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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS): Konzept, Umsetzung und Perspektiven für eine umfassende Datenbasis zum Bibliothekswesen in Deutschland: 10 Fragen von Bruno Bauer an Ronald M. Schmidt, Leiter der DBS

Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS): Concept, implementation and prospect for a comprehensive database on library statistics in Germany: 10 questions interview with Ronald M. Schmidt, head of DBS, by Bruno Bauer

Interview

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  • corresponding author Ronald M. Schmidt - Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), Köln, Deutschland
  • author Bruno Bauer - Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Wien, Österreich External link

GMS Med Bibl Inf 2008;8(1):Doc05

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2008-8/mbi000102.shtml

Published: June 26, 2008

© 2008 Schmidt et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS, http://www.bibliotheksstatistik.de) wird seit dem Berichtsjahr 1974 erstellt, wobei die Erfassung, Auswertung und Präsentation der Ergebnisse seit 1999 ausschließlich online erfolgen. Ziel der DBS ist die Schaffung eines nationalen Datenpools für statistische Informationen zu allen Bibliothekssparten. Ca. 9000 Bibliotheken melden jährlich ihre Werte für die Bereiche Ausstattung, Bestand, Nutzung, Finanzen und Personal.

Das aktuelle Interview informiert über das Konzept der DBS, die unterschiedliche Ausprägung der DBS für Öffentliche Bibliotheken, für Wissenschaftliche Bibliotheken sowie Spezialbibliotheken. Ausführlich eingegangen wird auch auf das zunehmend wichtiger werdende Thema der Erfassung von statistischen Daten für die Bestände und die Nutzung der elektronischen Bibliothek. Angesprochen werden auch der Auswertungs- und Publikationsprozess der DBS, der Konnex zwischen DBS und BIX sowie die Möglichkeiten der internationalen Kooperation im Bereich der DBS.

Schlüsselwörter: Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS), Öffentliche Bibliothek, Wissenschaftliche Bibliothek, Spezialbibliothek, Kennzahlen

Abstract

The DBS, Deutsche Bibliotheksstatistik (German Library Statistics, http://www.bibliotheksstatistik.de), reports since 1974. Around 9000 libraries file data on facilities, equipment, holdings, usage, budget and staff.

Data collection, evaluation, and presentation today are carried out online only. Aim of DBS is the formation of a national data pool containing statistical data on all types of libraries.

The interview informs about the concept of DBS and its differentation of public, university and specialised libraries. It covers at length the increasing important topic of data collection of holdings and usage in digital libraries. The DBS process of data evaluation and publication will be described and connections between DBS and the library benchmark index BIX will be explained. Finally international cooperation options for DBS will be discussed.

Keywords: German Library Statistics, public library, academic library, specialised library, library benchmark index


Interview

1. Konzept der DBS

B. Bauer: Seit 2003 wird die Deutsche Bibliotheksstatistik als nationale Datenbasis zum Bibliothekswesen in Deutschland im hbz erstellt.

Welche Motive waren ausschlaggebend für die Etablierung dieser nationalen, alle Bibliothekstypen umfassenden Statistik? Welches Konzept steht hinter der DBS? Und wie viele Bibliotheken in Deutschland nutzen die DBS derzeit?

R.M. Schmidt: Die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) ist der nationale Datenpool für statistische Informationen zu allen Bibliothekssparten. Sie basiert auf einheitlichen Festlegungen und strebt die möglichst vollständige Erfassung aller Bibliotheken an; in den Bereichen Ausstattung, Bestand, Nutzung, Finanzen und Personal ermöglicht sie damit einen bundesweiten Gesamtüberblick über die deutsche Bibliothekslandschaft.

