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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Open Access in der deutschen Wissenschaft – Ergebnisse des EU-Projekts „Study of Open Access Publishing“ (SOAP)

Open Access in German research – Results of the FP7 funded project “Study of Open Access Publishing” (SOAP)

Fachbeitrag

GMS Med Bibl Inf 2011;11(1-2):Doc03

doi: 10.3205/mbi000218, urn:nbn:de:0183-mbi0002183

Published: June 7, 2011

© 2011 Dallmeier-Tiessen et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Das im 7. Forschungsrahmenprogramm geförderte EU-Projekt „Study of Open Access Publishing“ (SOAP; http://soap-fp7.eu, Laufzeit März 2009 bis Februar 2011), hat eine umfassende Studie zum goldenen Weg zu Open Access durchgeführt. Die von den Projektpartnern (Verlage und Wissenschaftsorganisationen) konzipierte Umfrage haben weltweit mehr als 40.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beantwortet.

In diesem Beitrag werden die Antworten von 3.000 in Deutschland arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgestellt und analysiert. Die Ergebnisse von 12 ausgewählten Fragen aus dem ursprünglich 23-teiligen Fragenkomplex geben einen Einblick in das Publikationsverhalten und die Einstellung zum Open Access-Publizieren.

Im Ergebnis zeigt sich eine sehr positive Meinung zu Open Access, die sich mit den weltweiten Daten deckt. Ein erheblicher Anteil der in Deutschland arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat bereits Erfahrung mit Open Access Publikationen. Die Finanzierung der Publikationsgebühren wird als eines der Haupthindernisse bei der Open Access Publikation angegeben. Verschiedene Finanzierungsquellen werden hierfür genutzt: In Deutschland sind dies, insbesondere bei Angehörigen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen, überdurchschnittlich häufig institutionelle Fonds.

Schlüsselwörter: Open Access, Publikationsmodelle, Wissenschaftskommunikation, Verleger, Bibliotheken

Abstract

Within the “Study of Open Access Publishing” (SOAP, a FP7 funded European project, http://soap-fp7.eu, project duration March 2009 until February 2011) a comprehensive study has been conducted on the golden road to Open Access. The project partners (publishers and scientific organizations) jointly designed a large-scale survey to which more than 40,000 researchers responded. This paper presents and discusses the responses of 3,000 researchers based in Germany. Results of 12 selected questions from the original 23-piece set of questions provide an insight into researchers’ publishing behavior and their attitudes towards Open Access publishing. Survey respondents in Germany exhibited a very positive opinion on Open Access, which coincides with the worldwide data. A significant proportion of the researchers working in Germany have had experience with Open Access publications. Funding publication fees has been specified as one of the main barriers to publish in Open Access. Different funding sources are used to pay for Open Access fees: Researchers in Germany, in particular the employees of research institutions, often use institutional funds.

Keywords: Open Access, publishing models, scholarly communication, publishers, libraries


Einleitung

Die Zahl der Projekte und Initiativen im Kontext von Open Access ist mittlerweile fast unüberschaubar geworden, die Zahl der Open Access-Zeitschriften nimmt stetig zu. Das Directory of Open Access Journals (DOAJ; http://www.doaj.org/) listet Anfang Mai 2011 bereits über 6.400 reine Open Access-Zeitschriften auf. Zu Beginn des EU-Projekts „Study of Open Access Publishing“ (SOAP) im März 2009 lag diese Zahl noch bei 4.032.

Ziel des SOAP-Projekts war eine umfassende Untersuchung zum so genannten goldenen Weg des Open Access, bei dem eine Publikation bereits bei ihrem Erscheinen in einer Zeitschrift für jedermann über das Internet weltweit und dauerhaft frei zugänglich ist. Laut der Analyse von Björg et al. [1] lag der Anteil dieser Art des Open Access an dem Gesamtpublikationsaufkommen im Jahr 2008 bei 8,5%. Die sechs SOAP Projektpartner, BioMed Central, European Organization for Nuclear Research (CERN), Max Planck Gesellschaft, SAGE, Science and Technology Facilities Council (STFC) und Springer Science+Business Media (also zur Hälfte aus wissenschaftlichen Einrichtungen und aus der Verlagswelt stammend), haben zum einen die Open Access Verlagslandschaft mit ihren Geschäftsmodellen analysiert. Zum anderen wurde in einer groß angelegten Umfrage weltweit das Publikationsverhalten von Wissenschaftlern ebenso wie deren Meinung zu Open Access erhoben und analysiert. Insgesamt haben über 50.000 Personen geantwortet, womit eine sehr große Datenbasis vorliegt. Das Projekt endete im Februar 2011. Die wichtigsten Ergebnisse wurden während eines Symposiums öffentlich präsentiert. Nähere Informationen, Materialien und Publikationen finden sich auf der Projektwebsite unter http://soap-fp7.eu.

