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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Mikrobiozide Wirksamkeit von MedihoneyTM

Microbiocidal efficacy of MedihoneyTM

Originalarbeit

  • Dorothee Igelbrink - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Torsten Koburger - Hygiene Nord GmbH, Greifswald, Deutschland
  • Arne Simon - Zentrum für Kinderheilkunde, Bonn, Deutschland
  • corresponding author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc50

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/dgkh/2007-2/dgkh000083.shtml

Published: December 28, 2007

© 2007 Igelbrink et al.
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Zusammenfassung

Da bisher nur die mikrobiostatische Wirksamkeit von medizinischem Bienenhonig untersucht worden ist, sollte die für die antiseptische Wirkung wichtigere Wirkungsqualität der mikrobioziden Wirksamkeit in vitro geprüft werden.

Im quantitativen Suspensionstest gemäß DIN EN 1040 bzw. DIN EN 1275 konnte für den untersuchten medizinischen Honig (Medihoney™) 1:10 verdünnt nach 24 und 48 h Einwirkungszeit gegen S. aureus ein Reduktionsfaktor (RF) ohne und mit 10% Eiweißbelastung von durchschnittlich 3 lg (empfohlener Wert), gegen P. aeruginosa von >3 lg bzw. nach 48 h von >6 lg ermittelt werden. Gegen C. albicans war die Wirksamkeit mit einem RF von 1,5 zwar geringer, trotzdem unterschied sich die Wirksamkeit einer zum Vergleich geprüften antiseptischen Wundauflage mit Gehalt an nanokristallinem Silber als antiseptisches Agens ohne Belastung nicht von der des medizinischen Honigs. Bei Belastung war medizinischer Honig der Wundauflage an mikrobiozider Wirksamkeit überlegen. Da medizinischer Honig in praxi unverdünnt angewendet wird, ist in vivo von einer deutlich höheren mikrobioziden Wirksamkeit auszugehen.

Schlüsselwörter: Medihoney™, Actisorb® silver 220, mikrobiozide Wirkung, S. aureus, P. aeruginosa, C. albicans

Abstract

The microbiostatic efficacy of medical honey has been analyzed in detail in the past. Of greater importance from a clinical point of view are its microbiocidal properties.

This study presents data on the microbiocidal efficacy of medical honey (Medihoney™) based on the quantitative suspension tests according to the European Standards DIN EN 1040 and DIN EN 1275. The investigation revealed that medical honey, applied at a product concentration of 10%, possessed bactericidal activity against S. aureus in 24 h and 48 h in the absence of interfering substances as well as in the presence of 10% albumin with the recommended reduction factors (RF) of around 3 log. Against P. aeruginosa a RF >3 log or >6 log was obtained after 24 or 48 h, respectively. The antifungal activity against C. albicans was not as pronounced (RF >1.5 log). However, when tested under conditions without interfering substance, this activity equals that of a comparatively analyzed wound dressing containing nano-crystalline silver. In the presence of 10% albumin, the microbiocidal activity of medical honey was superior to the silver wound dressing. Since in clinical practice medical honey is applied undiluted, its microbiocidal potential in vivo is supposed to be considerably higher.

Keywords: Medihoney™, Actisorb® silver 220, microbiocidal activity, S. aureus, P. aeruginosa, C. albicans


Einleitung

MedihoneyTM ist ein zur Wundbehandlung deklariertes Medizinprodukt der Klasse IIB, das als gelblich dunkler Honig in einer dickflüssigen (MedihoneyTM Barrier) und einer etwas konsistenteren (MedihoneyTM Wundgel) Präparation zur Verfügung steht.

Medizinischer Honig ist mikrobiostatisch sowohl gegen grampositive als auch gegen gramnegative Bakterien einschließlich multiresistenter Stämme sowie gegen Candida spp. wirksam, wobei die Wirksamkeit vom Gehalt an Wasserstoffperoxid und von der antioxidativen Kapazität abhängt [1], [2]. Sortenabhängig wird bereits in 30-50%iger Verdünnung die Vermehrung von Bakterien einschließlich C. botulinum und von Candida spp. komplett gehemmt [2], [3], [4], [5], [6], [7], wobei sich E. coli, P. aeruginosa und H. influenzae als am empfindlichsten erwiesen haben [3]. Nur A. niger, ein für Wunden nicht relevanter Erreger, wurde nicht gehemmt [8]. Im Vergleich dazu ist 100%ige Glucose deutlich weniger wirksam, so dass eine Reihe von Mikroorganismen überleben [3], [9]. Auch die Erwärmung von medizinischem Honig auf 80°C für 1 h reduziert die Wirksamkeit [3].

