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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Die infizierte Problemwunde 2007

The infected problem wound 2007

Editorial

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  • corresponding author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Ojan Assadian - Klinisches Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, Medizinische Universität, Wien, Österreich
  • Gerd Hoffmann - Johann Wolfgang Goethe Universität, Institut für Sportwissenschaften, Frankfurt/Main, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc65

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/dgkh/2007-2/dgkh000098.shtml

Published: December 28, 2007

© 2007 Kramer et al.
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Editorial

Nachdem 2005 die erste Tagung der DGKH „Die infizierte Problemwunde“ ein überraschend großes Echo gefunden hatte und die Kongressbeiträge in dem aus diesem Anlass gegründeten frei zugängigen eJournal „GMS Krankenhaushygiene Interdisziplinär“ eine anhaltend bemerkenswert hohe Zugriffsrate haben (Tabelle 1 [Tab. 1]), wurde 2007 die zweite Tagung zum gleichen Rahmenthema wiederum in Berlin durchgeführt.

Im vorliegenden Volume 2, Issue 2 wurde die Veranstaltung „Die infizierte Problemwunde 2007“ wiederum zu einer zusammenhängenden Publikation mit weiterführenden Literaturangaben aufbereitet. Dabei wird die Gesamtdarstellung durch eine Vielzahl von Abbildungen klinisch typischer Gegebenheiten verdeutlicht.

Infektionen und Heilungsstörungen von Wunden sind seit jeher gefürchtete Komplikationen nach Unfällen und Operationen. Auch heute bedeutet eine Wundheilungsstörung eine Verlängerung des Leidens für den Patienten und zusätzliche Kosten für das Gesundheitswesen. Die zunehmende Anzahl alter und kranker Menschen in unserer Gesellschaft, viele von ihnen sind immobil, lassen zudem die Anzahl von Patienten mit chronischen Wunden, insbesondere druck- und durchblutungsbedingten Ulcerationen, ansteigen. Eine zügige, sichere und erfolgreiche Therapie infizierter Problemwunden ist daher nicht nur eine menschliche und ärztliche Herausforderung ersten Ranges, sondern dient auch dem effizienten Einsatz von Ressourcen im Gesundheitssystem.

Ausgehend von dieser Situation wurden an zwei Tagen in 7 Themenkomplexen folgende Schwerpunkte behandelt:

