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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Curriculumsreform – ein Arbeitsbericht aus der Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität Wien

Curriculum reform – a work report from the Library of the University of Veterinary Medicine Vienna

Fachbeitrag

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  • corresponding author Claudia Hausberger - Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Österreich
  • author David Frank - Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2014;14(1-2):Doc14

doi: 10.3205/mbi000311, urn:nbn:de:0183-mbi0003110

Published: August 28, 2014

© 2014 Hausberger et al.
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Zusammenfassung

Im Wintersemester 2014/15 wird an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) ein neues Curriculum für das Diplomstudium Veterinärmedizin umgesetzt, das seit 2010 geplant und entwickelt wurde. Das neue Curriculum soll vor allem das Selbststudium und vernetztes Denken fördern. Dieser Artikel beschreibt wie die Universitätsbibliothek als Teaching Library in das neue Curriculum eingebunden ist und welche Risiken und Chancen sich durch die neuen Lernkonzepte für die Universitätsbibliothek ergeben könnten.

Schlüsselwörter: Veterinärmedizinische Universität Wien, Curriculum, Curriculumsreform, Teaching Library

Abstract

During Winter Term 2014/15 the University of Veterinary Medicine, Vienna will implement a new Curriculum for the Diploma Programme in Veterinary Medicine. The new curriculum emphasizes especially self-learning and joined-up thinking of the students. This article describes how the Library of the University of Veterinary Medicine Vienna is integrated in the new curriculum. Furthermore risks and opportunities associated with the new concepts of learning for the university library will be described.

Keywords: University of Veterinary Medicine Vienna, curriculum, curriculum reform, teaching library


Einleitung

Im Wintersemester 2014/15 wird an der Vetmeduni Vienna ein neues Curriculum für das Diplomstudium Veterinärmedizin umgesetzt werden mit dem Ziel, die Absolventinnen „auf den dynamischen Alltag und die Arbeitsmarktanforderungen vorzubereiten“ ([1], S. 3). Das neue Curriculum soll vor allem das Selbststudium sowie das vernetzte Denken der Studierenden fördern. Es ist in 16 Lehrmodule gegliedert, welche die Grundlagen einzelner Fächer in „Organsystemen“ lehren und fächerübergreifendes Lernen propagieren (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Neben der Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen soll durch ein eigenes Lehrmodul die Ausbildung „persönlicher, betriebswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Kompetenzen“ stärker in den Fokus gerückt werden ([1], S. 4) wie bspw. der Erwerb von Informationskompetenz, deren Vermittlung eine der Aufgaben der Universitätsbibliothek ist. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Berichts wurde noch am konkreten Stundenplan gearbeitet. Die Universitätsbibliothek wird wie in der Vergangenheit eine tragende Rolle bei der Vermittlung von Informationskompetenzen spielen. Zurzeit ist nicht genau abschätzbar, welche Auswirkungen das neue Curriculum auf die Universitätsbibliothek der Vetmeduni Vienna als Teaching Library haben wird, es soll hier aber der Versuch unternommen werden, mögliche Folgen und Implikationen abzuschätzen. Daher wird zuerst auf die bisherigen Aktivitäten eingegangen und anschließend auf die Herausforderungen, die der Universitätsbibliothek durch das Curriculum 2014 entstehen können.


3-stufiges Angebot für Studierende

Als Zielgruppe für die Universitätsbibliothek sind die Studierenden der Vetmeduni relativ homogen. Neben der Hauptstudienrichtung Veterinärmedizin werden die Studiengänge Biotechnologie, Pferdewissenschaften, Mensch-Tier-Beziehungen, Komparative Morphologie sowie Wildtierökonomie und Wildtiermanagement mit der Möglichkeit des Bachelor- bzw. Masterabschlusses angeboten [2]. Somit ergibt sich für die Zielgruppe der Studierenden fachbezogen eine viel homogenere Struktur im Vergleich zu anderen Universitäten, die über ein vielfältigeres Studienangebot verfügen. Das versetzt die Universitätsbibliothek in die Lage, das inhaltliche Angebot auf naturwissenschaftliche und veterinärmedizinische Inhalte zu konzentrieren.

