Semester. In den Semestern 6 bis 10 setzen wichtige Diagnosegruppen den jeweiligen Schwerpunkt. Mit dem Praktischen Jahr (PJ), der vierten Studienphase, wird das Studium abgeschlossen. Jede Phase besteht aus themenzentrierten, fächerübergreifenden Blöcken.

2. Lehrverantwortliche für die Fächer und Querschnittsbereiche

Durch fachinterne und fächerübergreifende Absprachen wurden Lehrverantwortliche für den Modellstudiengang benannt, die als Repräsentanten für die in Anlage 1 ÄAppO aufgeführten vorklinischen Fächer bzw. Unterrichtsveranstaltungen und die in § 27 ÄAppO genannten klinischen Fächer und Querschnittsbereiche die weitere Planung übernahmen.

3. Lehrzielkatalog

Die Lehrverantwortlichen stellten jeweils für ihr Fach bzw. ihren Querschnittsbereich einen Stichwortkatalog derjenigen Lehrziele auf, die bislang im Rahmen von anwesenheitspflichtigen Lehrveranstaltungen vermittelt wurden. Die Listen wurden anschließend innerhalb der Fächer auf ihre medizinische Relevanz geprüft und gegebenenfalls modifiziert, ohne jedoch ihren Umfang nennenswert zu verändern. Nach Fertigstellung der Listen wurden die einzelnen Lehrinhalte von den Lehrverantwortlichen den im Curriculum festgelegten thematischen Blöcken zugeordnet. Damit ergaben sich Stoffsammlungen, die die Grundlage für die weitere, fächerübergreifende und integrierte Planung bildeten. Ein Auszug aus diesem stichwortartigen Lehrinhaltekatalog ist in Tabelle 1 [Tab. 1] wiedergegeben. Hierbei trat eine Reduktion des Lehrstoffes auf, da die Inhalte nicht anwesenheitspflichtiger Veranstaltungen nicht berücksichtigt wurden und unnötige Redundanzen zwischen den Disziplinen oder gar innerhalb eines Faches aufgedeckt wurden.

4. Prozess-Steuerung

Der hier vorgestellte Arbeitsablauf wurde durch das „Büro für Studienreform Medizin“ unter Leitung des Fakultätsbeauftragen für die Studienreform geplant und begleitet. Der Planungsprozess erfolgte mit einem Vorlauf von einem halben bis dreiviertel Jahr. Für die Blockplanung selbst war dank der Optimierung durch die hier beschriebene Vorgehensweise ein Personalbedarf von einer Wissenschaftlerstelle und einer studentischen Hilfskraftstelle erforderlich. Ihre Aufgabe war im laufenden Planungsprozess die inhaltliche und organisatorische Vor- und Nachbereitung der Sitzungen, die Korrespondenz und Sitzungsmoderation in Absprache mit dem Blockkoordinator, sowie die Erstellung der Unterrichtsmaterialien. Neben der hier dargestellten Blockplanung wurden neue Prüfungsformen sowie studienbegleitende „Stränge“ entwickelt. Zu letzteren gehörten die Ärztliche Interaktion, Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns sowie die Gesundheitsökonomie.

Zur Vereinheitlichung des Planungsprozesses gab das Büro für Studienreform Handbücher zur Block- und Fallkonstruktion heraus. Diese enthielten Hilfestellung, Muster und Matrizen zu den erforderlichen Arbeitsschritten und Materialen.

Blockplanung

1. Konstituierung der Blockkonstruktionsgruppen

Die Unterrichtsplanung erfolgte auf Ebene der thematischen Blöcke. Für die Abstimmung der Blöcke untereinander waren jeweils Jahrgangsbeauftragte verantwortlich.

Zur konkreten Umsetzung des themenzentrierten Curriculums und zur Detailplanung des integrierten Unterrichts wurden Blockkonstruktionsgruppen konstituiert. Sie setzten sich aus Fachvertretern derjenigen Fächer zusammen, die Lehrinhalte ihres Faches dem entsprechenden Block zugeteilt hatten. In Abhängigkeit von den beteiligten Fächern bewegte sich die Teilnehmerzahl dieser Gruppen zwischen 10 bis 20 Teilnehmern.

