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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Multispektrales optisches System zur Messung der Tiefe von Verbrennungswunden – Diagnose und Dokumentation

Multi-spectral optical system to measure the depth of burns – diagnosis and documentation

Originalarbeit

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  • corresponding author Werner Eisenbeiß - Klinik für Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc36

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/dgkh/2007-2/dgkh000069.shtml

Published: December 28, 2007

© 2007 Eisenbeiß.
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Zusammenfassung

Zur Beurteilung der Verbrennungstiefe bei Patienten mit schweren Verbrennungen wurde ein Messverfahren in Form einer multispektralen 4-Kanal-Remissionsspektroskopie mit integrierter Software zur Datenverarbeitung entwickelt. Multizentrisch konnte der Nachweis erbracht werden, dass es mit dem entwickelten Verfahren möglich ist, unterschiedliche Therapiemaßnahmen zu vergleichen, was einen entscheidenden Schritt zur Qualitätssicherung darstellt.

Bis heute gibt es kein ähnlich geartetes Verfahren, das eine objektive Beurteilung der Verbrennungstiefe mit reproduzierbarer Befunddokumentation erlaubt. Vorteile des Messverfahrens sind das nicht invasive Arbeiten, die rasche Bildgewinnung innerhalb 1,5 min und die Durchführbarkeit selbst durch unerfahrenes Personal.

Schlüsselwörter: multispektrale 4-Kanal-Remissionsspektroskopie, Bestimmung der Tiefe von Verbrennungswunden, Qualitätssicherung

Abstract

A multi-spectral 4 channel remission-spectroscope using integrated software was developed in order to measure the depth of burns in patients with severe burns injuries. This new assessment method was evaluated in a multi-center study. It was shown that the method is able to be used as a valuable tool to compare different treatment modalities leading to new aspects for quality assurance in burns patients. Hitherto, no other method was able to assess the depth of burns in an objective and reproducible manner yielding image documentation at the same time.

The advantages of this new measure methods are that it is non-invasive, the fast image generation within 1.5 minutes and the ease of use even for inexperienced personnel.

Keywords: multi-spectral 4 channel remission-spectroscope, assessment of depth of burns, quality assurance


Text

Einleitung

Die Beurteilung der Verbrennungstiefe von Gewebe bereitet grundsätzlich Schwierigkeiten. Die Behandlung von Patienten mit schweren Verbrennungen bedingt hohe Kosten für die Phase der Intensivbehandlung und der nachfolgenden Rehabilitation. Entscheidend für die Form der Behandlung, den nachfolgenden Heilungsprozess und das Outcome der Patienten ist die sichere Erstdiagnose, d.h. die richtige Beurteilung der Tiefe von Verbrennungswunden.

Üblicherweise erfolgte diese Beurteilung bis heute anhand des optischen Eindrucks und der Einschätzung durch den Mediziner. Diese Einschätzung ist nicht fehlerfrei und nicht reproduzierbar, bedingt durch den unterschiedlichen Aspekt von Verbrennungswunden und durch die Abhängigkeit der individuellen optischen Leistungsfähigkeit sowie der unterschiedlichen Erfahrungen mit Brandverletzungen bei verschiedenen Untersuchern. Daher wird bereits seit Jahren von Verbrennungsmedizinern gefordert, dass ein objektives Messverfahren zur Beurteilung der Verbrennungstiefe für den klinischen Einsatz notwendig ist und nur hierdurch eine objektive reproduzierbare Therapie und Dokumentation zur Qualitätssicherung möglich wird. Die entscheidenden Vorteile eines objektiven Messverfahrens, das in einer sehr frühen Phase nach der Verbrennung die Brandverletzungstiefe beurteilen lässt, ergeben sich in der verbrennungsgerechten passenden Behandlung und bedingen eine Verkürzung der Behandlung unter intensivmedizinischen Bedingungen, was eine deutliche Kostenreduzierung erlaubt und ein besseres Outcome für die Patienten darstellt. Die Untersuchungsmethode muss nicht invasiv sein, soll keine Schmerzen verursachen, muss schnell und einfach zu bedienen sein und für den klinischen und praktischen Gebrauch angepasst sein. Ein kontaktfrei arbeitendes System verhindert Wundkontamination oder Infektion.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden vorrangig experimentell diverse Messmethoden und -techniken eingesetzt, wie Thermographie, Sonographie, optische Kohärenztomographie, Videoangiographie, Laserdoppleruntersuchung oder Messungen mit Vitalfarbstoffen. Grundsätzlich benutzen alle diese Methoden zur Messung verbrennungsrelevante Parameter in der betroffenen verbrannten Haut, um die Verbrennungstiefe zu bestimmen. Dieses wird vorrangig zur Beurteilung der Perfusion durch Thermographie, Vitalfarbstoffe, Angiographie oder Laserdopplerverfahren genutzt. Veränderungen in der Struktur brandverletzter Haut werden dargestellt durch Sonographie oder optische Kohärenztomographie. Der Nachteil fast aller dieser Methoden ist zunächst die Notwendigkeit, mit der verbrannten Haut Kontakt zu haben, weiterhin das Problem, dass häufig nur wenige mehr oder weniger repräsentative Stellen gemessen werden, dass im allgemeinen der Messzeitraum viel Zeit benötigt und bestimmte Messkonditionen erforderlich sind, da sonst durch Interaktionen mit der Umgebung Fehler oder Falschinformationen gewonnen werden. Ein weiteres Problem ist die Anzahl relevanter Parameter, um eine sichere Beurteilung der Verbrennungstiefe zu erlauben. Viele Techniken sind sehr aufwändig, nicht zuletzt durch lang andauernde Scanprozesse mit dem Risiko der Auskühlung von Patienten bei großflächigen Oberflächenschäden. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass bis heute keine praktikable Methode für den klinischen Gebrauch entwickelt wurde. Der einzige halb klinische eher experimentelle Ansatz, der zumindest eine gewisse Aussagefähigkeit ermöglicht, ist der Einsatz des Laserdopplers, wobei lediglich ein Parameter, nämlich die Perfusion der Haut, mit guter Sicherheit gemessen wird (Laserdoppler-Imaging-Verfahren). Dieses Messverfahren ist allerdings nur für kleinere Areale mit einem relativ hohen Zeitaufwand einsetzbar und ist relativ empfindlich gegenüber Bewegungen des untersuchten Patienten.

