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GMS Verbrennungsmedizin

Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV)

ISSN 1869-1412

Autologe nichtkultivierte Keratinozytensuspension in der Verbrennungschirurgie – Indikationen und Anwendungstechniken

Autologous non-cultivated keratinocytesuspension in burn surgery – indications and techniques

Originalarbeit

  • corresponding author C. Herold - Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand, und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • M. N. Busche - Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand, und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • P. M. Vogt - Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand, und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • H. O. Rennekampff - Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand, und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

GMS Verbrennungsmedizin 2011;4:Doc03

doi: 10.3205/vmed000010, urn:nbn:de:0183-vmed0000107

Published: July 18, 2011

© 2011 Herold et al.
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Zusammenfassung

Die Nutzung von autologen nicht kultivierten, epithelialen Zellsuspensionen, welche aus Spalthaut gewonnen werden, wurde 1998 erstmalig vorgestellt. Mit dem ReCell©-Kit steht die Technologie zur autologen Hautzelltransplantation als Einmalverbrauchsmaterial zur Verfügung um die Zellsuspension intraoperativ herzustellen. Ein entscheidender Vorteil der Anwendung autologer nichtkultivierter Hautzellsuspension in der Verbrennungschirurgie ist die einfache Applikation. Anhand von acht Patientenbeispielen möchten wir nun ein Therapiekonzept vorstellen, welches auf einem Debridement mit dem Versajet Exact©, einer Defektdeckung mit autologer nichtkultivierter Keratinozytensuspension und deren Fixierung mit Biobrane© oder Suprathel© beruht.

Nach Debridement der tief 2°-Verbrennungsareale mit dem Versajet Exact© auf Stufe 3 bis 5 und Aufbereitung der autologen nichtkultivierten Keratinozytensuspension mit dem ReCell Kit© wird Biobrane© an die Ränder des zu transplantierenden Areals fixiert, dieses wird über das Zielareal gespannt und die autologe nichtkultivierte Keratinozytensuspension wird über eine Kanüle unter das Biobrane© eingebracht. Alternativ kann auch Suprathel© mit der autologen nichtkultivierten Keratinozytensuspension getränkt und danach appliziert werden. Die Verlaufskontrollen ergaben eine durchschnittliche Narbenqualität von 3,1 (1 bis 6) Punkte nach Vancouver Scar Scale.

Derzeit sehen wir die Indikation für eine nicht kultivierte Keratinozytensuspension bei 2b°-Verbrennungen kleinerer Hautareale ästhetisch wichtiger Regionen wie zum Beispiel dem Gesicht und Hals nach ausreichendem Debridement. Durch die beschriebene Technik lässt sich die Keratinozytensuspension nach exaktem Debridement einfach applizieren. Das typischerweise auftretende Verlaufen der aufgesprühten Suspension in Richtung der Schwerkraft und deren Ansammeln in tiefer gelegenen Arealen der Wunden kann durch das vorherige Aufbringen von Biobrane© vermieden werden. Nach erfolgter Reepithelisierung kann das Biobrane© einfach entfernt werden und die Gefahr eines Verletzens der Zellschicht kann somit deutlich reduziert werden.

Schlüsselwörter: ReCell, Biobrane, Versajet, Verätzung, Verbrennung, Gesicht, autologe Keratinozytensuspension

Abstract

The use of non-cultivated epithelial cells, processed from skin grafts, has been introduced in 1998. The ReCell©-kit offers a single use bedside kit for application of this technique and production of the cells intraoperatively. A major advantage of non cultivated autologous skin cells is the simplicity of their medical application. Accompanied by the presentation of eight patients that were treated with the ReCell© kit we present a concept for treatment of thermal and chemical burns, based on Versajet Exact© debridement and followed by applycation of non-cultivated autologous keratinocytes and fixation of cell with Biobrane© or Suprathel©.

After debridement with Versajet Exact© at level 3 to 5 and proceesing of a skin graft with the ReCell© kit to produce a solution of non-cultivated epithelial cells, Biobrane© was fixated at the border of the burned skin area and tightened over the debrided skin. Now the non-cultivated epithelial cell solution was applied via a syringe below the Biobrane© and not sprayed like in the original protocol. Alternatively Suprathel© was soaked with the non-cultivated epithelial cell solution and applied on the wound bed. Follow up of the patients revealed an average scar quality of 3.1 (1 to 6) points according to Vancouver Scar Scale.