Die DBS ist heute eine komplett papierlose Statistik. Dass die enorme Zahl von knapp 9000 meldenden Bibliotheken jährlich (das sind 95% aller öffentlichen und 75% der wissenschaftlichen Bibliotheken) überhaupt verarbeitet werden kann, liegt an der unkomplizierten Dateneingabe über Online-Eingabeformulare, an der fast völlig automatisierten Weiterverarbeitung und an den Schnittstellen zu den Fachstellen für öffentliche und kirchliche Bibliotheken, welche die Daten der über 6000 ehren- und nebenamtlich geleiteten Bibliotheken einspielen. Eine intellektuelle Datenprüfung für diese Datenmengen wäre selbstverständlich nicht vertretbar; statt dessen weist eine automatisierte Datenkontrolle die Bibliotheken bereits bei der Eingabe auf mögliche Fehler hin. Da die Daten in den ersten 6–12 Wochen des Jahres eingegeben werden, liegen Mitte des Jahres bereits die ersten bundesweiten Ergebnisse vor.

Die DBS ist als zentrale Dienstleistung des Deutschen Bibliotheksinstituts DBI und seiner Vorgängerinstitutionen seit dem Berichtsjahr 1974 erstellt worden. Damit ist die DBS eine Bibliotheksstatistik mit langer Laufzeit, eingespielten Verfahren und mit großer Unterstützung durch die Bibliotheken. Der Datenbestand seit dem Berichtsjahr 1999 ist nunmehr elektronisch gespeichert, für Recherchen erschlossen und kann von jedermann online genutzt werden. Das Kennzahlengerüst ist auf der internationalen Norm DIN EN ISO 2789 "Internationale Bibliotheksstatistik" aufgebaut und sichert so auch die internationale Vergleichbarkeit. Ihre Konzeption beruhte auf den „Empfehlungen zur internationalen Vereinheitlichung von Bibliotheksstatistiken“, die auf der Generalversammlung der UNESCO 1970 verabschiedet wurden. Diese Empfehlungen waren die Grundlage für die Projektphase der DBS in den frühen 1970er Jahren.

Bibliotheken sind mit den über 10.000 in der DBS registrierten Einrichtungen zahlenmäßig der größte kulturelle Spartensektor in Deutschland. Rein rechnerisch verfügen fast drei Viertel der deutschen Städte und Gemeinden über eine Bibliothek. Ihre Leistung im Kultur- und Wissenschaftssektor zu beschreiben, ist eine der Aufgaben der DBS. Eine weitere Aufgabe ist die des betriebsinternen Steuerungsinstruments, wobei die in der DBS erhobenen Kennzahlen im Vergleich zu anderen Bibliotheken der Findung und Konzeption von Initiativen dienen können, um eine Veränderung der Leistungsfähigkeit der Bibliothek in einer bestimmten und gewünschten Weise anzugehen. Bibliotheken können die DBS nutzen, um ihre Position gegenüber dem Unterhaltsträger oder anderer politischer Entscheider aktuell zu beschreiben und in einen zeitlichen Entwicklungszusammenhang zu stellen. Der Blick auf vergleichbare Bibliotheken kann dabei helfen, Defizite auszumachen und verborgene Chancen zur Veränderung zu nutzen.

2. Träger der DBS

B. Bauer: An der DBS sind hbz, Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (KBN), KMK sowie rund 9.000 Bibliotheken beteiligt.

Welche Rollen werden von den genannten Institutionen bzw. Gremien übernommen? Wer trägt die Kosten für die DBS? Wer ist für die Weiterentwicklung der DBS zuständig?

R.M. Schmidt: Die Erstellung der DBS wird von den Bundesländern gemeinsam finanziert und ist vom Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (KNB), vertreten durch den Deutschen Bibliotheksverband (DBV), im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) als zentrale bibliothekarische Dienstleistung an das hbz beauftragt worden. Dort erfolgt die Pflege und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur, die redaktionelle Betreuung und die Erstellung der jährlichen Gesamtauswertungen. Die inhaltliche Steuerung obliegt den Steuerungsgremien für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, in denen die Bibliotheken vertreten sind.

3. Kennzahlen der DBS

B. Bauer: Die DBS gliedert sich in eine Variante für öffentliche Bibliotheken sowie in je eine Variante für wissenschaftliche Bibliotheken bzw. wissenschaftliche Spezialbibliotheken.

Welche markanten Unterschiede zeichnen diese Varianten aus? Aus welchen Hauptkategorien besteht die DBS-WB, und wie viele Fragen umfasst sie? Sind alle Fragen zur DBS verpflichtend, oder gibt es auch fakultativ zu beantwortende Fragen?

