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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

alles – einfach – sofort: Service in Medizinbibliotheken: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) e.V. vom 27. bis 29.9.2010 in Mainz

all – simply – immediately: service in medical libraries: Annual Meeting 2010 of “Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen” (AGMB e.V.) 27th to 29th September in Mainz

Tagungsbericht

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  • corresponding author Eike Hentschel - Universitätsbibliothek Kiel, Medizinische Abteilung, Kiel, Deutschland
  • author Anja Kaiser - Universitätsbibliothek Leipzig, Zentralbibliothek Medizin, Leipzig, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2010;10(3):Doc24

doi: 10.3205/mbi000207, urn:nbn:de:0183-mbi0002073

Published: December 21, 2010

© 2010 Hentschel et al.
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Zusammenfassung

Vom 27.–29.9.2010 fand an der Universität Mainz die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB e.V.) statt.

Auf der zentralen Fortbildungsveranstaltung für das medizinische Bibliothekswesen in Deutschland, Österreich und der Schweiz konnten sich die Teilnehmer unter anderem über folgende Themen informieren:

Zunehmende Digitalisierung der wissenschaftlichen Kommunikation und deren Auswirkungen, innovative Services in Hybridbibliotheken (Virtuelle Lehrbuchsammlung und E-Books On-Demand), Ausbildung (Weiterbildungs-Masterstudiengang Informations- und Wissensmanagement in Hannover), Neubau der Fachbibliothek Medizin O.A.S.E. an der Universität Düsseldorf, Qualitätsmanagement nach ISO 9001, subito (neue Dienste auf der Basis von § 52a+b UrhG), Zukunft der Nationallizenzen und Allianz-Initiative der deutschen Wissenschaftsorganisationen, Informationskompetenz am Beispiel von Blended-Learning, Public Relation sowie neue Kommunikations- und Servicestrategien, Zukunftskonzepte für Medizinbibliotheken, Dienstleistungen der Bibliothek an einem Forschungsinstitut in Großbritannien, Literaturverwaltung, Web 2.0 und andere Emerging Technologies, BibNet.org, Cochrane Library, MedPilot, PubMed.

In einer begleitenden Firmenausstellung präsentierten alle für medizinische Bibliotheken wichtigen Verlage und Dienstleister neue Produkte und Services.

Schlüsselwörter: Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB e.V.), Jahrestagung 2010 in Mainz, Fortbildung

Abstract

The annual meeting 2010 of “Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen” (AGMB e.V.) took place 27th–29th September at Mainz university.

During the main event for Advanced training of medical librarianship in Germany, Austria and Switzerland the following topics were presented and discussed:

Increasing digitalization of scientific communication and the consequences, innovative services in hybrid libraries (virtual textbook collections and E-Books On-Demand), education (Master degree programm “Informations- und Wissensmanagement” in Hannover), concept and building of the medical library at Düsseldorf university (O.A.S.E.), quality management according to ISO 9001, subito (new services based on § 52a+b UrhG), future of the programm “Nationallizenzen” and “Allianz-Initiative der deutschen Wissenschaftsorganisationen”, information literacy (particularly blended-learning), public relation and new strategies for communication and services, future concepts for medical libraries, library services in a UK research institute, reference management, Web 2.0 and other emerging technologies, BibNet.org, Cochrane library, MedPilot, PubMed.

All relevant publishers and providers for medical libraries presented new products and services in an accompanying exhibition.

Keywords: Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB e.V.), Annual Meeting 2010 in Mainz, advanced training


Begrüßung und Festvortrag

Mit einer rekordverdächtigen Zahl von 202 angemeldeten Teilnehmern eröffnete die Vorsitzende Dr. Diana Klein die Jahrestagung im Jubiläumsjahr der AGMB e. V. (Abbildung 1 [Abb. 1]). Gastgeberin war diesmal die UB Mainz mit ihrer Fachbibliothek Medizin. Auf der zentralen Fortbildungsveranstaltung für das medizinische Bibliothekswesen in Deutschland, Österreich und der Schweiz konnten sich die Teilnehmer in zahlreichen Vorträgen, Arbeitskreisen, Diskussionsrunden, einer Postersession und Workshops über aktuelle Themen und Fragestellungen informieren und intensiv austauschen. Eine Firmenausstellung, bei der alle für medizinische Fachinformationen wichtigen Verlage und Dienstleister anwesend waren, rundete das Programm ab. Verschiedene Product Reviews ermöglichten die Information über neue Produkte und den direkten Kontakt mit Firmenvertretern.

Klein sprach in ihrer Begrüßung vor dem Hintergrund von Bibliotheksschließungen von einem schwierigen Umfeld für die AGMB. Um den Aufgaben auch in den nächsten Jahren gerecht zu werden, ist die AGMB daher mehr denn je auf ihre engagierten Mitglieder angewiesen. In einem Grußwort hieß Univ.-Prof. Dr. Mechthild Dreyer, Vizepräsidentin für Studium und Lehre, die Teilnehmer herzlich an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz willkommen. In Bezug auf das Motto der Tagung erklärte sie, dass in der Praxis vieles weder einfach noch sofort möglich ist. Die AGMB greift aber alle brennenden Fragen auf und stellt ein sehr gutes Medium dar, dieses Ziel zu erreichen. Auch Dr. Marianne Bartsch, Bibliotheksdirektorin, Universitätsbibliothek Mainz, bezog sich in ihrem Grußwort auf das Tagungsmotto. Aus der Sicht der Benutzer ist die Forderung nur allzu verständlich. Für uns Bibliothekare kommt darin ein ehrgeiziger Anspruch an uns selbst zum Ausdruck. Dass die Informationsversorgung ein komplexes Aufgabengebiet mit kontinuierlichen Entwicklungsprozessen ist, machte sie am Beispiel der E-Books deutlich. Wir sehen uns mit einer Vielzahl von Geschäftsmodellen und unterschiedlichen Nutzungsfunktionalitäten konfrontiert. Sie bezeichnete die Situation als großes Testgelände, da etliche Fragen zu Digital Right Management, Fernleihe, Archivierung und dauerhafter Verfügbarkeit noch ungeklärt sind.