  • Primäre Wundkonditionierung kontaminierter traumatischer und chronischer Wunden (Doc58-Doc64): Die Vorträge aus diesem Schwerpunkt beschäftigten sich insbesondere mit dem Debridement, der Wundreinigung, der antiseptischen Primärversorgung und dem Wundmanagement akuter und chronischer Wunden einschließlich chirurgischer Versorgung.
    Differenziert wurden die Indikationen zur Wundantiseptik behandelt. Die Indikationsstellung ist abhängig von der Wechselwirkung auf die Wunde gelangter Mikroorganismen mit dem Wirtsorganismus (Attachment, Kolonisation, kritische Kolonisation oder Infektion) bzw. sie kann aus epidemiologischen Gesichtspunkten gegeben sein (z.B. Kolonisation mit MRSA). Für die Indikation müssen Stadium, Schwere, Lokalisation und der Grad der Kontamination/Infektion der Wunde bewertet werden. Des Weiteren ist die Frage nach den Folgen einer möglichen Infektion entscheidend. Umso verschmutzter, komplizierter und infektionsgefährdeter eine Wunde ist, umso größer ist die Rolle der Antiseptik. Während bei einer oberflächlichen, kontaminierten Wunde die Dekontamination und die Wundauflage im Vordergrund stehen und die Antiseptik ggf. nur präventiv durchgeführt wird, ist bei kritischer Kolonisation oder Infektion die Antiseptik entscheidender Teil der Therapie.
  • Prävention postoperativer Wundinfektionen und interdisziplinäre Empfehlungen (Doc55-Doc57): Im Mittelpunkt stand die Vorstellung und Diskussion der „Richtlinie zur Prävention postoperativer Wundinfektionen“ der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut Berlin, des aktuellen Bearbeitungsstands der „Interdisziplinären Konsensusempfehlung zur antiseptischen Behandlung akuter und chronischer Wunden“ sowie neuer Anforderungen an die chirurgische Händedesinfektion mit dem sich daraus ergebenden veränderten Prozedere. Diese Leitlinien und Empfehlungen sind Richtschnur und Hilfe für den klinisch Tätigen in seiner täglichen Praxis.
  • Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) zur Verbesserung der Wundheilung (Doc52-Doc54): Als naturnahes Wundbehandlungsverfahren hat wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) als spezielle Form der Wärmestrahlung mit hohem Penetrationsvermögen sein Leistungsvermögen – eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept – in prospektiven, randomisierten, kontrollierten, doppelblinden klinischen Studien unter Beweis gestellt. Dominierende Wirkungen sind Schmerzreduktion mit geringerem Schmerzmittelverbrauch, Minderung von Entzündung und Hypersekretion, verbesserte Wundheilung bei akuten und chronischen Wunden, weniger Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen und damit tendenziell kürzerer Krankenhausaufenthalt.
  • Indikationen und Wirksamkeit von Medihoney (Doc50-Doc51): Medizinischer Honig ist ein innovatives antiseptisches Therapeutikum, das erfolgreich zur Behandlung akuter oder chronischer Wunden, die eine Applikation von Medihoney™ zulassen, eingesetzt wird. Bevorzugte Einsatzbereiche sind hochgradig immunsupprimierte Patienten mit chemotherapie-bedingten Wundheilungsstörungen, Wundantiseptik bei pädiatrischen Patienten in der Hämatologie-Onkologie und kardiochirurgische Sternuminfektionen bei Neugeborenen mit angeborenem Herzfehler. Bei übel riechenden Wunden oder exophytisch wachsenden Tumoren wird der sozial stigmatisierende Geruch in wenigen Tagen beseitigt.
  • Befunde zur Nutzen-Risiko-Bewertung von Octenidin, Polihexanid, Iodophoren, Silber und Chitosan sowie entsprechender Wundauflagen (Doc39-Doc49): Der Einsatz der Antiseptika wurde einer ausführlichen Nutzen-Risiko-Analyse unterzogen, wobei auch antiseptische Wundauflagen in die Bewertung eingeschlossen wurden. Als Fazit lässt sich ableiten, dass Octenidin-basierte Wundantiseptika als Wirkstoff der ersten Wahl für infizierte akute Wunden anzusehen sind und bei entsprechender Verdünnung auch zur Behandlung infizierter chronischer Wunden in Frage kommen. Für schlecht heilende chronische und für sehr empfindliche Wunden (z. B. Verbrennungswunden) gilt Polihexanid aufgrund der Gewebeverträglichkeit und der Wundheilungsförderung als Mittel der 1. Wahl. Geeignet sind Polihexanid-basierte Wundantiseptika aber auch zur antiseptischen Primärversorgung traumatischer stark verschmutzter Wunden. Mit Polihexanid ausgerüstete Wundauflagen sind nicht nur antiseptisch effektiv, sondern stimulieren die Wundheilung. Auf Grund der positiven Wirkung auf Chondrocyten ist PVP-Iod als Mittel der Wahl bei Gelenkempyem zu sehen. Eine wesentliche Einschränkung ist die Resorptionstoxizität bei Einsatz an Patienten mit manifester Hyperthyreose. Auf Grund der hohen Zytotoxizität von Silber sind bei seinem Einsatz in Wundauflagen möglichst solche zu bevorzugen, die kein Silber in die Wundumgebung abgeben, um die Wundheilung nicht negativ zu beeinflussen.
