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GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie e. V. (DGHO)

ISSN 2194-2919

Multimodales Therapiekonzept zur Behandlung der Adipositas in der onkologischen Rehabilitation – Unicenter-Erfahrungen im Rahmen einer prospektiven Studie

Multimodal therapy concept for adipositas treatment in oncology rehabilitation – experiences during a one-center prospective study

Originalarbeit

  • corresponding author Holger G. Hass - Paracelsus-Klinik, Scheidegg
  • Diane Axmann - Paracelsus-Klinik, Scheidegg
  • Barbara Wilhelm - Paracelsus-Klinik, Scheidegg
  • Anna Holderied - Paracelsus-Klinik, Scheidegg
  • Johannes Lerch - Paracelsus-Klinik, Scheidegg
  • Jürgen Stepien - Paracelsus-Klinik, Scheidegg

GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2012;1:Doc02

doi: 10.3205/ors000002, urn:nbn:de:0183-ors0000029

Published: March 29, 2012

© 2012 Hass et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Neben kardiovaskulären Erkrankungen ist die Adipositas auch ein Risikofaktor für die Entstehung und Progression maligner Erkrankungen, insbesondere des postmenopausalen Mammakarzinoms. Ziel dieser Studie war die Evaluation eines seit 2009 in der Paracelsus-Klinik Scheidegg etablierten, interdisziplinären Programms zur Gewichtsreduktion im Rahmen der onkologischen Rehabilitation.

Methoden: 115 Patientinnen (Durchschnitts-Alter 50,4±18,7 J) nach onkologischer Erkrankung (v.a. Brustkrebs- und gynäkologische Tumorerkrankungen) und manifester Adipositas (BMI >30) wurden in diese prospektive Studie eingeschlossen. Zu Beginn und am Ende der Rehabilitation erfolgte eine Evaluation mit einem hausinternen Fragebogen (8 bzw. 6 Items), eine Bio-Impedanzmessung sowie eine Stoffwechselparameter-Bestimmung (CHOL, LDL, HDL, TRIG, HS, GLUC). 6 Monate nach Entlassung erfolgte eine nochmalige Katamnese zur Evaluation des langfristigen Therapiefolgs. Alle Patientinnen erhielten im Rahmen der 3-wöchigen onkologischen Rehabilitation zusätzlich ein multimodales Therapiekonzept (praktische/theoretische Ernährungsschulung, Reduktionskost 1200 kcal/Tag, Bewegungs-/Gerätetherapie, verhaltenstherapeutische Intervention).

Ergebnisse: In bis zu 60% der Patientinnen zeigte sich bei Therapiebeginn eine Adipositas-assoziierte Komorbidität (Arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie/-triglyzeridämie, Diabetes), 78% berichteten zudem über eine mäßige bis schwere psychische Belastung infolge der Adipositas (>5 auf der 10-Punkte-Skala). Nach 3 Wochen (Reha-Ende) zeigte sich eine signifikante Besserung der durchschnittlichen, erhöhten Stoffwechselparameter (Cholesterin P=0,001; LDL P=0,002, Triglyzeride P=0,043) sowie eine Abnahme des mittleren Körpergewichts (95,7±3,5 kg vs. 93,1±2,8 kg; P=0,068).

Nach 24 Wochen zeigte sich bei 57,4% eine weitere, signifikante Abnahme des Körpergewichts (95,7±3,5 kg vs. 88,5±3,5 kg; P=0,0005), ebenso eine nochmalige Abnahme der Adipositas-assoziierten psychischen Belastung. Im Gegensatz zu den Daten bei Studienbegin zeigte sich eine Zunahme der sportlichen Aktivität (52,6% vs. 78,7% (Woche 24)) und eine vermehrte Fortsetzung der diätetischen Empfehlungen (20,0% vs. 65,9%), insbesondere bei den Patientinnen mit weiterem Gewichtsverlust.

Schlussfolgerung: Möglicherweise als Folge der hohen Motivation in dem untersuchten Kollektiv mit einem Großteil von neu diagnostizierten Brustkrebs-Patientinnen im Rahmen der Anschlussrehabilitation zeigten sich hohe Ansprechraten mit einem weiteren Gewichtsverlust auch 6 Monate nach Entlassung. Diese Daten unterstreichen daher die Bedeutung der Rehabilitation für die Verhaltensmodifikation und Reduktion von Risikofaktoren bei Überlebenden nach Krebserkrankung.