R.M. Schmidt: Die drei Züge der DBS berücksichtigen einerseits die Unterschiede in den Funktionen von Öffentlichen Bibliotheken und Wissenschaftlichen Bibliotheken sowie Spezialbibliotheken, andererseits gibt es natürlich in allen drei Zügen Gemeinsamkeiten, welche die Stellung der jeweiligen Bibliothek hinsichtlich Erwerbungsmitteln, Medienerwerb und Personalausstattung beschreiben können, um nur einige wichtige zu nennen.

Schwerpunkte der Bibliotheksarbeit von Öffentlichen Bibliotheken sind sicher andere als die von Wissenschaftlichen Bibliotheken, d.h. auch, dass sich die Effizienz der Bibliothek bezogen auf die jeweilige Benutzergruppe mit anderen Kennzahlen beschreiben lassen muss. Die Erneuerungsquote in Öffentlichen Bibliotheken ist solch ein markantes Beispiel: Ein aktueller Bestand aller Medienarten zeichnet die Attraktivität der Bibliotheken aus, ein veralteter Bestand, der wegen mangelnder Erwerbungsmittel nicht mehr aktualisiert werden kann, führt in der Regel zum Einbruch der Besucherzahlen und der Bibliotheksbenutzung.

Wissenschaftliche Bibliotheken hingegen haben in den letzten Jahren in erheblichem Maße im Sinne einer hybriden Bibliothek neben die traditionellen Druckwerke elektronische Datenbanken, Zeitschriften und gescannte Dokumente gestellt. Diesen Wandel in einer Bibliotheksstatistik beschreibbar zu machen, war das Ziel der grundsätzlichen Überarbeitung des Fragebogens für Wissenschaftliche Bibliotheken für das Berichtsjahr 2007. Die Gesamtanzahl der Fragen von über 400 mag zunächst abschrecken, wenn man aber nur die verpflichtenden Fragen zählt, kommt man auf etwa 200. Jede Bibliothek muss für sich entscheiden, ob die fakultativen Fragen zur Beschreibung ihrer Leistungsfähigkeit notwendig sind oder nicht, ob der vorhandene Altbestand besonders aufgeschlüsselt werden soll oder nicht, ob schließlich die Fächerstatistik von Belang ist oder nicht. Öffentliche Bibliotheken müssen derzeit 99 DBS-Kennzahlen erheben.

In der langen Tradition, auf welche die DBS zurückschauen kann, haben sich hier natürlich Usancen gebildet, die auch einen besonderen Wert der DBS darstellen: Man kann über Jahrzehnte die Kennzahlen für Ausstattung, Bestand, Nutzung, Finanzen und Personal der Bibliotheken verfolgen, heute online immerhin den Datenbestand seit 1999.

4. E-Ressourcen

B. Bauer: Zunehmend gewinnt die digitale bzw. elektronische Bibliothek an Bedeutung gegenüber der traditionellen Bibliothek.

Inwieweit finden elektronische Ressourcen und Online-Services in den von der DBS erhobenen Daten Berücksichtigung? Welche Fragen beziehen sich auf diesen Bereich? Sind hier weitere Maßnahmen in näherer Zukunft geplant?

R.M. Schmidt: Für alle Bibliotheken ist die Nutzung elektronischer Ressourcen ein wichtiges Kriterium ihres Leistungsangebotes. Der neu gestaltete Fragebogen für Wissenschaftliche Bibliotheken, der für das Berichtsjahr 2007 zum ersten Mal eingesetzt wurde, berücksichtigt diesen Bereich. Abschnitt 8 „Digitale Bestände (ohne elektronische Zeitschriften und Zeitungen)“ und 10 „Zeitschriften und Zeitungen in elektronischer Form“ erfassen die betreffenden Titel, Abschnitt 11 den Zugang an digitalen Ressourcen. Die Nutzung elektronischer Medien wird im Abschnitt 14 abgebildet, wobei hier Suchanfragen in lokalen Online-Katalogen, Sitzungen in Datenbanken, Zugriffe auf Zeitschriftentitel, Zugriffe auf die Bibliotheks-Webseite (Diese Frage ist der Ermittlung der „virtuellen“ Bibliotheksbesuche durch das unten beschriebene Zählpixel-Verfahren vorbehalten), Vollanzeigen von Zeitschriftenartikeln sowie Vollanzeigen von digitalen Einzeldokumenten erfasst werden. Maßgeblich ist immer die Prämisse, dass diese Angebote der Bibliothek Aufwand (Geld und Arbeit) verursachen und damit eine mit den vorhandenen Ressourcen erbrachte Leistung darstellen. Die frei im Internet zur Verfügung stehenden Informationen zählen also nicht, wenn sie auch von einem PC-Arbeitsplatz in der Bibliothek genutzt werden würden.

