gms | German Medical Science

GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

German Medical Science - das Internet-Portal der wissenschaftlichen Medizin: 2011 als "Ort im Land der Ideen" ausgezeichnet

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2011;8:Doc27

doi: 10.3205/awmf000243, urn:nbn:de:0183-awmf0002438

Published: October 27, 2011

© 2011 Reinauer.
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Zusammenfassung

Das elektronische Publikationsportal GMS German Medical Science ist von der Initiative "Deutschland - Land der Ideen" (Schirmherr: Bundespräsident Christian Wulff) als "Ort im Land der Ideen 2011" ausgezeichnet worden. Der "Pokal" für diese Auszeichnung wurde am 21. Oktober 2011 in Köln den drei tragenden Organisationen AWMF, DIMDI und ZB MED im Rahmen eines Mini-Symposiums in den Räumen der ZB MED in Köln überreicht. Prof. Dr. med. Hans Reinauer, während dessen Präsidentschaft bei der AWMF das Projekt begonnen wurde, trug einen kurzen Abriss der Entstehungsgeschichte und der Motive der Fachgesellschaften zur Gründung von GMS vor. Sein Vortrag ist im Folgenden dokumentiert.


Text

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mir ist die Aufgabe zuteil geworden, ein Projekt vorzustellen, das in Zusammenarbeit der AWMF mit ZB MED und DIMDI entstand. Ich will Ihnen die Entwicklung dieses Projektes vortragen.

Die nationalen wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften haben seit mehr als 60 Jahren das Problem, dass die wissenschaftlichen Veröffentlichungen in ihren nationalen Zeitschriften international nicht zur Verfügung stehen, nicht gelesen bzw. nicht wahrgenommen werden.

Dies war vor dem 2. Weltkrieg noch anders. Damals lernten die Amerikaner deutsch, um die deutschsprachigen Publikationen, z.B. in der Biochemie, lesen zu können.

Der Krieg und die Isolation in der Nachkriegszeit, aber auch die sprachlichen Barrieren, haben dazu geführt, dass die deutschsprachigen (aber auch die englischsprachigen) Artikel der nationalen wissenschaftlich-medizinischen Zeitschriften weltweit nur einem begrenzten Leserkreis zugängig waren. Die Sprache der Wissenschaft wurde englisch, die Literatur-Suchsysteme erfassen unsere Zeitschriften in der Regel nicht.

Die einzelnen Wissenschaftler haben z.T. versucht, diesen Mangel zu kompensieren durch Forschungsaufenthalte in den USA und in anderen Ländern, durch intensive Pflege der englischen Sprache im wissenschaftlichen Bereich und durch Publikationen in internationalen Zeitschriften.

Es war also das große Bedürfnis der einzelnen Wissenschaftler, aber auch der Fachgesellschaften, dass ihre Forschungsergebnisse weltweit den zuständigen Experten zugestellt werden, damit wissenschaftliche Dialoge und auch wissenschaftliche Kooperationen zustande kommen.

Auf nationaler Ebene kamen weitere Probleme hinzu, die im finanziellen Bereich lagen. Die Kosten für die Publikation der wissenschaftlichen Zeitschriften stiegen kontinuierlich an. Dementsprechend auch die Mitgliedsbeiträge, die in der Regel dazu herangezogen werden, die Zeitschriften der Fachgesellschaften zu finanzieren.

Die Verlage hatten nicht nur Anspruch auf die Nutzungsrechte der Artikel in den von ihrem Verlag publizierten Zeitschriften, sie verfügten mehr oder weniger auch ausschließlich über die Einkommen aus Inseraten in diesen Zeitschriften. Der Zugang zu den Publikationen erfolgt über Zeitschriften-Abos oder durch kostenpflichtigen Zugang im Internet („pay per view“). Das Urheberrecht der Autoren war nicht im vollen Umfang gesichert.

Open Access

Da dieses Problem in vielen Ländern vorhanden war, entstand die Bewegung „Open Access“, d.h. die Forderung nach freiem Zugriff auf die wissenschaftliche Literatur:

  • Freier Zugang zu wissenschaftlicher Literatur (wissenschaftliche Artikel, Bücher und andere Materialien) im Internet.
  • Freier Zugang = Erlaubnis, die im Internet veröffentlichten Dokumente zu lesen, herunterzuladen, für die eigene, nichtkommerzielle Nutzung zu speichern und zu drucken und damit entgeltfrei zu nutzen

Diese Entwicklung haben auch die Forschungsförderungsorganisationen unterstützt. Es war nicht einzusehen, dass staatlich geförderte wissenschaftliche Forschungsarbeiten, die dann kostenlos (u.U. kostenpflichtig für die Autoren) den Verlagen angeboten und publiziert wurden, anschließend nochmals gekauft werden mussten. Die „open-access-Bewegung“ traf natürlich auf den Widerstand der Verlage, diese werden sich der neuen Entwicklung anpassen müssen, das Umdenken hat bereits begonnen.