Das bisherige 3-stufige Schulungskonzept basiert auf den Vorkenntnissen der Studierenden, die im Laufe ihres Studiums von keinen oder geringen Vorkenntnissen einen hohen Standard an Informationskompetenz erreichen sollen. Zu den Standards der Informationskompetenz vgl. [3]. In der ersten Stufe ist vor allem wichtig, die StudienanfängerInnen in die Bibliothek zu holen, um Schwellenängste abzubauen, da viele Erstsemesterstudierende wahrscheinlich noch nie eine Universitätsbibliothek betreten haben. In einer knappen Stunde – siehe auch Tabelle 1 [Tab. 1] – sollen die Erstsemestrigen zunächst die Bibliothek vor Ort kennen lernen und eine erste Orientierung erhalten. Darüber hinaus wird ihnen u.a. gezeigt, wie sie die Bibliothekssuchmaschine nutzen können, ein Buch aus der Lehrbuchsammlung entlehnen können und einen Ausleihausweis erhalten. Die Einführungen finden im Oktober täglich an zwei Terminen statt, werden auf der Homepage der Universitätsbibliothek beworben und sind in der Informationsmappe für StudienanfängerInnen zu finden. Die erfolgreichste Bewerbungsmaßnahme für diese Veranstaltung ist jedoch die Präsentation der Universitätsbibliothek anlässlich der Erstsemestrigenbegrüßungsveranstaltung. In knapp 10 Minuten wird auf die wichtigsten Serviceleistungen und hauptsächlich auf die einstündige Möglichkeit einer Einführung in die Bibliotheksnutzung hingewiesen. Seit der ersten Präsentation 2012 hat sich die TeilnehmerInnenzahl an den Einführungen in die Bibliotheksnutzung verdoppelt und somit nehmen nahezu 70% aller Erstsemestrigen dieses Angebot wahr.

Die Pflichtvorlesung „Wissenschaftliche Literatur – Basis der Information“ ist im Curriculum der Vetmeduni Vienna fest verankert und soll die Studierenden mit der Informationskompetenz ausstatten, die sie für den Rest des Studiums benötigen und die ihnen im späteren Berufsleben als solide Basis für Fort- und Weiterbildung von Nutzen ist. Neben einer systematische Einführung in diverse Recherchemöglichkeiten wie Bibliothekssuchmaschinen, Fachdatenbanken u.a. wird hier etwa auf die Zitierregeln, Plagiarismus, Literaturverwaltungsprogramme u.v.m. eingegangen. Die Wissensvermittlung erfolgt durch Fachvortrag und wird durch praktische Übungen ergänzt. Selbstverständlich können sich die Studierenden mit Fragen und Problemstellungen jederzeit an die Dozentin wenden. Die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten müssen am Ende der Lehrveranstaltung in einer sehr praxisorientierten Klausur nachgewiesen werden.

Speziell an DiplomandInnen und DissertantInnen wendet sich das Freifach Einführung in die wissenschaftliche Literatursuche. Es werden vor allem spezielle Informationsquellen und Suchstrategien vermittelt, die vorwiegend von den TeilnehmerInnen und ihren Zielen und Fragen bestimmt werden.


Curriculum 2014

Zu Beginn des Wintersemesters 2014/2015 tritt das Curriculum 2014 stufenweise in Kraft. 2010 gab die Vizerektorin für Lehre und klinische Veterinärmedizin den Anstoß für die Einrichtung der Arbeitsgruppe Curriculumsreform (AG Curr). Die AG Curr hatte den Auftrag, das Studium der Veterinärmedizin einer Stärken-Schwäche-Analyse zu unterziehen und aus diesem Grund wurde im Sommersemester 2011 eine breit angelegten Befragung von TierärztInnen, potentiellen Arbeitgebern sowie den Lehrenden und AbsolventInnen der Vetmeduni Vienna durchgeführt. Sowohl AbsolventInnen als auch Stakeholder beurteilten die fachliche Qualität des Studiums als gut, aber vor allem die AbsolventInnen fühlten sich in Hinblick auf diverse Schlüsselqualifikationen ungenügend auf den Arbeitsmarkt und das Berufsleben vorbereitet. Des Weiteren äußerten sie den Wunsch nach verstärktem problemorientiertem und interaktivem Lehren ([4], S. 31 oder [5], S. 89).

