gms | German Medical Science

GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Virtuelle Lehrbuchsammlung und eBooks on Demand als Facetten der Hybridbibliothek: zwei innovative Services der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien

Virtual textbook collection and eBooks on Demand as facets of the hybrid library: two innovative services of the university library of the Medical University Vienna

Fachbeitrag

Search Medline for

  • corresponding author Bruno Bauer - Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Wien, Österreich External link
  • Daniel Formanek - Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Wien, Österreich
  • Marian Miehl - Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Wien, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2010;10(3):Doc25

doi: 10.3205/mbi000208, urn:nbn:de:0183-mbi0002089

Published: December 21, 2010

© 2010 Bauer et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien verfügt als Hybridbibliothek über große Bestände an gedruckter bzw. digitaler Literatur. Um den Zugriff zu dieser Information zu verbessern, wurden in jüngster Zeit zwei Projekte entwickelt und realisiert.

Für die Studierenden wurde das Informationsportal Van Swieten Student 2.0 als virtuelle Lehrbuchsammlung konzipiert, das neben dem Nachweis von gedruckten und elektronischen Lehrbüchern weitere für das Medizinstudium relevante Informationsquellen offeriert und auch Web 2.0-Applikationen integriert.

Die Zettelkataloge, bisher einziges Nachweisinstrument für die wertvollen medizinhistorischen Bestände, wurden digitalisiert, OCR-gelesen und als webfähiger OPAC mit Web 2.0-Funktionen erweitert. Auf Basis dieses Katalogs können urheberrechtsfreie Werke über das innovative Service eBooks on Demand (eod) in digitaler Form bzw. als Reprint angefordert werden.

Schlüsselwörter: Medizinische Universität Wien, Universitätsbibliothek, Virtuelle Lehrbuchsammlung, Van Swieten Student 2.0, WordPress, Scriblio, eBooks on Demand (eod), Zettelkatalog, Digitalisierung, Hybridbibliothek, Web 2.0.

Abstract

The university library of the Medical University of Vienna is a hybrid library and offers a huge stock of literature in print and online. Two projects were realised to improve access to this collection. The library built a catalogue for their students, which includes all relevant resources for their courses. In addition to textbooks, print and online, it includes further relevant resources. The catalogue, called Van Swieten Student 2.0, uses a lot of web 2.0 applications.

Until now one had to search a card index to find rare books of historical medical interest. That changed because the card index got digitalised and machine readable. So the library could put the card index into a catalogue with web 2.0 applications to make browsing easier. Because of a ground-breaking service, called eBooks on Demand (eod), it is now possible to directly order books which are no longer under copyright out of this catalogue.

Keywords: Medical University Vienna, university library, virtual textbook collection, Van Swieten Student 2.0, WordPress, Scriblio, eBooks on Demand (eod), card index, digitalization, hybrid library, Web 2.0.


Einleitung

Innovative Projekte an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien ist eine Hybridbibliothek, die über große Bestände an gedruckter bzw. digitaler Literatur verfügt. Um deren Bereitstellung für die Benutzerinnen und Benutzer zu verbessern, wird die Informationsinfrastruktur laufend durch Innovationen optimiert [1]. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang der Einstieg beim Dokumentenlieferdienst subito [2] bzw. der EZB (Elektronische Zeitschriftenbibliothek), das Angebot für den PDA (Personal Digital Assistant) [3] oder die Implementierung von LinkOut für den Nachweis gedruckter Zeitschriftenbestände in PubMed [4].

In jüngster Zeit wurden von Projektteams des Universitätslehrganges Library and Information Studies an der Universität Wien zwei Projekte entwickelt und realisiert:

  • Virtuelle Lehrbuchsammlung – Van Swieten Student 2.0;
  • E-Books on Demand – eod.