AGMB-Ehrenmitglied und Gründungsvorsitzender Dr. Franz Josef Kühnen, ehemaliger Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin in Köln, zeichnete in seinem Beitrag zum 40. Jahrestag Gründung und Anfänge der AGMB nach. Die Informationsversorgung in der Medizin Anfang der 1960er-Jahre, die sich in einer Krisenstimmung befand, beschrieb er unter Anspielung auf das Tagungsmotto so: Eher wenig, kompliziert und mit Verzögerung. Diese betrug z.B. beim Nachweis der medizinischen Publikationen zwei bis fünf Jahre. Erst die Aufbereitung des Index Medicus als elektronische Ressource im Jahr 1964 brachte einen Durchbruch. In dieser Situation initiierte die Bundesregierung die Gründung des DIMDI, und die DFG empfahl die Gründung einer Zentralen Fachbibliothek für Medizin, die schließlich 1970 den Betrieb aufnahm. Die DFG empfahl außerdem die Einrichtung einer ständigen Arbeitsgruppe, die sich mit Sacherschließung und Systematik befassen sollte. Am 17.11.1970 führte dies zur Gründung der AGMB zunächst ohne den Status als eingetragener Verein. Jeder Person und Institution sollte der freie Beitritt ermöglicht werden. Eine erste große Diskussion wurde über die Frage geführt, ob die medizinische Literatur nach den Richtlinien der NLM oder RAK katalogisiert werden sollte. In den 1970er Jahren lobte die DFG die Initiativen der AGMB ausdrücklich. Kühnen gratulierte zum aktuellen Tagungsprogramm, das ein Zeichen für die Lebendigkeit und Lebenskraft der AGMB sei und forderte auf, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.

Univ.-Prof. Dr. Christoph Bläsi, Institut für Buchwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, stellte in seinem Festvortrag die Frage: „Chancen für das Unerwartete: Bringt die überbordende Digitalisierung der Kommunikation Verlagen und Bibliotheken wichtige Aufgaben (zurück)?“ Bücher (gleich Medien) befinden sich in einem komplexen System aus Herstellungs- und Bereitstellungsräumen sowie Empfangsvorgängen. Wirtschaftswissenschaftlich kann man auch von einer Wertschöpfungskette aus Autoren, Verlagen, Buchhandel, Käufern und Lesern sprechen. Die Bibliotheken haben als Gedächtnis der Menschheit hierbei u.a. die Aufgabe, publizierte Informationen zu sammeln, zu ordnen und verfügbar zu machen.

Einige Glieder der Wertschöpfungskette sind wegen der technologischen Entwicklung (Digitalisierung, Datennetze, Desktop-Publishing) unter Druck geraten und werden nicht mehr unbedingt gebraucht. So können sich Autoren beim goldenen Weg des Open Access unter Umgehung der Verlage oder Internet-Händler wie Amazon unter Umgehung des klassischen Buchhandels direkt an den Leser wenden. Man spricht von Disintermediation bzw. „cutting out the middlemen“. Die Betroffenen positionieren sich, indem sie das Bewusstsein für ihre Qualitäten und Rollen innerhalb der Wertschöpfungskette zu wecken versuchen. Verlage entdecken Autoren, garantieren Qualität, verkaufen Vielfalt und fördern Kultur und Bildung. Bibliotheken ermöglichen ein schnelleres Studium, bieten Lernräume und sind Agenturen für digitale Inhalte.

Bläsi ergänzte die beschriebene Sachlage mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Umgang mit Information im digitalen Zeitalter. So gehen das Bauchgefühl (Intuition) und die Fähigkeit zur Modellbildung verloren. Der „Aufmerksamkeitsmuskel“ erlahmt, d.h. es entsteht eine Blindheit für etwas, was man nicht erwartet. Die Informationsaufnahme erfolgt nach dem Matthäus-Prinzip. Unterschiede in der Rezeption bestehen in Abhängigkeit von der Bereitstellung als Buch oder Website und zwischen Multi- und Nicht-Multi-Taskern.

Neue Chancen für die Positionierung sieht Bläsi, in dem man sich für Entscheidungen im Angesicht unsicherer und widersprüchlicher Information rüstet, asketische Rezeptionsbedingungen schafft und diese konsolidiert, wo sie durch Polyphonie außer Kontrolle geraten sind. Konkret für das medizinische Publizieren regte er an, Inhalte mit kontextuellen Informationen (z.B. automatischen Warnsystemen) anzureichern. Außerdem hält er eine intelligentere Automatisierung bei der Informationslogistik bis hin zum Semantic Web für empfehlenswert.


Arbeitskreise

Arbeitskreis Krankenhausbibliotheken

Auf sehr großes Interesse auch aus anderen Arbeitskreisen und von Verlagsvertretern stieß der Vortrag von Ulrich Korwitz, Deutsche Zentralbibliothek für Medizin, Köln „Vorstellung MedPilot 3.0“, der die neuen Funktionalitäten (z.B. mehrsprachige thesaurusbasierte Recherche, Trefferanzeige in einer Rangliste und mit assoziierten Begriffen) und Oberfläche der Virtuellen Fachbibliothek Medizin vorstellte, die seit kurzem frei geschaltet ist (Abbildung 2 [Abb. 2]). In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde die Problematik aufgegriffen, dass die Krankenhausbibliotheken weitgehend von den Angeboten der Nationallizenzen ausgeschlossen sind. Korwitz berichtete, dass dies von den federführenden Bibliotheken durchaus verhandelt wurde, von den Verlagen aber keinerlei Entgegenkommen zu erreichen war.

Arbeitskreis Hochschulbibliotheken

Neben einer Diskussion zu Erwerbungs- und Kooperationsfragen berichtete Bruno Bauer zum Thema „Virtuelle Lehrbuchsammlung und E-Books-On-Demand als Facetten der Hybridbibiothek: zwei innovative Services der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien.

Die Universitätsbibliothek stellt ca. 300 Lehrbuchtitel mit 14.000 Medieneinheiten zur Verfügung. Darüber hinaus sind 25% der Titel elektronisch verfügbar (Thieme, Springer). Dieses Print- und Online-Angebot sollte von den Studierenden besser wahrgenommen und in einem neuen Portal mit zusätzlichen Informationen angereichert werden (Catalogue enrichment, Web 2.0 Funktionalitäten wie Social bookmarking, Rating, Kommentarfunktion usw.). Aufgrund guter Erfahrungen mit der Weblog-Technologie wurde „Van Swieten Student 2.0“ auf der Basis von WordPress Scriblio mit weiteren Plugins für Web 2.0-Funktionalitäten entwickelt. Außerdem wurden Cover und Inhaltsverzeichnisse gescannt und weiterer Content (z.B. aus Amazon-Daten) eingebracht. Weitere Elemente wie die Anzeige der related items, RSS-Feeds sowie Verlinkungen zu Datenbanken, Foren, Prüfungsfragen und Bildmaterial ergänzen das Angebot. Der Entwicklungsaufwand betrug 20 SWS über 12 Monate, der Wartungsaufwand wird mit 2 SWS veranschlagt. Die Reaktionen zu dem Angebot aus dem Kollegenumfeld waren sehr positiv. Es wird zum WS 2010/11 frei geschaltet. Geplant sind der Ausbau des E-Book-Angebots im Lehrbuchbereich, eine Benutzerbefragung und eine Auswertung der Erfahrungen für die Entwicklung eines zukünftigen Gesamtkataloges 2.0.