Die Wirkung von medizinischem Honig beruht vor allem auf der Bildung von Wasserstoffperoxid in nicht zytotoxischen Konzentrationen durch im Honig enthaltene Glucoseoxidase im feuchtem Milieu an der Grenzfläche zur Wunde. Ferner enthält medizinischer Honig antimikrobiell wirksame Flavonoide [10] und weitere bislang nicht endgültig charakterisierte Komponenten. Die antimikrobielle Wirkung wird durch die hohe Osmolarität des Honigs verstärkt. Durch die Osmolarität wird zugleich das Wundödem reduziert. Die Anwendung von medizinischem Honig ermöglicht ein nicht invasives Debridement avitaler Wundanteile und erleichtert den Verbandwechsel, weil das aus dem Gewebe mobilisierte Exsudat die Wunde feucht hält [11]. Durch medizinischen Honig wird durch Beeinflussung der Kollagenbildung einer überschüssigen Narbenbildung entgegen gewirkt [12].

Für die Wundpflege zugelassener medizinischer Honig kann bei Schürfwunden, Verbrühungen und Verbrennungen bis einschließlich Grad II und auch bei hochgradig immunsupprimierten Patienten mit Chemotherapie-bedingten Wundheilungsstörungen eingesetzt werden; es liegen gut dokumentierte Fallserien zur Anwendung bei mit MRSA infizierten chronischen Wunden und Sternuminfektionen nach kardiochirurgischer Thorakotomie bei Neugeborenen mit angeborenem Herzfehler vor. Bei übel riechenden Wunden und exophytisch wachsenden Tumoren wird durch Anwendung von MedihoneyTM in wenigen Tagen der sozial stigmatisierende Geruch beseitigt [11], [13], [14]. Weitere Einsatzbereiche sind nekrotisierende Weichteilinfektionen [15]. In Kombination mit Olivenöl und Bienenwachs war medizinischer Honig wirksam bei Windeldermatitis, Psoriasis, Ekzem und Dermatomykosen [16] sowie bei Analfissuren und Hämorrhoiden, ohne dass Nebenwirkungen [17] beobachtet wurden. Dagegen war beim U. cruris bei Patienten mit Sichelzellanämie keine Wundheilungsbeeinflussung feststellbar [18].

Kontraindikation ist das Vorliegen einer Allergie gegen das Produkt (nicht Allergie gegen Bienengift!). Schmerzen, die nach dem Auftragen auf die Wunde anhalten, können z. T. durch den Wechsel zu MedihoneyTM Gel vermieden werden. Ggf. ist eine 30minütige Konditionierung der Wunde mit lokalanästhetischer EMLA® Creme möglich [11]; mitunter muss die Behandlung wegen dieser Schmerzen abgebrochen werden (<5% aller Patienten).

Aktuell ist allerdings keine ausreichende Evidenz für die Auswahl einer bestimmten Honigsorte gegeben [19], da nur sehr wenige kontrollierte Studien vorliegen.

Bisher wurde ausschließlich die mikrobiostatische, nicht jedoch die mikrobiozide Wirkung von medizinischem Honig untersucht. Für den Einsatz in der Pflege kolonisierter oder infizierter Wunden ist jedoch vor allem die Kenntnis der mikrobioziden Wirksamkeit ausschlaggebend [20]. Deshalb sollte im quantitativen Suspensionstest die mikrobiozide und levurozide Wirkung von MedihoneyTM geprüft werden.


Methoden

Die Testung wurde im quantitativen Suspensionstest gemäß DIN EN 1040 [21] und DIN EN 1275 [22] mit den Testorganismen S. aureus ATCC 6538, P. aeruginosa ATCC 15442 und C. albicans ATCC 10231 durchgeführt. Medihoney™, eine antibakteriell wirksames, am Ende des Herstellungsprozesses mit Gammastrahlen sterilisiertes Medizinprodukt [23], wurde gemäß der Testmethode 1:9 verdünnt und ohne sowie mit Belastung durch 10% Rinderserumalbumin geprüft.