Schlüsselwörter: Adipositas, postmenopausal, Brustkrebs, Bio-Impedanzmessung

Abstract

Background: Excess adiposity has been shown to be associated with increased risk of different human cancers. Especially in obese postmenopausal breast cancer survivors recurrence and death is more common compared to their normal weight counterparts. Aim of the study was to evaluate an interdisciplinary program to reduce body weight in obese cancer patients during oncological rehabilitation since 2009 in the Paracelsus Hospital Scheidegg.

Methods: 115 women (BMI >30, mean age 50.4±18.7 years) were included in this prospective intervention study. At baseline and after 3 weeks (end of rehabilitation) a body compound measurement was performed using a bioimpedance analyzer and laboratory results (e.g. fat metabolism) were estimated. To evaluate treatment response, lifestyle factors and mental, obesity related stress a questionary form (8 and 6 items) was used at baseline, week 3 and week 24. All patients received a multimodal intervention program including reduced calorie diet, physical activity and a cognitive-behavioral therapy and teaching program.

Results: In up to 60% of all patients obesity-related comorbidity as hypertension, elevated cholesterol or triglycerides and/or diabetes were documented. 78% reported about a moderate to severe psychical, obesity-related burden (>5 of 10-point-scale). After 3 weeks a significant decrease of median cholesterol (P=0.001), LDL (P=0.002) and triglyceride (P=0.043) levels were noted and the dietary and physical intervention resulted in a decrease of mean body weight (95.7±3.5 kg vs. 93.1±2.8 kg; P=0.068). At the end of follow-up period (week 24) 80.8% of all questinary form could be evaluated. In 57.4% a further significant decline of body weight (baseline 95.7±3.5 kg vs. 88.5±3.5 kg week 24; P=0.0005) was documented. Psychical, obesity-related burden were also declined when compared with baseline or evaluation at week 3. In comparison with baseline data lifestyle factors as physical activity (52.6% vs. 78.7% (week 24)) or reduced calorie intake (20.0% vs. 65.9%) were still realized in a higher percentage of all patients, especially in patients with continuously weight loss after rehabilitation.

Conclusion: Possibly due to the high motivation in this collective with a majority of cases with newly diagnosed breast cancer, we found very high treatment response rates and weight loss still 6 months after end of rehabilitation. This data underline the importance of rehabilitation for behavior modification and reduction of risk factors in cancer survivors.

Keywords: obesity, postmenopausal, breast cancer, body composition


Einleitung

In vielen epidemiologischen Studien der vergangenen Jahre konnte gezeigt werden, dass starkes Übergewicht (Adipositas, BMI ≥30) ein unabhängiger Risikofaktor bei der Entstehung unterschiedlicher Krebserkrankungen ist. Aktuell geht man davon aus, dass ca. 5% aller Tumorerkrankungen durch eine ungesunde Ernährung und einer dadurch bedingten Adipositas verursacht werden. Unter anderem ließ sich so ein Zusammenhang zwischen Schweregrad der Adipositas und vermehrten Vorkommen einzelner Tumorarten dokumentieren [1].

Speziell bei postmenopausalen Frauen mit Adipositas konnten so erhöhte Inzidenzraten für das hormon-positive Mammakarzinom nachgewiesen werden [2], ebenso wie eine aggressivere Tumorbiologie mit bei Diagnose fortgeschrittenem lokalen Tumorstadium, vermehrter Lymphknotenmetastasierung sowie erhöhter Rezidivneigung [3], [4], was letztendlich zu einer nachweislich erhöhten Mortalität führt [5]. Diese Daten wurden 2010 auf dem weltweit größten Brustkrebs-Kongress in San Antonio, USA nochmals eindrücklich durch die ADEBAR-Studie bestätigt [6].