2. Sitzungen und Eigenarbeit der Blockkonstruktionsgruppen

Die weitere Planung erfolgte in drei Sitzungen der Blockkonstruktionsgruppen sowie in Eigenarbeit mit definierten Aufgaben. Die Tabelle 2 [Tab. 2] gibt einen Überblick über die Arbeitsschritte der Blockkonstruktionsgruppen.

2.1. Erste Sitzung

Die erste Sitzung diente zunächst dem Kennen lernen und allgemeinen Absprachen unter den Fachvertretern. Mitarbeiter des Büros für Studienreform informierten über die Einordnung des Blockes in das Curriculum unter besonderer Berücksichtigung der bereits erarbeiteten Inhalte und der weiterführenden Inhalte in späteren Blöcken. Die Teilnehmer bestimmten aus ihrem Kreis einen Blockkoordinator, der das Büro für Studienreform bei der weiteren Blockplanung unterstützte.

Es folgte die inhaltliche Arbeit mit Sichtung, Revision und Ergänzung der für den Block vorgeschlagenen Lehrinhalte mit Hilfe von Moderationskarten und einer Pinwand. Redundante Inhalte konnten zusammengefasst werden, Angebote unterschiedlicher Fächer zu ähnlichen Themen wurden kombiniert. Nach Überarbeitung des Stichwortkatalogs wurden die verbliebenen Lehrinhalte nach thematischen Gesichtspunkten gruppiert. Berücksichtigt wurde dabei die Dauer des Blockes, indem möglichst pro Woche ein Cluster zusammengestellt wurde. Die Zuordnung erfolgte unter gemeinsamer Diskussion der Wochenschwerpunkte und berücksichtigte sowohl grundlagenwissenschaftliche wie auch klinisch-theoretische und klinisch-praktische Aspekte. Zum Abschluss der ersten Sitzung wurden die Ziele der ersten Eigenarbeit besprochen.

2.2. Erste Eigenarbeitsphase

Auf der Basis der Ergebnisse der ersten Sitzung (Wochenschwerpunkte, Zuordnung der Lehrinhalte zu den Wochen) formulierten die Fachvertreter für ihre zunächst nur stichwortartig genannten Lehrinhalte ausformulierte Lehrziele. Sie folgten hierbei den Kriterien der Operationalisierung [15] nach Lehrzieltyp (Kenntnisse – Fertigkeiten – Verhalten) sowie Lerntiefe (vom Wieder erkennen bis zur Routine) (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]). Die operationalisierten Lehrziele wurden allen beteiligten Fachvertretern vor der nächsten Sitzung zugesandt.

2.3. Zweite Sitzung

Zwei bis drei Wochen nach der ersten Sitzung fand die zweite Sitzung der Blockkonstruktionsgruppe statt. Sie diente der Zuordnung der operationalisierten Lehrziele zu entsprechenden Unterrichtsveranstaltungen. Hierbei war als Rahmen der Musterstundenplan zu berücksichtigen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Er sieht neben den gegenstandsbezogenen Tutorien zu Wochenanfang und –ende zwei Seminare, eine praktische Übung und ein längeres Praktikum pro Woche vor. Im gemeinsamen Gespräch wurden die Unterrichtsveranstaltungen wochenweise abgestimmt, so dass sich ein didaktisch sinnvoller, themenzentrierter Aufbau des Unterrichts ergab. Zur Vorbereitung der nun anstehenden Eigenarbeit wurden Vorschläge für geeignete Patienten- und Prüfungsfälle gesammelt, die zu den jeweiligen Wochenthemen passten, und die Autorenschaften für den Entwurf der Patientenvignetten und möglicher Prüfungsfälle vergeben.