An der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin sind umfangreiche historische Buchbestände vorhanden, die bisher nicht elektronisch erschlossen waren. Daraus ergab sich die Zielsetzung, einen Online-Nachweis für sämtliche Bestände zu schaffen und damit eine bessere Darstellung dieser Bestände als Baustein des medizinhistorischen Erbes der Universität Wien sowie optimale Nutzungsmöglichkeiten auch für auswärtige Nutzer zu erreichen. Begonnen wurde das Projekt mit dem Zettelkatalog „Josephinische Bibliothek“ bestehend aus 14.000 Karteikarten zu urheberrechtsfreien Werken. Die Digitalisierung und OCR-Erkennung für die Volltextsuche erfolgte durch Outsourcing in der ULB Tirol. Die WWW-Präsentation der Daten wurde um Web 2.0-Funktionalitäten ergänzt, so dass der Nutzer fehlerhafte Einträge korrigieren kann. Die Daten sind außerdem von Google durchsuchbar. Im Rahmen des EU-Projekts E-Books on Demand (EOD) wurde in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Bibliotheken ein Digitalisierungsservice „cover to cover“ für urheberrechtsfreie Werke entwickelt. Die UB der Medizinischen Universität Wien nutzt dabei als subito-Lieferbibliothek die vorhandenen Infrastrukturen aus Scannern und studentischen Hilfskräften. Die Digitalisate werden kostengünstig über das Amazon-Angebot „EOD Reprint“ zur Verfügung gestellt. Geplant ist die Digitalisierung weiterer Zettelkataloge, die Verbesserung der Datenqualität und die Entwicklung eines Marketing-Konzeptes.

Arbeitskreis Pharmabibliotheken

Dr. Marianne Gretz, Roche Diagnostics GmbH, stellte das Projekt „Lunch & Learn im Treffpunkt Bibliothek“ vor. Bei zwanglosen Treffen zur Mittagszeit, zu denen ein Imbiss angeboten wird, werden Mitarbeiter der Firma über Dienstleistungen der Bibliothek informiert. Neben der Informationsweitergabe werden dabei auch Gesprächsmöglichkeiten zwischen Mitarbeitern und Bibliothek geschaffen. Dieses Angebot wurde sehr gut angenommen, so dass bereits mehrere Termine zu verschiedenen Themen stattgefunden haben. Zwei weitere Vorträge ergänzten das Treffen. Anita Maas, Maas & Peither AG GMP-Verlag, sprach zum Thema „Wo finde ich was? Gesicherte Quellen für Fachwissen im GMP-Bereich“ und Maria Henning, Studentin des „Weiterbildungs-Masterstudiengangs Informations- und Wissensmanagement in Hannover“ sprach über Studieninhalte und -ablauf.


Vorträge

Ulrike Brunenberg, Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf berichtete über den „Neubau der Fachbibliothek Medizin der ULB Düsseldorf: O.A.S.E.“.

Aufgrund eines Masterplans für das Universitätsklinikum musste 2008 die bisherige Fachbibliothek Medizin geräumt werden. Das Gebäude wurde abgerissen, nur der Magazinturm blieb zur weiteren Nutzung erhalten. Es kam zu Protesten und Initiativen der Studierenden, da die Fachbibliothek schon immer als Lernort genutzt worden war. Auch das Studiendekanat wurde sehr aktiv und drängte auf eine neue Lösung. Schließlich wurde eine Projektgruppe aus Vertretern der Studierenden, der Universitätsbibliothek und dem Studiendekanat der Medizinischen Fakultät gebildet, die unter dem Namen O.A.S.E. – Ort für Austausch, Studium und Entwicklung ein Konzept für einen Bibliotheksneubau erarbeitete. Dieses Konzept wurde durch das Büro HPP Hentrich-Petschnigg & Partner in einen architektonischen Entwurf umgesetzt. Die O.A.S.E wird eine Kombination aus Kommunikations- und Beratungszentrum mit Studienberatung, Studiendekanat, Veranstaltungsbereichen, Lernräumen und Fachschaftsräumen sowie der Fachbibliothek Medizin sein und die Anforderungen des neuen Curriculums 2011 erfüllen (E-Learning, lebendiges Lernen und Lehren usw.). Gestalterisch ist die Gebäudeform einem abstrahierten Muskel nachempfunden (Außenwand = Haut, Versorgungsschächte = Sehnen) und wird im Innern mit sehr viel Grün und einem Dachgarten angelegt. Dahinter steht die Idee, einen für alle Nutzergruppen einladenden Ort zu schaffen, was auch durch die Offenheit und Durchlässigkeit der einzelnen funktionellen Bereiche erreicht werden soll. Das Gebäude befindet sich mitten auf dem Campus an der Schnittstelle zwischen Universitäts- und Klinikumsgelände. Aufgrund des 22m x 22m Grundrisses müssen insgesamt elf Stockwerke vorgesehen werden. Die Kernbereiche der Fachbibliothek werden sich über fünf Stockwerke verteilen. Der Baubeginn war im Oktober 2009. Die Eröffnung der O.A.S.E. ist für Mai 2011 geplant.

Frank Norman, MRC National Institute for Medical Research, London, sprach über „Library services in a UK research institute“. Als Einleitung ins Thema stellte Norman den Alltag in seiner Forschungsbibliothek vor. Durch die verstärkte Bereitstellung elektronischer Medien suchen Wissenschaftler meist eigenständig, ohne die Hilfe der Bibliothek in Anspruch zu nehmen. Die Bibliothek wird für den potentiellen Nutzer unsichtbar. Viele Wissenschaftler denken, dass sie durch die Bereitstellung der elektronischen Ressourcen alles selbst finden können, auch wenn das oftmals nicht der Fall ist. Außerdem wollen die Wissenschaftler häufig sofort Zugang zu allen Medien haben. Durch diese neuen Gegebenheiten müssen die Bibliotheken umdenken und ihren Service ausbauen bzw. verbessern. Die Bibliothek sollte sich stärker an den Bedürfnissen der Wissenschaftler orientieren und nicht nur die Wünsche der Bibliothek in den Vordergrund stellen.