Hybridbibliothek & Bibliothek 2.0 als Gemeinsamkeiten beider Projekte

Im Rahmen des Universitätslehrganges Library and Information Studies wurde für die Universitätsbibliothek Wien das Konzept einer Virtuellen Lehrbuchsammlung erarbeitet (2008; Projektmitarbeiterinnen- und mitarbeiter: Sebastian Aigner, Annarita Garganese, Daniel Formanek, Andreas Resch). Nachdem dieses an der Universitätsbibliothek Wien nicht realisiert wurde, konnten die Vorarbeiten von der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien für das Projekt Van Swieten Student 2.0 genutzt bzw. weiterentwickelt werden.

Die Virtuelle Lehrbuchsammlung organisiert Nachweis und Zugang zu modernen medizinischen Lehrbüchern in gedruckter und in elektronischer Form. Sie stützt sich auf Web 2.0-Applikationen. Zielgruppe dieses Angebots sind die Studierenden an der Medizinischen Universität Wien.

Für Van Swieten Student 2.0 wurde mit der Lehrbuchsammlung als wichtigstes Angebot für die Studierenden, ein wesentlicher Teil des Bibliothekbestands herausgenommen, um zusätzliche Informationen angereichert und in ein gemeinsames Portal mit anderen Informationsquellen eingebracht.

Die Implementierung des Services E-Books on Demand (eod) als neues Service der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien wurde im Rahmen des Universitätslehrgangs Library and Information Studies vorbereitet und realisiert (Projektmitarbeiterinnen- und mitarbeiter: Elisabeth Konlechner, Michael Kranewitter, Marian Miehl; 2009).

Das neue Service eod an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien verfolgt das Ziel, medizinhistorische Werke, die zwischen 1500 und 1900 erschienen sind, elektronisch zugänglich zu machen. Auch dieses Projekt nutzt Web 2.0-Applikationen. eod richtet sich an die interessierte Öffentlichkeit, wobei ein Hauptaugenmerk auf den Wissenschaftlern der Medizinischen Universität Wien liegt.

Das eod-Projekt stützt sich auf den medizinhistorischen Bestand der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien und bringt diesen in ein mächtiges europäisches Bibliotheksportal ein.


Virtuelle Lehrbuchsammlung „Van Swieten Student 2.0“

Ausgangslage

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien betreibt für die Studierenden eine Lehrbuchsammlung, in der die für das Curriculum Medizin Wien essentielle Literatur bereitgehalten wird [1]. Diese besteht aus ca. 300 Titeln, die umfassend in Print (ca. 1.400 Einzelmedien) vorhanden sind; 2009 wurden diese ca. 45.000-mal entlehnt.

Ca. 25% der benötigten Lehrbücher sind auch bereits online verfügbar. Dies ist darauf zurückzuführen, dass von der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien seit 2006 verstärkt E-Books angeschafft werden, wobei Kaufmodellen mit Archivrechten (Gewährleistung eines dauerhaften Zugriffs) gegenüber befristeten Lizenzmodellen der Vorzug gegeben wird, sofern diese vom Verlag angeboten werden. Derzeit umfasst das E-Book-Angebot der Bibliothek ca. 3.400 Titel, darunter Pschyrembel Premium, Thieme eBook Library, Access Medicine von McGraw-Hill sowie medizinische Titelpakete von Elsevier, Springer und Wolters Kluwer.

Die Bibliothek arbeitet laufend daran, jedes für das Curriculum relevante Buch als E-Book anzubieten. Neben den zusätzlichen Kosten, die es aufzubringen gilt, erweisen sich das Fehlen des entsprechenden E-Book-Angebotes bei manchen Verlagen sowie das Fehlen eines akzeptablen Vertriebsmodells als Hemmschuh für den weiteren Ausbau der Virtuellen Lehrbuchsammlung.

Die entsprechenden Bestrebungen seitens der Bibliothek für die Forcierung der E-Books insbesondere für die Studierenden werden durch die intensive Nutzung des bestehenden Angebots durch die Studierenden gerechtfertigt. Jene 84 für das Curriculum benötigten Titel, die bereits in elektronischer Form angeboten werden können, ergeben 33% der Gesamtnutzung der über 3.400 lizenzierten bzw. gekauften E-Books.