Im Jänner 2012 konstituierten sich Educational Working Groups (EWGs) mit dem Auftrag, die Konzepte der einzelnen Lehrmodule zu entwickeln. Aufgrund der in den folgenden Monaten erarbeiteten Grundlagen beschloss der Senat der Vetmeduni Vienna im Juni 2013 die Einführung des neuen Curriculums für das Jahr 2014 (zur Curriculumsentwicklung siehe [6]). Seitdem arbeiten die EWGs an den konkreten Stundenplänen, die voraussichtlich im September 2014 feststehen werden. Auch nach Umsetzung des neuen Curriculums in die Praxis werden die EWGs für den Inhalt und Qualitätskontrolle der jeweiligen Module verantwortlich sein ([1], S. 10).

In Modul 16 „Ökonomie/Kommunikation/Reflexion/persönliche und wissenschaftliche Ausbildung“ werden hauptsächlich Schlüsselqualifikationen vermittelt, zu denen der Erwerb von Informationskompetenzen zählt. Bereits im ersten Semester sollen die Studierenden in Kleingruppen gemeinschaftlich eine Seminararbeit zu einem vorgegebenen Thema erarbeiten und verfassen. Dies schließt eine eigenständige Literatursuche und Interpretation mit ein. Unterstützung erhalten sie dabei fachlich und wissenschaftlich von Postdocs und TutorInnen. Die Studierenden sammeln so unbefangen erste Erfahrungen im Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit sowie in der Literatursuche. Sie können und sollten sich gegenseitig austauschen, voneinander lernen und experimentieren. Die im Curriculum 2014 festgehaltenen Konzepte wie das des verstärkten Selbststudiums und des integrativen und interaktiven fall- bzw. problembasierten Lernens werden so umgesetzt ([1], S. 11 f.). Im folgenden zweiten Semester soll die Universitätsbibliothek als Teaching Library in einer Vorlesung und Übung die gewonnenen Kenntnisse und Erkenntnisse sammeln, strukturieren und das im ersten Semester erworbene Wissen der Studierenden stärken und ausbauen.


Risiken und Chancen

Die Rolle der Universitätsbibliothek im Modul 16 „Ökonomie/Kommunikation/Reflexion/persönliche und wissenschaftliche Ausbildung“ ist ebenso wie die konkreten Stundenpläne noch nicht eindeutig definiert. Es fanden bereits Gespräche mit der Leiterin der EWG des Moduls 16 und der Vizerektorin für Lehre und klinische Veterinärmedizin statt. Beide sind für die Unterstützung der Studierenden durch die Universitätsbibliothek sehr aufgeschlossen. Das Konzept ist für die Universität völlig neu und alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass die Umsetzung allen Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt. Einige mögliche Problemfelder lassen sich bereits im Vorfeld gut eingrenzen und können daher über den Sommer 2014 sicher gelöst werden.

Der personelle Aufwand seitens der Universität für die Übung im ersten Semester wird voraussichtlich sehr groß werden, da aufgrund der Inskriptionszahlen der letzten Jahre davon ausgegangen werden kann, dass ca. 20 TutorInnen oder Postdocs für Gruppen zu 10–12 Personen benötigt werden. Eine weitere Herausforderung wird die Unterbringung der Kleingruppen sein.

Postdocs verfügen in der Regel über eine sehr hohe Informationskompetenz bedingt durch ihre fachlich hochqualifizierte Ausbildung. Dies kann zur Folge haben, dass das Niveau für Erstsemestrige fallweise zu hoch angesetzt wird. Daher wird es notwendig sein, die Ziele der Lehrveranstaltung genau zu definieren. Zudem ist noch unklar, aus welchen Bereichen sich die TutorInnen rekrutieren und welche Vorbildung diese haben. Die Universitätsbibliothek empfiehlt eine Einführung für die Postdocs und TutorInnen und unterstützt sie gerne mit ihrem Fachwissen. Es erscheint auch sinnvoll, die Postdocs und TutorInnen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe bibliotheksseitig laufend zu betreuen.

