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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Was bringt problemorientierter Unterricht den psychosozialen Fächern? : Erste Erfahrungen an der Medizinischen Fakultät Bern

Benefit of Problem-Based Learning for Psychosocial Medicine. : first experiences at the medical faculty of berne

Projekt Humanmedizin

GMS Z Med Ausbild 2005;22(2):Doc26

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/zma/2005-22/zma000026.shtml

Received: August 15, 2004
Published: April 20, 2005

© 2005 Laederach-Hofmann et al.
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Zusammenfassung

Ziel: Vorstellung der Änderungen studentischer Fähigkeiten und Fertigkeiten durch die Einführung eines praktisch-orientierten, strukturierten patientenorientierten Unterrichts an der Universität Bern im Rahmen des Grundstudiums (1. bis 3. Studienjahr).

Methode: Beschreibung des Unterrichts, Evaluation mittels formativer Werkzeuge, Befragung von Tutoren und Studierenden.

Ergebnisse: Qualitativ zeigen sich im Vergleich ein verstärktes Engagement und verbesserte Vorbereitungen auf den Unterricht bei den Reformstudierenden. Ebenso lassen sich bessere Beurteilungen des Unterrichts durch die Studierenden und engagierteres Teaching durch die Tutoren nachweisen. Die formativen Ergebnisse zeigen eine höhere Unterrichtspräsenz, ein größeres Engagement im Selbststudium und ein höheres Interesse an psychologisch-psychiatrischen Inhalten, also eine verminderte Marginalisierung der Fächer mit psychosozialen Inhalten.

Diskussion: Das höhere Lehrengagement und die klarere Strukturierung des Unterrichts in Psychosozialer Medizin und Psychiatrie zeigen Effekte im Lernverhalten der Studierenden. Obgleich die Prüfungsart entsprechend der Unterrichtsform geändert worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Tendenzen in der Verbesserung von Präsenz, Engagement und Reproduktion im Wissen einer realen Verbesserung der Fähigkeiten zugeschrieben werden können. Ob diese Effekte in Bezug auf das in drei Jahren zu absolvierende praktische Staatsexamen in Innerer Medizin, bei welchem zugleich psychosoziale Fertigkeiten geprüft werden, bestehen bleiben, muss sich noch zeigen.

Schlussfolgerung: Das Unterrichtsengagement und eine bessere Struktur des Unterrichts führen zur Verminderung der formalen Marginalisierung und inhaltlichen Abwertung des Psychosozialen oder Psychiatrischen Unterrichts.

Schlüsselwörter: Psychosoziale Medizin, Psychiatrie, problemorientierter Unterricht, formative Evaluation, Prüfungen in Psychiatrie und Psychosozialer Medizin

Abstract

Aim: Presentation of skills and knowledge of medical students in psychiatry or psychosocial medicine in basic study (year 1 to 3) after the introduction of a problem oriented learning curriculum at the Medical Faculty of Berne.

Method: Description of the curriculum with the different teaching units, and the evaluation by means of formative tools used by students and tutors.

Results: With reference to qualitative comparison students of the problem based learning track showed a better preparation of the different teaching units than did traditional students. Moreover, compared to classical teaching, students in problem based learning rated the commitment of the teachers higher. The formative results showed a better adherence to the teaching modules, a higher effort in self learning and a higher interest in psychological or psychiatric learning items.

Discussion: The higher commitment of teachers and the explicit structuring of the teaching contents in psychiatry and psychosocial medicine showed positive effects in the learning strategy of students. Beside the fact that exams have been adapted to the new curriculum one can assume that the learning style has changed. This might be a result of the better learning environment in the new curriculum. However, there is not clear how and to what extent these changes will remain active until the final exams of the medical curriculum when psychosocial contents will be reexamined.

Conclusions: The intense commitment of the teachers and the better structuring of the subject matter may lead to a better integration of psychosocial and psychiatric issues into the medical curriculum.