Ziele der Bibliothek

Das Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien gliedert sich in 24 Blöcke. Für jeden Block werden von den Lehrenden Lernunterlagen für den Download sowie Zusammenstellungen der für die Prüfungsvorbereitung empfohlenen Literatur bereitgestellt.

Diese Literaturempfehlungen bilden die Basis für den Aufbau der Lehrbuchsammlung der Universitätsbibliothek, deren Bestand als eigener Teilkatalog im Bibliothekskatalog (Aleph) nachgewiesen wird. Hier wurde auch bereits die Möglichkeit geschaffen, gezielt Literatur zu den einzelnen Blöcken des Curriculums abzufragen.

Im Zuge des gerade stattfindenden Übergangs von Print zu Online wird es jedoch immer wichtiger, eine geeignete Infrastruktur zu schaffen, um die verfügbaren Ressourcen so anbieten zu können, dass sie von der zu versorgenden Zielgruppe auch entsprechend genutzt werden [5]. Zur Realisierung dieses Ziels sollte ein Informationsportal für Studierende etabliert werden, in dem alle für das Curriculum relevanten Ressourcen – mit Hilfe von Web 2.0-Tools – zusammengeführt und aufbereitet werden. Zusätzlich sollten mit diesem Projekt Erfahrungen mit dem Katalog 2.0 gewonnen werden, um im Hinblick auf die bevorstehende Implementierung von Suchmaschinentechnologie die Bedürfnisse der Benutzerinnen und Benutzer besser einschätzen zu können.

Konzeption

Wichtige Vorgaben für das Konzept von Van Swieten Student 2.0 [6] waren eine relativ kurze Umsetzungszeit sowie der Wunsch nach einem sehr flexiblen, ausbaufähigen System. Damit sollte gewährleistet werden, Innovationen sehr rasch und unmittelbar zu testen, um rasch Erfahrungen beim Einsatz eines Web 2.0-Kataloges sammeln zu können.

Sehr früh fiel die Entscheidung, das Projekt auf den Bestand der Lehrbuchsammlung zu beschränken. Daraus ergeben sich zwei Vorteile:

  • Die Lehrbuchsammlung besteht aus einem zahlenmäßig überschaubaren und stark nachgefragten Bestand, für den auch eine arbeitsintensive Bearbeitung gerechtfertigt und sinnvoll ist.
  • Aber auch die Benutzergruppe, die diese Bestände nutzt, die Studierenden, bilden eine homogene Gruppe; diese ist bereits in sozialen Netzwerken organisiert und den Konzepten des Web 2.0 weitgehend zugänglich.

Bezüglich der technischen Infrastruktur sollte sich das Informationsportal Van Swieten Student 2.0 ebenfalls in einem überschaubaren Rahmen bewegen. Als optimale Lösung wurde die Blog-Software WordPress und deren Erweiterung namens Scriblio (http://about.scriblio.net/) ermittelt. Mit der Nutzung von WordPress konnte auf die Erfahrungen der Bibliothek beim Betrieb des News-Blogs Van Swieten Blog zurückgriffen werden, in dem seit Juni 2006 regelmäßig über neue Informationsangebote und Services der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien berichtet wird [7]. Die sehr gute Akzeptanz der Sonder-Blogserie „Vertrieben 1938“ (ca. 250.000 Zugriffe auf ca. 200 Blogbeiträge im Zeitraum März 2008 bis Mai 2010) [8] bestärkte die Entscheidung für die Nutzung dieser Infrastruktur.

Scriblio (ehemals WPopac) ist ein kostenfreies Open Source CMS (Content Management System) mit facettierter Suche, basierend auf der Blog-Software WordPress. Zusätzlich sollten weitere Web 2.0-Anwendungen implementiert werden, die für WordPress bereits verfügbar waren, wie Social Bookmarking oder ein 5-Sterne-Rating. Andere Funktion, wie der Verweis auf ähnliche Bücher im Katalog, waren in Scriblio bereits vorhanden.