2.4. Zweite Eigenarbeit

Unterrichtsplanung

Im Intervall bis zur abschließenden Sitzung hatten die Fachvertreter die Aufgabe, geeignete Dozenten für die geplanten Unterrichtsveranstaltungen zu verpflichten, sowie die Raum- und Materialplanung vorzunehmen. Die Details wurden mittels eines Formblatts („Lehranforderungsschein“) kommuniziert. Es enthielt von Seiten des Büros für Studienreform die Angaben zum Thema der Veranstaltung, zum Typ des Unterrichts als Seminar, praktischer Übung oder Praktikum, zu Zeit und Dauer, sowie zu den operationalisierten Lehrzielen. Die Dozenten ergänzten ihren Namen, gegebenenfalls Kooperationspartner, den Veranstaltungsort und optional Literaturangaben zur Vor- und Nachbereitung sowie weitere Informationen, etwa über mitzubringendes Material.

Fallvignetten

Die in der zweiten Sitzung konstituierten Autorenteams von 2 bis 3 Teilnehmern entwarfen die Patientenfälle für die gegenstandsbezogenen Tutorien. Sie bestanden aus einer kurzen, lebendigen Schilderung der augenblicklichen Situation des Patienten, ergänzt um anamnestische Angaben und klinische Befunde sowie um die Diagnose und Hintergrundinformationen für den Tutor [10].

Die konkrete Unterrichtsplanung sowie die Fallvignetten wurden mit der Einladung zur dritten und abschließenden Sitzung der Blockplanung an alle Teilnehmer ausgesandt.

2.5. Dritte Sitzung

In der abschließenden, dritten Sitzung, die nach drei bis vier Wochen stattfand, wurde der Stundenplanentwurf auf Konsistenz geprüft, letzte Absprachen zu fächerübergreifenden Veranstaltungen getroffen und die Patientenfälle diskutiert. Nach Verabschiedung des Unterrichtsplans erfolgte die Vorbesprechung der Prüfungsaspekte, die aus dem Unterrichtsblock hervorgehen sollten. Hierzu zählte das Konzept für eine Patientenvignette als Grundlage für eine fallbezogene Prüfung sowie die Information über die benötigten Aufgaben und Fragen zur Erstellung der theoretischen und mündlich-praktischen Abschlussprüfung, die in Form eines modifizierten Essay-Tests (MEQ) und einer Parcoursprüfung (OSCE, objective structured clinical examination) durchgeführt wurde [8].

3. Abschließende Planungsarbeiten

3.1. Unterrichtsmaterialien

Die Informationen zum Block wurden in einem Blockbuch zusammengefasst. Es enthielt die Termine für die Einführungsveranstaltung und die Abschlussbesprechung, die Stundenpläne inklusive der Gruppeneinteilung, Detailinformationen zu den Unterrichtsveranstaltungen samt möglicher Vorbereitungsaufgaben und die Kontaktadressen des Blockkoordinators, der Planer und der Lehrverantwortlichen. Ebenso aufgeführt wurden die Lehrziele, die den Studierenden die gezielte Vor- und Nachbereitung erleichtern sollten. Bei der Wahl der Blockkoordinatoren wurde auf eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Institute und Kliniken geachtet. Der Arbeitsaufwand für den Blockkoordinator war in der Planungsphase höher, als für die weiteren Mitglieder der Planungsgruppe. Als Vertreter eines für den Block tragenden Faches stellte er insbesondere die inhaltliche Konsistenz des Blockes sicher und sorgte hier für die notwendigen Absprachen. Zur Entlastung der Blockkoordinatoren übernahm das Büro für Studienreform die formalen Arbeiten, etwa bei der Erstellung des Blockbuchs und der weiteren Unterrichtsmaterialien.

Für die ersten vier Semester wurden die operationalisierten Lehrziele wieder zu allgemeineren Beschreibungen zusammengefasst, die höheren Semester erhielten die ausführlichen Angaben. Dies geschah zur Vermeidung eines allzu stark fokussierten Lernens eng umschriebener Lehrziele in den ersten Semestern und wurde durch die Formulierung der eigenen Lernziele der Studierenden im Rahmen ihrer POL-Tutorien aufgewogen. Des Weiteren stellte der Blockkoordinator aus den Patientenfällen ein „Fallbuch“ zusammen, das die Patientenvignetten, zusätzliche Angaben zu Anamnese und Untersuchungsbefunden, sowie Hintergrundinformationen für den Tutor enthielt. Nach dem Prinzip des „Blended Learning“ wurden die gegenstandsbezogenen Studiengruppen und der Präsenzunterricht in Form der Seminare und Praktika durch die Lernplattform „Blackboard“ unterstützt und obligatorisch in den Informationsaustausch zwischen und unter Studierenden, Dozenten und dem Büro für Studienreform eingebunden. Auf diese Weise stellten Dozenten ihre Unterrichtsmaterialen, Handouts und weiterführende Informationen den Studierenden zur Vor- und Nachbereitung zur Verfügung.