Keywords: psychosocial medicine, psychiatry, problem-based learning, formative evaluation, exams in psychosocial medicine and psychiatry


Einleitung

"The only thing that interferes with my learning is my education." - Albert Einstein

Problemorientiertes Lernen oder Problem based learning (PBL) ist eine Lernstrategie, die gemäss den Vorgaben der Schweizerischen Medizinischen Interfakultätskommission (SMIFK) eine an Universitäten in zunehmendem Maße zu praktizierende, auf Erwachsenenbildungserfahrungen beruhende Lernmethode darstellt [5], [18]. Besonders fördert PBL das Erlernen des Selbstlernens, ist in seiner Art ein auf die Bedürfnisse der Studierenden ausgerichtetes Lernen und führt damit zur Umverteilung der Lehrverantwortung vom Lehrer auf den Schüler, bzw. vom Dozenten auf die Studierenden. Parallel zu diesem Phänomen fördert PBL die studentische Selbstverantwortung [18]. Allerdings ist damit eine vermehrte Belastung für die Dozenten verbunden [19].

Im Unterschied zur traditionellen Lehre werden hochstrukturierte Inhalte wie Vorlesungen, Seminare und von Dozenten vorbereitete Repetitorien drastisch reduziert, beispielsweise macht die Zahl der Vorlesungen in Bern nur noch 10 % des Wochenstundenplans aus [3]. Damit verbleibt mehr Zeit für Selbststudium und gleichzeitig wird auch die Selbstständigkeit gefördert. Als weitere Lehrformen kommen Tutorate, Fachpraktika, Podien und Fragestunden dazu.


Ziel und Absicht

Die Integration biopsychosozialer Aspekte steht für uns mit absoluter Priorität im Vordergrund. Es ist dies die wohl einzige Möglichkeit, den Studierenden aufzuzeigen, dass damit die artifizielle Trennung von Soma und Psyche - wie sie in der Klinik tagtäglich vorgelebt wird - eigentlich einem didaktischen Konstrukt und keineswegs der Realität entspricht. Zudem stehen psychosoziale Aspekte als geisteswissenschaftliche Inhalte in einem starken Kontrast zu den übrigen, das Kurrikulum bestimmenden naturwissenschaftlich geprägten Inhalten [11]. Dies trifft nicht nur für das vorklinische Studium in besonderem Maße zu, sondern durchaus auch für die ersten klinischen Jahre der Medizinerausbildung. Erst später werden die Studierenden erfahren, dass solche, oft despektierlich als „soft facts" bezeichneten Aspekte in der täglichen Arbeit eine nicht nur wichtige, sondern zumeist eine alles bestimmende Rolle spielen [4]. Nicht unerwartet wurden, besonders von Anatomen und Physiologen, die Inhalte des psychosozialen Kurrikulums als zu „weich" bewertet. Diese Schwierigkeiten sind sicherlich allgemein bekannt, was sich auch in der entsprechenden Literatur nachvollziehen lässt [11], [1], [12], [16], [23]. In diesem Neuaufbau hatten indes auch wir selber einige Bedenken. Diese Bedenken richteten sich weniger auf die Inhalte selber, die wir aus unserer klinischen Erfahrung als relevant erfahren hatten, sondern auf die Problematik der Ressourcen.

Organisation der Lehre in Psychosozialer Medizin

Psychosoziale Medizin ist als Fach aus der Medizinischen Psychologie entstanden. Im Jahr 1982 entschied der Bundesrat, dass im medizinischen Staatsexamen auch psychosoziale Inhalte geprüft werden müssen. Damit entstand der Bedarf, die bisher „ausgelagerte" Medizinische Psychologie in das Kurrikulum an den Medizinischen Fakultäten der Schweiz einzubauen. Während dies in Bern durch die Gründung eines sogenannten „Kollegiums für Psychosoziale Medizin (KPSM)" geschah, in welchem Vertreter aller wichtigen Fachrichtungen, eingeschlossen der Vorklinik, im Sinne eines konsensuellen Gremiums vertreten waren, lösten andere Universitäten dies durch Schaffung von Abteilungen (ZH, BS), Departementen (VD, GE) mit Extraordinariaten oder Ordinariaten für Psychosoziale Medizin. So gibt es noch heute kein unabhängiges Budget für die Psychosoziale Medizin in Bern, wogegen sich in anderen Universitäten der Schweiz die entsprechenden Einheiten bezüglich Forschung und Lehre betreffend Ressourcen und Drittmitteln weiterentwickeln konnten. Dies wird Auswirkungen auf die Lehrleistung und Implementierung des Kurrikulums in Psychosozialer Medizin haben, sind doch diese Tätigkeiten lediglich an Vertreter des akademischen Mittelbaus gebunden, die darin keine akademische Position erwerben können, geschweige denn eine akademische Perspektive hätten.