Umsetzung

Welche Ressourcen wurden nun zusammengeführt? – Van Swieten Student 2.0 enthält sämtliche verfügbaren Informationen, die von den Studierenden für das Curriculum benötigt werden: die von der Bibliothek erworbene Curriculums-Literatur, inklusive der Blockbücher, die von den Lehrenden als Basislernunterlage für die jeweiligen Blöcke herausgegeben werden, sowie Lernunterlagen, die von den Lehrenden als PDF auf der Website der Medizinischen Universität Wien bereitgestellt werden.

Von jedem Buch wurden Titelseite und Inhaltsverzeichnis gescannt und anschließend durch zusätzliche Verweise ergänzt. Ausgehend vom jeweiligen Titel wird auch auf Quellen, wie zugehörige Bilddatenbanken, Internet-Foren, die elektronische Version des Buches (soweit verfügbar) oder Testfragen, verwiesen. Jedem Buch wird zusätzlich ein kurzes Abstract beigefügt, das einen raschen Einblick in das jeweilige Buch ermöglicht.

Ein Katalogisat im Van Swieten Student 2.0 beinhaltet folgende Informationen:

  • Kurzzitat;
  • Umschlagbild;
  • Links (Volltext; Inhaltsverzeichnis; Umschlagbild; Verfügbarkeit, diverse weitere Quellen, wie Foren, Prüfungsfragen, Datenbanken etc.);
  • Description (zumeist kurze Verlagstexte);
  • Subject (Verwendung von Schlagworten aus dem Online-Katalog bzw. einige für das Studium der Medizin relevante Begriffe, wie z.B. Block01);
  • Notes (Standortangaben);
  • Similar Items;
  • Share and Save;
  • 5 Stars-Rating;
  • Kommentare;
  • Views (Anzahl der Klicks für einen konkreten Titel) (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Als weiteres Service wurde für jeden der 24 Blöcke ein Quick-Link erstellt, damit Studierende mit einem Klick sofort und direkt zur gesamten, für den jeweils besuchten Block benötigten relevanten Literatur gelangen können.

Mit einer Kommentarfunktion wird den Studierenden auch eine Interaktionsmöglichkeit angeboten. Genutzt werden kann diese Funktion für Hinweise auf zusätzlich erworbene Exemplare, für Empfehlungen und Kommentare. Somit ist Van Swieten Student 2.0 ein Katalog mit Beratungsfunktion.

Die Darstellung von Informations- und Literaturangeboten im Informationsportal Van Swieten Student 2.0 sowie die Integration von Web 2.0-Tools fand mittlerweile bereits eine beachtliche Resonanz in bibliothekarischen Fachkreisen:

  • Eine tolle Idee, die Lehrbücher so zu präsentieren und mit weiteren Inhalten zu vermischen!“ (Anne Christensen, SUB Hamburg)
  • In Summe sicherlich ein deutlich verbessertes Angebot für User als ein reiner OPAC.“ (Mark Buzinkay)
  • Die Idee der “händischen Kataloganreicherung” ist sicher noch ausbaufähig und eine Idee für andere Bibliotheken.“ (Edlef Stabenau, TU Hamburg).

Van Swieten Students 2.0 fand auch Aufnahme in die Landkarte von Next Generation Catalogs in Europe (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Perspektiven

Derzeit werden die Studierenden im Rahmen einer verpflichtenden Bibliothekseinführung, die Teil des Curriculums ist [9], auf das Studierendenportal Van Swieten Student 2.0 aufmerksam gemacht. Um Van Swieten Student 2.0 noch besser an die Zielgruppe der Studierenden anzupassen, wird eine enge Zusammenarbeit mit der Hochschülerschaft angestrebt. Für 2011 ist die Durchführung einer Nutzerbefragung geplant.

Weiters wird das E-Book-Angebot mit Blickrichtung auf die speziellen Bedürfnisse des Medizin Curriculums Wien laufend erweitert; der diesbezügliche Ausbau des Angebots ist abhängig davon, ob für gewünschte Titel ein entsprechendes E-Book-Angebot des Verlages vorliegt und ob ein finanzierbares Kauf- bzw. Lizenzmodell vorliegt.