Die bei der Umfrage entstandene reiche Datensammlung, die unter einer CC0-Lizenz durch das Projektteam veröffentlicht wurde, ist bereits für die Niederlande von Marnix van Berchum [2] ausgewertet worden. Hier hatten 1.015 Personen an der Umfrage teilgenommen, welche überwiegend aus dem universitären Umfeld stammten und schon längere Zeit wissenschaftlich tätig waren (mehr als 5 Jahre). Von einer Mehrheit wurde eine positive Einschätzung bezüglich Open Access für den eigenen Forschungsbereich geteilt. Die Publikationsgebühren wurden meist von der eigenen Einrichtung getragen, die Verfügbarkeit dieser Finanzierung wurde nahezu zu gleichen Teilen als schwierig bzw. einfach angesehen.

In diesem Artikel werden die Daten nun für die Teilnehmer, die als Arbeitsort Deutschland angegeben haben, auswertet. Durch ihre Tätigkeit im Rahmen des SOAP-Projekts haben die Autorinnen einen umfassenden Einblick in die SOAP-Daten erhalten und werden die Gesamtergebnisse der SOAP-Umfrage in Relation zu den Deutschland-Daten setzen. Zunächst wird eine Einführung in die Durchführung der SOAP-Umfrage und der Rahmenbedingungen gegeben und anschließend eine Auswahl von interessanten Ergebnissen vorgestellt. Abschließend richtet sich der Fokus auf verschiedene Disziplinen, sowie die Finanzierung der Open Access-Publikationen.

Für die bessere Lesbarkeit wird in diesem Artikel jeweils nur die männliche Form von Berufs- und Personenbezeichnungen verwendet, sie bezieht sich in diesem Fall aber immer auf beide Geschlechter.


1 Methoden

Der Analyse des Open Access-Publikationsverhaltens und der Haltung unter deutschen Wissenschaftlern zu Open Access liegen die Umfragedaten des Projektes „Study of Open Access Publishing“ (SOAP) zugrunde. Die Daten wurden am 13.01.2011 im Rahmen des SOAP Symposiums in Berlin unter der CC0-Lizenz (http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/) veröffentlicht [3]. Der Artikel fokussiert auf die Darstellung einiger von den beiden Autorinnen als interessant erachteter Aspekte. Alle weiteren Zusammenhänge können jederzeit durch eigene Analyse des Datensatzes herausgearbeitet werden.

Die im Rahmen des Projekts durchgeführte weltweite Online-Umfrage war für die Teilnehmer vom 28.04. bis 17.11.2010 verfügbar; die meisten Antworten gingen bis August 2010 ein. Die Umfrage wurde in englischer Sprache durchgeführt. Der Fragebogen wurde in dem Programm Survey Monkey online implementiert, der Link dazu wurde mit einem Begleittext verschickt.

Die Umfrage bestand aus 23 Fragen, die überwiegend im Multiple Choice-Verfahren zu beantworten waren. Bei einigen Fragen gab es die Möglichkeit, Freitextantworten zu geben. Letztere wurden im Rahmen des SOAP-Projektes analysiert, gruppiert und interpretiert. Auf die betreffenden Antworten wird im Analyseteil dieses Artikels gesondert hingewiesen. Die Fragen und Antworten wurden in den hier abgebildeten Tabellen und Graphiken in der Originalsprache belassen.

Die Einladung zur Umfrage wurde zu Beginn über die Partner des Projektes, insbesondere über die Adresslisten der Verlage verteilt. Darüber hinaus wurde die Einladung über weitere Verlage, Projekte und bekannte Emailverteiler verbreitet. Insgesamt sind ca. 1,5 Millionen Adressaten weltweit erreicht worden [4].

Insgesamt gingen 53.890 Antworten ein, davon haben sich 46.006 Personen selbst als Wissenschaftler eingestuft. Aus dieser Auswahl wurden für die hier vorgenommene Analyse diejenigen gefiltert, die als Arbeitsort Deutschland angegeben haben. Dabei ergab sich die Zahl von exakt 3.000 Personen. In der vorliegenden Analyse für Deutschland werden in den Fragen zum Publikationsverhalten (siehe 2.3, 2.4, 3.1, 3.2) nur die Antworten der 2.715 Wissenschaftler analysiert, welche bereits publiziert haben.