Die klinische Ausführung psychosozialer Erkenntnisse geschieht in der Psychosomatik [13], [14]. Die Kenntnisse betreffen psychologische und soziologische Grundlagen des Menschen, Sozial-/Entwicklungs-, Persönlichkeitspsychologie und Psychophysiologie [15]. In den Fertigkeiten wird das Schwergewicht auf die praxisorientierte, reflektierte Erfahrung in der Arzt-Patient-Beziehung gelegt, die ärztliche Gesprächsführung, die Erfassung psychischer, sozialer Bedingungen zur Krankheitsentstehung und -verarbeitung beinhaltet.

Die Organisation und Definition des Kurrikulums in Psychosozialer Medizin geschah zu Beginn der Studienreform in Bern 1994 nach unserer Vorgabe: „in jedem Ausbildungsabschnitt". Das bedeutet noch heute, dass die gesamte studentische Lehre im 1. und 2., im 3. und 6. Studienjahr den Lehrbeauftragten obliegt. Dazu kommen fachspezifische Nebenaufgaben, von denen die Aufwendigsten das Training der zukünftigen Tutoren sowie die Betreuung problematischer Studierenden sind. Es liegt damit nahe, dass sich Überschneidungen mit dem Fach Klinische Psychiatrie ergeben. Diese lassen sich nur dann gering halten, wenn die Klinische Psychiatrie in der Lehre als Teil der „Psychosozialen Fächer" fungiert, was in Bern teilweise mit Erfolg realisiert worden ist. Zur Sichtbarmachung dieser Bereiche seien nachfolgend die Lerninhalte Psychiatrie kurz summarisch aufgelistet: Sie betreffen die Arzt-Patient-Beziehung, die psychischen Funktionen, das Arzt-Patient-Geheimnis, worin die Studierenden den kranken Menschen als Ganzes erfassen, die gegenseitige Abhängigkeit psychischer und körperlicher Symptome verstehen, Gefühle beschreiben, die der Patient auslöst, Depression diagnostizieren, Suizidalität erkennen sollen. Zudem sollen sie mit Patienten-Fragebogen erste differentielle psychiatrische Überlegungen machen (Prime MD Today), Alkoholismus (CAGE, MALT) und auch die Gesprächsführung mit einem Suchtpatienten erlernen.

Psychosoziale Medizin in den zwei Blockjahren (4. und 5. Studienjahr)

Die Blockseminare in Psychosozialer Medizin werden während des Blockunterrichts in Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Inselspital zentral veranstaltet. Sie dauern dreimal drei Stunden und werden von jeweils zwischen 20 und 30 Studierenden absolviert, die gleichzeitig den HNO-Block besuchen. Spezielle Themen betreffen in dieser Veranstaltung die Vernetzung der Psychosozialen Medizin mit der Klinik, spezielle Psychosomatik, klinikbezogene Ethik, Patienteninterviews und Rollenspiele. Zu jeder klinischen Vignette wird die entsprechende Theorie repetiert. Der Blockunterricht in Psychiatrie/Psychosomatik andererseits, findet nach wie vor in der Peripherie statt. Dies hat den Nachteil, dass nicht ersichtlich ist, welche Lerninhalte die Studierenden wirklich erarbeiten können.

