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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

AWMF-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines "Patientenrechte-Gesetzes"

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2012;9:Doc9

doi: 10.3205/awmf000257, urn:nbn:de:0183-awmf0002570

Received: March 12, 2012
Published: March 30, 2012

© 2012 Müller.
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Zusammenfassung

Die AWMF hat zu den aus ihrer Sicht wesentlichen im Referentenentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) vorgesehenen Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Stellung genommen.


Text

Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen. Für die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ist die Beachtung und Gewährleistung der Patientenrechte ein hohes Gut. Zu den wesentlichen Rechtsfragen des Arzt – Patientenverhältnisses besteht eine langjährig gefestigte und differenzierende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), welche die wechselseitigen Interessen der Beteiligten im ärztlichen Behandlungsverhältnis zu einem gerechten Ausgleich bringt und in Rechtswissenschaft und Rechtsanwendung allgemeine Anerkennung genießt. Im Zuge der anstehenden legislativen Überlegungen sollte daher bedacht werden, dass die vorgesehene Kodifizierung eines Sonderrechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patient bewährte Entwicklungen in Frage stellen und neue, bisher nicht bestehende Rechtsprobleme verursachen könnte.

Im Folgenden nimmt die AWMF zu den aus ihrer Sicht wesentlichen im Referentenentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) vorgesehenen Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Stellung.

§ 630 a BGB: Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag

Es ist unklar, ob der „Behandelnde“ approbierter Arzt sein muss oder jedenfalls eine Genehmigung nach dem Heilpraktikergesetz besitzen muss und ob die versprochene Leistung immer die Ausübung der ärztlichen Heilkunde darstellen muss.

§ 630 c BGB: Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten

Nach der Gesetzesbegründung geht diese Vorschrift weiter als ihr Wortlaut, da der behandelnde Arzt bereits verpflichtet ist, den Patienten schriftlich aufzuklären, wenn er weiß, dass es „unsicher“ ist, dass die Behandlungskosten durch einen Dritten, in der Regel durch den Krankenversicherer, vollständig übernommen werden. Diese weitergehende Verpflichtung ist für den behandelnden Arzt nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift erkennbar und birgt das Risiko, für die Behandlung keine Vergütung zu erhalten. Unklar und auslegungsbedürftig ist auch, was unter „erheblichen therapeutischen Gründen“ im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist.

§ 630 e BGB: Aufklärungspflichten

Problematisch ist, dass nach Absatz 2 die Aufklärung durch einen an der Durchführung des Eingriffs Beteiligten erfolgen muss. Dies ist im Krankenhausalltag nicht praktikabel. Beispielsweise wird ein am Wochenende stationär aufgenommener Patient, bei dem am Montag eine Operation durchgeführt werden soll, in der Regel fristgerecht durch den diensthabenden Arzt aufgeklärt werden. Dieser Arzt kann jedoch am Montag im Freizeitausgleich sein und wird daher bei der Operation nicht mitwirken können. Die vorgeschlagene Regelung schließt die bisher anerkannte Möglichkeit aus, das Aufklärungsgespräch an andere Ärzte zu delegieren.

Nach Absatz 2 ist außerdem vorgesehen, dass bei geringfügigen Eingriffen die mündliche Aufklärung durch die Textform ersetzt werden kann. Es wäre hilfreich, hierzu in der Gesetzesbegründung einen Beispielkatalog aufzunehmen.

§ 630 g BGB: Einsichtnahme in die Patientenakte

Problematisch ist die in der Gesetzesbegründung niedergelegte Interpretation, dass subjektive Eindrücke, persönliche Wertungen und Arbeitshypothesen des behandelnden Arztes zu offenbaren sind. Bisher war es nach der Rechtssprechung des BGH anerkannt, dass das Recht des Patienten zur Einsichtnahme keine persönlichen Bemerkungen des Arztes einschließt. Dies ist im Interesse des Patienten insbesondere bei später aufgegebenen Verdachtdiagnosen sinnvoll. Entsprechende Stellen in der Patientenakte durften daher vor der Herausgabe an den Patienten abgedeckt werden, solange der Arzt dies kenntlich gemacht hat. Bei dieser Regelung sollte es auch bleiben. Ein gänzlicher Verzicht auf persönliche Anmerkungen in der Patientenakte stellt keine Alternative dar, da derartige Anmerkungen bei eventuell nach Jahren neu zu treffenden Entscheidungen für den Arzt hilfreich sein können.

§ 135 a SGB V: Verpflichtung zur Qualitätssicherung

Die Verpflichtung zur Durchführung eines Beschwerdemanagements in Krankenhäusern wird zu einem erheblichen personellen und organisatorischen Mehraufwand führen. Hierfür muss eine entsprechende Vergütung vorgesehen werden, sofern die Anforderungen über die bereits geübte Praxis hinausgehen.