Die molekularen Pathomechanismen, die im Rahmen der Adipositas zur Karzinogenese führen können, sind noch weitgehend unklar. Studien der vergangenen Jahre belegen aber, dass sowohl eine erhöhte Insulinresistenz mit anfangs gesteigerter Insulinsekretion sowie erhöhte Serumspiegel von insulin-like growth factor I (IGF-I) und unterschiedlicher Apokrine sowie pro-angiogenetischer Faktoren zu einer gesteigerten Zellproliferation bei zeitgleich reduzierter Apoptose führen, insbesondere über eine gesteigerte Aktivierung des Akt/mTOR Signalwegs. So konnte tierexperimentell nachgewiesen werden, dass eine hyper- oder hypokalorische Ernährung zu einer unterschiedlichen Expression verschiedener Signalproteine dieses molekularen Stoffwechselwegs führt [7], [8]. Einen weiteren Pathomechanismus der Adipositas-induzierten Karzinogenese des Mammakarzinoms stellt das von Fettzellen gebildete und bei adipösen Patienten erhöht nachweisbare Leptin dar, für welches direkt proliferationsfördernde Eigenschaften beschrieben wurden [9], [10], vermutlich über eine direkte Beeinflussung der zellulären Telomerase-Aktivität [11]. Bei hormon-abhängiger Brustkrebserkrankung konnte zudem eine Korrelation mit erhöhten Hormonspiegeln bei zeitgleich gesteigerter Aromatase-Aktivität durch Stimulation von Leptin und Inhibition des LKB1/AMPK Pathways nachgewiesen werden [12].

Die v.a. in den westlichen Ländern ansteigende Inzidenz der Adipositas sowie weiterer Adipositas-assoziierter internistischer und orthopädischer Begleiterkrankungen unterstreicht die Notwendigkeit für den in der Rehabilitation tätigen Arzt, spezielle Therapiekonzepte zur Bekämpfung dieser Risikokonstellation zu etablieren, insbesondere, da eine langfristige Gewichtsnormalisierung sich sowohl positiv auf die Primär- als auch Tertiärprophylaxe auswirken [6].


Patienten und Methoden

Patientenkollektiv

In dieser prospektiven Unicenter-Studie wurde ein seit 2009 in der Paracelsus-Klinik etabliertes, multimodales Behandlungskonzept bei 115 Patientinnen nach onkologischer Erkrankung und manifester Adipositas (BMI >30, Alter ≤65 Jahre; genauere Angaben s. Tabelle 1 [Tab. 1]) während einer stationären onkologischen Rehabilitationsmaßnahme evaluiert.

Studiendesign

Alle Patienten erhielten im Rahmen der 3-wöchigen onkologischen Rehabilitation neben einer ballaststoffreichen Reduktionskost (1200 kcal/Tag) zusätzlich noch folgendes, multimodales Therapiekonzept:

  • Theoretische Schulung (3 Module: „Sinnvoll abnehmen“, „Ernährung und Krebs“, „Sport und Krebs“)
  • Praktische Ernährungsschulung (Diätküche)
  • Bewegungstherapie (1 Stunde/Tag: leichtes Walking, Aquajogging, adaptiertes Ergometer- und Gerätetraining)
  • Verhaltenstherapie (Gruppe „Selbststeuerung“)

Zu Beginn und am Ende der Rehabilitationmaßnahme (Tag 1/Tag 20) wurde zur Bestimmung des Ausgangs- und Endgewichts, des BMIs und zur Ermittlung der Muskelmasse eine Bioimpedanzmessung (Body Composition Analyzer MC-180MA, TANITA Corp. Tokyo/Japan) sowie laborchemische Untersuchungen (Gesamt-Cholesterin, LDL, HDL, Triglyzeride, Harnsäure, Glukose) durchgeführt. Zusätzlich erfolgte zu Beginn (Tag 1), am Ende der Reha (Tag 20) sowie 6 Monate (Tag 182) nach Entlassung eine Evaluation unterschiedlicher Lifestyle-Faktoren (sportliche Aktivität, Diäterfahrung, etc.) sowie der psychischen, Adipositas-assoziierten Belastung mit einem hausinternen Fragebogen (8 bzw. 6 Items) und einer subjektiven 10-Punkte-Skala (keine (0), leichte (1–4), mäßige (5–7), starke (8–10) psychische Belastung).

Statistische Analysen

Statistische Analysen erfolgen mit dem Programm SPSS (v7.5; SPSS Inc., Chicago, IL/USA). Zur Bestimmung signifikanter Unterschiede der klinischen und laborchemischen Parameter an Tag 1, 20 und 182 wurden der t- und Fisher Exakt Test, zur Analyse der statistischen Unterschiede zwischen Therapie-Ansprechern und -Nichtansprechern am Ende der Nachbeobachtung (Tag 182) der χ2-Test eingesetzt.