Psychosoziale Medizin im Wahlfachjahr (6. Studienjahr)

Im 6. Studienjahr, welches in groben Teilen dem Praktischen Jahr in Deutschland entspricht, haben die Studierenden die Möglichkeit, wahlweise für zwei bis maximal sechs Monate klinische Fächer ihrer Wahl zu belegen. Diese können auch im Ausland arrangiert werden. Am Ende der Wahlfachperiode stehen die einen Monat dauernden sogenannten Wahlfachseminare. Darin haben alle Fächer die Möglichkeit, bestimmte für sie relevante Themen zur Bearbeitung für Studierende anzubieten. Diese haben dann die Aufgabe, die Inhalte in einer Kurzpräsentation unter der Leitung des jeweiligen Fachdozenten, im Vorlesungsstil, ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen darzustellen. Im Fach Psychosoziale Medizin/Psychosomatik bieten wir die Bereiche "Funktionelle Störungen", "Adipositas/Magersucht", "Herzbeschwerden", "Umgang mit Sterben und Tod im Spital" und "Der schwierige Patient" an.

In der Klinik soll der Studierende Kompetenzen erwerben, die Grundwissen, kognitiv und emotiv (Sachebene, teils Übertragungsebene), soziale und interaktive Fertigkeiten (Abhängigkeitsebene), Selbstreflexionsfähigkeit (Empathiefähigkeit, Arbeitsbündnis) und Handlungskompetenz (auf Basis gesicherter Entscheidungsgrundlagen) betreffen. Der Student soll in der Arzt-Patient-Begegnung unterscheiden lernen, welche Kommunikationsanteile Sachinformation, welche Information über den Aktualzustand (emotional, intentional, intellektuell) und welche über die Art der Interaktionsgestaltung des Patienten eine Rolle spielen. Die erschwerten Umstände, worunter wir beispielsweise Zeitmangel, Unterbrechungen und schwierige Patienten rechnen, dienen vorab dazu, diese einzelnen Parameter modellhaft erkennbar zu machen und in der Interaktion eine Handlungskompetenz zu erreichen.

Unterrichtsformen und Unterrichtsmethoden

Gegenüber traditionellen Kurrikula gibt es in der in Bern realisierten Studienreform nach dem PBL Prinzip andere, neue Lehrformen. Dazu gehören als erstes die sogenannten Konzeptvorlesungen, in welchen im Unterschied zu normalen Vorlesungen, den Studierenden Modelle und Konzepte zum Verständnis der Stoffgrundlagen dargestellt werden. Zudem werden in diesen Vorlesungen auch die Grenzen des zu erarbeitenden Stoffumfangs festgelegt. Als weiteres, wichtiges Gefäss dienen die Tutorate, deren Lehrinhalte von den sogenannten Blockplanungsgruppen definiert werden. Die Tutorate sind im Stil des PBL geführt und haben grundsätzlich zwei Teile. Im ersten Teil werden jeweils die Schritte sechs und sieben und damit die Synthese der Inhalte des vorgegangenen Tutorates geleistet. Im zweiten Teil wird dann ein neues Tutoratsproblem mit den Schritten eins bis fünf angegangen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Als weitere Lehrformen dienen Fachpraktika und pro Jahr ein frei wählbares Wahlpraktikum. Erstere werden als Seminare oder Lehrveranstaltungen wie Kurse in Mikroskopier- und Labortechnik, Sektionskurse etc. geführt. Letztere werden zur vertieften Erarbeitung eines durch die Studierenden frei wählbaren Themas von Fachpersonen selber angeboten. Darüber hinaus geben Fachpersonen den Studierenden in den wöchentlich geführten Fachsprechstunden oder über das elektronische Frageforum Auskunft. Wenn dort Inhalte von allgemeinem Interesse erfragt worden sind, so entscheidet der Dozent, ob er diese in der Wochensynthese am Ende eines Themenblocks nochmals darstellen soll. Zudem werden den Studierenden meist wöchentlich Selbsttests als Lernkontrolle abgegeben. Für interdisziplinäre Themen, wie beispielsweise Ethik oder in Teilen auch Rechtsaspekte, werden zudem im Kurrikulum noch Podiumsdiskussionen durchgeführt.