Entwicklung einer multispektralen 4-Kanal-Remissionsspektroskopie mit integrierter Software zur Datenverarbeitung für die Einschätzung der Verbrennungstiefe

Ausgehend von Voruntersuchungen durch Heimbach und Afromowitz [1], die die Möglichkeiten der optischen Remission von Licht mittels spektroskopischer Messtechniken zur Einschätzung der Verbrennungstiefe untersuchten, entwickelten wir ein Analysesystem und setzten dieses versuchstechnisch zur Beurteilung der Verbrennungstiefe ein. Hierbei wurden die Intensitäten spektraler Remission von Licht im sichtbaren und nahen Infrarotbereich an verbrannter Haut gemessen und relevante Parameter beurteilt. Festgelegt wurde hierbei die notwendige Anzahl von Messwerten, bedingt durch die verwendeten Wellenlängen mit ihrer spezifischen Spektralform und Bandbreite.

Bei diesem Vorgehen fanden wir, dass es möglich ist, bereits genügend Informationen zu gewinnen, um das Klassifikationsproblem der Verbrennungstiefe zu lösen, in dem man vier schmalbandige spektrale Bereiche nutzt, die speziell im Rahmen von Brandverletzungen der Haut Veränderungsmuster aufweisen. Notwendig ist zur Bearbeitung dieser Informationen ein sehr komplexes Datenverarbeitungsprogramm. Hierzu entwickelten wir adaptive Klassifizierungsmethoden, um pixelgerecht alle Informationen des multispektralen Bilds zur Verbrennungstiefenbeurteilung zu nutzen. Entwickelt wurden weiterhin komplexe Vorverarbeitungsschritte dieser datenadaptierten Clusteranalysemethoden in spezifischen Parameterräumen. Hierunter konnten alle einzelnen Bildpixel für die Klassifikation genutzt werden. Diese entwickelte Vorgehensweise ist wissensbasiert und erlaubt es, die hohen intra- und interpersonellen Unterschiede vom Erscheinungsbild von Brandverletzungen im Messparameterraum zu nutzen und auf dieser Basis eine spezifische Referenzdatenbank zu erstellen.

Das Messverfahren basiert auf einer 4-Kanal-Remissionsspektroskopie. Hierbei werden die Wundflächen mit Weißlicht bestrahlt und über eine Multispektralkamera mit schmalbandigen optischen Filtern, die speziell für Veränderungen der Haut durch Brandverletzungen festgelegt wurden, ein Remissionsspektrum aus den Farben Blau, Grün, Rot und nahes Infrarot erfasst. Die unterschiedlichen Remissionsintensitäten hängen ab von wichtigen Zuständen der verbrannten Haut wie Änderungen der Durchblutung, der Oxygenierung, der Schichtdicke und weiteren Zuständen brandverletzter Haut. Mit dem Messsystem wird über die 4-Kanal-Multispektralkamera die Datengewinnung im Sinne einer Fotografie durchgeführt und die gewonnenen Daten werden in der Kamera gespeichert. Zur Datenverarbeitung erfolgt der Transfer der Bilddaten zum Rechner, wo eine Bilddatenverarbeitung durch eine speziell entwickelte Software durchgeführt wird. Diese Resultate können dann als Echtfarbbild (zusammengestellt durch die Blau, Grün und Rot) oder als Falschfarbbildung mit Einteilung in die verschiedenen Verbrennungsgrade gespeichert und dokumentiert werden. Der Aufnahmeprozess erlaubt sowohl eine Ganzmenschaufnahme als auch die Erfassung kleinerer Regionen im Sinne einer Fotografie und in einem ähnlichen Zeitaufwand. Die Bilddatenbearbeitung und -verarbeitung benötigt pro Aufnahme ca. 1½ Minuten. Hierdurch hat man sowohl die Möglichkeit der Dokumentation als auch der sicheren Diagnose.