Vor dem Hintergrund der geplanten Einführung von Suchmaschinentechnologie wird, basierend auf den Ergebnissen mit Van Swieten Student 2.0 und dessen Evaluierung, 2011 ein Kriterienkatalog erstellt werden, der dazu beitragen soll, die Prioritäten für die neue Suchmaschine richtig zu gewichten.


E-Books-On-Demand

Ausgangslage

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien verfügt über einen umfangreichen Bestand an wertvollen medizinhistorischen Monografien und Zeitschriften, die in der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin, der einzigen medizinhistorischen Bibliothek in Österreich, untergebracht sind [10], [11], [12], [13].

Diese Bestände waren bis zum Vorjahr nur eingeschränkt benutzbar, weil sie ausschließlich in den an der Zweigbibliothek untergebrachten Zettelkatalogen nachgewiesen waren. Erst seit 1989 – mit der Einführung eines elektronischen Bibliotheksverbundsystems an den österreichischen Universitätsbibliotheken – werden Neuerwerbungen online nachgewiesen; diese sind damit im Gesamtkatalog des österreichischen Bibliothekenverbundes recherchierbar.

Bereits seit den frühen 1990er Jahren waren Projekte zur Retrokatalogisierung bzw. Katalogdigitalisierung konzipiert worden, um diesen in seiner Gesamtheit einzigartigen Bestand online nachweisbar zu machen; diese Pläne konnten allerdings mangels Finanzierungsmöglichkeiten nicht realisiert werden.

Ziele

Vordringliches Ziel des letztlich realisierten Projektes war die möglichst rasche Digitalisierung der vorhandenen Zettelkataloge. Aufgrund der Größe der zu digitalisierenden Kataloge stand von vorne herein fest, dass der dafür erforderliche Aufwand nicht innerhalb der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien geleistet werden konnte, sondern an einen externen Dienstleister überantwortet werden sollte.

Die dann elektronisch vorhandenen Metadaten sollten nach Möglichkeit OCR-gelesen und idealerweise in einen attraktiven Verbundkatalog eingebettet werden.

Weiters sollten die durch die Digitalisierung der vorhandenen Metadaten besser sichtbar gemachten bedeutenden Buchbestände nicht einfach nur im Rahmen eines digitalisierten Zettelkatalogs recherchierbar gemacht werden, sondern so aufbereitet werden, dass sie als wesentlicher Baustein für eine zukünftig zu entwickelnde gemeinsame Darstellung des bedeutenden medizinhistorischen Erbes der Medizinischen Universität Wien genutzt werden können.

Als weitere Komponente sollte der Bestand allen interessierten Nutzerinnen und Nutzern des In- und Auslandes – ortsunabhängig – verfügbar gemacht werden; dies bedingte die Einbindung eines Digitalisierungsservices.

Um tragfähige Lösungen für die Umsetzung dieser Ziele zu erkunden, wurde der Katalog der Josephinischen Bibliothek für ein Anstoßprojekt ausgewählt. Ausschlaggebend für diese Wahl waren die hervorragende Bedeutung dieser Sammlung sowie deren überschaubare Größe; der Zettelkatalog der Josephinischen Bibliothek umfasst ca. 14.000 Karteikarten. Ein letzter wichtiger Grund lag darin, dass diese Spezialbibliothek zur Gänze aus urheberrechtsfreien Beständen besteht – ein Aspekt, der für das geplante Digitalisierungsangebot eine wesentliche Rolle darstellt [14].

Konzeption

Mit der Vorgabe an das Projektteam, diese Ziele möglichst umfassend zu realisieren, erfolgte eine Sondierung von in Frage kommenden Anbietern. Letztlich konnten zwei Lösungsmöglichkeiten gefunden werden, die eingehend geprüft wurden.