Netzbasierte Ressourcen können aber benutzt werden, ohne die Bibliothek zu betreten. Diesem Sachverhalt muss auch die DBS Rechnung tragen.

Wie ermittelt man aber die „virtuellen“ Bibliotheksbesuche derart, dass sie sich mit den bisherigen Kennzahlen für Bibliotheksnutzung vergleichen lassen und diese ergänzen? Die Hochschule der Medien Stuttgart hat für den BIX (Bibliotheksindex) ein Verfahren entwickelt, welches geeignet ist, die virtuellen Besuche zu zählen. Dabei nutzt man ein sogenanntes Zählpixel, das auf den betreffenden Seiten eingebunden werden muss und bei jedem Aufruf durch einen Internet-Nutzer der Bibliothek einen Zählimpuls an den zentralen Server in Stuttgart übermittelt. Technisch könnte man so jede Internet-Seite der Bibliothek zählen, aber vergleichbar mit den Zahlen der Bibliotheksbesuche wäre dies noch nicht. Geht ein Benutzer in eine Bibliothek, so wird der Besuch durch Zählschranken erfasst, nicht erfasst wird danach aber die Nutzung der verschiedenen Bibliotheksbereiche. Gezählt wird der Besuch der Bibliothek. Dem muss auch das Zählpixel-Verfahren Rechnung tragen, indem hier die Bibliotheks-Homepage bzw. eine vergleichbare Seite als virtuelle Eingangstür in die Bibliothek mit ihrem Informationsangebot angesehen und mit Zählpixel versehen wird. Ausgewertet wird ein im Berichtsjahr standardisierter Zeitraum, von welchem auf das Jahr hochgerechnet wird. Auf diesem Wege können bereits die Bibliotheksbesuche insgesamt, also real und virtuell, ermittelt werden.

Das Zählpixel-Verfahren steht derzeit den Bibliotheken zur Verfügung, welche am BIX teilnehmen. Es ist geplant, es als Verfahren auch für die DBS anzubieten. Für die DBS bedeutet dies ein erheblich höheres Datenaufkommen, was bei der technischen Umsetzung im Vergleich zum BIX berücksichtigt werden muss. Die DBS-Redaktion im hbz und die Hochschule der Medien arbeiten bereits an diesem Ziel.

5. Informationsportale

B. Bauer: In den letzten Jahren wurden vielfältige Informationsportale entwickelt, deren Bandbreite von Fachportalen, wie etwa MedPilot, über interdisziplinäre Internetportale, wie vascoda, bis zum geplanten Zusammenschluss der Informationsangebote der zentralen Fachbibliotheken in Goportis reicht. Dieser Trend der Vernetzung von Informationsressourcen und -kanälen wird sich in Zukunft noch verstärken.

Welche Überlegungen gibt es seitens der DBS, diesem Aspekt der Nutzung elektronischer Bibliotheksangebote verschiedener Anbieter unter einem Portal bei der Erhebung der Kennzahlen gerecht zu werden?

R.M. Schmidt: Portale als Datenbank-Angebote im Sinne von Beständen werden nicht in der DBS gezählt. Auch die Nutzung von Bibliotheksdienstleistungen über Portale wird nicht abgebildet.

