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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Mikrobiologische Probenahme bei chronischen Wunden

Microbiological sampling in chronic wounds

Übersichtsarbeit

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  • author Georg Daeschlein - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • corresponding author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc10

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/dgkh/2006-1/dgkh000010.shtml

Published: August 30, 2006

© 2006 Daeschlein et al.
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Zusammenfassung

Die mikrobiologische Untersuchung stellt speziell bei chronischen Wunden besondere Anforderungen an die Zusammenarbeit von Untersucher und mikrobiologischem Labor. Fehlerhafte Befunde entstehen hauptsächlich bei fehlerhafter Präanalytik und ungeeigneter Probenahmetechnik. Für die Routineuntersuchung (chronischer Wunden) ist ein Wundabstrich unter leichtem Andruck über dem infektionsverdächtigem Areal der Wunde für die meisten Wunden Mittel der Wahl. Die Abstriche werden von einer definierten Fläche entnommen, z.B. 1 cm x 1 cm, so dass die Erreger im Befund semiquantitativ als KbE/cm2 angegeben werden können. Im Rahmen der Präanalytik sind lange Lagerungszeiten und lange Transportwege unbedingt zu vermeiden. Die Proben sollten innerhalb 1 h im Labor eintreffen und unmittelbar mikrobiologisch verarbeitet werden. Jeder Abstrich muss unmittelbar bei der Probenahme in geeignetes Transportmedium verbracht werden.

Schlüsselwörter: Wunderreger, mikrobiologische Probenahme, Abstrich

Abstract

Particularly in the case of chronic wounds, microbiological testing places special demands on the cooperation between the examiner and the microbiological laboratory. Faulty findings arise chiefly in flawed pre-analyses and unsuitable sampling technique. For routine testing (of chronic wounds), a wound smear taken under slight pressure across the area of the wound suspected of being infected is the method of choice for most wounds. The smears are taken from a defined area, for instance, 1 cm x 1 cm, so that any pathogens found can be given semi quantitatively in KbE/cm2. During the pre-analytical phase, it is imperative to avoid long storage periods and long transport distances. The samples should reach the laboratory within 1 hr and be microbiologically processed immediately. Immediately after sample taking every swab must be put into a suited transport medium.


Kolonisation oder Infektion und Zielsetzung der mikrobiologischen Wunduntersuchung

Chronische Wundinfektionen entwickeln sich im tieferen Wundgewebe unter der Oberfläche des Wundbetts [6]. Sie nehmen ihren Ausgang über Erregerinvasion und -vermehrung in vitalem, d.h. durchblutetem Gewebe und manifestieren sich je nach Abwehrlage und Therapieintervention als lokale Gewebeschädigung mit der Gefahr der Ausbreitung bis zur Sepsis. Erreger im nekrotischen Gewebe sind entweder eingeschleppte Kontaminanten oder überlebende Infektionserreger nach Behandlung/im Heilungsverlauf. Speziell chronische Wunden und Brandwunden [8], [9] werden typischerweise und fast in jedem Fall innerhalb weniger Wochen von einer Vielzahl verschiedener Bakterienspecies kolonisiert, wobei typische Hautflora aber auch potentiell pathogene Erreger wie P.aeruginosa und E.coli vorkommen [13]. Diese Kolonisation ist leicht durch Abstriche vom Oberflächenbereich der Wunden (Wundrand oder -grund) nachweisbar [5].

Wenn der behandelnde Arzt eine mikrobiologische Probe im Rahmen einer verdächtigten Wundinfektion anfordert, benötigt er hauptsächlich Daten zu Art und Menge des/der ursächlichen Erreger sowie die entsprechenden Resistenzeigenschaften. Diese Daten sind die wichtigste Grundlage der Therapieoptimierung. Weiterhin können für den Infektionsverlauf wichtige Pathogenitätsfaktoren wie z.B. Toxine nachgewiesen werden. In besonderen Fällen können Schnelltests wie die PCR sowie Färbungen und Antigen/Antikörperreaktionen (z.B. direkte Immunfluoreszenz) wichtige Hinweise zur Therapie liefern. Von spezieller Bedeutung sind die mikrobiologischen Proben im Rahmen der Surveillance nosokomialer Infektionen. Hierbei geht es sowohl um die Differentialdiagnose Besiedlung vs. Infektion als um den Nachweis und die Verlaufsbeobachtung der Trägerschaft von Erregern mit speziellen Resistenzen nach §23 IfSG wie MRSA und VRE.