Das von der Österreichischen Nationalbibliothek entwickelte System Katzoom bietet den Nutzerinnen und Nutzern für die Katalogrecherche einen alphabetischen Einstieg. Nach der Auswahl des Buchstaben findet sich im zentralen Blickfeld eine angeschnittene Übersicht der Karteikarten innerhalb des gewünschten Buchstabens. Zwischen den Karteikarten ist ein „Zoom in“-Link angebracht, über den tiefer nach dem gewünschten Buch gesucht werden kann. Diese „Zoom in“-Funktion erstreckt sich über mehrere Ebenen, bis schlussendlich die einzelnen Karteikarten in kompletter Größe angezeigt werden. Dieses strukturierte System ist einer Suche in einem analogen Zettelkatalog nachempfunden. Allerdings bietet dieses System keine andere Möglichkeit, zu einem Suchergebnis zu kommen. Das bedeutet, dass man im Zuge einer Recherche viele Klicks machen muss, bis man zu dem gewünschten Buch gelangt, und im schlechtesten Fall, dass dieser Aufwand umsonst war.

Das System der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol bietet ebenfalls einen alphabetischen Einstieg an, allerdings finden sich auf der linken Seite weitere Einstiegsmöglichkeiten, weil jede zwanzigste Karteikarte identifiziert wird und dieser Index in der Menüleiste angezeigt wird. Dadurch können die Ergebnisse auch in einer ausschließlich alphabetischen Suche mit wenigen Klicks aufgefunden werden.

Als weiteres Tool ist direkt über der Karteikartenanzeige ein Suchfeld angebracht, über das ebenfalls innerhalb des Katalogs gesucht werden kann, weil alle Karteikarten zusätzlich OCR-gelesen werden. Das OCR-Ergebnis selbst kann über eine integrierte Web 2.0-Applikation von allen Katalogbesucherinnen und -besuchern verbessert werden, wodurch die (zukünftige) Trefferquote weiter erhöht wird.

Darüber hinaus sind die OCR-Ergebnisse auch über Google abrufbar, was für die Auffindbarkeit des Kataloges bzw. der darin nachgewiesenen Bestände sowie für die Präsentation der Bibliothek im Web einen bedeutenden zusätzlichen Mehrwert darstellt.

Im Kontext mit der Digitalisierung von Zettelkatalogen wurde an der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol ein Projekt entwickelt, mit dem auch der Wunsch nach Bereitstellung einer Infrastruktur für ein Digitalisierungsangebot realisiert werden kann. eBooks on Demand (eod) basiert auf einem in den Jahren 2006 bis 2008 durchgeführten EU-Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, urheberrechtsfreie Literatur aus den Jahren 1500 bis 1900 zu digitalisieren. In den Onlinekatalogen der eod-Teilnehmerbibliotheken finden sich entsprechende eod-Buttons, die auf dieses zusätzliche Bibliotheksservice hinweisen. Damit kann die kostenpflichtige Digitalisierung des gewünschten urheberrechtsfreien Werkes in Auftrag gegeben werden. Das betreffende Buch wird dann From-cover-to-cover gescannt, OCR-gelesen und anschließend der Bestellerin oder dem Besteller entweder per Download, per CD oder DVD oder in jüngster Zeit optional auch als Reprint (ein Service über Amazon) kostenpflichtig bereitgestellt. Das ursprüngliche EU-Projekt wurde mittlerweile unter der Leitung der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol zu einem Netzwerk ausgebaut, dem 26 Bibliotheken aus 12 europäischen Ländern angehören.

Umsetzung

Die verbesserte alphabetische Suchmöglichkeit, die Web 2.0-Fähigkeit des digitalisierten Kataloges und die Auffindbarkeit des Katalogs durch OCR-gelesene Karteikärtchen auch durch Google waren letztlich ausschlaggebend für die Auswahl des Systems der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Deren Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung übernahm die Digitalisierung der Karteikärtchen ebenso wie die Erstellung der Indexeinträge und die Veröffentlichung des digitalen Katalogs in einem bereits existenten System, das digitalisierte Zettelkataloge verschiedener Bibliotheken unter einem Dach vereint (Abbildung 5 [Abb. 5]).

Das Projektteam untersuchte auch die OCR-Qualität der digitalisierten Karteikärtchen, welche sich als sehr gut herausstellte. Als einzige echte Fehlerquelle erwies sich die Tatsache, dass Bindestriche von der OCR-Software gelöscht worden waren. Die OCR-Software war so eingestellt worden, dass sämtliche Bindestriche eliminiert wurden, weil sie in der überwiegenden Zahl als Trennzeichen auf den Karteikärtchen fungierten.