Evaluation und Überarbeitung

Jeder thematische Block im Rahmen des Curriculums des Modellstudiengangs Medizin wird einer ausführlichen Evaluation unterzogen. Diese besteht – neben einer fakultätsweiten Online-Evaluation - aus einer schriftlichen Befragung der Studierenden nach ihrer Einschätzung jeder Lehrveranstaltung mit Möglichkeit der Benotung nach dem Schulnotensystem und mit der Abgabe einer Handlungsempfehlung an die Blockkoordinatoren, wenn Veranstaltungen dringend verbesserungsbedürftig oder sehr lobenswert waren. In beiden Fällen sind Details den hierbei erforderlichen Freitextangaben zu entnehmen. Darüber hinaus finden am Blockende Blockabschlussbesprechungen mit allen Studierenden statt, an denen der Blockkoordinator und Vertreter des Büros für Studienreform teilnehmen. Mit strukturiertem Ablauf werden positive und negative Kritiken gesammelt und dokumentiert. Die Ergebnisse der schriftlichen und mündlichen Befragung werden den Blockkoordinatoren zur Verfügung gestellt und dienen der interaktiven Überarbeitung des Blockes für den kommenden Jahrgang. Je nach Umfang der Kritik und der Verbesserungsvorschläge entscheidet der Blockkoordinator, ob er die Planungsgruppe wieder einberuft, oder ob die notwendigen Änderungen auf andere Weise abgestimmt werden können. Auf diese Weise wird der Zyklus der Curriculumsentwicklung und –durchführung sinnvoll geschlossen.


Diskussion

Das vorgestellte Projekt beschreibt das strukturierte, an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum implementierte Vorgehen zur Planung und Durchführung eines themenzentrierten, fächerübergreifenden Curriculums im Rahmen des Modellstudiengangs Medizin. Es gewährleistet eine adäquate Beteiligung aller relevanten Fächer, erleichtert Absprachen zwischen den Disziplinen und führt nach nur drei gemeinsamen Sitzungen und einer definierten Eigenarbeit der beteiligten Fachvertreter zur Erstellung der notwendigen Unterrichtsmaterialien, in denen die Planungsergebnisse dokumentiert sind. Hierzu gehören die Block- und Fallbücher sowie die konkreten Stundenpläne, wie auch das Konzept für die sich anschließenden schriftlichen und mündlich-praktischen Prüfungen.

Das standardisierte Vorgehen sorgte dafür, dass die umfangreiche Planungsarbeit für den Einzelnen in ihrem Umfang abschätzbar und überschaubar wurde.

In der Literatur wird der fächerübergreifende Unterricht in Form horizontaler und vertikaler Integration als erstrebenswerte Eigenschaft moderner Curricula immer wieder betont [4], [7], [11], [12]. Berichte reichen von Erfahrungen in einzelnen Unterrichtsveranstaltungen über die Verknüpfung einzelner Fächer bis hin zu vollständigen Curriculums-Reformen.

