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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Eine Feldstudie zur Messung Accelerometrie-basierter Gangparameter bei dementen Menschen

Meeting Abstract

  • Matthias Gietzelt - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, TU Braunschweig, Deutschland
  • Klaus-Hendrik Wolf - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, TU Braunschweig, Deutschland
  • Martin Kohlmann - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, TU Braunschweig, Deutschland
  • Michael Marschollek - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, MHH, Hannover, Deutschland
  • Mehmet Gövercin - Forschungsgruppe Geriatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Yvonne Költzsch - Forschungsgruppe Geriatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Reinhold Haux - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik, TU Braunschweig, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds007

doi: 10.3205/12gmds007, urn:nbn:de:0183-12gmds0075

Veröffentlicht: 13. September 2012

© 2012 Gietzelt et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Accelerometer gewinnen im Kontext von Ganganalysen immer mehr an Bedeutung [1], [2]. Dabei ist ihr Einsatz nicht nur in beobachteten klinischen Settings interessant [3], [4], sondern auch in Feldstudien, da der Gang durch Beobachtung beeinflusst werden kann [2]. Feldstudien sind jedoch schwieriger zu kontrollieren und es entsteht ein höherer logistischer Aufwand.

Ziel dieser Untersuchung war es, Gangparameter eines einzelnen an der Hüfte getragenen Accelerometers in einer Feldstudie zu messen und zu evaluieren. Aufgrund des Fehlens einer sogenannten Ground-Truth unter unbeobachteten Bedingungen, muss ein anderes Außenkriterium herangezogen werden können. Die Autoren entschieden sich dafür, Probanden aus zwei verschiedenen Gruppen zu rekrutieren: Die erste Gruppe (DEM) umfasste ältere, demente Menschen, die in Seniorenheimen rekrutiert wurden. Die zweite Gruppe (AKT) schloss ältere, aktive Menschen ein, die mindestens einmal pro Woche Sport treiben. Dieses Außenkriterium wurde aufgrund des erwarteten Unterschiedes des Gangbildes beider Gruppen gewählt. Es sollte untersucht werden, ob der erwartete Unterschied mit Hilfe einer Accelerometrie-basierten Ganganalyse quantifizierbar ist. Es war explizit nicht das Ziel, durch diese technische Machbarkeitsstudie ein diagnostisches Werkzeug zu konstruieren.

Material und Methoden: Als Messinstrumente dienten tri-axiale Accelerometer als integrativer Bestandteil des verwendeten Sensorsystems „Shimmer Rev1.3“ [5]. Die Probanden trugen die Sensorsysteme tagsüber jeweils eine Woche lang in einer kleinen Tasche, die in Höhe der rechten Hüfte befestigt wurde. Im Fall der Gruppe DEM achteten die Pflegekräfte darauf, dass die Sensorsysteme angelegt und getragen wurden.

Gangstrecken wurden mit Hilfe einer Autokorrelationsmethode detektiert [6]. Da es sich bei dieser Studie um eine unbeobachtete Untersuchung handelte und die Trageorientierung des Sensors nicht wie in einem Labor kontrolliert werden konnte, mussten die detektierten Gangstrecken mit Hilfe einer Methode zum Entneigen von tri-axialen Accelerometersignalen den Körperachsen des Probanden angepasst werden [7].

Als Gangparameter wurden u.A. Ganggeschwindigkeit, Schrittfrequenz, Kompensationsbewegungen und Varianz des Beschleunigungssignals in allen drei Körperachsen berechnet.

Ergebnisse: Die Gruppen DEM und AKT umfassten jeweils 10 Probanden. Die Anzahl der erkannten Gangstrecken betrug 1187 (DEM) und 1809 (AKT). Die mittlere Dauer einer Gangstrecke betrug 36,3±21,5s (DEM) bzw. 82,0±147,3s (AKT).

Mit Hilfe der C4.5-Klassifikationsmethode [8] konnte ein Klassifikationsbaum mit 29 Knoten induziert werden, der eine Korrektklassifikationsrate von 88,9% aufwies.

Diskussion: Die Probanden wiesen bezüglich des Tragens des Sensorsystems eine sehr gute Compliance auf. Die Ergebnisse zeigten, dass in Feldstudien die Menge der verwertbaren Gangstrecken vielfach höher ist, als unter beobachteten Bedingungen, in der üblicherweise nur eine bzw. wenige Gangstrecken eines Probanden vorliegen.

Die Klassifikation lieferte eine scharfe Trennung zwischen den beiden Gruppen. Dies liegt vor allem daran, dass insbesondere die Kompensationsparameter und die Varianz sehr gute prädiktive Leistungen lieferten (AUC (Area Under the ROC-Curve) zwischen 0,88 und 0,92). Hingegen wiesen die Ganggeschwindigkeit und die Schrittfrequenz lediglich AUC-Werte von 0,51 und 0,55 auf. Der Grund für diesen Effekt bleibt jedoch unklar.

Die Wahl der beiden Gruppen war, aufgrund des zu erwartenden Unterschiedes im Gangbild intendiert. Diese Studie fand als eine Pilotstudie im Rahmen einer Untersuchung zur Sturzprädiktion mittels der Accelerometrie-basierten Ganganalyse im Alltag älterer, dementer Menschen statt. Die Ergebnisse sind als eine notwendige Bedingung für die Fortführung und Erweiterung dieser Untersuchung zu sehen.


Literatur

1.
Kavanagh JJ, Menz HB. Accelerometry: a technique for quantifying movement patterns during walking. Gait Posture. 2008;28(1):1-15. DOI: 10.1016/j.gaitpost.2007.10.010 Externer Link
2.
Culhane KM, O'Connor M, Lyons D, Lyons GM. Accelerometers in rehabilitation medicine for older adults. Age Ageing. 2005;34(6):556-60. DOI: 10.1093/ageing/afi192 Externer Link
3.
Menz HB, Lord SR, Fitzpatrick RC. Acceleration patterns of the head and pelvis when walking are associated with risk of falling in community-dwelling older people. J Gerontol A Biol Sci Med Sci. 2003;58(5):M446-52.
4.
Gietzelt M, Nemitz G, Wolf KH, Meyer zu Schwabedissen H, Haux R, Marschollek M. A clinical study to assess fall risk using a single waist accelerometer. Inf Health Soc Care. 2009;34(4):181-8.
5.
Burns A, Greene BR, McGrath MJ, O'Shea TJ, Kuris B, Ayer SM, Stroiescu F, Cionca V. SHIMMER – A wireless sensor platform for noninvasive biomedical research. IEEE Sens J. 2010;10(9):1527-34.
6.
Marschollek M, Goevercin M, Wolf KH, Song B, Gietzelt M, Haux R, Steinhagen-Thiessen E. A performance comparison of accelerometry-based step detection algorithms on a large, non-laboratory sample of healthy and mobility-impaired persons. Conf Proc IEEE Eng Med Biol Soc. 2008;2008:1319-22.
7.
Gietzelt M, Schnabel S, Wolf KH, Büsching F, Song B, Rust S, Marschollek M. A method to align the coordinate system of accelerometers to the axes of a human body: The depitch algorithm. Comput Methods Programs Biomed. 2012;106(2):97-103. DOI: 10.1016/j.cmpb.2011.10.014 Externer Link
8.
Quinlan JR. C4.5: Programs for Machine Learning. San Francisco, CA, USA: Morgan Kaufmann Publishers; 1993.