Ein neues Arbeitsgebiet können die Themen Open Access und Copyright sein, in denen die Bibliotheken sich als Spezialisten profilieren können.

Ein anderer Ansatz ist „The INFORMATIONIST“. Dabei handelt es sich um einen Bibliothekar, der Teil einer Forschungsgruppe ist. In den USA ist dieses Konzept bereits vielfach realisiert. Im Vereinigten Königreich startet der Prozess allmählich. Es ist wichtig, dass der Bibliothekar, „The Informationist“, den Forschungsprozess beobachtet, versteht und gezielt qualitative Literaturrecherchen anbieten und durchführen kann.

Norbert Sunderbrink und Melanie Kintzel, Ärztliche Zentralbibliothek, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf berichteten zum Thema „Dienstleistung im Fokus: Praxisbericht über die Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems nach ISO 9001“.

Zielsetzungen bei der Einführung eines Qualitätsmanagements (QM) waren die Verbesserung von Dienstleistungen, die Gestaltung von Arbeitsprozessen und eine Weiternutzung für die strategische Entwicklung der Bibliothek. QM funktioniert grundsätzlich nach dem PDCA-Zyklus (plan → do → check → act). Voraussetzungen sind die Unterstützung und Mediation durch die Leitung, Abstellung von Mitarbeitern für Aufbau und Weiterentwicklung, Zeitressourcen, Schulungen und Unterstützung durch externe Experten. Zu Beginn wurden die allgemeinen Aufgaben in einem Jahresablaufplan festgelegt. Die konkreten Arbeiten werden von einem Koordinator und einer QM-Gruppe durchgeführt, die Kundenrückmeldungen bearbeitet, Qualitätsziele vorschlägt und festlegt, detaillierte Prozessbeschreibungen (SOP = Standard Operating Procedure) erarbeitet und interne Audits zur systematischen Überprüfung der Abläufe auf Verbesserung und bezüglich der Norm organisiert. Dazu wurde ein Qualitätsentwicklungsplan aufgestellt, der der zwischenzeitigen Überprüfung der Zielerreichung dient. Parallel wurde übergeordnet und für alle Bereiche einzeln eine QM-Dokumentation (Handbuch) erstellt. Die Zertifizierung erfolgte schließlich im Rahmen eines externen Audits durch ein Zertifizierungsunternehmen.

Eine Erkenntnis der Beteiligten während dieses Prozesses war, dass man, ohne es zu wissen, schon vorher QM betrieben hatte. Als weitere Erfahrungen mit dem QM beschrieben Sunderbrink und Kintzel die bessere Steuerbarkeit von Entwicklungszielen, eine gute Integration in den Arbeitsalltag durch die einheitliche Dokumentation im QM-Handbuch, den hohen Zeit- und Arbeitsaufwand, eine Steigerung der Motivation durch die Beteiligung der Mitarbeiter, eine Intensivierung der internen Kommunikation, mehr Transparenz, aber auch Widerstände gegen Veränderungen. Als sinnvoll hat sich erwiesen, aus der Vielzahl von Vorschlägen ca. fünf bis sechs Qualitätsziele für jedes Jahr auszuwählen und festzulegen. Insgesamt lassen sich die Erfahrungen mit dem Qualitätsmanagement an der Ärztlichen Zentralbibliothek anhand eines Zitats von Saint-Exupery zusammenfassen: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer“.

Als zukünftige Aufgaben beschrieben Sunderbrink und Kintzel den Ausbau des QM-Handbuchs, die Durchführung einer Kundenbefragung, die Einführung eines Lob-/Beschwerdemanagements und eine Rotation der QM-Gruppe.

Prof. Hans-Christoph Reiss, Institut für angewandtes Management in der Sozialwirtschaft, FH Mainz erläuterte in seinem Vortrag „Serviceorientierung anhand des Blueprinting“ eine Methode zur Gestaltung von Dienstleistungsprozessen.

Die Methode wurde Anfang der 1980er-Jahre entwickelt und ist unter dem Namen ServiceBluePrint ein eingetragenes Warenzeichen. Sie trägt der Einbindung des Kunden in den Dienstleistungsprozess als Co-Produzent Rechnung. Wo kann/muss/will er mitwirken und welchen Einfluss auf die Prozesse hat dies? Allerdings ist sich der Kunde seiner Mitwirkung nicht bewusst und weiß nicht, wann er welche Leistungen erbringen soll. Daraus ergeben sich Qualitäts-, Kosten- und Zeitprobleme. Ein Dienstleistungsprozess beginnt und endet beim Kunden und schafft einen Wert für ihn. Der ServiceBluePrint verbindet die kundenbezogene mit der anbieterbezogenen Sichtweise.

Der Aufbau des ServiceBluePrints: Zwischen Customer Activities und Onstage Activities des Dienstleisters besteht eine Line of interaction. Die Onstage, Backstage und Support Activities des Dienstleisters sind durch die Lines of visibility und internal interaction getrennt. Hierbei handelt es sich um kundeninduzierte Aktivitäten des Dienstleisters. Die kundenunabhängigen Aktivitäten (Preparation und Facility Activities) sind davon durch die Line of penetration und ihrerseits durch die Line of implementation getrennt.

Am Beispiel der Realisierung eines Anschaffungsvorschlages bis zur Ausleihe des Buches und der Beschleunigung dieser Dienstleistung in der Bibliothek seiner Fachhochschule erläuterte Reiss die praktische Anwendung des ServiceBluePrints bei der Prozessanalyse und -steuerung. Die Teilprozesse werden nach einer Zeitermittlung den einzelnen Schichten des ServiceBluePrints zugeordnet. Daraus ergeben sich die Ansatzpunkte für die Prozessgestaltung z.B. durch eine Veränderung der Arbeitsteilung zwischen Kunde und Dienstleister an der line of interaction (Bedienung vs. Selbstbedienung), indem die Bestellung eines Buches direkt durch den Kunden ausgelöst wird, oder eine Veränderung der internen Arbeitsteilung des Dienstleisters zwischen Backstage und Support an der Line of internal interaction, indem das Buch nach Bearbeitung per universitärer Hauspost direkt an den Kunden gesandt wird.