Zur Problematik der mikrobiologischen Wunddiagnostik

Anders als mikrobiologische Proben sonstiger Gebiete stellen Wunduntersuchungen wegen der u. U. schwierig erreichbaren Infektionserreger und der typischen Mischflora einschließlich Anaerobier besonders bei chronischen Wunden ein besonderes Problem für die Wertigkeit der Befunde dar. Das Problem der Mischflora besteht darin, dass die Erreger je nach Art und Umgebungsbedingungen in ihrem Wachstum unproportional zu den Ausgangsbedingungen gehemmt oder gefördert werden, was zu unbrauchbaren Befunden führt. Die Wundinfektionsdiagnostik wird zusätzlich erschwert, wenn keine infektionstypischen Symptome auftreten oder bei eingeschränkter Kommunikation mit dem Patienten (Wachkoma, Querschnittssyndrome mit eingeschränkter Sensibilität) nicht adäquat kommunizierbar sind.


Auswahlprinzipien zur mikrobiologischen Wunddiagnostik

Prinzipiell stehen 5 unterschiedliche Methoden zur bakteriologischen Untersuchung von Wunden zur Wahl (Tabelle 1 [Tab. 1]):

  • konventioneller Wundabstrich (Tupferabstrich über verdächtigem Areal)
  • "Z-Abstrich" mit Wundabstrich über definiertem zickzackförmigen Bereich zur Erfassung größerer Areale (z.B. 5 cm+5 cm+5 cm)
  • Abstrich unter leichtem Andruck (Wundsekretexprimat) über 1x1 cm Wundfläche ("Levine-Abstrich", [10])
  • Biopsie oder Exzision
  • Spültechnik (Erregerbestimmung aus Spüllösung über einem definierten Wundareal).

Da die am meisten zur Wundinfektionsdiagnostik und unabhängig von der Art der Wunde eingesetzte Methode, der "konventionelle" Wundabstrich, bezüglich der Infektionsdiagnostik und insbesondere bei chronischen Wunden [12], [14] wenig aussagefähig ist, andererseits die Biopsie mit mikrobiologischer Untersuchung als Methode der Wahl aufwändig und schmerzhaft und daher nicht routinemäßig anwendbar ist, muss von einer hohen diagnostischen Fehlerquote mit entsprechenden Folgen ausgegangen werden [11]. Weitere Alternativen zur konventionellen Abstrichtechnik sind die Wundspülung sowie weitere spezielle Abstrichtechniken, die Spezialwissen und besondere Übung erfordern und vornehmlich wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten sind.

Ein weiterer Grund für unzureichende bakteriologische Ergebnisse von Wundproben (alle Arten von Proben) liegt in der fehlerhaften Präanalytik, besonders häufig sind Lagerung und Transport bei ungeeigneten Temperaturen.

Aus den genannten Gründen sind Methoden einzusetzen, die einerseits bakteriologisch möglichst sichere Befunde liefern, schmerzarm sind und wenig Aufwand erfordern, andererseits größtmögliche präanalytische Sicherheit gewährleisten. In Tabelle 2 [Tab. 2] sind die häufigsten Fehlermöglichkeiten aufgelistet.


Optimierung von mikrobiologischer Probenahme und Präanalytik

Folgende Fragen sollten vor der Entscheidung zur Probenahme geklärt werden:

  • Wozu dient die Probenahme in erster Linie (Infektionsdiagnostik oder Besiedlungsmonitoring)?
  • Welcher Aufwand soll betrieben werden?
  • Was soll dem Patienten zugemutet werden?
  • Soll das Verfahren routinemäßig angewendet werden?

Der gewöhnliche Wundabstrich ist am einfachsten und außerdem in der Regel schmerzfrei durchführbar, ist aber nur zur Untersuchung der oberflächlichen Besiedlung geeignet. Die Biopsie erfordert speziellen Untersuchungsaufwand bei der Abnahme und im Labor, bedeutet immer eine Belastung für den Patienten und ist nicht routinemäßig anwendbar [1], [2]. Sie bleibt speziellen Fragestellungen sowie Forschungsaufgaben vorbehalten. Die Spültechnik ermöglicht eine sensitive und direkte quantitative Bestimmung der Erregerzahl auf besiedelten Haut- und Wundflächen. Bei zerklüfteten Wunden ist sie nicht anwendbar. Sie ist eine wichtige Methode z.B. bei der Wirkstoffprüfung.