Das Testprinzip besteht darin, dass 1 ml der Suspension des Testorganismus in 8 ml Prüflösung +1 ml Wasser standardisierter Härte (WSH) gleichmäßig suspendiert werden. Nach Einwirkzeiten von 24 h und 48 h werden jeweils 1 ml des Testgemischs in 8 ml Inaktivierungsflüssigkeit (Neutralisator III: 3% Tween 80, 0,3% Saponin und je 0,1% Histidin und Cystein in Aqua dest) + 1 ml WSH überimpft. 1 ml des Prüf-Neutralisierungs-Gemischs wird als Doppelbestimmung auf Casein-Sojapepton-Agar (CSA) ausgespatelt und bei 36 ± 1°C über 24 h kultiviert. Parallel wird, ebenfalls als Doppelbestimmung, 1 ml der geeigneten Verdünnungen der eingesetzten Testorganismen-Suspension zur genauen Bestimmung der KbE-Anzahl direkt auf CSA gegeben und analogen Bebrütungsbedingungen unterzogen. Der Reduktionsfaktor (RF) gibt die Wirksamkeit an und wird aus der Differenz des lg der Ausgangszahl KbE und der nach Einwirkung von MedhoneyTM resultierenden Anzahl von KbE errechnet. Die Kontrolle des Verfahrens sowie der Wirksamkeit und der Nichttoxizität der Neutralisation wird entsprechend der normativen Vorgaben überprüft.

Zum Vergleich wurde die antiseptische Wundauflage Actisorb® silver 220 untersucht. Hierzu wurden die Wundauflagen in sterile Petrischalen (Ø 10 cm) gelegt und mit jeweils 2 x 3,5 ml Bakteriensuspension (in Trypton-NaCl-Lösung) auf der Oberfläche benetzt. Nach Einwirkzeiten von 24 h und 48 h wurde die Silberauflage mit 100 ml 0,1%iger Natriumthioglycolat-Lösung inaktiviert, gut durchmischt und 0,1 ml aus dem Direktansatz und 0,1 ml aus Verdünnungen auf CSA ausplattiert und bei 36±1°C für 48 h bebrütet.


Ergebnisse und Diskussion

Der hier untersuchte medizinische Honig (MedihoneyTM) ist in der versuchsbedingt gewählten Verdünnung von 1:10 nach 24 und 48 h bakteriozid wirksam. Dabei wird vor allem bei Eiweißbelastung, wie sie bei Anwendung auf Wunden durch das Wundexsudat häufig gegeben ist, die Wirksamkeit der antiseptischen Wundauflage Actisorb® silver 220 z. T. deutlich übertroffen. Gegen C. albicans ist die Wirksamkeit von medizinischem Honig geringer ausgeprägt, unterscheidet sich jedoch nicht in der Wirksamkeit von der antiseptischen Wundauflage Actisorb® silver 220 (Tabelle 1 [Tab. 1]). Diese Ergebnisse sind insofern besonders bemerkenswert, als medizinischer Honig in 1:10 Verdünnung geprüft wurde, was nicht der Anwendungspraxis entspricht, während die Wundauflage in toto geprüft wurde und damit die Bedingungen in vivo simuliert wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei geringerer Verdünnung die mikrobiozide Wirksamkeit des medizinischen Honigs ansteigt.

In der klinischen Praxis ist die hier erstmals in dieser standardisierten Versuchsanordnung nachgewiesene mikrobiozide Wirksamkeit von medizinischem Honig gegen klinisch relevante Erreger von Wundinfektionen von erheblicher Bedeutung. Auf Grund der mikrobioziden Wirksamkeit erscheint die Einstufung als Medizinprodukt der Klasse IIb problematisch. Zutreffender wäre die Einstufung als Medizinprodukt der Klasse III, weil die Hauptwirkung zwar auf physikalischem Weg durch die Osmolarität erreicht wird, die physikalische Wirkung jedoch durch den Gehalt an natürlichen antiseptischen Wirkstoffen pharmakologisch unterstützt wird [24]. Allerdings sollten die für die antimikrobielle Wirksamkeit entscheidenden Komponenten in weiteren Untersuchungen näher eingegrenzt werden [25].


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