Evaluation

Das wichtigste Ziel der Evaluation ist die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Ausbildung. Fortlaufende Programmevaluationen, sowie wöchentliche Rückmeldungen und Besprechungen der Tutoren dienen als Basis für eine Verbesserung der Unterrichtsveranstaltungen und Unterlagen. Die Evaluation der Dozierenden erfolgt innerhalb dieser Programmevaluation.

Die Evaluation der Studierenden erfolgt sowohl formativ wie auch summativ. In der formativen Evaluation erhalten die Studierenden in den Tutoraten laufend Feedback durch ihre Tutoren. Summativ werden die Studierenden wie folgt evaluiert: Nach der vom Bundesrat erteilten Verordnung werden fünf Beurteilungsbereiche bewertet:

a) die aktive Beteiligung an den Tutoraten und am Clinical Skills Unterricht,

b) das erfolgreiche Absolvieren der Fachpraktika,

c) das erfolgreiche Absolvieren eines Wahlpraktikums,

d) das Bestehen der schriftlichen MC-Prüfungen und

e) das Bestehen der mündlich-praktischen Prüfungen (OSPE, objective structured preclinical exam im 1. und 2. Studienjahr bzw. OSCE, objective structured clinical exam im 3. Studienjahr).

Zudem wurde das traditionelle Notensystem durch ein Pass-Fail System ersetzt und ein Kreditpunktesystem eingeführt, das auf dem European Credit Transfer System (ECTS) basiert. Ein Studienjahr gilt als bestanden, wenn 60 Punkte erreicht worden sind. Tabelle 2 [Tab. 2] gibt einen Überblick über das Beurteilungssystem.

Die praktisch-mündlichen Prüfungen, OSPE und OSCE, stellen eine Art Postenlauf dar, bei dem die Studierenden verschiedene unabhängige Posten durchlaufen, an denen sie unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Die Postentypen sind:

a) interdisziplinäre mündliche Interviews, an denen die Studierenden durch zwei Examinatoren aus verschiedenen Fachbereichen zu einem gemeinsamen Thema befragt werden,

b) mündlich strukturierte Fragen, an denen die Befragung und Bewertung anhand einer strukturierten Checkliste erfolgt,

c) praktische Prüfungen, bei denen auch sog. Standardisierte Patienten eingesetzt werden, und

d) schriftliche Essay- und Wissensfragen.

Jeder Semester-Parcours umfasst zehn Posten. Die Prüfungsdauer für die Experten beträgt damit pro Tag zehn Stunden mit je einer Pause von zweimal 30 Minuten. In der Bewertung der Schwierigkeiten der einzelnen Posten standen diejenigen von Psychiatrie und Psychosozialer Medizin mit einem p von 2.92 bzw. 2.80 ganz zuoberst. Die Trennschärfe lag bei Psychiatrie/Psychosoziale Medizin mit 0.18 in einem akzeptablen Bereich.

Auswirkungen der Studienreform

Die Berner Unterrichtspraxis hat sich mit der Studienreform stark geändert. Nach der Einführung der Reform liegen nun klar strukturierte Lerneinheiten in den ersten vier Semestern ebenso wie in den Semestern fünf und sechs vor, letztere in 16 Guidelines beschrieben (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).