In der SOAP Umfrage wurde Open Access für die Teilnehmer folgendermaßen definiert: „An article is open access if its final, peer-reviewed, version is published by a journal and is free of charge to all users without restrictions on access or use“. Damit untersucht die Umfrage, wie auch das gesamte SOAP-Projekt, den sogenannten goldenen Weg zu Open Access und nicht den sogenannten grünen Weg, der durch Zweitveröffentlichungen von Publikationen über Repositorien erfolgt. Für die Definition dieser Begriffe sei auf die entsprechende Seite der Informationsplattform Open Access unter http://open-access.net/de/allgemeines/was_bedeutet_open_access/ verwiesen.

Beinahe zeitgleich hat das an der Universität Frankfurt angesiedelte DFG-geförderte Projekt „Economic Implications of New Models for Information Supply for Science and Research in Germany“ eine Umfrage unter deutschen Wissenschaftlern zur Annahme der Open Access Modelle durchgeführt [5]. Um die von John Houghton u.a. entwickelte Methodik einer Cost-Benefit-Analyse nicht nur auf Open-Access-Szenarien, sondern auch auf die Literaturversorgung mit Nationallizenzen anwenden zu können, werden hier Nationallizenzen methodologisch als eine Art Variante des über Repositorien realisierten Open Access betrachtet. Die von September bis Mitte November 2010 durchgeführte Umfrage hatte ihren Schwerpunkt folglich auf dem grünen Weg. Die daran teilnehmenden 1.883 Wissenschaftler bestätigten, dass ihnen überwiegend Open Access als Publikationsmodell bekannt ist und sie Selbstarchivierung als sinnvoll ansahen, jedoch selten selbst in Open Access Zeitschriften publizieren.

Mit 3.000 ausgefüllten Fragebögen im Zuge der SOAP-Umfrage kann eine aussagekräftige deutschlandweite Auswertung der Einstellung von Wissenschaftlern zu Open Access und ihrem Publikationsverhalten vorgelegt werden. Der hier verfolgte Ansatz kann nicht den Anspruch erheben, die Wissenschaftslandschaft in Deutschland vollständig und repräsentativ abzubilden. Doch vor dem Hintergrund der vollständigen SOAP-Umfrage, auf die in den Auswertungen immer wieder Bezug genommen wird, und durch den Vergleich zur Situation in anderen Ländern, lassen sich einige interessante Grundzüge und Tendenzen der wissenschaftlichen Situation in Deutschland aufzeigen.


2 Ergebnisse: Ein Einblick in die Antworten der in Deutschland arbeitenden Wissenschaftler

2.1 Wer hat geantwortet? (Demographie)

Die 3.000 Antworten aus Deutschland bilden die zweitgrößte Gruppierung in der SOAP-Umfrage, einzig aus USA sind mit über 7.000 Antworten mehr Rücklaufer eingegangen. (Einige Fragen wurden nur von einem Teil der Wissenschaftler beantwortet, die Anzahl der jeweiligen Antworten ist in allen Fragen/Abbildungen angegeben.)

Von den 3.000 Wissenschaftlern besitzen 25,7% weniger als 5 Jahre Arbeitserfahrung in der Wissenschaft, 41,4% arbeiten seit 5–14 Jahren in diesem Bereich und 32,9% der Befragten geben an, seit 15 oder mehr Jahren wissenschaftlich aktiv zu sein.

52,2% der Befragten haben angegeben, an einer Universität tätig zu sein, gefolgt von 31,9%, die in einer Forschungseinrichtung arbeiten. 7,4% arbeiten in einem Krankenhaus bzw. einer medizinischen Hochschule. Der Rest der Befragten verteilt sich auf andere staatliche Einrichtungen, Industrie und „andere“ Einrichtungen.

Die Abdeckung der Disziplinen erscheint recht unterschiedlich (Abbildung 1 [Abb. 1]), da die naturwissenschaftlichen Fächer, insbesondere die Biologie und die medizinischen Fächer, stark vertreten sind. Es ist hervorzuheben, dass insgesamt die Teilnahme aus den Sozialwissenschaften und den geisteswissenschaftlichen Fächern gut ist, so dass insbesondere in den Sozialwissenschaften eine fachspezifische Betrachtung ermöglicht wird. Vergleicht man die Zahl der Antworten aus den einzelnen Fachbereichen mit der oben erwähnten DFG-Umfrage [5], so fällt auf, dass in der SOAP-Umfrage deutlich mehr Naturwissenschaftler geantwortet haben.