Eine didaktische Herausforderung wird zweifellos die Einbeziehung der Vorkenntnisse und Erfahrungen der Studierenden sein und das erfordert von Lehrenden neben einem großen fachlichen Wissen viel Empathie und Flexibilität. Hier spielt auch eine Rolle, ob und wie die Recherchen und deren Ergebnisse innerhalb der Übung dokumentiert sind. Vorstellbar ist, dass neben der Erstellung einer Facharbeit die unterschiedlichen Recherchen, Recherchestrategien und -ergebnisse von den Studierenden dokumentiert werden und diese Dokumentationen in die Vorlesung „Wissenschaftliche Literatur – Basis der Information“ integriert werden und auf diese Weise Grundlage von Vorlesungsinhalten und vertiefender Übungen werden. (An der Universität in Freiburg im Breisgau bspw. ist das Ziel einer Informationskompetenzschulung für Bachelorstudierende die Erstellung einer Dokumentationsmappe, beschrieben in [7], S. 253 ff.). Eine verstärkte Unterstützung der Lehrenden in den Übungen und in der Vorlesung durch die Universitätsbibliothek erfordert auch den Einsatz größerer personeller Ressourcen seitens der Bibliothek.

Im Frühjahr 2014 zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrags sind noch viele Fragen offen, von denen die meisten über den Sommer 2014 geklärt werden. Die Universitätsbibliothek ist in ständigem Kontakt mit dem Vizerektorat für Lehre und der Leiterin der EWG für Modul 16. Der Universitätsleitung scheint eine rasche Umsetzung des neuen Curriculums sehr wichtig zu sein wie auch eine umfassende Einbindung der Universitätsbibliothek in das betreffende Modul. Es bleibt in jedem Fall abzuwarten, wie sich das neue Curriculum weiterentwickelt und welche Schritte gesetzt werden.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Veterinärmedizinische Universität Wien. Curriculum Diplomstudium Veterinärmedizin 2014. Mitteilungsblatt der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Studienjahr 2012/2013. 27. Stück. 01.07.2013. Available from: http://www.vetmeduni.ac.at/uploads/media/Curriculum_Diplom_Veterinaermedizin_2013-07-01.pdf External link
2.
Veterinärmedizinische Universität Wien [Internet]. Studienangebot der Vetmeduni Vienna. Wien: Veterinärmedizinische Universität; 2014 [cited 24.06.2014]. Available from: http://www.vetmeduni.ac.at/de/studium/studienangebot/ External link
3.
Franke F. Standards der Informationskompetenz für Studierende. In: Sühl-Strohmenger W, editor. Handbuch Informationskompetenz. 9th ed. Berlin: De Gruyter, Saur; 2012. p. 235-49. DOI: 10.1515/9783110255188.235 External link
4.
Veterinärmedizinische Universität Wien. Wissensbilanz 2011 über das Berichtsjahr 2011 laut §13 (6) UG 2002 gemäß der Wissensbilanzverordnung, BGBl. II Nr. 216/2010. Mitteilungsblatt der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Studienjahr 2011/2012. 21. Stück. 01.06.2012. Available from: http://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/v/z/mitteilungsblatt/organisation/VetmeduniVienna_Wissensbilanz2011.pdf External link
5.
University of Veterinary Medicine Vienna. EAEVE Selfevalution Report Stage 1. Wien: Veterinärmedizinische Universität Wien; 2012. Available from: http://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/v/qm/EAEVE_SER1_2012_VetmeduniVienna.pdf External link
6.
Wie ein neuer Studienplan entsteht. Vetmedmagazin (Zeitschrift der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien). 2013;(3):20-1. Available from: http://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/v/z/info-service/vetmedmagazin/VetmedMagazin_2013_03.pdf External link
7.
Ohlhoff R. Förderung von Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation: Modell Freiburg im Breisgau (BOK-Bereich). In: Sühl-Strohmenger W, editor. Handbuch Informationskompetenz. 9th ed. Berlin: De Gruyter, Saur; 2012. p. 250-60. DOI: 10.1515/9783110255188.250 External link