Wenn eine Nutzung von Bibliotheksdienstleistungen über Portale vermittelt wird – sie verlinken dann i.d.R. auf die Bibliotheksangebote selber – dann wird diese Nutzung als solche in der DBS gezählt. Es wird jedoch nicht transparent, welche Nutzung über derartige Portale vermittelt wurde. Wird eine Online-Fernleihe beispielsweise über ein Portal angestoßen, dann zählt sie als Fernleihe in den entsprechenden Fragen der DBS. Dies ist hier ja auch die eigentliche Dienstleistung der Bibliothek.

Derzeit gibt es keine Überlegungen, den von Ihnen angesprochenen Aspekt der Nutzung elektronischer Bibliotheksangebote über Internetportale in der DBS zu berücksichtigen.

6. Publikationsprozess

B. Bauer: Die Statistikdaten für die Kennzahlen werden Jahr für Jahr erhoben, die Ergebnisse der DBS werden jährlich publiziert.

In welchem zeitlichen Rahmen erfolgen die Erhebung sowie die Veröffentlichung der Daten? Wie werden die gesammelten Ergebnisse veröffentlicht?

R.M. Schmidt: Die DBS benutzt ein eingespieltes zeitliches Muster von Datenerhebung, Online-Datenerfassung, Datenkonsistenzüberprüfung und Veröffentlichung der Jahresstatistik. Die Datenerhebung erfolgt anhand des für das Berichtsjahr gültigen DBS-Fragebogens online. Im ersten Quartal des Jahres wird die Online-Erfassung für die Bibliotheken freigeschaltet und die Dateneingabe beginnt. Im April werden die Daten auf Konsistenz überprüft und ab Mai wird die Variable Auswertung als „vorläufige DBS“ mit den neuen Daten geöffnet. Dann können die DBS-Bibliotheken dort ihren Datenbestand online abfragen und ggf. noch aufgetretene Erfassungsfehler an die DBS-Redaktion melden. Aus dem Datenbestand des Berichtsjahres werden dann im Juni die sogenannten Gesamtauswertungen gerechnet, welche die wesentlichen Kennzahlen zusammenfassen und als zitierfähige Bibliotheksstatistik fungieren. Ab Juli steht das neue Berichtsjahr dann auch in unserem Online-Werkzeug Variable Auswertung als endgültige DBS zur Verfügung. Nach diesem Datum werden keine Korrekturen an den Datenbeständen mehr vorgenommen, um die Konsistenz der Auswertungen und die Zitierfähigkeit zu wahren.

Das Statistische Bundesamt Deutschland Destatis bekommt die Gesamtauswertungen zur Veröffentlichung im Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland.

7. Auswertungswerkzeuge

B. Bauer: Die DBS verfügt im hbz derzeit mit einem Datenbestand ab Berichtsjahr 1999 über einen kontinuierlichen Zeitraum von elektronisch gespeicherter Information. Welche Möglichkeiten bieten sich für an Bibliotheksstatistik Interessierte, diese Daten auszuwerten?

R.M. Schmidt: Sie haben recht, seit dem Umzug der DBS ins hbz werden alle Daten der Berichtsjahre ab 1999 elektronisch gespeichert. Die jährlichen Gesamtauswertungen werden mit diesem Datenbestand gerechnet. Sie dienen als kultur- und wissenschaftspolitische Informationsmittel und unterstützen bei Lobbyarbeit sowie in der Auseinandersetzung mit den Unterhaltsträgern.

Darüber hinaus hat das hbz ein flexibles Auswertungsinstrument entwickelt, welches es ermöglicht, individuelle Auswertungen online durchzuführen. Mit dem Produkt Variable Auswertung bestimmen Sie selbst, welche Erhebungsdaten und Berichtsjahre Sie sich anzeigen lassen. Dafür stehen sämtliche DBS-Daten ab 1999 zur Verfügung. Ab dem Berichtsjahr 2005 können sogar Kennzahlen wie „Medien pro Einwohner“, Erneuerungsquote, Umsatz und vieles mehr analysiert werden.

Mit welchen Bibliotheken möchten Sie sich vergleichen? Die Vergleichsbibliotheken können anhand verschiedener Merkmale wie Typ, Unterhaltsträger, Bundesland, Einwohnerzahl etc. ausgewählt werden. Anschließend lassen sich die Ergebnisse im Browser anzeigen oder in eine Excel- oder CSV-Datei exportieren und nach Belieben weiter verarbeiten. Die Variable Auswertung wird laufend weiterentwickelt. Die Nutzung der Variablen Auswertung ist kostenlos. Sie finden Sie im Internet auf der Homepage der DBS unter www.bibliotheksstatistik.de.