Der Journal Impact Faktor

Ein anderer wesentlich strategischer Nachteil für die nationalen Zeitschriften entstand vor vielen Jahren in den USA, nämlich die Etablierung des „Journal Impact Faktors“.

Der Journal Impact Faktor, der fälschlicherweise immer wieder vereinfacht „Impact Faktor“ genannt wird, ist auch eine Verlagsstrategie, denn je höher der Journal Impact Faktor einer Zeitschrift ist, desto mehr Manuskripte werden automatisch eingeworben

Der Journal Impact Faktor gibt das Verhältnis zwischen der Zitationsrate einer Zeitschrift in dem Bezugsjahr bezogen auf die publizierten Artikel in dieser Zeitschrift in den vergangenen zwei Jahren an. Es ist also die Frage: Wie häufig werden Artikel einer Zeitschrift in anderen Zeitschriften zitiert? Diese „anderen Zeitschriften“ sind die sogenannten „Source Journals“, die vom „Institut for Science Information“ (ISI) ausgewählt werden.

Der Journal Impact Faktor entstand 1975 zunächst als Journal Citation Report. Der Initiator war Eugene Garfield, der selbst immer den Missbrauch seiner Publikationen beklagte.

Fälschlicherweise wird dieser Journal Impact Faktor auch als Maß für die wissenschaftliche Qualität der einzelnen Publikationen und in Summe für die Qualifikation des Autors herangezogen und wird heute noch in den Universitäten für die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) herangezogen. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft nahm eine Zeitlang im Rahmen der Forschungsförderung Bezug auf die Summe der Journal Impact Faktoren der Antragsteller als Maß für die Forschungsqualität. Dort hat sich allerdings ein Umdenken eingestellt.

Die Auswirkung des Journal Impact Faktors auf die Qualität der Publikationen ist für die nationalen Zeitschriften sehr nachteilig. Jeder Wissenschaftler versucht, seine Forschungsergebnisse in Zeitschriften unterzubringen, die einen hohen Journal Impact Faktor haben, denn er braucht Anerkennung und finanzielle Förderung durch die LOM. Der Journal Impact Faktor wird auch für Promotionen, Habilitationen und Berufungen als Maßstab für die Wissenschaftlichkeit des oder der Autoren herangezogen. Seine Auswirkung auf die nationalen Zeitschriften, die keinen Journal Impact Faktor haben, ist auch aus diesem Grunde entsprechend sehr nachteilig.

Der Dachverband der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, die AWMF, befasste sich wiederholt mit der Frage, wie man wissenschaftliche Leistungen in geeigneter Form beurteilen kann. Sie hat sich auch kritisch zur Verwendung des Journal Impact Faktors als Kriterium der Bewertung einer Forschungsarbeit geäußert.

Die mangelnde internationale Präsenz der nationalen Zeitschriften, die hohen Kosten der Publikationen und der fehlende Journal Impact Faktor haben die AWMF motiviert, Lösungen zu suchen. Die Lösung lag in elektronischen Publikationen, die weltweit zur Verfügung gestellt werden und frei zugängig sein sollten (open access).

Die Wünsche der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sind:

1.
Schneller Publikationsprozess
2.
Peer-Review-System
3.
Urheberrecht beim Autor
4.
In Literatursuchsystemen erfasst (Medline, PubMed)
5.
Weltweit offener Zugang (open access)
6.
Langzeitarchivierung
7.
Niedrige Kosten
8.
Zitierhäufigkeit des Artikels erfassbar (JIF, SCI)
9.
Neue Möglichkeiten (Filme, Bücher etc.)
10.
Neue Publikationsstrategie (vgl. WR, HRK)

Hier wurde auch das Urheberrecht angesprochen. Das Urheberrecht muss ausschließlich bei den Autoren bleiben. Die Schaffung einer Internet-Plattform erschien als mögliche Lösung der Probleme.

Neben der Kostenreduktion werden durch das elektronische Portal auch neue Publikationsmöglichkeiten eröffnet, z.B. Bilder, Filme oder Bücher im Open Access via Internet zu publizieren.

Eine Anregung zur elektronischen Publikation kam auch von der Hochschul-Rektorenkonferenz, die uns durchaus motivierte, neue Informations- und Publikationssysteme unter der Leitung der Fachgesellschaften zu etablieren:


Zur Neuausrichtung des Informations- und Publikationssystems der deutschen Hochschulen:

Die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse muss wieder der Wissenschaft und nicht primär den kommerziellen Interessen von Großverlagen dienen. Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt daher den Fachgesellschaften und Fakultätentagen, alternative Publikationswege – auch in der Akzeptanz – nachdrücklich zu fördern. Die Hochschulleitungen werden aufgefordert, die angesprochenen Umstrukturierungsprozesse durch Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur zu unterstützen.
Hochschulrektorenkonferenz, 2002

Durch eine einmalige Konstellation, nämlich die Zusammenarbeit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) mit der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) und dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erschien die Realisierung eines Internet-Portals auf gemeinnütziger Basis möglich. Es war eine große Herausforderung, ohne Erfahrungen im Verlagswesen sich mit kommerziellen Verlage zu messen.