Ethische Aspekte

Diese prospektive Studie wurde in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Deklaration von Helsinki (2000) konzipiert und durchgeführt, die Teilnahme und Auswertung der erhobenen Daten erfolgte nur nach schriftlicher Aufklärung und Einverständnis der Patientinnen.


Ergebnisse

Von den 115 eingeschlossenen Patientinnen (Durchschnittsalter 50,4±18,7 Jahre) konnte in 105 Fällen (92,2%) eine 2. Bioimpedanzmessung vor Entlassung (Tag 20) durchgeführt werden. 3 Patientinnen (2,6%) beendeten vorzeitig die Studie. Von 93 Patientinnen (80,8%) liegen die Evaluationsdaten (Gewichtsverlauf, Lifestyle-Modifikationen, Adipositas-assoziierte psychische Belastung) an Tag 182 (3. Fragebogen) vor.

Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen

Bei 60% der Teilnehmerinnen ließ sich zu Beginn der Studie eine Hypercholesterinämie, in 43,3% einer Hypertriglyceridämie dokumentieren. In über 45% ließ sich zudem laborchemisch eine Hyperurikämie nachweisen. In ca. 58% lag eine medikamentös behandlungsbedürftige Hypertonie vor, 8% der Patientinnen litten an einer, ebenfalls medikamentös behandelten, Diabetes-Erkrankung (s. a. Tabelle 1 [Tab. 1]). 78% der Patientinnen berichteten zudem über eine mäßig bis starke Belastung (6,1±2,37) durch das Übergewicht an (>5 auf der 10-Punkte-Skala).

Kurzfristige Therapieeffekte (Ende Rehabilitation, Tag 20)

Am Ende der stationären Rehabilitationsmaßnahme zeigte sich im Bezug auf einzelne, zu Beginn der Rehabilitation pathologisch erhöht nachweisbare Stoffwechselparameter eine signifikante Besserung (s. a. Abbildung 1 [Abb. 1]), u.a. für das Gesamt-Cholesterin (Tag 1: 220±77,7 mg/dl vs. Tag 20: 190,7±45,2 mg/dl; P=0.001), LDL-Cholesterin (Tag 1: 146,6±47,6 mg/dl vs. Tag 20: 120,2±30,6 mg/dl; P=0,002) sowie für die Triglyzeride (Tag 1: 143,2±92,9 mg/dl vs. Tag 20: 129,1±42,5 mg/dl; P=0,043). Zusätzlich berichteten die Patientinnen von einer signifikanten Abnahme der Adipositas-assoziierten psychischen Belastung (Tag 1: 6,1±2,37 vs. 5,2±2,28; P=0,004). Des Weiteren ließ sich eine (nicht signifikante) Verbesserung der Adipositas (medianes Körpergewicht) in dieser Zeit erreichen (Tag 1: 95,7±3,5 kg vs. Tag 20: 93,1±2,8 kg; P=0,068). Mittels Bio-Impedanzmessung zeigte sich hierbei eine Abnahme des BMI um –0,75±1,0. Insgesamt zeigte sich in 85,2% der Patientinnen eine Abnahme des Körpergewichts, bei den übrigen Fällen (14,8%) zeigte sich ein stabiles Gewicht bzw. eine diskrete Gewichtszunahme (max. 1,5 kg bzw. BMI +0,1), wobei sich in 50% dieser Fälle jedoch eine Abnahme des Körperfetts bei teils deutlicher Zunahme der Muskelmasse (>2 kg) dokumentieren ließ. 97,4% der Patientinnen gaben an, die Studie sowie die geschulten Therapieempfehlungen (kalorienreduzierte Kost, sportliche Betätigung) zuhause fortzusetzen.