Zur bakteriologischen Untersuchung von Wunden stellt die Methode nach Levine die akzeptabelste Lösung dar. Hierbei wird unter nicht zu starkem Druck ein angefeuchteter Abstrichtupfer über einer Fläche 1 cm x 1 cm der Wunde abgerollt. Der Andruck provoziert den Austritt von Wundexsudat und ermöglicht so den Nachweis von Infektionserregern aus tieferen Gewebeschichten. Voraussetzung ist, dass der Abstrich über vitalem Gewebe erfolgt. Vorteile: Im Vergleich zur Biopsie nicht-invasive Technik mit geringerer Schmerzerzeugung sowie ohne erhöhten Aufwand durchführbar. Die Eignung zur mindestens semiquantitativen Beurteilung wurde in Vergleichsuntersuchungen mit invasiven Techniken nachgewiesen [3], [4]. Nachteile: Nicht repräsentatives Ergebnis, wenn nicht direkt oberhalb des fraglichen infizierten Bereichs abgenommen oder kein Sekret exprimierbar ist. Nicht geeignet, wenn Areal verschorft bzw. stark belegt ist (vorherige Reinigung erforderlich, Abbildung 1 [Abb. 1]), Unterrepräsentation von Anaerobiern im Vergleich zu invasiven Methoden.

Zusammenfassend lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:

  • Wundabstriche nur durchführen, wenn aus den Befunden Konsequenzen gezogen werden können
  • Für jeden Wundabstrich die geeignete Methode festlegen: für die Routinediagnostik bei chronischen Wunden sind Abstriche unter Andruck über dem verdächtigten Areal (nach Levine [10]) geeignet, Biopsien sind zur Entscheidungsfindung operativer Interventionen (z.B. Entscheidung zur plastischen Deckung bzw. zum Wundverschluß) indiziert
  • mikrobiologische Proben innerhalb 1 h ins Labor bringen und unmittelbar verarbeiten
  • Proben bis zur Verarbeitung im Labor kühlen (4°C) und Transport in Kühlbox
  • Wichtige Proben immer telefonisch im Labor ankündigen und abstimmen
  • Grundsätzlich Transportmedien verwenden, für den Anaerobiernachweis sind spezielle (reduzierende) Medien erforderlich
  • Keine Routinediagnostik mit suboptimalen Methoden.

Der gesamte Ablauf von der Indikationsstellung über die Probenahme bis zur Verarbeitung im mikrobiologischen Labor sollte in Form einer SOP erstellt und mit allen in die Abläufe eingebundenen Mitarbeitern abgestimmt und trainiert werden.


Literatur

1.
Basak S, Dutta SK, Gupta S, Ganguly AC. Bacteriology of wound infection: evaluation by surface swab and quantitative full thickness wound biopsy culture. J Indian Med Assoc. 1992;90(2):33-4.
2.
Bill TJ, Ratliff CR, Donovan AM, Knox LK, Morgan RF, Rodeheaver GT. Quantitative swab culture versus tissue biopsy: a comparison in chronic wounds. Ostomy Wound Manage. 2001;47(1):34-7.
3.
Bornside GH, Bornside BB. Comparison between moist swab and tissue biopsy methods for quantitation of bacteria in experimental incisional wounds. J Trauma. 1979;19:103-5.
4.
Bowler PG, Duerden BI, Armstrong DG. Wound microbiology and associated approaches to wound management. Clin Microbiol Rev. 2001;14(2):244-69.
5.
Cooper R, Lawrence JC. The isolation and identification of bacteria from wounds. J Wound Care. 1996;5:335-40.
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Cuzzell JZ. The right way to culture a wound. Am J Nurse. 1993;93(5):48-50.
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9.
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10.
Levine NS, Lindberg RB, Mason AD Jr, Pruitt BA Jr. The quantitative swab culture and smears: a quick, simple method for determining the number of viable aerobic bacteria on open wounds. J Trauma. 1976;16(2):89-94.
11.
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Sapico FL, Ginunas VJ, Thornhill-Joynes M, et al. Quantitative microbiology of pressure sores in different stages of healing. Diagn Microbiol Infect Dis. 1986;5(1):31-8.
13.
Stotts NA, Whitney JD. Identifying and evaluating wound infection. Home Health Nurse. 1999;17:159-64.
14.
Stotts NA. Determination of bacterial burden in wounds. Adv Wound Care. 1995;8(4):46-52.