Nach wenigen Verhandlungen war der Dreierbund bereits am 6. Dezember 2002 soweit: An diesem Tag fand in Köln die Gründungsversammlung der „German Medical Science“ durch AWMF, DIMDI und ZB MED bei DIMDI statt.

Die große Frage war, wie ein Internetportal oder eine Internet-Zeitschrift finanziell realisiert werden könnte. Die Eigenmittel der drei Organisationen sind gering, in der Regel begrenzt und für andere Projekte und Aufgaben gebunden.

Wir fanden zunächst eine Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Anschubfinanzierung, später sollte eine gemeinnützige GmbH gegründet werden. Der Schwerpunkt der Umsetzung lag aber in den Eigenleistungen der drei Organisationen.

Damit entstand ein weltweit einmaliges Projekt, das uns aus den eingangs aufgeführten Problemen geführt hat. Es entstand eine neue Form der wissenschaftlichen Publikation, die nur in der gegebenen gemeinsamen Aktivität möglich wurde.

Die Aufgaben wurden unter den drei Organisationen aufgeteilt, wobei die Redaktionsleitung und Koordination bei der ZB MED angesiedelt war, die technische Umsetzung und Datenverarbeitung dank der hohen Kompetenz und Kapazität bei DIMDI und die Lieferung der wissenschaftlichen Artikel, die Auswahl der Gutachter, das Editorial Board und der wissenschaftliche Beirat (Scientific Committee) bei der AWMF.

So sind wir 2003 gestartet mit wenigen Publikationen, zunächst nur in englischer Sprache, mit dem Interdisziplinären Journal German Medical Science - An Interdisciplinary Journal.

Mittlerweile publizieren die Fachgesellschaften 14 Fachzeitschriften im Portal der German Medical Science, weitere sind in Vorbereitung. Die Gesamtzahl der veröffentlichten Artikel liegt derzeit bei 2.492. Dazu kommen noch eine große Zahl von Kongress-Abstracts und Schriftenreihen. Die Zugriffsraten auf das Portal zeigen zwar erhebliche Schwankungen, aber im Grunde eine erstaunlich hohe Rate. Zahlreiche Manuskripte stammen aus dem Ausland (Indien, USA). Dies hätten wir mit konventionellen Publikationen von nationalen Zeitschriften nie erreichen können.

Ausgehend vom Anfangskonzept eines Internetjournals hat sich also German Medical Science zu einem Publikationsportal von GMS für viele nationale Zeitschriften entwickelt. Mit der Aufnahme von GMS German Medical Science in MEDLINE ist jetzt auch der Journal Impact Faktor möglich. GMS wird voraussichtlich 2012 einen Journal Impact Faktor haben.

Entscheidend aber ist die internationale Verbreitung der nationalen Publikationen im Internet und in den Literatursuchsystemen (PubmedCentral).

Wir kommen allmählich in eine Konsolidierungsphase und sind schon seit mehreren Jahren nicht mehr auf Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft angewiesen.

Lassen Sie mich zusammenfassen:

In enger und unentbehrlicher Kooperation der AWMF mit ZB MED und DIMDI entstand 2003 auf gemeinnütziger Basis ein Internetportal der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, und damit eine einmalige Lösung des Publikationsproblems in den medizinischen Wissenschaften in Deutschland.

Das GMS Portal hat dazu beigetragen, dass die deutsche wissenschaftliche Literatur weltweit verbreitet und kostenfrei unmittelbar zugänglich gemacht wird. Der Journal Impact-Faktor wird für die GMS voraussichtlich ab 2012 vorliegen.

Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die dieses einmalige Projekt gefördert, finanziert und durch persönlichen Einsatz zum Erfolg geführt haben: Der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den tragenden Organisationen AWMF, DIMDI und ZB MED. Auf der Ebene der Umsetzung des Projektes dem Editorial Board, dem Scientific Committee, allen Autoren und Gutachtern, den Mitarbeiterinnen Frau Eppelin und Frau Haas und insbesondere unserem Herrn Müller, und Ihnen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.


Der "Pokal" für die Auszeichnung "Ort im Land der Ideen 2011" wurde am 21. Oktober 2011 in Köln den drei tragenden Organisationen AWMF, DIMDI und ZB MED im Rahmen eines Mini-Symposiums in den Räumen der ZB MED in Köln überreicht [Abb. 1].