We advocate to use the ReCell© kit in deep partial thickness chemical or thermal burns of small but aesthetically important regions of the body like face and neck. The presented technique of Biobrane© application minimizes the cell loss after spray application due to gravity with an accumulation of the cell solution in dorsal parts of the wound. After reepithelisation is completed the Biobrane© sheet can be removed easily with a reduced risk of injury of the regenerated skin.

Keywords: ReCell, Biobrane, Versajet, chemical burn, burn, face, autologous keratinocyte solution


Einleitung

Die Nutzung von autologen nicht kultivierten, epithelialen Zellsuspensionen, welche aus Spalthaut gewonnen werden, wurde 1998 erstmalig vorgestellt [1]. Im Tierversuch konnte hierbei gezeigt werden, dass nichtkultivierte epitheliale Zellsuspensionen die Abheilung von Wunden beschleunigen [2]. Mit dem ReCell©-Kit steht die Technologie zur autologen Hautzelltransplantation als Einmalverbrauchsmaterial zur Verfügung, um die Zellsuspension intraoperativ herzustellen. Ein entscheidender Vorteil der Anwendung autologer nichtkultivierter Hautzellsuspension ist die einfache Applikation. Ein weiterer Vorteil im Vergleich zu kultivierten Keratinozyten liegt in der Transplantation verschiedener Zellen der menschlichen Haut. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass mit ReCell© eine vergleichbare Reepithelisierung wie mit einem konventionellen Spalthauttransplantat erzielt werden kann [3]. Auffällige Spalthautgrenzen können vermieden werden, welche sonst auch bei Beachtung der ästhetischen Areale des Gesichtes kaum zu vermeiden sind. Gerade bei zungenförmigen Verletzungsmustern kann es einen großen Vorteil darstellen, dass beim Aufsprühen der Zellsuspension die Beachtung ästhetischer Areale des Gesichtes nicht notwendig ist.

Aus dem Bereich der Verbrennungstherapie finden sich Berichte über erste Erfahrungen mit nichtkultivierten epithelialen Zellsuspensionen [4], [5], [6]. Zweifel et al. [5] berichteten von einer zeitgerechten Heilung und dass in der Nachkontrolle sechs Monate postoperativ keine hypertrophen Narben auftraten.

Um den Wundgrund optimal für die autologe Keratinozytensuspension vorzubereiten, ist ein sorgfältiges und zugleich schonendes Debridement mit dem Erhalt dermaler Strukturen von großer Bedeutung. Klassische Debridementtechniken wie das Weckmesser [7], [8] haben eine Schnitttiefe von 740 µm. Debridements mit geringerer Tiefe sind mit diesem Instrument schwer zu gewährleisten. Weiterhin sind Regionen des Gesichtes wie Nasolabialfalte, Kanthus, Perioral- und Periocularregion, aber auch Augenlieder nur schwer mit einem Weckmesser gleichmäßig und kontrolliert zu debridieren [7].

Das Wasserstrahl assistierte Debridement mit dem Versajet© zeigt hierbei insbesondere an konkaven und konvexen Flächen des Gesichtes Vorteile im Vergleich zu den chirurgischen Methoden mit dem Messer [7], [8]. Hierbei ist bereits ein präzises Abtragen mit einer Minimaltiefe ab 0,04 mm möglich.

Anhand der folgenden Patientenbeispiele (Tabelle 1 [Tab. 1]) möchten wir nun ein Therapiekonzept vorstellen, welches auf einem Debridement mit dem Versajet Exact©, einer Defektdeckung mit autologer nichtkultivierter Keratinozytensuspension mit dem ReCell Kit© und deren Fixierung mit Biobrane© oder Suprathel© beruht.


