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MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Arzneimitteltherapie-Sicherheit bei älteren Patienten – Ist der Einsatz einer elektronischen Entscheidungsunterstützung notwendig?

Meeting Abstract

  • Michael Konias - Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Kim Green - Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Renate Quinzler - Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Hanna M. Seidling - Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Jens Kaltschmidt - Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Walter Emil Haefeli - Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds477

doi: 10.3205/11gmds477, urn:nbn:de:0183-11gmds4775

Veröffentlicht: 20. September 2011

© 2011 Konias et al.
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Gliederung

Text

Ältere Menschen leiden oft gleichzeitig an mehreren Krankheiten, für deren Behandlung ein breites Spektrum an medikamentösen Therapien zur Verfügung steht. In Deutschland wurden im Jahr 2005 jedem fünften betagten Versicherten (70-99 Jahre) mindestens 13 Wirkstoffe verordnet [1]. Durch Polypharmazie, aber auch durch eine veränderte Pharmakokinetik und -dynamik im Alter, steigt das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen. So sind in Deutschland ca. 6% der Krankenhausaufnahmen auf unerwünschte Arzneimittelereignisse zurückzuführen [2]. 2010 wurden in einem umfangreichen Delphiverfahren von einem Expertengremium Arzneistoffe ermittelt, die besonders bei älteren Patienten vermehrt zu unerwünschten Ereignissen führen und daher als inadäquat bzw. potenziell inadäquat für die Therapie älterer Patienten eingestuft werden können (Priscus-Liste [3]). Der Einsatz elektronischer Verschreibungsoberflächen (Computerised Physician Order Entry, CPOE) mit integrierter Entscheidungsunterstützung (Clinical Decision Support, CDS) hat gezeigt, dass die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht werden kann [4]. Im Universitätsklinikum Heidelberg werden medikamentöse Therapieempfehlungen im Entlassbrief und Rezepte mit einem CPOE/CDS-System (AiDKlinik®) erstellt [5]. Ziel der Studie ist die Prüfung, ob die Verordnung von inadäquaten Medikationen (PIM) ein relevantes Problem in einem Klinikum der Maximalversorgung darstellt. In einer retrospektiven Untersuchung wurden alle Entlassbriefe mit elektronischen Medikationsempfehlungen sowie sämtliche Rezepte aus den Jahren 2008 und 2009 analysiert. Eingeschlossen wurden alle Patienten, die zum Zeitpunkt der Verordnung mindestens 65 Jahre alt waren bzw. eines der als inadäquat eingestuften Präparate der Priscus-Liste verordnet bekommen hatten (Likert-Median-Wert von ≤ 1,5) [3]. Im untersuchten Zeitraum wurden im Universitätsklinikum 112.387 Rezepte und 30.356 Entlassbriefe mit Medikationsempfehlungen für 36.799 bzw. 19.409 Patienten erstellt. Davon wurden 28,4% (n=31.964) Rezepte bzw. 33,6% (n=10.185) der Entlassbriefe an ältere Patienten (n=9.631 und n=8.130) ausgestellt. Insgesamt wurden 201 betagten Patienten (2,1%) Rezepte mit mindestens einem als inadäquat klassifizierten Präparat verordnet. In den Entlassbriefen erhielten 345 (4,2%) Patienten mindestens ein inadäquates Arzneimittel. Dabei schwankte die Zahl der inadäquaten Arzneimittel zwischen 1 und 16 verordneten Präparaten pro Patient und Jahr. Im Median wurde ihnen in Rezepten und Entlassbriefen jeweils ein inadäquates Präparat verordnet (1.Quartil 1, 3.Quartil 2 bzw. 1. und 3.Quartil 1 bei den Entlassbriefen). Die Analyse der Verordnungsdaten konnte zeigen, dass ein relevantes Risiko einer Verordnung von inadäquaten Wirkstoffen bei betagten Patienten existiert. CPOE/CDS Systeme sollten somit ein Modul anbieten, das die Arzneimittelverordnung für diese Patientengruppe unterstützen kann. Um auch potenziell inadäquate Wirkstoffe (z.B. in Abhängigkeit der Laborwerte) zu identifizieren, muss die Analyse mit weiteren relevanten Patientendaten verknüpft werden. Für die Entwicklung von patientenindividuellen Warnhinweisen während der Verordnung ist somit ebenfalls eine Einbindung in das Krankenhausinformationssystem essentiell.


Literatur

1.
Kuhlmey A. Special care requirements of elderly and old people: as reflected in the new Council of Experts Report. Z Gerontol Geriatr. 2009;42:425-31.
2.
Dormann H, et al. Readmissions and adverse drug reactions in internal medicine: the economic impact. J Intern Med. 2004;255:653-63.
3.
Holt S, et al. Dtsch Arztebl Int. 2010;107(31–32):543-–51.
4.
Bates DW, et al. The impact of computerized physician order entry on medication error prevention. J Am Med Inform Assoc. 1999;6:313-21.
5.
Knaup P, et al. Standardized documentation of drug recommendations in discharge letters: A contribution to quality management in cooperative care. Methods Inf Med. 2006;45:336-42.