Parallel zu den Digitalisierungsarbeiten am Zettelkatalog wurde auch die Beteiligung der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien am Projekt eod vorbereitet. Dabei erwies es sich als Vorteil, dass die Bibliothek als eine von zwei österreichischen Subito-Lieferbibliotheken schon über langjährige Erfahrungen und Ressourcen im Bereich der Digitalisierung verfügt. Somit kann seit dem offiziellen Beitritt der Bibliothek zur eod-Kooperation im November 2009 die vorhandene Digitalisierungsinfrastruktur sowie auch das Knowhow der damit befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt werden.

Perspektiven

Nachdem das Pilotprojekt im Herbst 2009 erfolgreich abgeschlossen werden konnte, wurden in einem Nachfolgeprojekt weitere Zettelkataloge im Laufe des Jahres 2010 digitalisiert, OCR-gelesen und nunmehr online verfügbar gemacht. Zu Beginn des Jahres 2011 werden dann sämtliche Zettelkataloge, die dem Nachweis der bedeutenden medizinhistorischen Bestände an der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin dienen, online zugänglich sein.

Deren Qualität wird in den nächsten Jahren laufend verbessert werden, weil die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol gemeinsam mit OCLC ein Projekt betreibt, in dem die eingescannten Karteikarten mit dem Katalog Worldcat von OCLC abgeglichen werden.

Für die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien selbst steht nach dem Digitalisierungsprozess der Zettelkataloge nun die entsprechende Aufbereitung und Bewerbung der nunmehr im Web vorhandenen Metadaten im Vordergrund ihrer Aktivitäten.

In den nächsten Jahren soll unter Einbeziehung von Fachvertreterinnen und Fachvertretern ein Konzept erstellt werden, um die Digitalisierung von Schlüsselwerken der Wiener Medizinischen Schulen zu bewerben. Weiters wird eine Kooperation mit dem Alumni-Club der Medizinischen Universität Wien angestrebt, der das neue Bibliotheksservice, insbesondere die Möglichkeit zur Bestellung eines EOD Reprints, unter seinen Mitgliedern bewerben wird (Abbildung 6 [Abb. 6]).

Sowohl die bereits abgeschlossene Digitalisierung der Zettelkataloge als auch der aktuellen Marketingmaßnahmen dienen dem Ziel, eine interessierte Öffentlichkeit für das innovative Bibliotheksservice eod und für die medizinhistorischen Monografien und Zeitschriften als bedeutende Bausteine des kulturellen Erbes der Medizinischen Universität Wien zu sensibilisieren.


Resümee

Beide Projekte – Virtuelle Lehrbuchsammlung bzw. eBooks On Demand – haben dazu beigetragen, die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien als Hybridbibliothek weiter zu entwickeln; mit dem Informationsportal Van Swieten Student 2.0 und eBooks On Demand konnten im abgelaufenen Jahr zwei innovative Services für die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien generiert werden, mit denen Entwicklungsziele, wie sie im Entwicklungsplan der Medizinischen Universität Wien für die Universitätsbibliothek formuliert worden sind, erreicht werden konnten:

  • sukzessive Ausweitung der elektronischen Bereitstellung von Literatur, Optimierung der Literaturversorgung für Lehre, Studium und Forschung durch Nutzung neuer Medien;
  • zunehmende Vernetzung der elektronischen Informationen und Nutzung von Innovationen auf dem Gebiet der Bibliotheks- und Informationsinfrastruktur;
  • Sicherung und Entwicklung der medizinhistorischen Bestände (Archivierung und Digitalisierung) [15].

Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Bauer B. Medizin Curriculum Wien: Neue Anforderungen an die Literatur- und Informationsversorgung für Studierende an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. GMS Med Bibl Inf. 2005;5(2):Doc06. Verfügbar unter: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2005-5/mbi000006.shtml External link
2.
Bauer B. Österreichische Zentralbibliothek für Medizin – neue subito-Lieferbibliothek. Med Bibl Inf. 2001;1(2):28-9. Verfügbar unter: http://www.agmb.de/mbi/2001_2/28-29.pdf External link
3.
Dollfuß H. Einführung und Evaluierung von Ressourcen für den Personal Digital Assistant (PDA) an medizinischen Universitätsbibliotheken [Master Thesis]. Wien: Universität, Lehrgang Library and Information Studies; 2008.
4.
Malleier E, Maschat MC, Dollfuß H. PubMed und LinkOut als Wegweiser zu Printbeständen in der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. GMS Med Bibl Inf. 2009;9(2-3):Doc18. DOI: 10.3205/mbi000146 External link
5.
Interview with Bruno Bauer, Head of the Library at the Medical University Vienna. Springer Library Zone. 2010;5(3). Verfügbar unter: http://www.springer.com/librarians/library+zone?SGWID=0-144102-12-792504-0&cm_mmc=other-_-Library-_-LCM13591_V2-_-CENTER_792504 External link
6.
Formanek D. Van Swieten Student 2.0 – Wie die Medizinische Universität Wien die Pflichtliteratur ihrer Studenten in der Welt des Web 2.0 anbietet. In: eLibrary – den Wandel gestalten. 5. Konferenz der Zentralbibliothek. Forschungszentrum Jülich, 8.-10. November 2010. p. 247-57. Verfügbar unter: http://juwel.fz-juelich.de:8080/dspace/bitstream/2128/4302/1/Formanek_Bib_20.pdf External link
7.
Hartl M, Bauer B. Ein Weblog als Informations- und Kommunikationsinstrument an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien: 1 Jahr UBMUW-INFO. GMS Med Bibl Inf. 2007;7(1):Doc08. Verfügbar unter: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2007-7/mbi000060.shtml External link
8.
Bauer B. "Vertrieben 1938" – Sonder-Blogserie im Van Swieten Blog der Medizinischen Universität Wien: Work in Progress über die mehr als 143 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien entlassenen Professoren und Dozenten. GMS Med Bibl Inf. 2008;8(1):Doc04. Verfügbar unter: http://www.egms.de/static/en/journals/mbi/2008-8/mbi000101.shtml External link
9.
Cepicka K, Dollfuß H, Großhaupt G. Vom Zitat zum Volltext. In: Trappl R, Trost H, editors. Wissenschaft und Medizin: ein Lehrbuch für das erste Spezielle StudienModul (SSM1) - Block 7 [MCW-Block 7]. 7., aktualisierte Aufl. Wien: Facultas WUV; 2009. p. 115-23.
10.
Leitner H, Bauer B. Bibliothek / The Library. In: Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien. Gewidmet dem Angedenken an Max Neuburger, Gründer des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Wien. 1. Aufl. Wien; 1999. p. 20-1, 59-60.
11.
Klebel B, Dunkl E, Oswald G. Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Wien. In: Lang HW; Österreichische Nationalbibliothek, eds. Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich, Band 1: Wien, Teil 1. Hildesheim: Olms-Weidmann; 1994. p. 209-18.
12.
Bauer B, Gschwandtner M. Dauerleihgabe von 26.000 medizinhistorischen Monografien der Gesellschaft der Ärzte in Wien an die Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin. Biblos. 2004;53(1):162.
13.
Bauer B. Das kulturelle Erbe der Medizinischen Universität Wien: Erhaltung und Erschließung der Josephinischen Bibliothek. Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare. 2006;59(2):35-9.
14.
Konlechner E, Kranewitter M, Miehl M. Digitalisierung des Kulturellen Erbes der Wiener Medizinischen Schule an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. Projektarbeit für den Grundlehrgang Library and Information Studies MSc 2008/08 an der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien; 2009.
15.
Entwicklungsplan der Medizinischen Universität Wien. In: Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien: Studienjahr 2008/2009, ausgegeben am 30.4.2009, 13. Stück, Nr. 20: Organisation – Entwicklungsplan der Medizinischen Universität Wien (Version 2.0). Genehmigung durch den Universitätsrat am 21. April 2009. Wien: Universität; 2009.