Setzt man das Antwortverhalten der SOAP-Umfrage ins Verhältnis mit den vorliegenden Daten des statistischen Bundesamts von 2009 [6], ergibt sich für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, deren wissenschaftliches Personal mit 60.283 Vollzeitäquivalenten angegeben ist, eine Teilnahme an der SOAP-Umfrage von knapp 1,6%. Für den Hochschulbereich ohne den Medizinbereich, zentrale Einrichtungen und Hilfskräfte sind 215.621 haupt- und nebenberuflich tätige Personen angegeben. Somit haben in Deutschland 0,7% an der Umfrage teilgenommen. Für den Medizinbereich mit 51.853 Personen ergibt sich ein Prozentsatz von 0,4%.

2.2 Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln und Einstellung zu Open Access in Deutschland

In einem Fragenkomplex wurden die Wissenschaftler über die Literaturversorgung und ihre Einstellung zum Open Access-Publizieren befragt.

Die Zugangsmöglichkeit zu wissenschaftlicher Literatur in Deutschland wird als recht gut gesehen (Abbildung 2 [Abb. 2]): 66,5% der Wissenschaftler geben an, einfach oder sehr einfach online-Zugang zu den Artikeln, die für ihre Forschung interessant sind, zu haben. Allerdings geben auch knapp über 30% an, dass sie Schwierigkeiten haben, auf diese Artikel zuzugreifen oder kaum Zugang dazu zu haben. Im Vergleich mit den Ergebnissen der TOP30-Länder liegt Deutschland mit diesen Anteil von „very easily“ und „quite easily“ gleichauf mit Ländern wie Spanien, Belgien und Singapur. Kanada und die USA liegen an der Spitze, während Länder wie die Russische Föderation, Iran und Indien die Schlusslichter bilden.

Die Wahrnehmung von Open Access ist sehr positiv (Abbildung 3 [Abb. 3]): 89,7% der Wissenschaftler halten Open Access für förderlich für ihr Forschungsfeld, gegenwärtig oder in der Zukunft; 4,2% der Wissenschaftler halten Open Access hingegen nicht für zuträglich für ihr Forschungsfeld. Im Vergleich mit den globalen Ergebnissen ist dieses Ergebnis im Mittelfeld einzuordnen [4].

In der Umfrage konnten die Wissenschaftler in einem Freitextfeld ihre Antwort weiter erläutern. In der Freitextanalyse wurden in den Antworten der in Deutschland arbeitenden Wissenschaftler 1.881 Schlagworte vergeben, 1.749 davon positiv, 132 negativ. Die positiven Gründe werden in Abbildung 4 [Abb. 4] dargestellt. In einer Freitextantwort sind oftmals mehrere Schlagworte/Gründe zu finden.

Die Analyse der positiven Freitextantworten ergaben, dass 32% „scientific community benefit“, gefolgt von finanziellen Aspekten (20,8%) und „public good“ (17,4%) als Gründe für ihre positive Meinung von Open Access angaben.

2.3 Wie publizieren die Wissenschaftler, die in Deutschland arbeiten? (allgemein und fokussiert auf Open Access)

Ein weiterer Fragenkomplex der SOAP-Umfrage widmete sich dem Publikationsverhalten der Wissenschaftler im Allgemeinen und fokussiert auf Open Access.

Die Mehrheit der Befragten hat bereits Fachartikel publiziert (Abbildung 5 [Abb. 5]): 37,7% haben 1–5 Artikel in den letzten fünf Jahren veröffentlicht (global 38%). 22,7 % haben 6–10 Artikel publiziert. Über 30% der Befragten geben an, dass sie mehr als 10 begutachtete Artikel veröffentlicht haben. Nur 7,7% der Wissenschaftler haben keinen begutachteten Artikel veröffentlicht (egal ob Open Access oder nicht), darunter könnten allerdings auch Autoren aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sein, die zwar publiziert haben, deren Werke aber nicht über ein Peer-Review-Verfahren begutachtet wurden. Im Vergleich zu den globalen Ergebnissen der Umfrage sieht die Verteilung der Antworten sehr ähnlich aus (global: 6–10 Artikel: 21%, 11–20 Artikel: 16%, 21–50 Artikel: 10%), lediglich der Anteil der Antworten der Wissenschaftler, die keinen Artikel publiziert haben, ist in Deutschland niedriger (global 12%).

In Bezug auf ihre Open Access Publikationen geben 53,8% von 2.663 Wissenschaftlern an, 1–5 Open Access-Artikel in den letzten fünf Jahren veröffentlicht zu haben (Abbildung 6 [Abb. 6]). 8,9% haben mehr als 5 Open Access-Artikel publiziert. Das globale Antwortverhalten ist durchaus mit diesem Bild vergleichbar [4], auch hier gibt mit Abstand die größte Gruppe der Wissenschaftler an, bereits 1–5 Open Access-Artikel publiziert zu haben.