8. BIX Indikatoren Vernetzung

B. Bauer: Neben der DBS kommt mittlerweile mit dem Bibliotheksindex – BIX ein zweites wichtiges Evaluierungsinstrument an vielen Bibliotheken Deutschlands und auch anderer Länder zum Einsatz.

Stimmen die für den BIX benötigten Indikatoren mit den Fragen der DBS überein? Gibt es ein koordinierendes Gremium, in dem die Weiterentwicklung von BIX bzw. DBS aufeinander abgestimmt werden?

R.M. Schmidt: Um Ihre zweite Frage zuerst zu beantworten: In den Steuerungsgruppen für den BIX, jeweils für den BIX-ÖB und BIX-WB, sitzen die Vorsitzenden der betreffenden DBS-Steuerungsgruppen. Auf diesem Wege wird ein koordiniertes Vorgehen ereicht.

BIX-Indikatoren benutzen zahlreiche DBS-Fragen als Datenbasis, so dass eine Doppelerhebung dieser Werte nicht notwendig ist. In vier Zieldimensionen bilden dort bis zu 16 Indikatoren die Grundlage für ein Gesamt-Ranking der Bibliotheken. Von 34 Fragen zum BIX-ÖB sind 9 nicht in der DBS enthalten, von 37 BIX-WB-Fragen sind es 18.

Indikatoren benutzen die Kennzahlen der DBS und stellen sie in einen Zusammenhang: Erwerbungsetat pro Einwohner ist ein solcher Indikator, bei dem das Vorgehen deutlich wird. Für den BIX sind sowohl Indikatoren definiert worden, als auch Zieldimensionen, auf welche die Leistungsmessung über die Indikatoren abgebildet wird. Man könnte also auch ein völlig anders ausgerichtetes Indikatorenraster auf der Basis von DBS-Kennzahlen entwerfen, um andere Fragestellungen zu beantworten. Die DBS mit ihrem Kennzahlenvorrat ist offen für derartige Auswertungen. Der BIX garantiert jedoch durch seine Methodik und die Arbeit der Steuerungsgruppen eine valide Leistungsbeschreibung. Nur so ist ein Bibliotheks-Ranking seriös möglich.

9. Perspektiven

B. Bauer: Die DBS hat bereits eine lange Tradition hinter sich. Und wenn auch nicht wenige Statistiken – oft vordergründig – reserviert gegenüber stehen, so zeigt sich gerade im Hinblick auf die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen an den Hochschulen (Stichwort: Hochschulfreiheitsgesetz in den deutschen Bundesländern bzw. Universitätsgesetz 2002 in Österreich) mit stärkerer Autonomie für die Universitäten ein großer Bedarf an Vergleichsmöglichkeiten zu Fragen wie „Wie wirtschaftlich arbeitet eine Bibliothek? Wie hoch sind die Kosten pro Ausleihe?, Wie steht die Bibliothek im Vergleich zu anderen gleicher Art und Größe da?“

Wie sehen Sie die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der DBS? Wo wird in Zukunft das Hauptaugenmerk liegen?

R.M. Schmidt: Der Leistungsvergleich mit Leistungsindikatoren ist die eine Seite der Bibliotheksstatistik. Durch die offene Struktur der DBS können Anwender anders als im BIX Leitungsindikatoren selbst schaffen. Die DBS-Daten sind Kennzahlen, deren Verwendung in Indikatoren für derartige Vergleiche dem jeweiligen Erkenntnisinteresse angepasst werden kann und muss. Dies birgt auch die Gefahr einer „falsch negativen“ Aussage, wenn unsachgemäß und ohne den fachlichen Kontext vorgegangen wird.

Durch die Variable Auswertung können nun auch fachfremde, aber am Bibliothekswesen Interessierte DBS-Kennzahlen heranziehen: Unterhaltsträger, Journalisten, Meinungsforschungsinstitute. Die DBS ist aber zunächst ein Werkzeug für Bibliothekare, die es zur Vorbereitung derartiger Fragen, wie Sie sie eben erwähnt haben, mit Gewinn einsetzen können.