Diskussion

Beim Vergleich zwischen traditionellem und problemorientiertem Unterricht wird klar, dass letzterer zumeist von den Studierenden besser bewertet wird [5]. Dies hängt wohl damit zusammen, dass der Aufwand für inhaltliche und präsentatorische Strukturierung aber auch für die Lehre selber seitens der Unterrichtenden deutlich höher ist, als dies seitens der Lehrenden im traditionellen Unterricht durchschnittlich der Fall ist [2], [8]. Diese eher allgemeinen Bemerkungen lassen die Frage offen, ob diese Vergleiche von problem-based Unterricht und traditionellem Lehrstil einer wissenschaftlichen Analyse standhalten können. In der Literatur gibt es lediglich zwei Metaanalysen, die beide Unterrichtsformen miteinander verglichen haben [17], [22]. Die Metaanalyse von Nandi et al. [17] verglich Arbeiten über den Zeitraum von 20 Jahren. Die konsistentesten Vergleiche zeigten, dass problemorientierter Unterricht im Vergleich zu traditionellem Unterricht als schwieriger, aber auch als stimulierender und interessanter bewertet wird. Die Studierenden führen an, sie hätten diesen Unterricht für ihre spätere Tätigkeit als nützlicher empfunden, wenn sie über bessere klinische Fertigkeiten (Unterrichtstechnik u.ä.), mehr Sicherheit in der Kommunikation und Interaktion mit Patienten, deren Bezugspersonen, dem ärztlichen und nicht-ärztlichen Personal, und eine adäquatere Haltung gegenüber Patienten verfügen würden. Umgekehrt liege der Vorteil des traditionellen Unterrichts darin, in den Examina bei Grundlagenfächern besser abzuschneiden. Immerhin bemerken die Autoren der Metaanalyse, dass es keine Daten darüber gebe, ob sich diese Bewertungen in den entsprechenden Kategorien bei Absolventen der beiden Unterrichtsformen, drei bis vier Jahre nach dem Studienabschluss (in der Regel dem Staatsexamen), noch voneinander unterscheiden würden (Stabilität longitudinal).

Zum selben Ergebnis kamen auch ältere [20], [21] und neuere Vergleichsarbeiten, im besonderen diejenige von Colliver [6], wobei Korenstein et al. [12] den Effekt eines problemzentrierten Lernens auf die Vermittlung von Inhalten der Evidence based Medicine untersuchte. Für einzelne Unterrichtsarten scheint es jedoch für die traditionelle oder reformierte Unterrichtsform Vor- und Nachteile zu geben. Beispielsweise befragten West & West Teilnehmer eines Basiskurses in Psychopathologie, der im Stil des problemorientierten Lernens geführt wurde. Lehrer wie Studierende beurteilten den Kurs als stimulierend, Enthusiasmus fördernd und hoch partizipativ [22]. Auch Absolventen eines Kommunikationskurses meinten im Vergleich mit dem traditionell geführten Vorkurs, dass die problemorientierte Methode stimulierender, lerninhaltzentrierter und motivierender gewesen sei. Bemängelten jedoch in erster Linie die relative Unstrukturiertheit des Unterrichts, die sie als hinderlich empfanden [2]. Dies zeigt einmal mehr, dass für die Studierenden ein Umlernen ein nicht ganz schmerzloser Prozess ist.

Wenn Sie als Teacher oder als Blockleiter problemorientierten Unterricht leisten oder geleistet haben, werden Sie sich einige Fragen stellen. So werden Sie sich in Anbetracht der in der Medizin stetig schwindenden Ressourcen fragen, ob sich der ganze Aufwand eigentlich lohne oder einmal lohnen werde. Sicherlich ist es so, dass vor allem die Studierenden von diesem erhöhten Engagement der Teacher profitieren. Ob dieser Profit allerdings messbar wird ist derzeit unklar, gibt es doch viele Inhalte in der späteren ärztlichen Tätigkeit, deren Messung nicht möglich ist oder sehr aufwendig wäre, so dass von einer methodischen Bearbeitung dieser Frage unseres Erachtens derzeit nicht ausgegangen werden kann. Ob in diesem System des erhöhen Vernetzungsbedarfs, besonders in den Blockarbeitsgruppen, auch die Lehrenden profitieren ist ebenso nicht zu beantworten. Dass sich wenigstens eine akademische Refundierung abzeichnen sollte wäre hoch wünschenswert, dies ist derzeit aber in Bern - nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen - kein Thema. Zwar muss für die Einreichung der Habilitation ein Engagement in der Lehre ausgewiesen und ein hochschuldidaktischer Kurs belegt werden, doch entspricht dies eher einer Zulassungsbedingung, denn einer angemessenen Gewichtung der Lehre innerhalb des Habilitationsverfahrens. Letztere wäre aber die Bedingung der Höherwertung der Lehre innerhalb der Medizinischen Fakultät, was wenigstens in Bern vorderhand ein Desideratum bleibt. Als weitere Frage stellt sich die, des Ersatzes der Lehrperson in der Dienstleistung während der Unterrichtszeiten. Die Vorbereitung auf den Unterricht verbleibt ja unzweifelhaft weiterhin in der individuellen Freizeit und ist so nur wenig dienstleistungsrelevant. Hierbei müssen auch die neuen Bedingungen der Arbeitszeitbeschränkung berücksichtigt werden, die für die jeweiligen Leiter der lehrverantwortlichen Einheiten zusätzliche Einschränkungen mit sich bringen. So wird es weiterhin der Fall sein, dass der Lehrende zweifach bestraft wird: Zum einen enfällt die Freizeit für die Forschungstätigkeit, zum anderen bürdet er sich mehr Dienstleistungsarbeit auf. Da er die in seiner Lehrabwesenheit anfallenden Dienstleistungsaufgaben in aller Regel nachholen muss, weil keine reale Entlastung für diese Zeiten praktikabel erscheint.