Die Wissenschaftler konnten in einem Freitextfeld erläutern, wenn es einen besonderen Grund gab, warum sie keinen Artikel Open Access publiziert haben. Die Freitextantworten wurden im Rahmen des SOAP-Projekts analysiert und in Themengruppen zusammengefasst; zwei Gründe werden dabei besonders häufig genannt: Finanzierung und Prestige/Qualität der Zeitschrift (Abbildung 7 [Abb. 7]). Für die genaue Erläuterung der Analyse und Definition der Schlagwörter siehe [4]. Es zeigt sich damit ein deutlich höherer Anteil des Faktors Qualität in Deutschland, welcher im globalen Mittel bei 30% liegt.

2.4 Wieviel und wie haben die Wissenschaftler ihre letzte Open Access Publikation bezahlt?

Im finalen Themenkomplex der Umfrage wurden die finanziellen Aspekte der letzten Open Access Publikation erfragt, d.h. die Höhe der Publikationsgebühren und deren Finanzierung.

1.675 Wissenschaftler aus Deutschland, die bereits publiziert haben, gaben an, wieviel sie für den letzten Open Access-Artikel gezahlt haben (Abbildung 8 [Abb. 8]): 42,2% gaben an, dass sie keine Gebühr gezahlt haben, 12,4% haben bis zu 500 Euro gezahlt, 14,8% zwischen 500 und 1.000 Euro und 13,3% 1.001–3.000 Euro. Immerhin 17,1% wissen nicht, wieviel für den letzten Open Access-Artikel bezahlt wurde. Im Vergleich zum globalen Bild zeigt sich, dass der Anteil der Wissenschaftler, die keine Gebühr gezahlt haben, in Deutschland geringer ist (global: 50,2%), dafür der Anteil der Wissenschaftler, die höhere Gebühren gezahlt haben, und der Wissenschaftler, die es nicht wissen, höher ist (global: „501–1.000 Euro“: 12,6%, „1.001–3.000 Euro“: 9,9%, „I do not know“: 14%).

Der hohe Anteil an Wissenschaftlern, die keine Publikationsgebühr gezahlt haben, wurde in einer zweiten Umfrage weiterverfolgt (siehe Präsentationen auf dem SOAP-Symposium, http://www.slideshare.net/ProjectSoap). Hier stellte sich heraus, dass der hauptsächliche Grund dafür die Veröffentlichung in Zeitschriften ist, die keine Publikationsgebühren verlangt haben.

Das Bild des monetären Aspekts wird komplettiert durch die Frage nach den Finanzierungswegen: 42,6% der Wissenschaftler (845 beantworteten die Frage, Abbildung 9 [Abb. 9]) geben an, dass ihre Institution die Publikationsgebühr zahlte. 25,9% geben an, dass in ihren Fördermitteln Gelder für diese Gebühren enthalten sind. Weitere 25,0% nutzten Fördermittel, welche ursprünglich nicht für die Bezahlung solcher Gebühren gedacht waren. 3,1% der Wissenschaftler haben die Gebühren „selber“ gezahlt. Im globalen Vergleich zeigt sich, dass damit ein deutlich höherer Anteil an Wissenschaftlern vorliegt, die Institutionsförderung nutzen (global: 24%, [4]), auf der anderen Seite ist der Anteil derjenigen, die selber zahlen, in Deutschland deutlich geringer (global: 12%).

Auf die Frage, ob es einfach gewesen ist, die Finanzierung für die letzte Open Access-Publikation zu finden, haben 681 Wissenschaftler geantwortet, von denen es 44,9% einfach fanden, finanzielle Ressourcen für die Publikationsgebühr zu mobilisieren (Abbildung 10 [Abb. 10]). 41,3% empfanden es hingegen als schwierig. Dieses Ergebnis unterscheidet sich deutlich von den globalen Umfrageergebnissen. Das globale Ergebnis zeigt, dass 31% es einfach fanden, Gelder zu mobilisieren und 54% als schwierig. Ob Mittel für die Bestreitung von Publikationskosten leichter oder schwerer zu beschaffen sind, hängt nicht nur von den institutionellen Gegebenheiten ab, sondern auch von den finanziellen Rahmenbedingungen für die Forschung in den einzelnen Ländern. In der SOAP-Gesamtumfrage zeigt es sich, dass Gelder für Publikationsgebühren in finanzschwächeren Ländern generell schwerer zu beschaffen sind als in finanzkräftigeren [4].