Operativer Ablauf

Nach Versajet Exact© Debridement auf Stufe 3 bis 5 (Abbildung 1 [Abb. 1]) folgt die Applikation der autologen nichtkultivierten Keratinozytensuspension. Hierzu wird ein lokales, meistens retroauriculäres oder temporales Spathautareal aus der behaarten Kopfhaut von 2x2 cm entnommen und manuell und enzymatisch mit Trypsin nach Protokoll des Herstellers mittels ReCell© Kits bearbeitet (Abbildung 2 [Abb. 2]). Nach etwa 30 Minuten steht eine Zellsuspension zur Verfügung. Nun wird Biobrane© an die Ränder des zu transplantierenden Areales fixiert, dieses wird über das Zielareal gespannt und die autologe nichtkultivierte Keratinozytensuspension wird über eine Kanüle eingebracht (Abbildung 3 [Abb. 3]). Alternativ kann auch Suprathel© mit der autologen nichtkultivierten Keratinozytensuspension getränkt (Abbildung 4 [Abb. 4]) und danach appliziert werden.

Patient 1:

Ein 20-jähriger, männlicher Patient hatte sich im Rahmen eines Arbeitsunfalls tief 2.-gradige Verätzungen mit 96-prozentiger Schwefelsäure an Gesicht, Hals und Brust von 6% Körperoberfläche zugezogen (Abbildung 5a [Abb. 5]). Postoperativ kam es nach sieben Tagen zu einer Reepithelisierung. Bei der aktuellen Nachkontrolle 3,5 Jahre nach Trauma (Abbildung 5b [Abb. 5]) konnte lediglich eine milde Pigmentstörung (entsprechend einem Punkt nach Vancouver Scar Scale) festgestellt werden.

Patient 2:

Ein 40-jähriger Mann erlitt im Rahmen eines Arbeitsunfalls eine Natronlaugenverätzung von 11% der Körperoberfläche im Bereich des Kopfes, des Gesichtes, beider Augen und spotartig der Arme und Hände. Die Verätzungen waren überwiegend tief 2b-gradig. Perioral und in der Glabellaregion liegen tiefst 2°-Verätzungen vor (Abbildung 5c [Abb. 5]). Nach tangentialem Debridement mit dem Versajet© und Konditionierung des Wundgrundes mit allogener Spenderhaut am vierten posttraumatischen Tag, erfolgte zwei Wochen posttraumatisch die erste Applikation der Zellsuspension mit dem ReCell©Kit. Bei bestehenden Restdefekten wurde eine zweite Behandlung mit dem ReCell©Kit vier Wochen posttraumatisch durchgeführt. Postoperativ kam es jeweils nach neun Tagen zu einer Reepithelisierung, wobei nach der ersten Anwendung Restdefekte verblieben waren. Hiervon waren die sehr tief 2° verätzten Regionen perioral und buccal betroffen. Bei beginnender Narbenhypertrophie wurde konsequent eine Silikonmaske getragen. Bei der Verlaufskontrolle acht Monate postoperativ zeigten sich lediglich kleinere Areale mit verdickten Narben mit einer geringen Pigmentverschiebung (Abbildung 5d [Abb. 5]). Die Festigkeit der Haut war in wenigen Narbearealen erhöht. Nach Vancouver Scar Scale ergeben sich 5 Punkte.

Patient 3:

Bei einem 37-jährigen Patienten war es bei Arbeiten auf einer Baustelle zu einer Verpuffung gekommen, wobei er sich Verbrennungen im Gesicht, an beiden Händen und Beinen zugezogen hatte. Die Verbrennung des Gesichts war 2a° bis 2b°, insbesondere im Bereich der Stirn. Es wurde sodann Biobrane© auf die Wunden aufgelegt und lateral als auch im Bereich des behaarten Kopfes festgeklammert (Abbildung 5e [Abb. 5]). Bei der Verlaufskontrolle 14 Tage postoperativ zeigt sich eine nahezu komplett abgeheilte Gesichtshaut (Abbildung 5f [Abb. 5]). Nach Vancouver Scar Scale ergibt sich 1 Punkt.