Fazit

Der Unterricht mit der Methode des problemorientierten Lernens setzt durch die Bekanntgabe von sogenannten globalen Lernzielen, durch die Blockplanungsgruppen, klare, erreichbare Ziele für die Studierenden, die in den Tutoraten die eigentlichen inhaltsbezogenen Lerninhalte selber erarbeiten müssen. Die Lernkontrolle ist intensiver und strukturierter, und das Feedback ermöglicht dem Teaching Staff rasch korrigierend einzugreifen. Die Bewertung des problemorientierten Unterrichts in Psycho-sozialer Medizin durch die Studierenden ist unterschiedlich. Geschätzt werden im Besonderen das verbesserte Erlernen von Fertigkeiten, das bereits Andere vor uns nachweisen konnten [6], [7]. Für die Studierenden bleibt dank der Reduktion der Magistralvorlesungen mehr Zeit fürs Selbststudium und das Erlernen von theoretischen Grundlagen und Modellen. Hier müsste allerdings in Bern insbesondere im Fach Psychosoziale Medizin noch ein Effort unternommen werden, um diesen Anteil des Unterrichts doch einer gewissen Strukturierung zu unterziehen und/oder um entsprechende Coaching- oder Mentoring-Modelle zu implemetieren. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Studierenden mit der Vielfältigkeit der theoretischen Vorgaben überfordert sind. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Psychosoziale Medizin lediglich eines unter vielen Fächern ist, in denen sie sich klinisches Wissen aneignen müssen. Immerhin haben wir durch unsere Gruppenevaluation gefunden, dass den meisten Absolventen dieses Unterrichts der verbesserte Patientenkontakt [9] und das höhere Engagement der Teacher positiv aufgefallen ist.

Für die Psychiatrie und Psychosoziale Medizin gibt es wie in anderen Fächern klare, überprüfbare Lerninhalte und dadurch eine größere Unabhängigkeit von den Vorlieben der einzelnen Teacher. Dies führt zu inhaltlichem statt personenbezogenem Lernen, was sehr wünschenswert ist . Parallel zu den Unterrichtsfeedbacks konnten wir auch an den Prüfungen in Psychosozialer Medizin und Psychiatrie feststellen, dass Studierende im problemorientierten Unterricht im Vergleich zum tradierten Kurrikulum in Bern mehr interpersonelle und fachlich technische Fertigkeiten erworben und somit besser abgeschnitten haben. Eine wichtige, wenn nicht zentrale Frage bleibt aber unbeantwortet, nämlich wie diese Studierenden Inhalte und Fertigkeiten der Psychosozialen Medizin und der Psychiatrie später im Vergleich zu Absolventen eines traditionellen Unterrichts bewerten und praktizieren werden.


Danksagung

Wir danken Dr. med. Peter Schläppi (Institut für Aus-, Weiter- und Fortbildung) für die Evaluation der Daten der Semesterprüfungen 2002, Dr. med. Peter Frey (Abteilung für Unterrichtsmedien) für die Zusammenstellung der Kommentare der Studierenden zu den OSCE Prüfungen und Dr. med. et phil. Alex Amman (Praxis für Allgemeine Medizin) für die Überlassung der Evaluation des Clinical Skills Unterrichts in Psychiatrie.


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