3 Fokus

3.1 Die Disziplinen – ein Einblick

Es haben zahlreiche in Deutschland arbeitende Wissenschaftler sowohl aus den Naturwissenschaften als auch aus den Geistes- und Sozialwissenschaften geantwortet. Die umfangreiche Datenlage erlaubt es, einen tieferen Einblick in die unterschiedlichen Disziplinen zu bekommen. Dabei wurden nur die Disziplinen mit mehr als 100 Antworten herangezogen.

Die Einstellung zu Open Access (Frage 9 im originalen Fragebogen, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) wurde in allen analysierten Disziplinen überwiegend positiv beantwortet. In den betrachteten Disziplinen liegt der Anteil der positiven Antworten grundsätzlich über 80%. Die Unterschiede zwischen den Disziplinen sind dessen ungeachtet beachtlich: am wenigsten positiv bewertet wird Open Access von Chemikern (80,9%), am deutlichsten positiv von Biologen und Geowissenschaftlern (93,8% bzw. 94,8%). Die Sozialwissenschaften weisen einen Anteil von knapp 90% positiver Antworten aus.

Im Publikationsverhalten der Wissenschaftler (siehe auch 2.3 und Abbildung 5 [Abb. 5]) zeigt sich übergeordnet eine ähnliche Verteilung über Disziplingrenzen hinweg. Die Gruppe der Wissenschaftler, die 1–5 traditionelle und Open Access-Artikel publiziert haben, nehmen in allen betrachteten Disziplinen – die Physiker ausgenommen – den größten Anteil ein. Dieser ist insbesondere in den Sozialwissenschaften mit über 50% sehr hoch (Tabelle 2 [Tab. 2]).

Betrachtet man nur die Open Access-Artikel, die bisher veröffentlicht wurden, so schwankt der Anteil derjenigen, die keinen Open Access-Artikel publiziert haben, stark zwischen 20,1% (Biologie) und 48,7% (Engineering and Technology). Die Sozialwissenschaften liegen mit 33,3% im Mittelfeld, die medizinischen Fächer nur bei 23,1%. In fast allen Disziplinen (mit mehr als 100 Antworten) nimmt die Klasse „1–5 OA-Artikel“ den größten Anteil ein, angeführt von der Biologie mit 65,0%, gefolgt von den medizinischen Fächern (62,1%); den Schluss bilden „Engineering and Technology“ mit 38,5%. In den Sozialwissenschaften weist die Kategorie 1–5 OA-Artikel einen Anteil von 57,6% auf (Tabelle 3 [Tab. 3]).

Erhebliche Unterschiede zwischen den Disziplinen treten auf, wenn es um die Höhe der Publikationsgebühren geht (Tabelle 4 [Tab. 4]). In der Mathematik und in den Sozialwissenschaften gibt es einen sehr hohen Anteil an Wissenschaftlern, die keine Gebühren für den letzten Open Access-Artikel gezahlt haben (Mathematik fast 70%, Sozialwissenschaften fast 80%). Aber auch in den anderen Disziplinen liegt der Anteil bei mindestens 20%. In der Biologie, den medizinischen Fächern und den Geowissenschaften ist (im Vergleich der analysierten Disziplinen) ein respektabler Anteil an Publikationsgebühren von mehr als 500 Euro zu verzeichnen.

Diese interessanten Unterschiede lassen auf verschiedene Publikationskulturen und Geschäftsmodelle der fachrelevanten Zeitschriften schließen. Es lässt sich aber auch spekulieren, ob eine „versteckte“ Übernahme der Gebühren existiert, z.B. über individuelle oder Institutsmitgliedschaften bei Fachgesellschaften oder bei Verlagen, die für die Wissenschaftler womöglich unentdeckt im Hintergrund laufen.

Die Datenlage zur Finanzierung der letzten Open Access-Publikation wird bei einer disziplinspezifischen Betrachtung dünn (Tabelle 5 [Tab. 5] und Tabelle 6 [Tab. 6]). In den Disziplinen Medizin und Biologie werden in Deutschland vorwiegend institutionelle Fonds zur Finanzierung herangezogen. Während es in der Biologie 46,7% der Wissenschaftler einfach fanden, die Finanzierung zu arrangieren, geben in den medizinischen Fächern nur 34,1% der Wissenschaftler an, es einfach gefunden zu haben. Dieses Antwortverhalten lässt auf unterschiedliche finanzielle Rahmenbedingungen in den Disziplinen schließen.

