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Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen
2. Tagung des Förderschwerpunktes "Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess"

25. bis 27.03.2004, Freiburg

Die Arzt-Patient-Beziehung im Wandel – Ergebnisse einer empirischen Studie zur Entscheidungsteilhabe von Tumorpatienten

Meeting Abstract

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  • corresponding author Reinhold Schwarz - Universität Leipzig, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Riemannstraße 32, 04107 Leipzig
  • author Jochen Ernst - Universität Leipzig, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Riemannstraße 32, 04107 Leipzig
  • author Sylke Claus - Universität Leipzig, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Riemannstraße 32, 04107 Leipzig
  • author Claudia Stuhr - Universität Leipzig, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Riemannstraße 32, 04107 Leipzig

Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen. 2. Tagung des Förderschwerpunktes "Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess". Freiburg, 25.-27.03.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04pat36

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/pat2004/04pat36.shtml

Veröffentlicht: 15. Juni 2004

© 2004 Schwarz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund

Die Beziehung von Arzt und Patient ist - getragen durch ethisch-rechtliche, demokratische und ökonomische Wandlungen - in Bewegung. Tradierte Beziehungsstrukturen zwischen Arzt und Patient weichen allmählich partnerschaftlichen und „kundenorientierten" Modellen, die im aktuellen Diskurs unter dem Label Shared Decision Making diskutiert werden. Ein wesentliches Charakteristikum dieses Ansatzes ist die Stärkung der Patientenautonomie innerhalb der Arzt-Patient-Interaktion mit dem Ziel, dem System der medizinischen Versorgung Impulse für mehr Effizienz und Qualität zu geben. Wissenschaftliche Studien aus dem angloamerikanischen Raum, indes aber auch verstärkt aus hiesigen Forschungszentren, belegen verbesserte outcomes infolge einer stärkeren Patientenorientierung, wenn auch nicht stringent. Das Modell des Shared Decision Making ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht eindeutig konzeptualisiert, über seine Alltagstauglichkeit und Praktikabilität für die klinische und ambulante Praxis in Abhängigkeit von bestimmten Krankheitsbildern besteht partiell noch Ungewissheit.

Anlage der Studie

In einem eigenen empirischen Ansatz wurde die Bedeutung des partnerschaftlichen Kooperationsstils für die Gruppe der stationären Krebspatienten untersucht. Von besonderem Interesse sind die nachstehenden Fragen: (a) Inwieweit möchten Patienten in medizinische Entscheidungsprozesse einbezogen werden, (b) in welchem Umfang sind sie tatsächlich einbezogen worden und (c) welche Folgen lassen sich, z.B. hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Behandlung und der Lebensqualität, konstatieren. Die Stichprobe umfasst 533 Tumorpatienten (unterschiedlicher Lokalisation) und behandelnde Ärzte. Letztere wurden gebeten, anhand eines Kurzfragebogens die aktuelle Behandlungssituation einzuschätzen. Die Patienten wurden zu 2 (bzw. derzeit noch laufend: 3) Messzeitpunkten mit einem weitestgehend standardisierten Fragebogen schriftlich (bzw. postalisch) befragt.

Ergebnisse

Es zeigt sich, dass ein Großteil der Krebspatienten in einem oder mehreren Bereich(en) der medizinischen stationären Versorgung in Entscheidungsprozesse einbezogen werden möchte. Dies betrifft insbesondere die Therapieentscheidung als dem Kernelement des Shared Decision Making sowie zu treffende Entscheidungen in eher „randständigen" Bereichen der medizinischen Behandlung, z.B. zum Zeitpunkt des Therapiebeginns. Knapp die Hälfte der Patienten gab in der Nachbefragung zur Entsprechung des gewünschten mit dem tatsächlichen Entscheidungsstil Kongruenz an. Zwar ist anhand des vorliegenden Datenmaterials kein signifikant längerfristiger Einfluss des Entscheidungsstils auf globale Wertungen nachzuweisen, jedoch ist kurzfristig eine etwas bessere globale Lebensqualität bei jenen Patienten zu erkennen, die in dem von ihnen gewünschten Umfang in die Therapieentscheidung einbezogen wurden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass im medizinischen Alltag auch die Übereinstimmung von angestrebter und gewünschter Patientenpartizipation ein Zielkriterium des Dialogs zwischen Arzt und Patient sein kann. Die Bedingungen für die Wahrnehmung von Autonomie- und Mitbestimmungsansprüchen durch die Patienten sind nicht immer optimal. Die Ergebnisse der Untersuchung widerspiegeln jedoch zumeist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Arzt, die aber auch Elemente „gewünschter" paternalistischer Strukturen enthält.


Literatur

1.
Ernst/Schwarz (2003): Patientenorientierung in der Medizin - Ergebnisse einer empirischen Studie zum Informationsbedarf von Tumorpatienten im medizinischen Behandlungsprozess. In: Sozialer Fortschritt 7
2.
Ernst/Schwarz/Wiemers (2004): Die Arzt-Patient-Beziehung im Wandel - Empirische Befunde zur Entscheidungsteilhabe von Tumorpatienten. In: WSI-Mitteilungen 1
3.
Ernst/Schwarz/Krauß (2004): Shared Decision Making bei Tumorpatienten - Ergebnisse einer empirischen Studie. In: Journal of Public Health 2