Dr. Traute Braun-Gorgon, subito, stellte „Neue subito-Dienste auf der Basis von § 52a und b des Urheberrechtsgesetzes“ vor, die am 21.9.2010, kurz vor der Tagung, frei geschaltet worden waren.

In Kooperation mit dem Thieme-Verlag sollen mit diesem Pilotprojekt elektronische Inhalte, in diesem Fall zunächst 279, später bis zu 600 E-Books, aus dem Verlagsprogramm, effektiver und effizienter für Forschung und Lehre bereitgestellt werden. Verträge mit weiteren Verlagen wie Mohr/Siebeck, Ulmer, DeGruyter, Hogrefe u.a. sind in naher Zukunft zu erwarten.

Die Dienstleistungen bestehen in der elektronischen Lieferung einzelner Buchseiten für Semesterapparate als Alternative zu § 52a und kompletter E-Books für einzelne elektronische Leseplätze als Alternative zu § 52b des Urheberrechtsgesetzes.

Nutzen können die Angebote für Semesterapparate Mitarbeiter von Hochschulen und überwiegend öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen, die als registrierte subito-Kunden zur Kundengruppe 1b zählen bzw. für Leseplätze überwiegend öffentlich finanzierte Bibliotheken über den subito Library Service. Es wurde dazu ein eigener Katalog mit Volltextsuch- und Bestellfunktionen entwickelt.

Bei den Buchseiten für die Semesterapparate beträgt der Preis pro Seite 0,064 EUR + MwSt. multipliziert mit der Anzahl der Zugriffsberechtigten auf den Semesterapparat. Der Besteller darf die erworbenen Buchseiten für den Verwendungszweck sechs Monate ab Auslieferung in einen geschützten Bereich des Intranets einstellen. Die Gruppenteilnehmer sind berechtigt zum Ausdruck und Download.

Bei kompletten E-Books für elektronische Leseplätze beträgt der Preis pro Buch 80% des Netto-Preises für die Printausgabe + MwSt. multipliziert mit der Anzahl der Leseplätze. Die E-Books dürfen auf die angegebenen Leseplätze in den Räumen der Bibliothek aufgespielt werden und stehen für einen unbegrenzten Zeitraum zur Verfügung. Der Ausdruck ist erlaubt, der Download zur Zeit noch nicht. Für weitere Verhandlungen hierzu wird noch die Entscheidung in einem anhängigen Gerichtsverfahren abgewartet.

Braun-Gorgon gab außerdem bekannt, dass neben weiteren Verbesserungen der Rechercheseiten ab sofort auch mit der PubMed-ID in der subito-Datenbank recherchiert werden kann und berichtete von einem Volumenrückgang bei den Bestellungen bis zum August 2010 gegenüber 2009. Über den neuen Dienst ChinaDirekt können seit kurzem auch Aufsätze aus ca. 36.500 chinesischen Zeitschriftentiteln bestellt werden. Hierbei kooperiert subito mit chinesischen Universitätsbibliotheken.

Unter anderem behandelte Ulrich Korwitz, Deutsche Zentralbibliothek für Medizin in Köln, die „Zukunft der Nationallizenzen“ in seinem Vortrag (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Das Nationallizenzenkonzept der DFG, wie es seit 2004 mit Vollförderung für abgeschlossene digitale Sammlungen und als Pilotprojekt mit Lizenzmodellen für laufende Zeitschriften praktiziert wurde, läuft Ende 2010 mit letzten Förderzusagen für 2011 aus. Hinzu kam seit 2005 das Fördermodell Knowledge Exchange für multinationale Lizenzen, an dem DFG, DEFF, JISC und SURF beteiligt sind.

Die zehn großen nationalen Wissenschaftsorganisationen haben in einer Allianz die Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ gegründet, die aus einer Steuerungsgruppe und sechs Arbeitsgruppen besteht. Die AG Nationale Lizenzierungen hat das Modell der Allianz-Lizenzen entwickelt, die ab 2011 das bisherige Förderkonzept ersetzen. Dabei soll der Schwerpunkt auf die Förderung dynamischer digitaler Ressourcen und laufender Zeitschriften gelegt werden, wobei die Garantie der Holdings von gedruckten Zeitschriften nicht mehr unbedingt Bestandteil der Lizenzmodelle sein wird. Die teilnehmenden Einrichtungen müssen sich an diesen neuen „Nationalkonsortien“ zukünftig finanziell beteiligen, wobei der maximale Förderbeitrag der DFG nur noch 25% betragen wird. In Form des Moving Wall-Prinzips werden bei der Lizenzierung von laufenden Zeitschriften die Archive nach Ablauf einer Frist allen wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland zugänglich sein.

Im Auftrag der GWK (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern) soll bis März 2011 ein „Rahmenkonzept für die Fachinformationsstruktur in Deutschland“ erarbeitet werden. Dazu wurde eine „Kommission zur Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII)“ bestehend aus 130 Fachleuten aus 60 verschiedenen Institutionen gegründet. Diese bildete sechs Themen-orientierte AGs, die zum Teil mit den AGs der Allianz-Initiative verzahnt sind, so z.B. in der AG Lizenzen, die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Infrastruktur der nationalen Lizenzierung sowie deren Finanzierung entwickeln wird.

In der anschließenden Diskussion verwies Korwitz auf die Frage nach einem langfristig sicheren Zugang zu den erworbenen elektronischen Nationallizenz-Archiven auf bestehende Initiativen der beteiligten Bibliotheken zur elektronischen Langzeitarchivierung und das Vorhandensein des Printbestands der medizinischen Zeitschriften in der ZBMed in Köln.

[Abb. 3]

Anja Kaiser, Zentralbibliothek für Medizin, Universitätsbibliothek Leipzig, stellte den „Blended-Learning-Kurs: Medizinische Literaturrecherche“ vor.

Die Veranstaltung ist in den Gesamtkurs „Problemorientiertes Lernen (POL) Infektiologie und Immunologie“ eingebettet, der seit 2004 an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig durchgeführt wird.

Der POL-Kurs ist für Medizinstudierende am Ende des dritten Studienjahres verpflichtend und besteht aus einer Vorlesungsreihe, aus Tutorien, in denen klinische Fälle in Kleingruppen bearbeitet werden und aus verschiedenen Praktika. Zur Bearbeitung der klinischen Fälle wird oft spezielle Fachliteratur benötigt, weswegen das Praktikum „Medizinische Literaturrecherche“ in den POL-Kurs eingebunden wurde.