Wie das Bild der Bibliothek einem immerwährenden Wandel unterworfen ist – heute einem schnelleren Wandel denn je – werden sich auch die Fragen, die an eine Bibliotheksstatistik gestellt werden, verändern. International beobachten wir einen Wandel von der Leistungsmessung (performance) hin zur Effizienzmessung (efficiency), für welche nach geeigneten Definitionen für Indikatoren gesucht wird. Die dabei verwendeten Kennzahlen dürften sich in der bisherigen DBS wiederfinden lassen. Dennoch wird, wie ja schon am Beispiel des Fragebogens für Wissenschaftliche Bibliotheken gezeigt, eine Überarbeitung der Kennzahlen in größeren Zeiträumen notwendig sein. In größeren Zeiträumen deshalb, weil uns die DBS sehr schön zeigt, dass die inhaltliche Kontinuität der Datenerhebung erst zu einer über viele Jahre möglichen Vergleichsanalyse von Trends und Bewegungen führt. Dies muss die fortwährende Weiterentwicklung der DBS im Auge behalten.

10. Internationale Kooperation

B. Bauer: Das Thema Aktualisierung und Optimierung der Bibliotheksstatistik bzw. Erstellung neuer Kennzahlen wird an den österreichischen Bibliotheken seit Jahren diskutiert.

Besteht die Möglichkeit, dass – ähnlich wie beim BIX – auch österreichische Bibliotheken sowie Bibliotheken anderer Länder außerhalb Deutschlands die Infrastruktur der DBS nutzen? Könnte durch eine „Internationalisierung“ der DBS auch eine neue länderübergreifende Vergleichsmöglichkeit geschaffen werden?

R.M. Schmidt: Die Öffnung der DBS für andere Länder haben wir bereits eingeleitet, wobei unser Angebot daran ausgerichtet ist, die DBS-Infrastruktur komplett zur Verfügung zu stellen. Dabei ist die länderübergreifende Vergleichbarkeit derzeit eher dort gegeben, wo sich auch eine vergleichbare Bibliothekslandschaft entfaltet. Zudem ist die Vorgabe der DBS-Fragebögen für eine solche Vergleichsmöglichkeit essentiell.

Der Österreichische Bibliothekenverbund hat sich Ende 2007 entschieden, in Zukunft die Infrastruktur der Deutschen Bibliotheksstatistik mit nutzen zu wollen und dazu in Gespräche mit den Betreibern der DBS einzutreten. Die Gespräche zwischen hbz und der OBVSG als Verbundzentrale wurden inzwischen aufgenommen und verlaufen sehr konstruktiv. Wir sind optimistisch, die Vertragsdetails noch im ersten Halbjahr 2008 klären zu können. Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung, denn sie könnte auch für andere Länder interessant sein.

Die DBS-Redaktion beim hbz wird sich aktiv an internationalen Gremien beteiligen, die sich mit Bibliotheksstatistiken beschäftigen, so z.B. in LIBER und IFLA. Zudem haben wir uns vorgenommen, eine für die deutschsprachigen Regionen aufgearbeitete Zusammenstellung der online verfügbaren Bibliotheksstatistiken anderer Länder zu erarbeiten. Die von Ihnen angesprochene „Internationalisierung“ ist mir eine sehr wichtige Perspektive für unsere zukünftige Arbeit.


Kontakt und biographische Daten

Dr. Ronald Michael Schmidt

Abbildung 1 [Abb. 1]

Kontakt

Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz)
Jülicher Straße 6
50674 Köln
Tel.: ++49 (0) 221 400 75 - 132
Fax: ++49 (0) 221 400 75 - 283
E-Mail : schmidt@hbz-nrw.de

Biographische Daten

Tätigkeit: Leiter der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS)

Berufliche Vita: 1990 – heute: Hochschulbibliothekszentrum NRW, Köln
Mitglied der Stabsstelle Dezentrale Aufgaben
Geschäftsbereichsleiter Verbundsystem/Lokalsysteme
Fachbereichsleiter Bibliotheks- und Informationsdienste
Dezernent Bibliothekarische Dienstleistungen