Bereits die fachinterne Verknüpfung, so berichten Goodman et al., bewährt sich vor dem Hintergrund geringerer Ressourcen, indem etwa Herz-Kreislaufphysiologie und Atmungsphysiologie in kombinierten Experimenten gelehrt wurde [13]. Anhand der Geschichte des Physiologieunterrichts in Singapur zeichnen Hooi und Koh den Paradigmenwechsel von der isolierten Betrachtung des eigenen Faches hin zur möglichst frühzeitigen Einbeziehung klinischer Fragestellungen ab den 1970er Jahren nach [14]. Zu späteren Zeitpunkten im Medizinstudium bewährte sich die Verknüpfung von Anatomie und Chirurgie, wie etwa Beech und Domer berichten [2]. Auch Abu-Hijleh und Mitarbeiter [1] berichten von der Integration der Anatomie in den chirurgischen Unterricht, indem sie auch im fünften und sechsten Studienjahr noch einmal auf die Grundlagenwissenschaften zurückgreifen. Um den Übergang vom problembasierten, grundlagenorientierten Unterricht der ersten Semester zum klinischen, problembasierten Unterricht der späteren Semester zu erleichtern, führten van Gessel und Mitarbeiter ein 12-wöchiges Modul „Einführung in Klinisches Denken“ ein, in dem anhand typischer Fallschilderungen die klinische Vorgehensweise geübt wurde [17].

Aus der mehrjährigen Erfahrung mit der Curriculumreform unter Einführung eines Reformstudiengangs Medizin an der Charité Berlin berichtet Burger, dass der Aufwand für die Unterrichtsdurchführung im Reformstudiengang in etwa dem im traditionellen Studiengang entspricht. Während der mehrjährigen Planungsphase und für die laufende Koordination und Überarbeitung jedoch war eine höhere Anzahl von wissenschaftlichen Mitarbeitern und studentischen Hilfskräften im Einsatz [6], [5].

Dahle et al. schlüsseln die Aufgaben ihrer Koordinatoren näher auf [7]: So werden in Linköping zur Sicherstellung der vertikalen Integration des Unterrichts pro Themenblock jeweils zwei Verantwortliche, ein Grundlagenwissenschaftler und ein Kliniker, benannt. Zur Überarbeitung ihres mittlerweile 20-jährigen Curriculums wurden multidisziplinäre Themengruppen gegründet, die - ähnlich wie in den ersten Semestern in Bochum - einen interdisziplinären Unterricht basierend auf den Organsystemen planen und in das Curriculum integrieren [3].


Schlussfolgerung

Bei aller Vielfalt und Durchsetzung eines fächerübergreifenden und horizontal wie vertikal vernetzten Curriculums jedoch fehlen – abgesehen von den Bemerkungen über den erheblichen Planungsaufwand – in den uns zur Verfügung stehenden Quellen genauere Angaben über das konkrete Prozedere für die gemeinsame Planung des gemeinsamen Unterrichts. Mit dem hier vorgestellten Projekt der standardisierten Unterrichtsplanung konnte ein Verfahren entwickelt werden, das nicht nur alle involvierten Fachvertreter in gebührender Weise einbezieht und gemeinsam an einen Tisch bringt, sondern auch den Arbeitsaufwand reduziert sowie transparent und kalkulierbar gemacht hat. Dabei wurden Synergien erkannt und entwickelt, die schließlich bei der praktischen Umsetzung der Unterrichtsplanung zu höherer Effizienz genutzt werden konnten.

Die strukturierte Vorgehensweise bei der fächerübergreifenden Unterrichtsplanung hat den Dialog über die Qualität der Lehre innerhalb und unter den Disziplinen angestoßen und nachhaltig gefördert. Verantwortlichkeiten wurden definiert, neue Kontakte und Kooperationen sind entstanden. Von dieser Entwicklung profitiert die Fakultät auch für die Planungen im traditionellen Studiengang, etwa bei der Umsetzung der neuen Approbationsordnung. Hier sind insbesondere die Einbeziehung klinischer Fächer und Themen in die Vorklinik und die Neuordnung des klinischen Unterrichts und des Praktischen Jahres zu nennen.

Da die hier vorgestellte dreischrittige Vorgehensweise weder spezifisch für den Standort Bochum ist noch fachspezifischen Einschränkungen unterliegt, ist zu folgern, dass sie sich sowohl auf andere Universitäten wie auch auf andere Institutionen übertragen ließe, die fächerübergreifenden Unterricht planen.


Literatur

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9.
Die Bundesministerin für Gesundheit. Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002. Bundesgesetzblatt. 2002;I:2405-2435. Zugänglich unter: http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/BGBl102044s2405.pdf.
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