Bis heute gibt es kein ähnlich geartetes Verfahren, das so spezielle Informationen über die Verbrennungstiefe liefert und hierdurch eine objektive Beurteilung der Verbrennungstiefe erlaubt. Vorteile dieses Messverfahrens sind das nicht invasive Arbeiten und das Vermeiden von zusätzlichem Stress für den Patienten. Die Bildgewinnung ist sehr schnell, das System einfach zu händeln, ähnlich wie eine konventionelle Digitalkamera. Der Einsatz kann in unterschiedlichsten Umgebungsbedingungen erfolgen, sei es im Verbrennungsbad oder außerhalb einer Station im notfallmäßigen Einsatz. Zur Gewinnung der Daten sind kein spezielles medizinisches Wissen oder Erfahrungen mit Brandverletzungen erforderlich, d.h. das System kann durch unerfahrenes Personal bedient werden und mit einer Aufnahme großflächige Bilder mit guter Auflösung ermöglichen. Eine Ganzkörperaufnahme ist aufgrund einer Weitwinkeloptik kein Problem. Nach Bearbeitung der Daten im Rechner erhält man automatisch eine objektive Beurteilung der Verbrennungstiefe und eine reproduzierbare Dokumentation der vorliegenden Befunde.

Mit dem entwickelten Verfahren ist es möglich, unterschiedliche Therapiemaßnahmen bei gleichen Verbrennungsvorgaben zu vergleichen, was einen entscheidenden Schritt zur Qualitätssicherung darstellt.

Einschätzung des Leistungsvermögens des Messverfahrens

Entwickelt wurde das Verfahren sowohl in den Handware- als auch Softwarekomponenten im Rahmen von Forschungsprojekten über einem Zeitraum von mehr als 10 Jahren. Hierbei wurden zunächst experimentelle und industriell funktionelle Modelle entwickelt und eine spezifische Datenverarbeitung der Bilddaten wissensbasiert aufgebaut. Die experimentellen Systeme wurden im Verbrennungszentrum der Universität Lübeck sowie anderen europäischen Verbrennungszentren eingesetzt, unter anderem am Ausbildungszentrum der Französischen Armee in Percy Paris-Clamart. Hier wurden die Messdaten evaluiert und die Datenverarbeitungsschritte zur Entwicklung einer spezifischen wissensbasierten Datenbank entwickelt. Getestet wurden bei diesen experimentellen Untersuchungen sowohl die sequentielle Bildgewinnung unter Nutzung von Filterrädern als auch die parallele Bildgewinnung durch Einsatz optischer Prismen. Wegen der deckungsgleichen Bildgewinnung unter parallelem Bildeinzug favorisieren wir letztere Vorgehensweise. Der Verbrennungsgrad 2a wird blau, 2b grün und 3 rot dargestellt. Das Echtfarbbild, zusammengestellt aus den blauen, grünen und roten Spektralbereichen, wird zu Dokumentationszwecken genutzt und erlaubt bereits eine bessere Beurteilung der Verbrennungstiefe als das „informationsüberlagerte“ Bild, das mit dem Auge gewonnen wird. Dieses Bild dient der Dokumentation, das Falschfarbbild der Diagnose mit den farbkodierten Bildverarbeitungsresultaten und der Darstellung der Schweregradklassifikation.

Berücksichtigt werden muss selbstverständlich, dass vitales Gewebe, das mit Kunststoffen bedeckt ist (Katheter, Gummihandschuhe u.ä.) als avital beurteilt wird. Das Echtfarbbild weist gegenüber einem konventionellen Digitalfoto bereits deutlich Vorverarbeitungsprozesse durch die Wahl der schmalbandigen Filter auf und liefert somit bereits eine wesentlich bessere Beurteilbarkeit als das konventionelle Foto. Die Auswertung der Dokumentation erlaubt dann die Planung der Behandlung hinsichtlich konservativen oder operativen Vorgehens. Aufgrund der modularen Bauweise sowohl im Hardware- als auch im Softwarebereich kann dieses Messverfahren und die eingesetzten Datenverarbeitungsmethode auch zu anderen Anwendungsformen genutzt werden. Dieses soll unter anderem im Rahmen der Problemwundenbeurteilung und deren Dokumentation geschehen.


Literatur

1.
Heimbach DM, Afromowitz MA, Engrav LH, Marvin JA, Perry B. Burn depth estimation man or machine. J Trauma. 1984;24:373-8.