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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Validierung und Optimierung des Manchester-Scoring-Systems zur Vorhersage von pathogenen BRCA1/2-Mutationen in 7.422 Familien des Verbundprojektes „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs“

Meeting Abstract

  • Christoph Engel - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie; Universität Leipzig, Deutschland
  • Karin Kast - Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden, Deutschland
  • Silke Zachariae - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie; Universität Leipzig, Deutschland
  • Alfons Meindl - Frauenklinik der TU München Klinikum rechts der Isar, München, Deutschland
  • Markus Löffler - Universität Leipzig, Med. Fakultät, Leipzig, Deutschland
  • Rita K. Schmutzler - Universtäts-Frauenklinik, Universität zu Köln, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds142

doi: 10.3205/12gmds142, urn:nbn:de:0183-12gmds1421

Veröffentlicht: 13. September 2012

© 2012 Engel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland erkranken jährlich etwa 72.000 Frauen an einem Mamma- und 7.800 Frauen an einem Ovarialkarzinom. In rund 20% der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung. Abhängig von Anzahl und Art der Tumoren sowie dem Erkrankungsalter werden unterschiedlich häufig pathogene Mutationen in den DNA-Doppelstrangreparaturgenen BRCA1 und BRCA2 gefunden. Patientinnen mit pathogenen Mutationen in BRCA1/2 haben ein stark erhöhtes Lebenszeitrisiko für die Entwicklung von Mamma- und Ovarialkarzinomen. Die Identifikation von Familien und Personen mit pathogenen BRCA1/2-Mutationen ist von großer Bedeutung für die adäquate klinische Betreuung (z.B. Angebot multimodaler Früherkennungsmaßnahmen). Da aus Kostengründen gegenwärtig nicht jede erkrankte Frau molekulargenetisch untersucht werden kann, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Modelle entwickelt, die auf der Basis der familiären Erkrankungsmuster eine quantitative Vorhersage über das Vorliegen von BRCA1/2-Mutationen gestatten und damit die Indikation zur molekulargenetischen Untersuchung als auch präventiven Maßnahmen unterstützen können. Ein einfach anwendbares Modell ist das sog. „Manchester-Scoring-System“ (MSS) [1], [2], [3].

Zielsetzung: Anhand von Daten des seit 1996 bestehenden multizentrischen Verbundprojektes "Familiärer Brust- und Eierstockkrebs" der Deutschen Krebshilfe soll die Vorhersagekraft des Manchester-Scoring-Systems validiert werden. Es sollte insbesondere untersucht werden, ob durch die Einbeziehung histo- und molekularpathologischer Informationen die Verbesserung der Prädiktivität bestätigt werden kann. Ferner sollte untersucht werden, ob durch eine Neuanpassung des Modells an die Daten des Verbundprojektes eine weitere Verbesserung der Prädiktivität erreicht werden kann.

Daten und Methoden: Es standen Daten von 7.422 molekulargenetisch untersuchten Familien zur Verfügung, welche die klinischen Einschlußkriterien des Verbundes erfüllen. Für jede Familie wurden MSS-Scores und zugehörige Mutationswahrscheinlichkeiten berechnet und mittels ROC-Analyse mit dem beobachteten Mutationsstatus verglichen. Mittels multivariabler logistischer Regression wurde eine Neuanpassung der verschiedenen Prädiktoren an einen Trainingsdatendatz durchgeführt und in einem unabhängigen Validierungsdatensatz mit dem beobachteten Ergebnis verglichen. In Abhängigkeit von verschiedenen klinisch relevanten Wahrscheinlichkeits-Schwellwerten wurden Sensitivitäten und Spezifitäten sowie prädiktive Werte der Modellvarianten berechnet und miteinander verglichen.

Ergebnisse: Das MSS in seiner ursprünglichen Fassung ohne Berücksichtigung von Pathologie-Informationen (MSS-2004, [1], [2]) zeigte in der ROC-Analyse eine AUC von 0.78 (95%CI 0.76-0.80), während durch die Hinzunahme der Pathologie-Information (MSS-2009), die in etwa 2/3 der Familien vorlag, eine Verbesserung auf 0.80 (0.78–0.83) erreicht wurde (MSS-2009, [3]). Die Neuanpassung des MSS-2009 an den Trainingsdatensatz zeigt, daß alle klinischen Faktoren bis auf wenige Ausnahmen (Pankreas- und Prostatakarzinome) signifikant prädiktiv sind. Insbesondere für die Pathologieinformationen ergeben sich jedoch im Vergleich zu den publizierten Scorewerten stärkere Gewichte. Die ROC-AUC des neu angepaßten Modells betrug 0.82 (0.80–0.84). Im klinisch relevanten Schwellwertbereich von 10% Mutationswahrscheinlichkeit ergab sich bei ähnlicher Sensitivität der drei Modellvarianten (ca. 95%) für das neu angepaßte Modell eine deutlich höhere Spezifität (42%) im Vergleich zum MSS-2004 (18%) und MSS-2009 (28%). Für einige spezifische Erkrankungskonstellationen liefert das neu angepaßte Modell eine bessere Übereinstimmung mit der Beobachtung als das MSS-2009.

Schlussfolgerung: Das MSS zeigt eine gute prädiktive Wertigkeit in der Stichprobe des deutschen Verbundprojektes. Durch Hinzunahme von Pathologie-Information wird die Prädiktivität verbessert. Durch veränderte Wichtung der Faktoren kann eine weitere Verbesserung der Prädiktivität erreicht werden. Ein Vergleich mit anderen publizierten Modellen sollte durchgeführt werden.

Danksagung: Das Verbundprojekt wird seit 1996 durch die Deutsche Krebshilfe kontinuierlich gefördert.


Literatur

1.
Evans DG, et al. J Med Genet. 2004;41(6):474-80.
2.
Evans DG, et al. J Med Genet. 2005;42(7):e39.
3.
Evans DG, et al. J Med Genet. 2009;46(12):811-7.