Patient 4:

Bei Installationsarbeiten spritzte noch nicht gehärtetes flüssiges Plastik aus einer Kunststoffleitung. Dabei kam es bei einem 40-jährigen Patienten zu der Kontaktverbrennung von insgesamt 2% der Körperoberfläche 2b und 3° im Gesicht und Hals überwiegend rechts betont (Abbildung 5g [Abb. 5]) sowie 2b°-Spots am Handrücken sowie an den palmaren Grundgliedern des DII bis DV der linken Hand. Nach 5 Tagen wurde im Gesicht eine ReCell© Behandlung in der oben beschriebenen Technik durchgeführt und die Haut hierbei temporal aus einem behaarten Kopfhautareal entnommen. 10 Wochen postoperativ zeigten sich lediglich kleinere Areale mit verdickten Narben mit einer geringen Pigmentverschiebung (Abbildung 5h [Abb. 5]). Die Festigkeit der Haut war in wenigen Narbearealen erhöht. Nach Vancouver Scar Scale ergeben sich 5 Punkte.

Patient 5:

Bei einer 71-Jährigen Patientin kam es nach der Versorgung einer Verbrennungsverletzung von insgesamt 21% der Körperoberfläche und hierbei 3.-gradigen Verbrennungen im Bereich des Gesichtes, des Halses sowie der linken Schulter zu einer ausgeprägten Hyperpigmentierung im Bereich der linken Wange (Abbildung 5i [Abb. 5]). Daher wurde zur Behandlung dieser Hyperpigmentierung ein Debridement und eine ReCell© Therapie durchgeführt. Hierunter konnte eine deutliche Verbesserung und Normalisierung des Hautkolorites erzielt werden. Die Kontrolluntersuchung 6 Wochen postoperativ ergab 3 Punkte nach Vancouver Scar Scale (Abbildung 5j [Abb. 5])

Patient 6:

Die 72-jährige Patientin hatte sich bei einer Gasexplosion eines Gasofens Verbrennungen 2. und 3. Grades am Kopf, Hals, Schulter und am rechten Arm von insgesamt 11% der Körperoberfläche sowie ein Inhalationstrauma zugezogen. Bei Pseudomonas infizierten, nicht heilenden Wunden in der hinteren rechten Axilla (Abbildung 5k [Abb. 5]) wurde nach mehrfachen Debridements und frustranen klassischen Spalthauttransplantationen die Entscheidung getroffen, ein ReCell© Overlay durchzuführen. Hierunter kam es zu einem stabilen Abheilen der Wunden. 10 Wochen postoperativ zeigten sich lediglich kleinere Areale mit verdickten Narben mit einer geringen Pigmentverschiebung (Abbildung 5l [Abb. 5]). Die Festigkeit der Haut war in wenigen Narbearealen erhöht. Nach Vancouver Scar Scale ergeben sich 6 Punkte.

Patient 7:

Die 36-jährige schwangere Patientin stellte sich mit 2b°-Verbrennungen im Bereich der Stirn in unserer Abteilung vor. Auch hier wurden mit dem Versajet© die verbrannten Gesichtsareale mit Stufe 4 und 5 periorbital und im Bereich des Nasenrückens mit Stufe 3 debridiert. Die Spenderhaut wurde aus der behaarten benachbarten Kopfhaut entnommen. Postoperativ zeigt sich nach 10 Tagen bereits eine komplette Reepithelisierung mit ansprechendem Hautkolorit (Abbildung 5m [Abb. 5]). Nach Vancouver Scar Scale ergibt sich 1 Punkt.

Patient 8:

Die 89-jährige Patientin war nach einem Wohnungsbrand von ihrem Sohn bewusstlos in einem Zimmer ihres Hauses aufgefunden und aus der Wohnung gezogen worden. Sie hatte sich hierbei neben einem Inhalationstrauma Verbrennungen 2a- und 2b-Grades des Gesichtes und der linken Schulter von insgesamt 8% der Körperoberfläche zugezogen. Nach Extubation war die prolongierte CPAP Maskenbeatmung notwendig, hierunter kam es zu einem Nachtiefen der Gesichtsverbrennung. Es wurde daher im Jochbeinbereich eine ReCell© Therapie in Kombination mit Suprathel© in der oben beschriebenen Art und Weise durchgeführt. Aufgrund des hohen Alters der multimorbiden Patientin verstarb diese an den Folgen der Verbrennungsverletzung und des Inhalationstraumas vor vollständiger Abheilung der Wunden.


