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61. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (NDGKJ)

Norddeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V.

11.05. - 13.05.2012, Kiel

ADHS – „Fällt man vom Ritalin tot um?“ – Kritische Auseinandersetzung mit der Empfehlung zu einer kardialen Abklärung vor einer Stimulantientherapie

Meeting Abstract

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  • R. Eyermann - Kinder- und Jugendmedizin, Kinderkardiologie, Sportmedizin München

Norddeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. 61. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (NDGKJ). Kiel, 11.-13.05.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12ndgkjP34

doi: 10.3205/12ndgkj34, urn:nbn:de:0183-12ndgkj346

Veröffentlicht: 8. Mai 2012

© 2012 Eyermann.
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Gliederung

Text

Seit längerem wird in Fachkreisen kontrovers darüber diskutiert, ob vor Stimulantientherapie mit Methylphenidat (MPH) oder Atomoxetin zur ADHS-Therapie eine kardiale Risikobeurteilung notwendig ist.

Immer wieder wird über Kasuistiken von plötzlichen Todesfällen bei juvenilen Patienten unter Stimulantientherapie berichtet. Wie immer wurde dann aber eine präexistente nicht diagnostizierte Herzerkrankung detektiert. Solche Kasuistiken haben die Forderung nach einer Risikoevaluation vor Therapiebeginn unterhalten. Empfehlungen, die zu einheitlichem Praxisvorgehen hätten führen sollen, wurden von der American Heart Association (AHA) 2008 publiziert. Nach den Guidelines führt keine in der Praxis verfügbare Substanz von Stimulantien zu dokumentierten EKG-Veränderungen. Nur leichte kreislaufaktive Veränderungen wie leichter Puls- und Blutdruckanstieg sind beschrieben. In vitro- und in vivo-Studien fanden keinerlei messbare EKG-Veränderungen, insbesondere keine QT-Verlängerung in MPH-Dosen bis 30mg/kg. Die AHA-Guidelines empfehlen trotzdem ein EKG vor Therapiebeginn, um bislang nicht detektierte Herzerkrankungen vor Stimulantienbehandlung aufzuzeigen.

Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat sich in einer Stellungnahme 2008 gegen die Empfehlungen der AHA ausgesprochen und deren Abklärungsprocedere mit EKG als zu weitgehend bezeichnet. Von der AAP wird ausdrücklich empfohlen auf ein EKG vor Therapiebeginn mit Stimulantien zu verzichten, da numerisch belegt ist, dass die Rate plötzlicher Todesfälle unter Stimulantien nicht höher ist als die Rate plötzlicher Todesfälle in einer pädiatrischen Normalpopulation.

Der Expertenstreit auf höchster Ebene findet seinen Niederschlag, indem in verschiedenen Kinderzentren, kinderkardiologischen Abteilungen, unterschiedliche Praktiken herrschen. Aufgrund der oben aufgeführten Sachlage kann jeder sein Handeln mit Expertenempfehlungen belegen.

Diskussion und Konklusion: Wir sind von einem Konsens weit entfernt und somit kann jeder behandelnde Arzt der Expertenargumentation folgen, der er mehr abgewinnen kann, sein Handeln ist in jedem Falle von oberster Experteninstanz abgesegnet.

Der pragmatische Ansatz der AAP, die klare Empfehlung von einem EKG vor Therapiebeginn des ADHS mit Stimulantien abzusehen, erscheint rational und darüber hinaus Kosten-Nutzen-orientiert.

Nach den Empfehlungen der AHA geht es nicht um ein Nebenwirkungs-Screening der Stimulantientherapie sondern vor allem um die Erfassung allfälliger Kardiopathien vor Therapiebeginn mit einer pharmakologischen Substanz.