3.2 Die Finanzierung von Open Access Publikationen in Deutschland – hoher Anteil der Nutzung von „institutionellen Fonds“

Wie schon unter 2.4 gezeigt, gibt ein sehr hoher Anteil der Wissenschaftler an, „institutionelle Fonds“ für die Finanzierung der letzten OA Publikation genutzt zu haben.

Über 40% der Wissenschaftler nutzen institutionelle Fonds, 25,0 bzw. 25,9% nutzen andere Fördermittel, nur sehr wenige (3,1%) bezahlen die Gebühren selbst. Setzt man diese Zahlen in Bezug zum Arbeitsort der Wissenschaftler, so sehen wir, dass ein Großteil der Antworten zu dieser Frage von Wissenschaftlern gegeben wurden, die an einer Universität oder an einem Forschungsinstitut arbeiten. In diesen beiden Kategorien ergibt sich nun folgendes Bild (Tabelle 7 [Tab. 7]):

Insgesamt haben 259 Wissenschaftler, die an einer Forschungseinrichtung tätig sind, auf diese Frage geantwortet. Aus dieser Gruppe haben 22,0% angegeben, dass ihre Fördermittel Gelder für Publikationsgebühren enthalten, 18,1% geben an, dass sie Fördergelder genutzt haben, die nicht speziell für die Bezahlung dieser Gebühren vorgesehen sind. Die Mehrheit dieser Gruppe (54,4%) gibt an, dass ihre Institution die Gebühren gezahlt hat.

Von den Universitäten haben 447 Wissenschaftler auf diese Frage geantwortet. 31,3% nutzten dafür vorgesehene Fördergelder, 30,4% nutzten Teile von Fördergeldern, die nicht speziell für die Bezahlung dieser Gebühren vorgesehen waren und 31,3% geben an, dass ihr Institut/ihre Universität die Gebühren gezahlt hat.

Dieser deutliche Unterschied lässt auf unterschiedliche finanzielle Rahmenbedingungen an den jeweiligen Arbeitsorten schließen. Es sollte in diesem Rahmen auch darauf hingewiesen werden, dass eine hohe Repräsentanz von Wissenschaftlern aus der Biologie und Medizin vorliegt. Eben in diesem Bereich sind institutionelle Mitgliedschaften zu finden, wie z.B. die von BioMed Central (http://www.biomedcentral.com/info/about/instmembership). Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Art der Kostenübernahme als Bezahlung durch die Institution angesehen wird.

Solche Mitgliedschaften werden bei einigen deutschen außeruniversitären Forschungseinrichtungen durch zentrale Einrichtungen unterhalten (z.B. bei der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft), bei anderen von einzelnen Instituten oder Zentren (z.B. bei der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibniz-Gemeinschaft). Darüberhinaus werden anfallende Publikationsgebühren über zentrale Publikationsfonds (wiederum Fraunhofer-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft als Beispiel, jeweils nur genuine Open Access-Publikationen) oder über Fonds an einzelnen Zentren (z.B. bei der Helmholtz-Gemeinschaft) finanziert.

Die institutionelle Finanzierung von Open Access Gold an Hochschulen wird seit kurzem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Im Rahmen des DFG-Programms „Open Access Publizieren“ können wissenschaftliche Hochschulen seit 2010 Mittel einwerben, um dann die Artikelgebühren für ihre Wissenschaftler zu übernehmen [7], [8]. Im DFG-Programm werden bislang (Stand April 2011) 13 Projekte gefördert, das Gesamtvolumen der Förderung beträgt ca. 0,5 Mio. Euro für das Jahr 2011. Ziel des Programms ist der Aufbau einer dauerhaften Struktur zur Finanzierung von Open Access-Publikationen im Hochschulbereich. Bisher existieren hierzu oftmals innerhalb der Institutionen keine Arbeitsabläufe. Das DFG-Programm beschränkt sich auf die Förderung von OA-Publikationen in genuinen Open-Access-Zeitschriften, hybride Modelle werden nicht gefördert. Artikelbearbeitungsgebühren können nur dann aus DFG-Mitteln finanziert werden, wenn sie 2.000 Euro nicht überschreiten. Die Verteilung der Kosten für den insgesamt beantragten Publikationsfonds beträgt 75% DFG und 25% Hochschule. Die hier vorliegende SOAP-Umfrage wurde im Herbst 2010 abgeschlossen, daher lässt sich ein direkter Einfluss der DFG-Initiative auf die Umfrageergebnisse ausschließen. Die Umfrage zeigt aber, dass es einen unterschiedlichen Umgang mit der Finanzierung von Publikationsgebühren in den Institutionen (Universität und Forschungseinrichtung) gibt (siehe oben) und die Zukunft wird zeigen, wie die DFG-Initiative diese Situation ändern wird.