Langfristige Therapieeffekte (Ende Nachbeobachtung, Tag 182)

6 Monate nach abgeschlossener Rehabilitation (Tag 182) zeigte sich bei 66 Teilnehmerinnen (57,4%) eine weitere Gewichtsabnahme bzw. eine gegenüber Tag 1 signifikante Abnahme des mittleren Körpergewichts (Tag 1: 95,7±3,5 kg vs. Tag 182: 88,5±3,5 kg; P=0,0005) bei zusätzlicher weiterer Abnahme des mittleren BMIs gegenüber Reha-Ende (Tag 20: 33,4 vs. Tag 182: 32,4; P=0,04) (Abbildung 2 [Abb. 2]). Des Weiteren zeigte sich gegenüber Ende der Rehabilitation eine nochmalige quantitative (Tag 1: 62,6% vs. Tag 182: 57,1%) sowie qualitative Abnahme der Adipositas-assoziierte psychische Belastung (Tag 20: 5,2±2,28 vs. Tag 182: 5,02±2,62; P=ns). 6 Monate nach Abschluss gaben nun deutlich mehr Patientinnen an, regelmäßig Sport bzw. Bewegung (mind. 1x/Wo) zu praktizieren (Tag 1: 52,6% vs. Tag 182: 78,7%). 65,9% der Patientinnen gaben an, weiter eine leichte Reduktionskost einzunehmen.

Von den 49 Patientinnen (42,6%) mit stagniertem Gewicht bzw. erneuter Gewichtszunahme gaben im Vergleich zu den Teilnehmerinnen mit erfolgreicher Gewichtsabnahme deutlich weniger Frauen an, nach Entlassung aus der Reha weiter regelmäßig Sport zu betreiben (65 vs. 89,4%; P=0,002) (Abbildung 3 [Abb. 3]). Gegenüber den Frauen mit Gewichtsabnahme hatten diese Therapie-Versagerinnen zudem signifikant seltener eine energie- bzw. kalorien-reduzierte Ernährung im heimischen Umfeld fortgesetzt (92,4% vs. 30%; P=0,0001). Bei diesen Patientinnen zeigte sich zudem gegenüber dem Gesamtkollektiv eine subjektiv signifikant erhöhte Adipositas-assoziierte Belastung (6,0±2,47 vs. 4,75±2,2; P=0,001), welche teilweise nach primären Abfall zu Ende der Reha im Rahmen der Nachbeobachtung (Tag 182) wieder leicht angestiegen war.

87,2% der Teilnehmerinnen gaben an, durch die Rehabilitation und das evaluierte Therapie-Programm motiviert zu sein, sich weiter sportlich zu betätigen bzw. bewusster zu ernähren, 96,2% empfanden das Programm „empfehlenswert“.


Diskussion

Aktuelle Studien der letzten Jahre konnten einen Zusammenhang zwischen starkem Übergewicht (Adipositas) und einem erhöhten Risiko für das Auftreten onkologischer Erkrankungen sowie einer erhöhten Rezidivneigung und aggressiveren Tumorbiologie, speziell für das postmenopausale, hormonabhängige Mammakarzinom, dokumentieren [4], [5], [13]. Zusätzlich ließ sich in vielen Studien der letzten Jahre ein Zusammenhang zwischen körperlicher Betätigung bzw. sportlicher Aktivität und positiver Beeinflussung des Rezidivrisikos onkologischer Erkrankungen nachweisen [14], [15], [16]. Da die Adipositas sowie eine geringe sportliche Aktivität zudem Hauptrisikofaktoren für die häufigsten Zivilisationserkrankungen wie Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und orthopädische Erkrankungen darstellen, unterstreichen die Notwendigkeit, besondere Aufmerksamkeit und therapeutische Bemühungen in der „ganzheitlich“ ausgerichteten onkologischen Rehabilitation auf diese Risikofaktoren zu richten.

Im Rahmen dieser prospektiven Studie wurde ein seit 2009 in der Paracelsus-Klinik Scheidegg etabliertes multimodales Therapiekonzept zur Behandlung der manifesten Adipositas (BMI ≥30) evaluiert. Dabei zeigte sich schon bei der Dokumentation der Komorbiditäten die Bedeutung der Adipositas als Risikofaktor für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, da bei über 57% der Teilnehmerinnen – trotz dem eher geringen Durchschnittsalter von 50,4 Jahren (±18,7 Jahre) – schon eine medikamentös-eingestellte arterielle Hypertonie sowie in 60% eine Hyperlipidämie vorlagen.

Am Ende der Rehabilitationsmaßnahme (Tag 20) ließ sich eine Gewichtsreduktion in 85% der Teilnehmerinnen erreichen sowie eine signifikante Abnahme erhöhter, pathologischer Fettstoffwechselparameter wie dem Gesamt-, LDL-Cholesterin und den Triglyzeriden beobachten. Ähnliche Verbesserungen pathologischer Lipidwerte konnten in früheren Studien [17], [18] zur Gewichtsnormalisierung bei Brustkrebs- und kardiologischen Patienten nachgewiesen werden, allerdings erst nach deutlich längeren Therapiezeiten (16 bzw. 8 Therapiewochen).