Im ersten Jahr fand das Praktikum „Medizinische Literaturrecherche“ als reine 90-minütige Präsenzveranstaltung mit 24–27 Teilnehmern pro Termin statt. In den Folgejahren wurde die Veranstaltung mehrmals angepasst, um einerseits mehr Stoff vermitteln zu können und andererseits mehr Zeit für Übungen zu gewinnen. Es wurden verschiedene Methoden ausprobiert. So wurde die Präsenzveranstaltung beispielsweise mit einer Einführungsvorlesung und später mit einer begleitenden Webseite ergänzt.

Problematisch war jedoch in jedem Jahr, dass in der 90-minütigen Präsenzveranstaltung Zeit für Übungen fehlte und dass die Studierenden einen sehr unterschiedlichen Wissensstand aufwiesen, was es schwer machte, allen gerecht zu werden.

Deswegen wurde ab 2009 das Praktikum „Medizinische Literaturrecherche“ als Blended Learning Kurs angeboten. Die Studierenden mussten zuerst an einem E-Learning Kurs im Selbststudium teilnehmen, um die theoretischen Kenntnisse zu erwerben. Dazu wurden die Kursinhalte unter der E-Learning Plattform Moodle bereitgestellt. In der Präsenzveranstaltung wurden dann Übungen zum Wiederholen und Vertiefen des Gelernten durchgeführt.

Die Erfahrungen mit der Durchführung des zweigeteilten Kurses waren durchweg positiv. Die Kursleiter konnten in der Präsenzveranstaltung auf theoretischen Kenntnissen aufbauen und die Übungen gezielt auswählen. Deswegen waren die Studierenden viel motivierter als in den Vorjahren und bewerteten das Praktikum „Medizinische Literaturrecherche“ sehr gut.

In dem Vortrag: „Projekt bibnet.org“ von Markus Fischer, Solothurner Spitäler AG, und Kollegen wurde mit der Informationsversorgung in der Krankenpflege bzw. Pflegewissenschaften ein Thema aufgegriffen, das bisher auf AGMB-Tagungen kaum ein Rolle spielte, gleichwohl in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen hat.

Das Projekt geht auf ein Netzwerk von Fachbibliotheken des Gesundheitswesens in der Schweiz und Österreich zurück, das sich 2005 bildete und 2009 als Verein gründete. Die Ausgangslage war das Fehlen einer systematischen Auswertung deutsch-sprachiger Pflege-Zeitschriften. Aus bestehenden Systemen der beteiligten 16 Bibliotheken wurden ca. 44.000 Datensätze von 400 Zeitschriftentiteln ab 1979 im MARC-Format in einer freizugänglichen Referenzdatenbank zusammengeführt. Diese werden laufend durch kooperative Katalogisierung ergänzt. Hierbei kommen nur Open-Source-Lösungen zum Einsatz wie KOHA als Katalogisierungstool, Vufind als Suchsystem, Drupal als CMS, die DAIA-Schnittstelle zur Verfügbarkeitsanzeige in den einzelnen Bibliotheken und Doctor-Doc als Linkresolver- und Bestellsystem. Es bestehen zahlreiche Suchmöglichkeiten z.B. nach dem Standort, facettierte Suche, ungenaue Suche oder Proximity-Suche. Hinzu kommen eine umfangreiche Suchsyntax, Export- und Listenfunktionen.

Für die Zukunft stehen laut Fischer folgende Aufgaben an: Qualitätskontrolle der Katalogisate, Automatisierung des Imports, Bestellmöglichkeit z.B. über subito, gemeinsamer Thesaurus, Erweiterung der Teilnehmer auch im nicht-deutschsprachigen Bereich, E-Mail-Alerting-System und Schnittstellen zu anderen Datenbanken.

Manuela Schulz, Bibliothek der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg stellte in ihrem Vortrag: „Service vor Ort – Die Bibliothek geht zum Nutzer“ das Projekt Hausbesuche vor. Die verschiedenen Nutzergruppen haben Informationsdefizite bezüglich der Bibliotheksservices. Dazu tragen z.B. Kommunikations- und Wahrnehmungsprobleme bei. Die Ansprüche der Bibliothek und Bedürfnisse der Nutzer müssen in Einklang gebracht werden. Zielsetzung der Bibliothek ist es, als Schnittstelle zur Information, fachliches Kompetenzzentrum und sozialer Raum zu fungieren. Dazu werden relevante Informationsressourcen erworben und vermittelt. Dies muss durch dauerhafte und nachhaltige Servicestrategien ergänzt werden.

Die Projektvorarbeiten erfolgten in drei Schritten: 1. Vergleich mit best-practice (ZB Medizin in Münster), 2. Erfassung der Ist-Situation in Mannheim und 3. Bedarfsanalyse durch qualitative Interviews mit Personen der Zielgruppe. Die Interviews ergaben, dass überwiegend in PubMed und im Internet recherchiert wird, nicht alle die Bibliothek bei Zugriffsproblemen kontaktieren und oft zuhause gearbeitet wird. Die Suchstrategien sind häufig selbst angeeignet, aber grundsätzlich besteht Bedarf für Fortbildung. Die Angebote der Bibliothek, die oft nur als Studentenbibliothek und Dokumentenlieferant wahrgenommen wird, sind nur wenig bekannt. Persönliche Kontakte werden als wichtig eingeschätzt. Die Schlussfolgerung war, dass die Bibliothek zum Nutzer gehen und einen individuellen und proaktiven Beratungsservice anbieten muss. Die Hausbesuche sollen in einer Kombination aus Auskunft, Schulung und Öffentlichkeitsarbeit an die jeweiligen Bedürfnisse individuell angepasst und regelmäßig durchgeführt werden. Nach einer ersten Umsetzung werden die Hausbesuche evaluiert und das Projekt entsprechend der Ergebnisse angepasst.

Dr. Oliver Obst, Zentralbibliothek für Medizin, Universität Münster berichtete zum Thema: „Strategie und Konzepte für Medizinbibliotheken – Ergebnisse des Münsteraner Zukunftsworkshops“, der mit Unterstützung durch die AGMB im Juni 2010 mit 16 Bibliothekaren stattfand.