Diskussion

Verbrennungen stellen durch die mögliche Ausbildung von hypertrophen Narben nach wie vor ein großes ästhetisches und funktionelles Problem dar. Narbenbildung ist abhängig von der Zeit bis eine Reepithelisierung eintritt, dauert diese länger als 21 Tage, kommt es oft zu hypertrophen Narben. Durch Auflage von alloplastischen Materialien [9] und von allogener Haut [10] kann die Reepithelisierung beschleunigt werden. Die operative Therapie mit autologen Spalthauttransplantationen kann zwar einen schnellen Wundverschluss herbeiführen, dennoch lassen sich ästhetisch störende Pigmentverschiebungen nicht umgehen [11]. Seit es möglich ist Keratinozyten klonal zu kultivieren [12] und den ersten Beschreibungen der Behandlung Schwerstbrandverletzter mit kultivierten Keratinozytensheets Anfang der achtziger Jahre [13], ist diese Methode ein Bestandteil der Verbrennungschirurgie geworden. Hieraus wurde auch eine Therapie abgeleitet mittels allogener Keratinozytensheets die Reepithelisierung von tief zweitgradigen Verbrennungen im Gesicht zu steigern [14]. Beachtenswerte ästhetische Resultate konnten erzielt werden [15]. Logistische sowie medicolegale Probleme ebenso wie die hohen Kosten sind Gründe, die für die eingeschränkte Nutzung zu nennen sind [16]. Alternativ steht nunmehr die unkultivierte autologe Keratinozytensuspension zur Verfügung, wobei hier gleichzeitig Melanozyten transplantiert werden [17]. Hieraufhin wurden nichtkultivierte kutane Zellsuspensionen mit wechselndem Erfolg auch bei Vitiligo-Patienten angewendet [18]. Hierbei handelt es sich zumeist um retrospektive Fallanalysen oder Einzelfallbeschreibungen [19]. In einer randomisiert kontrollierten Studie konnten 28 Patienten analysiert werden, von denen jedoch nur bei acht eine Pigmentierung über 12 Monate nachgewiesen werden konnte und bei fünf Patienten kam es auch in Placebo behandelten Regionen zu einer Pigmentierung [20]. Dieses könnte daran liegen, dass alleine durch die vorgeschaltete Dermabrasio, also der mechanischen Entfernung der existierenden Epidermis, eine Repigmentierung erzielt wird [19]. Diese hält jedoch nicht dauerhaft an. Back et al. kommen aus eigenen Ergebnissen und unter Berücksichtigung der vorhandenen Literatur zu dem Schluss, dass die Repigmentierung nach autologer Keratinozytenbehandlung im Allgemeinen enttäuschend ist [19].

Bei tiefzweit- und drittgradigen Verbrennungen kommt es auch bei idealer Regeneration der Epidermis nur zu einer Reparation der Dermis, da bei fehlender Dermis diese sich nicht regenerieren kann und durch Narbegewebe ersetzt wird. Zur Therapie vollschichtiger Verbrennungen wurde im Tiermodell bereits die Kombination des dermalen Hautersatzes Integra© mit nicht kultivierten Keratinozyten erfolgreich untersucht [6]. Als ein kritischer Faktor galt bei Keratinozytentransplantaten bisher die Vulnerabilität der Keratinozyten gegenüber Bakterien auf kontaminierten Wunden. Ähnlich wie bei Keratinozytensheets [21], [22] ging man auch Einzelzellsuspensionen von einer geringen Resistenz der Keratinozyten aus. So war man bisher davon ausgegangen, dass nur ein keimfreier Wundgrund die erfolgreiche Anwendung von Keratinozytensuspensionen erlaubt. Anhand der oben beschriebenen Patientin 6 konnten wir jedoch eine Verbesserung der Einheilung von Spalthauttransplantaten in Kombination mit einer unkultivierten Keratinozytensuspension, gerade bei einer Infektion des Wundgrundes mit Pseudomonas nachweisen. Bei dieser Patientin waren klassische Spalthauttransplantate alleine zuvor nicht eingeheilt.