    Als neuer Wirkstoff wurde Chitosan vorgestellt. Das natürliche Biopolymer wird aus den Hüllen von Meerestieren (Krabben, Shrimp-Schalen) gewonnen und stellt die deacylierte Form von Chitin dar. Aufgrund der Aminogruppe in der C-2-Position der Glucosamineinheit ist es antimikrobiell wirksam, da es in seiner kationischen Form an die anionische Zellwand von Bakterien binden kann. Das Wirkungsspektrum umfasst Pilze, Bakterien und Viren. In Textilien ist es aliphatischen Aminen, Quats und Ag/Zn/Cu-Zeoliten an Wirksamkeit überlegen. In Knochenzement wird die Wirkung von Gentamycin durch Nanopartikel von Chitosan verstärkt. In Wundauflagen bleibt die mikrobiostatische Wirkung auch in Gegenwart von Protein für etwa 3 h erhalten, während die Wirkung einer silberbeschichteten Wundauflage durch Protein komplett aufgehoben wurde.
  • Aktuelle Entwicklungen (Doc34-Doc38): In diesem Schwerpunkt wurden sowohl methodische Innovationen als auch neue Behandlungsverfahren sowie die präoperative Versiegelung der Hautflora als neue Möglichkeit der präoperativen Infektionsprävention behandelt.
    Die Laser-Scan-Mikroskopie ermöglicht die quantitative Charakterisierung der Wundheilung einschließlich von im Gewebe befindlichen Mikroorganismen in vivo, was zu prinzipiell neuen Erkenntnissen geführt hat.
    Fliegenmaden haben seit längerem ihren etablierten Platz in der Behandlung vor allem chronischer infizierter Wunden bei älteren Patienten wegen des schonenden Debridements. Ihre antiseptische Wirkung ist mit der von Antiseptika vergleichbar, wobei die Vorteile des Biodebridements und der Wundheilungsförderung hinzukommen.
    Die Stimulation der Wundheilung durch pulsierenden Gleichstrom ist in vitro und in vivo belegt. Es lässt sich zusätzlich eine antibakterielle Wirkung nachweisen, die aber als Erklärung für die Wundheilungsförderung allein als nicht ausreichend anzusehen ist. Hauptanwendungsgebiet sind chronische Wunden. Für die Effektivität bei chronischen venösen Ulcera cruris ergab eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2006 allerdings keine Evidenz. Für Druckulcera ist die Evidenz unklar, so dass weitere Studien empfohlen werden. Problematisch ist die Empfehlung von optimaler Dosis und Intervall, weil das in den Studien differierte.
  • Qualitätssicherung der Wundversorgung, Anforderungen an das ambulante Wundmanagement (Doc30-Doc33): Am Beispiel der diabetischen Fußbettung wurden die Initiativen zur Qualitätssicherung im Bereich der Hilfsmittelversorgung dargestellt. Die Qualitätsoffensive des Bundesinnungsverbands für Orthopädie-Technik hat 2003 die Patientenversorgung in den Mittelpunkt gestellt und in Form einer Leitlinie die Versorgungsabläufe, Strukturen, Prozesse und Versorgungsergebnisse tansparent und nachvollziehbar gemacht. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Anforderungen an das ambulante Wundmanagement aus ärztlicher, pflegerischer, haftungs- und strafrechtlicher Sicht.

Die DGKH hat mit der Tagung 2007 „Die infizierte Problemwunde – Prävention von Wundinfektionen und Therapieoptionen für infizierte Wunden“ erneut ein Forum für den Wissens- und Gedankenaustausch zwischen Forschern, Klinikern, Therapeuten und der Industrie geschaffen, auf dem neben der Fachdiskussion zu den wissenschaftlichen Vorträgen auf der kleinen, aber informativen Industrieausstellung mit Präsentation neuer Entwicklungen ausreichend Platz für die weiterführende Diskussion blieb. Dabei lag der Schwerpunkt der Tagung eindeutig nicht nur auf der theoretischen Grundlagenforschung, sondern in gleicher Weise auf der praktischen Anleitung und Hilfe für die tägliche klinische Praxis.