Obst beschrieb die Situation der Medizinbibliotheken als Teil eines Puzzles. Die Frage, wie es sich auflösen könnte, war Inhalt des Brainstormings in Münster. Die Sorge um knappe Etats steht nicht mehr so im Mittelpunkt, und die E-Books sind sowohl in den Geschäftsgängen als auch beim Nutzer in der Realität angekommen. Ein aktuelles Problem ist dagegen das Wegbleiben der Ärzte und Wissenschaftler aus den Räumen der Bibliothek, obwohl diese auf Nachfrage durchaus positiv gesehen wird. Selbst durch die Verwendung aller Marketingkanäle wie die klassischen (Besuch in der Einrichtung des Nutzers, Hauszeitschrift, Newsletter, Aushänge usw.) und die Web 2.0 basierten Möglichkeiten (Blogs, RSS, Twitter und Co) werden nicht alle Nutzer erreicht. Deshalb ist die Weiterentwicklung von Zielgruppen-orientierten Marketingstrategien ein absolutes Zukunftsthema, genauso wie die zunehmende Mobilität der Information.

Eine Gruppenarbeit der Teilnehmer, in der eine Medizinbibliothek von Null an geplant werden sollte, ergab interessante Szenarios. So entwickeln sich Bibliotheken offenbar immer mehr zu Zentren mit PC-Räumen, Lern- und Kommunikationsbereichen, Veranstaltungsräumen, Skills-Labs, Ausruh-Zonen, Copy-Shop, Cafeteria usw., so dass man sich fragen muss, ob es sich noch um Bibliotheken handelt. Vor dieser „patron-driven“ Entwicklung sollten wir Bibliothekare aber keine Angst haben, sondern sie vielmehr kreativ begleiten und mitgestalten. Wichtig bleibt auch weiterhin, sich um einen bedarfsgerechten Dienstleistungskanon zu kümmern, absolute must-haves zu identifizieren und sich als ein Teil der gesamten Informationsinfrastruktur für die tragende Einrichtung zu begreifen. Außerdem hilfreich ist es, Prioritäten zu setzen und Change-Management zu betreiben. Dabei hilft die 80/20-Regel. Die Alltagsroutine sollte etwa 80% der Arbeitszeit umfassen, während man sich in den restlichen 20% um Neues kümmert. Dabei sollte man diese Möglichkeit nicht nur sich selber, sondern als Vorgesetzter auch seinen Mitarbeitern geben.


AGMB-Treffpunkt

Diese neue Veranstaltungsform war auf der vorangegangenen Jahrestagung in Hamburg bei reger Beteiligung positiv angenommen worden. Die Tagungsteilnehmer konnten im Vorfeld Themen und konkrete Fragen aus dem praktischen Alltag einreichen, über die in kleinen Gruppen ein aktiver Austausch stattfand (ohne Vortrag oder Präsentation). Die acht Gesprächsrunden fanden in zwei zeitlich-versetzten Blöcken statt, so dass man an zwei Treffpunkten teilnehmen konnte. Für jeden Treffpunkt gab es einen Moderator, der später auch die Ergebnisse im Plenum vorgestellt hat.

Im Treffpunkt 1 sprachen die Teilnehmer über Erfahrungen mit Thieme „Examen Online“ und Springer „Das Erste“. An 18 Universitäten werden Thieme-Produkte, an 7 Universitäten das Springer-Produkt eingesetzt (bei 36 Medizinischen Fakultäten insgesamt). Kritik gibt es an den Lizenzmodellen (z.B. Einzel- vs. Campuslizenzen). Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich aus Studiengebühren. Aus Rückmeldungen der Studierenden ergibt sich, dass ein Angebot zur elektronischen Prüfungsvorbereitung generell begrüßt wird. Dabei werden die Thieme-Produkte als besser eingeschätzt. Die Tools ersetzen dennoch nicht die seit langem erhältlichen CDs und Bücher zu den IMPP-Fragen.

Im Treffpunkt 2 Präsentation von E-Publikationen wurden große Unterschiede zwischen den drei vertretenen Bibliothekssparten deutlich (Katalog oder eigene Web-Seiten in den Universitätsbibliotheken, Intranet-Listen in Krankenhausbibliotheken, direkter Zugang über die Anbieterseiten oft ohne eigenen Nachweis in den Pharmabibliotheken). Gerade an den Universitäten ist wegen der Lehrbücher ein Nachweis der E-Books im Katalog weiterhin erforderlich und eine gemeinsame Titelanzeige von Print- und Online-Ausgabe wünschenswert. Für viele Lizenz- und Erwerbungsfragen besteht nach wie vor ein großer Informationsbedarf, und manche Lizenzmodelle (Einzel- vs. Paketkauf) und Angebote (oft fehlen Metadaten) stehen in der Kritik.

Ein Dauerthema auf AGMB-Tagungen wurde im Treffpunkt 3 Print-Zeitschriften: Aussonderungspolitik, Binden ja/nein erneut aufgriffen. An vielen Standorten wächst aus Platzgründen die Tendenz, sich von gedruckten Zeitschriftenbeständen trennen zu müssen. An einigen Universitätsstandorten gibt es konkretere Überlegungen, zumindest Zeitschriftenbestände auszusondern, für die Nationallizenz-Archive verfügbar sind. Krankenhausbibliotheken können dagegen in der Mehrzahl keine Aussonderungen erwägen, da die Inhalte für die Nutzer nicht mehr verfügbar wären. Wünschenswert, aber wohl kaum realisierbar wäre eine übergeordnete Zusammenarbeit und Absprachen, an welchen Standorten welche Zeitschriftentitel weiterhin vorgehalten werden, weil man sich nicht nur auf SSG-Bibliotheken oder ZBMed Köln verlassen möchte. Dabei müsste auch die überregionale, zeitnahe und kostengünstige Zurverfügungstellung der Inhalte geregelt werden. Laufende Beispielprojekte deuten bereits an, dass bei der konkreten Realisierung von Aussonderungen diverse Schwierigkeiten im Detail auftreten können.

Der Treffpunkt 4 stellte die Frage, inwieweit Bibliotheken in ihren Hochschulen am Heranführen der Studierenden an das wissenschaftliche Arbeiten beteiligt sind. Die Teilnehmer berichteten, dass es zwar fast überall Veranstaltungen zum Thema „Wie schreibe ich eine Doktorarbeit?“ gibt, doch nur selten sind Bibliotheken beteiligt, um ihre dazu passenden Dienstleistungsangebote vorzustellen. Übereinstimmend wäre hier eine stärkere Zusammenarbeit mit den Studiendekanaten wünschenswert. Einen interessanten Ansatz bietet der geplante Journal Club für Studierende in Basel.