1984 – 1989: UB Heidelberg
Abteilungsleiter Heidelberger Gesamtkatalog und Bibliothekssystem
Leiter der Stabsabteilung Öffentlichkeitsarbeit
- Leiter des DBI-Projektes Arbeitsplatzcomputer in Spezialbibliotheken mittlerer Größenordnung
- Ausstellungsprojekte: u.a. Codex Manesse (1988) und Bibliotheca Palatina (1986)

1983 – 1984: UB Bonn
Wissenschaftlicher Angestellter
Nachlasserschließung

1977 – 1981: RWTH Aachen
Wissenschaftlicher Assistent
Lehrstuhl für Ältere Deutsche Literaturgeschichte (Prof. Dr. Thomas Cramer)

Ausbildung: 1981 – 1983: Referendariat und Laufbahnprüfung

Bibliotheksreferendar UB Bonn
FHBD Köln

1980: Promotion zum Dr. phil., RWTH Aachen
Studien zur deutschen Minnerede

1972 – 1976: Studium RWTH Aachen
Germanistik/Pädagogik
Staatsexamen

Publikationen (in Auswahl)

Ronald M. Schmidt: DBS. Verstaubte Statistik oder verkannter Mehrwert für Spezialbibliotheken. - Berlin 2007 (ASpB-Tagung 25. - 28. September 2007)

Nicola Roßmann und Ronald M. Schmidt: DBS – die große Schwester des BIX. – In: B.I.T.online Sonderheft 2007: BIX. Der Bibliotheksindex, 46

Ronald Michael Schmidt: Vom Zentralkatalog zum Verbund. Fernleihsteuerungsinstrumente und kooperative Katalogisierung. – Wolfenbüttel 2004 (13. Jahrestagung Wolfenbütteler Arbeitskreis für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte 10.-12. Mai 2004)

Ronald Schmidt, Irmgard Siebert und Rolf Thiele: Nutzungsquoten von Fremdleistungen im Verbund – die RAK-AACR-Diskussion in Nordrhein-Westfalen. - In: Bibliotheksdienst 37 (2003) 1416

Tatjana Mrowka and Ronald M. Schmidt: Inter-library loan ICT solutions in Germany - cooperating by networking. – In: Liber Quarterly 13 (2003) 343

Ronald Michael Schmidt: Bibliotheksverbünde und Gesamtkataloge – Perspektiven der Verbundarbeit. – Bratislava 2002 (Vortrag)

Ronald Michael Schmidt: ALEPH in the 21st century - future developments of Ex Libris library information system. - Paris: ICAU 2002 (Panel Session)

Claudia Kröhnert, Hans-Dieter Hartges and Ronald M. Schmidt: Bibliographischer Werkzeugkasten—Bibliographic Toolbox. A Tremendous Source of Online Library-Related Information and Databases. – In: Serials Librarian 45 (2003) 47

Ronald M. Schmidt: Can libraries be intermediates for the acquisition, production and presentation of scholarly information? Visions of a dynamic electronic publishing environment as added value to electronic library portals. - LIBER workshop on OAI and peer review journals in Europe - CERN, Geneva, March 22-24, 2001

Ronald Michael Schmidt: Perspektiven für den Nordrhein-Westfälischen Bibliotheksverbund. – In: Bibliothek 25 (2001) 49

Luise Hoffmann and Ronald M. Schmidt: Cataloguing of Electronic Journals in the Union Catalogue of the North Rhine-Westphalian Library Network. – In: Serials Librarian 35 (1998) 123

Ronald Michael Schmidt: Die Anwendung der überregionalen Personennamendatei in Verbundsystemen. - In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 44 (1997), 117

Martin Jansen und Ronald Schmidt: Pflichtenheft Monographienerwerbung (Überarbeitete Fassung). – In: Bibliotheksdienst 25 (1991) 1546

Hans-Joachim Haubold, Martin Jansen und Ronald Schmidt: Pflichtenheft Monographienerwerbung. – In: Bibliotheksdienst 23 (1989) 254