Nach Abschluß der Nachbeobachtungsphase (6 Monate, Tag 182) zeigte sich bei 57,4% eine weitere, signifikante Gewichtsabnahme gegenüber dem Ausgangswert, was vergleichbar ist mit ähnlichen Studienergebnissen, welche jedoch teils mit zusätzlicher telefonischer Nachsorge zur Motivationsförderung durchgeführt wurden [19], [20].

Zusätzlich zeigte sich im Verlauf eine Verbesserung der psychischen, Adipositas-assoziierten Belastung, insbesondere bei den Patientinnen mit weiterem therapeutischem Ansprechen nach Entlassung aus der Rehabilitation im Vergleich mit Patientinnen mit stagnierter Gewichtsabnahme bzw. im Verlauf erneut aufgetretener Gewichtszunahme, eventuell durch die subjektive Erfahrung, die Gewichtsentwicklung „selbst“ beeinflussen zu können. Eine andere potenzielle Erklärung für die reduzierte psychische Belastung bei Patientinnen mit gutem Ansprechen könnten Beobachtungen aus anderen Studien sein, wonach sich eine gesunde Lebensweise sowie sportliche Betätigung auch positiv auf die Lebensqualität und die psychische Belastung auswirken können [21].

Als wesentlich für den Langzeit-Effekt stellte sich hierbei die Beibehaltung der therapeutischen Empfehlungen bzw. die Kombination aus sportlicher Aktivität und hypokalorischer Ernährung (1200 kcal/Tag) heraus. Diese Beobachtung wird u.a. durch aktuelle Studienergebnisse unterstützt, wo eine alleinige fettreduzierte, ballaststoff- und gemüsehaltige Kost (ohne zusätzliche sportliche Betätigung) keinen Effekt auf das Körpergewicht und BMI aufzeigte [22]. Zudem ließ sich in anderen Studien für eine solche, alleinige gesunde Ernährung keine Abnahme des Rezidiv-Risikos für Brustkrebspatientinnen dokumentieren [23].

Insgesamt kann man in Anbetracht der kurzen Interventionsdauer (3-wöchige stationäre Rehabilitation) von sehr guten kurz- sowie mittelfristigen Therapieergebnissen ausgehen, insbesondere im Vergleich mit herkömmlichen Gewichtsregulations-Programmen bei nicht-onkologischen, adipösen Patientinnen und Patienten und der Tatsache, dass bei über 70% der Teilnehmerinnen eine antihormonelle Therapie durchgeführt wird, welche als typische Nebenwirkung meist zu einer deutlichen Gewichtszunahme führen kann [24]. Eine Erklärung könnte in der Zusammenfassung unseres Patientenkollektivs (Brustkrebspatientinnen, jüngeres Alter, v.a. kurz nach Diagnosestellung (im Rahmen der Anschlussrehabilitation)) zu finden sein. So zeigte sich in mehreren Studien, dass gerade diese Patientengruppe hoch motiviert ist und gegenüber anderen Gruppen bessere Ergebnisse bei der Modifikation von Lifestyle-Faktoren aufweist [25], [26]. Zusätzlich wird eine Motivation zur Änderung von Lebensgewohnheiten durch das subjektiv bzw. individuell erhöht eingeschätzte Rezidiv-Risiko beeinflusst [27], was ebenfalls eine Erklärung für die guten Daten in dieser Studie bei dem analysierten Patientenkollektiv (Brustkrebs, kurze Zeit nach Diagnosestellung) sein könnte. Von Seiten der Patientinnen, welche in über 50% an kardiovaskulären Begleiterkrankungen und Risikofaktoren litten, war zudem die rasche Verbesserung der analysierten Stoffwechselparameter oder der Nachweis eines Muskelaufbaus mittels der durchgeführten Bio-Impedanz (auch bei geringer oder stagnierender Gewichtsabnahme), als hilfreich und motivierend angegeben worden.

Aufgrund dieser Daten ist eine aktuelle, weitere Nachbeobachtung zur sicheren Beurteilbarkeit der Nachhaltigkeit dieses Konzeptes über 12 bzw. 24 Monate nach Reha-Ende geplant.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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