Back et al. konnten nachweisen, dass sich aus einem 1 cm mal 1 cm großen Spalthautareal etwa 1.000.000 Keratinozyten gewinnen lassen [19]. Durch die enzymatische Behandlung wird die Zahl auf 650.000 reduziert und, falls das Keratinozytentransplanat gesprüht wird, die Zahl vitaler Zellen weiter auf 620.000 reduziert [19]. Durch die von uns vorgeschlagene Technik kann der Zellverlust durch Sprühen zumindest vermieden werden. Da jedoch ferner davon ausgegangen werden kann, dass nur 10% der Zellen die Fähigkeit zur Koloniebildung haben, werden etwa nur 62.000 (bis 65.000) Keratinozyten aus einem 1 cm mal 1 cm Transplantat transplantiert. Es erscheint somit die Annahme, dass hier ein gleich großes 2b°-Verbrennungsareal suffizient gedeckt werden kann sehr optimistisch [19]. Die Behandlung größerer Areale als das Spenderareal – wie es im Protokoll vorgesehen ist – halten Back et al. somit für unrealistisch. Die vorgestellten Patientenbeispiele zeigen dem gegenüber jedoch erstaunlich gute Ergebnisse.

Neben dem hohen Preis der kommerziell erhältliche Kits zur Herstellung von unkultivierten Keratinozytensuspension ist weiterhin die Frage nach der Adhärenz der Zellen auf der Wunde kritisch zu betrachten. Rousselle und Aumailley [23] wiesen nach, dass nicht kultivierte Keratinozyten kaum auf einer Fibronektinmatrix adhärieren, während kultivierte Keratinozyten dies in idealer Weise tun. Inwieweit die Adhärenz von nicht kultivierten Keratinozyten über andere Integrine und entsprechende Matrixmoleküle der Wunde erfolgt, bleibt zu untersuchen. In der bereits genannten Studie von Back et al. [19] konnte kein Vorteil der nicht kultivierten Zellen in der Anwendung bei oberflächlich zweitgradigen Gesichtsverbrennungen hinsichtlich der Reepithelisierung nachgewiesen werden. Möglicherweise kann durch die Aktivierung von frisch separierten Keratinozyten oder durch die kurzzeitige Kultivierung z.B. als einlagige Keratinozytenapplikation auf einem Trägermaterial eine Verbesserung der Einheilungsrate erreicht werden [23], [24].

Derzeit sehen wir die Indikation für eine nicht kultivierte Keratinozytensuspension (ReCell©-Kit) bei 2b°-Verbrennungen kleinerer Hautareale ästhetisch wichtiger Regionen wie zum Beispiel dem Gesicht und Hals nach ausreichendem Debridement. Durch die beschriebene Technik lässt sich die Keratinozytensuspension nach exaktem Debridement einfach applizieren. Das typischerweise auftretende Verlaufen der aufgesprühten Suspension in Richtung der Schwerkraft und deren Ansammeln in tiefer gelegenen Arealen der Wunden kann durch das vorherige Aufbringen von verschiedenen Wundverbänden vermieden werden. Nichtokklusive Verbände, wie das nach klassischem Protokoll verwendete SurfaSoft©, erlauben es hingegen der flüssigen Zellsuspension den Wundgrund zu verlassen, und somit die Anzahl der transplantierten Keratinozyten ebenfalls zu reduzieren [19]. Dies ist bei der Anwendung von Biobrane© wahrscheinlich nicht der Fall. Nach erfolgter Reepithelisierung kann das Biobrane© einfach entfernt werden und die Gefahr eines Verletzens der Zellschicht kann somit deutlich reduziert werden.


Anmerkung

Interessenkonflikte

  • CH: Reisekostenvergütung durch die Firma avita medical
  • MB: Vortragshonorar durch die Firma Smith & Nephew
  • PMV: kein Interessenkonflikt
  • HOR: Reisekostenvergütung durch die Firma avita medical und Vortragshonorar durch die Firmen Smith & Nephew und Suwelack

Literatur

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