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11. Symposium Health Technology Assessment

Deutsche Agentur für HTA des DIMDI – DAHTA

17. - 18.03.2011, Köln

Priorisierung und Rationalisierung

Meeting Abstract

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  • Thorsten Meyer - Forschungsbereich Integrative Rehabilitationsforschung, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover

11. Symposium Health Technology Assessment. Köln, 17.-18.03.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11hta02

doi: 10.3205/11hta02, urn:nbn:de:0183-11hta028

Veröffentlicht: 16. März 2011

© 2011 Meyer.
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Gliederung

Abstract

Der Begriff Priorisierung hat Einzug in die Diskussion über die gesundheitliche Versorgung in Deutschland gefunden. Diese Diskussion erfolgt sehr zögerlich, sie ist geprägt durch unterschiedliche Verständnisse, Konzepte und/oder Interessen. Ziel dieses Beitrags ist es, grundlegende Ideen von Priorisierung aufzuzeigen und die mit Priorisierung assoziierten Begriffe Rationierung und Rationalisierung abzugrenzen, auch unter Berücksichtigung einer Theorie-Praxis Dimension.

Die erste weithin sichtbare Auseinandersetzung mit Priorisierung in der medizinischen Versorgung in Deutschland erfolgte von der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer [6] in einer ersten Stellungnahme im Jahr 2000, die allerdings noch keinerlei Reaktionen hervorrief. Die ZEKO definierte Priorisierung als „die ausdrückliche Feststellung einer Vorrangigkeit bestimmter Leistungen vor anderen“ [5]. Priorisierung führe grundsätzlich zu einer mehrstufigen Rangreihe. Oben stehe, was als unverzichtbar und wichtig erachtet wird, unten das Wirkungslose, das, was mehr schadet als nützt. Priorisierung in diesem Sinne ist eine theoretische Vorarbeit, „der Versuch, gedanklich Ordnung zu schaffen“ [4]. Rationierung dagegen ist die Tat, die Praxis: das (systematische) Vorenthalten medizinisch notwendiger, oder zumindest nützlicher und prinzipiell verfügbarer Leistungen aus Knappheitsgründen [4]. Eine so verstandene Rationierung setzt eine wohl durchdachte Priorisierung voraus.

Allerdings führt Priorisierung nicht unweigerlich und automatisch zu Rationierung. So kann es verschiedene Gründe dafür geben, Prioritäten nicht in der aufgestellten Form umzusetzen, sondern weitere, womöglich politische oder Medizin-ferne Kriterien für Rationierungsentscheidungen mit heranzuziehen. Zudem ist die Zweckmäßigkeit von Priorisierung längst nicht auf die Notwendigkeit der Rationierung bezogen. Vielmehr stellt Priorisierung auch eine Voraussetzung von Maßnahmen der Rationalisierung (eines möglichst effizienten Mitteleinsatzes) sowie guter Qualitätssicherung dar [2], und kann nicht nur in Zeiten der Knappheit sondern auch in Zeiten des Überflusses seine Wirkung entfalten, wofür es auch historische Beispiele gibt. An der Entwicklung der Priorisierungsdiskussion und -aktivitäten in Schweden lässt sich die Notwendigkeit der Differenzierung von Priorisierung, Rationierung und Rationalisierung aufzeigen [3], [1].

Für das HTA erscheint Priorisierung an verschiedenen Stellen bedeutsam. Dazu gehört die Themenauswahl für die Erstellung von HTAs (welche Technologien sollten vorrangig bearbeitet werden?). Ebenso sollte die Durchführung von HTA von konsentierten Priorisierungskriterien profitieren. Z.B. sollte eine bessere Reflektion und Auswahl von relevanten Outcomes durch Priorisierungskriterien ermöglicht werden. Ebenso könnte auf bestimmte, bisher eher vernachlässigte Patientengruppen (z.B. Patienten mit eingeschränkter Autonomie) größere Aufmerksamkeit gelegt werden. Letztlich sollten Empfehlungen von HTAs auf der Grundlage von im Vorfeld festgelegten Prioritäten oder Priorisierungskriterien formuliert werden.


Literatur

1.
Meyer T, Raspe H. Wie können medizinische Leistungen priorisiert werden? Ein Modell aus Schweden. Gesundheitswesen. 2009;71:617-22. DOI: 10.1055/s-0029-1239570 Externer Link
2.
Meyer T. Zusammenhang zwischen Priorisierung und Rationierung – zwei Modelle. ZEFQ. 2009;103:80-4.
3.
Raspe H, Meyer T. Priorisierung: vom schwedischen Vorbild lernen. DÄB. 2009;106:A1036-9.
4.
Raspe H. Priorisierung in der medizinischen Versorgung. Unabweisbare Aufgabe, unnützer Luxus oder Spiel mit dem Feuer? Bundesgesundheitsbl. 2010;53:874-81. DOI: 10.1007/s00103-010-1112-1 Externer Link
5.
Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer. Priorisierung medizinischer Leistungen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). DÄB. 2007;104:A1-5.
6.
Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer. Prioritäten in der medizinischen Versorgung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Müssen und können wir uns entscheiden? DÄB. 2000;97:786-92.