4 Fazit

Auf Basis des SOAP-Datensatzes wurde hier eine deutschlandweite Analyse zur Einstellung von Wissenschaftlern zu Open Access und ihrem Publikationsverhalten vorgelegt. Die Antworten von 3.000 Wissenschaftlern wurden insbesondere genutzt, um einen vertieften Einblick in die Finanzierung von Open Access zu bekommen. Aufgrund der eingegangenen Antworten hat diese Studie, im Gegensatz zu der Studie von Krönung et al. [5], einen Schwerpunkt auf den Naturwissenschaften.

Es ergibt sich folgendes Bild für die Antworten, der in Deutschland arbeitenden Wissenschaftler:

  • Die Einstellung zu Open Access ist sehr positiv und ist damit vergleichbar mit dem globalen Mittel.
  • Viele Wissenschaftler haben bereits Erfahrungen mit Open Access-Publikationen sammeln können (Abbildung 6 [Abb. 6]).
  • Viele Wissenschaftler haben keine Gebühr für die letzte Open Access-Publikation gezahlt (Abbildung 8 [Abb. 8]).
  • Die Publikationsgebühren der letzten Open Access-Publikation wurden in 42,6% der Antworten durch institutionelle Fonds beglichen – ein deutlich höherer Anteil als im globalen Mittel. 25,0 bzw 25,9% der Wissenschaftler nutzen andere Fördermittel. Der Arbeitsplatz des Wissenschaftlers (Universität, Forschungseinrichtung) spielt offenbar eine Rolle: die Nutzung der institutionellen Fonds ist deutlich höher an der Forschungseinrichtung (siehe 3.2).
  • 44,9% der Wissenschaftler fanden es einfach, die Finanzierung der Publikationsgebühren zu arrangieren, 41,3% fanden es schwierig (Abbildung 10 [Abb. 10]).

Anmerkung

Interessenkonflikt

Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Danksagung

Die Autorinnen danken dem gesamten SOAP Team für seine äußerst hilfreiche Unterstützung bei der Analyse der SOAP Ergebnisse für die deutschen Teilnehmer. Ein besonderer Dank geht an Annette Holtkamp, Ralf Schimmer und Monika Nißlein für das gewissenhafte Korrekturlesen und die vielen guten Hinweise.


Literatur

1.
Björk BC, Welling P, Laakso M, Majlender P, Hedlund T, Gudnason G. Open access to the scientific journal literature: situation 2009. PLoS One. 2010;5(6):e11273. DOI: 10.1371/journal.pone.0011273 External link
2.
van Berchum M. Results of the SOAP Survey. A first Overview on the Dutch Situation. 2011. Available from: http://www.openaccess.nl/images/pdf/soap_nl.pdf External link
3.
Dallmeier-Tiessen S, Darby R, Goerner B, Hyppolae J, Igo-Kemenes P, Kahn D, et al. SOAP Survey data. 2011. Available from: http://edoc.mpg.de/528392 External link
4.
Dallmeier-Tiessen S, Darby R, Goerner B, Hyppolae J, Igo-Kemenes P, Kahn D, et al. Highlights from the SOAP project survey: What Scientists Think about Open Access Publishing. 2011. Available from: http://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1101/1101.5260.pdf External link
5.
Krönung J, Bernius S, Bosch KG, Dugall B. Durch Selbstarchivierung und Nationallizenzen zu Open Access?. Vorstellung einer bundesweiten Studie zum Publikationsverhalten von Wissenschaftlern. ABl-Technik. 2010;30(4):230-9. Available from: http://www.wi-frankfurt.de/publikationenNeu/DurchSelbstarchivierungundNati4066.pdf External link
6.
Bildung und Kultur – Personal an Hochschulen 2009. In: Statistisches Bundesamt, Hrsg. Fachserie 11, Reihe 4.4. Wiesbaden; 2010. Available from: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/BildungForschungKultur/Hochschulen/PersonalHochschulen2110440097004,property=file.pdf External link
7.
Dupont B. Open Access-Zeitschriften: Wissenschaftler sind lieber Leser als Autoren. Laborjournal online. 2011. Available from: http://www.laborjournal.de/editorials/479.html External link
8.
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Hrsg. Merkblatt „Open Access Publizieren“. 2011. Available from: http://www.dfg.de/download/programme/wissenschaftliche_literaturversorgung_informationssysteme/antragstellung/12_20/12_20.pdf External link