Im Treffpunkt 5 wurden verschiedene Fragen zur Literaturverwaltung diskutiert. In den vertretenen Einrichtungen werden EndNote (rabattierte oder durch das Rechenzentrum bezahlte Einzellizenzen), EndNoteWeb (kostenloses Tool von Web of Science), zunehmend Citavi (Campuslizenz mit Lizenzschlüsseln für Einzelrechner), Refworks (Web-basierter campusweiter Zugang) und vereinzelt Zotero (kostenloses Firefox-Plugin) eingesetzt. Entsprechend der Funktionalitäten eignen sich EndNote und EndNoteWeb eher für medizinisch-naturwissenschaftliche, Citavi eher für geisteswissenschaftliche Anwender. Zotero ist insbesondere für das Zitieren noch nicht ausgereift. An vielen Standorten werden Schulungen angeboten, je nach vorhandenen Möglichkeiten als Präsentation oder ergänzend mit Übungsaufgaben. Support wird in Sprechstunden, bei Anfragen zu konkreten Problemen oder nur sehr eingeschränkt angeboten. Empfehlenswertes Infomaterial bieten die UB Augsburg und UB Heidelberg frei zugänglich im Web an. Intensiv diskutiert wurden die Fragen, welches Programm man als Bibliothek empfehlen soll und ob universitätsübergreifende Initiativen bei der EndNote-Lizenzierung sinnvoll sind.

Der Treffpunkt 6 Public Relations, Kundenpflege nahm sich des Problems an, dass Ärzte und Wissenschaftler nur noch selten in die Bibliothek kommen. Als wichtigste Maßnahme, um die Nutzer dennoch effektiv über die Serviceangebote zu informieren, wurde die persönliche Kontaktaufnahme identifiziert (z.B. Infostände, Auftritte in internen Veranstaltungen, direkte Ansprache neuer Professoren und Mitarbeiter, gezielte Versendung von Info-Flyern zu konkreten Serviceangeboten und Schu-lungsterminen). Schulungsveranstaltungen eignen sich, um über Dienstleistungen „by the way“ zu informieren. E-Mails über mehr oder weniger große Verteiler sahen die Teilnehmer eher kritisch, Newsletter dagegen als durchaus wirksam. Einige konkrete Web 2.0-Lösungen wurden als sehr hilfreich beschrieben (z.B. Zusammenstellung von Links zu Bibliotheksressourcen als Firefox Browser-Tool).

Ein anderer Weg zur Kommunikation mit (potentiellen) Nutzern ist der Auftritt der Medizinbibliotheken in Facebook. In diesem Treffpunkt 7 wurde unter anderem diskutiert, ob wir dem Nutzer durch einen Facebook-Auftritt wirklich näher kommen, oder ob es nur ein neuer Hype ist. Oft reichen die bestehenden Kommunikationskanäle nicht aus, um alle Nutzerschichten zu erreichen. Hier könnte Facebook Abhilfe schaffen. Dem ungeachtet ist Facebook in vielen Medizin-Bibliotheken noch kein Thema, was auch daran liegt, dass das Misstrauen gegenüber diesem sozialen Netzwerk teilweise sehr groß ist. Dennoch gab es Bibliothekare in der Gesprächsrunde, die diesem Medium sehr offen gegenüberstehen und selbst einen Facebook Auftritt für ihre Bibliothek realisieren wollen.

Ein aktuelles Dauerthema im Bibliothekswesen wurde im Treffpunkt 8 Emerging Technologies in Medical Libraries: discover, explore, evaluate, adjust behandelt. Die Teilnehmer gingen den Fragen nach, welche der neuen Technologien wirklich relevant und hilfreich für unsere Nutzer sind und ob wir jeden neuen Hype sofort mitmachen müssen. Ein Problem ist auch, bei allen neuen Technologien stets auf dem Laufenden zu bleiben und wie Bibliotheken die Umsetzung für den praktischen Betrieb realisieren können.


Workshops

Basierend auf konkreten Vorschlägen im Vorfeld der Tagung konnten drei Fortbildungs-Workshops angeboten werden, die von zahlreichen Teilnehmern wahrgenommen wurden:

  • Dr. Gabriele Menzel, Medizinische Bibliothek der Charité, Berlin:
    „PubMed – Einführung in die Datenbank und Schulungskonzepte“
    Die Veranstaltung vermittelte Kenntnisse zum Aufbau von Suchstrategien und Recherchetechniken anhand von Beispielen, wobei die Teilnehmer Gelegenheit hatten, selbst zu recherchieren. Außerdem wurde eine Umfrage zu PubMed-Schulungen an Medizinbibliotheken vorgestellt. Es schloss sich eine Diskussion über unterschiedliche Schulungskonzepte an.
  • Dr. Jürgen Plieninger, Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft, Tübingen:
    „Arbeitsorganisation mit Web 2.0-Instrumenten“
    Nachdem über Web 2.0-Themen im Verlauf der Tagung immer wieder gesprochen wurde, konnten die Teilnehmer verschiedene Tools selbst ausprobieren und Anwendungsmöglichkeiten für die eigene Arbeit insbesondere unter dem Aspekt OPL kennenlernen.
  • Sabine Lins, Deutsches Cochrane Zentrum, Freiburg:
    „Einführung in die Cochrane Library“
    Die Teilnehmer hatten, neben der Vorstellung der einzelnen Datenbank-Segmente und der Web-Oberfläche, die Möglichkeit, selbst Recherchen durchzuführen.

Schlusswort

Die Vorsitzende der AGMB e.V. Dr. Diana Klein dankte dem Ortskomitee, Heike Geisel, Sabine Hoyer und Dr. Stefanus Schweizer, für die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Vorstand im Vorfeld und hervorragende Organisation der Tagung vor Ort.

Anschließend prämierte Klein das, nach schriftlicher Abstimmung der Teilnehmer, Poster mit der besten Idee. Es war von Sabine Hoyer eingereicht worden und stellte den virtuellen Rundgang durch die Fachbibliothek Medizin in Mainz mit einem menschlichen Skelett namens „Rüdiger“ vor.

Zum Abschluss übermittelte Klein die Einladung von Ulrich Korwitz zur nächsten AGMB-Jahrestagung im September 2011 an der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin in Köln und schloss die diesjährige Veranstaltung.