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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Computerassistierte Verfahren zur Wunderkennung und -vermessung für das digitale Wundmanagement

Meeting Abstract

  • Julian Stücker - Fachhochschule Gießen Friedberg, Gießen, Deutschland
  • Florian Brenck - Klinik für Anaesthesiologie Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen, Gießen, Deutschland
  • Erdmuthe Meyer zu Bexten - Fachhochschule Gießen Friedberg, Gießen, Deutschland
  • Martin Fiebich - Fachhochschule Gießen Friedberg, Gießen, Deutschland
  • Achim Michel-Backofen - Klinik für Anaesthesiologie Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen, Gießen, Deutschland
  • Rainer Röhrig - Klinik für Anaesthesiologie Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocSTUD1-2

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2008/08gmds246.shtml

Veröffentlicht: 10. September 2008

© 2008 Stücker et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Die Beurteilung einer Wunde erfolgt anhand verschiedener Parameter. Darunter fallen Eigenschaften wie Stadium, Größe, Tiefe etc. Die Größe einer Wunde ist ein wichtiger Verlaufsparameter, der mit verschiedenen Hilfsmitteln gewonnen werden kann [1], [2]. Vorraussetzung dafür ist eine Markierung der betroffenen Hautstellen [3]. Um Therapieverläufe besser darstellen zu können, erfolgt die Wund- und Dekubitusdokumentation neben der schriftlichen Beurteilung auch über eine Bilddokumentation. Dabei wird der bisherige Standard der Dokumentation mit Sofortbildkameras zunehmend durch die digitale Fotografie abgelöst [4], [5]. Damit entsteht der Bedarf einer digitalen Wundflächenberechnung.

Das Kernproblem der digitalen Wundflächenberechnung ist die Markierung der Wundfläche. Eine Schwierigkeit besteht im Umgang mit dem Eingabegerät. Durch unterschiedliche optomotorische Fähigkeiten der Benutzer kommt es bei manuellen Markierungsprozessen zu abweichenden Ergebnissen. Daraus resultiert eine hohe Inter- und Intraobservervariabilität der Ergebnisse.

Im Bereich der Bildverarbeitung sind für die Flächenmarkierung verschiedene Segmentierungsfunktionen wie Life-Wire-Verfahren („magnetisches Lasso“) oder Region-Growing („Zauberstab“) etabliert.

Das Ziel der dieser Arbeit war die verschiedenen Segmentierungsverfahren für die Wundranderkennung zu untersuchen und anhand eines Prototypen für die Wundranderkennung zu optimieren.

Konzept und Implementierung

Zur Entwicklung einer computerassistierten Wunderkennung wurden im Vorfeld verschiedene Verfahren an Wundbildern diskutiert und analysiert.

Zunächst wurde der Region-Growing-Algorithmus untersucht. Dabei werden nach Anwahl eines Pixels benachbarte Pixel markiert, deren Farb- und Helligkeitswerte dem ausgewählten Pixel innerhalb eines vorgegebenen Bereichs ähnlich sind. Da Wunden örtlich hohe Variabilitäten in der Gewebesubstanz und damit in Farbe und Helligkeit aufweisen können, waren die Erfolgen nicht zufrieden stellend.

Das Live-Wire-Verfahren basiert auf der Analyse der Grenzen zwischen intakter Haut und dem Wundgewebe, was die Problematik von mehreren Wundregionen minimiert.

Nach den Pretests mit professionellen Grafikprogrammen wurde die Entscheidung zur Implementierung und Weiterentwicklung eines Kantenbasierenden Segmentierungsverfahrens getroffen.

Wundflächenberechnung: Die implementierte Methode basiert auf dem Prinzip der interaktiven Kantenverfolgung [6]. Die Funktionalität erfolgt in drei Schritten: Der Segmentierung, der interaktiven Kantenverfolgung und der Kalibrierung (Flächenberechnung).

Bei der Segmentierung wird ein Ausschnitt eines Wundrandes vom Benutzer markiert, um den Algorithmus in Abhängigkeit der Bildbeschaffenheit zu trainieren. Die eingegebenen Kantenelemente werden mit geringen Kosten segmentiert. Dieser Prozess wird intern mit einer Gauß’schen Normalverteilung realisiert. Nach Abschluss der Trainingsphase werden alle Pixel des Bildes in Abhängigkeit der zuvor trainierten Kante segmentiert. Orte im Bild, die keine Kanteneigenschaften aufweisen, werden dabei mit hohen Kosten kodiert.

Die interaktive Kantenverfolgung basiert auf dem Dijkstra Algorithmus, der den Weg zwischen zwei Knoten mit dem geringsten Kostenaufwand sucht. Als Knoten werden dabei der Startpunkt und die aktuelle Cursor-Position der Maus interpretiert. Die Pfadsuche operiert dabei mit den Werten der Segmentierung, in der die Wundränder durch geringe Kostenbelegung hervorgehoben wurden. Bei unseren Untersuchungen an RGB-Wundbildern zeigte sich bei der Aufspaltung der einzelnen Farbkanäle, dass der Blaukanal regelmäßig den stärksten Kotrast zwischen Wundgewebe und intakter Haut aufweist. Durch intensive oder fast ausschließliche Betrachtung des Blaukanals, lieferte der Algorithmus zur Segmentierung der Bilddaten die besten Ergebnisse. Daher wurde bei der Segmentierung der Blaukanal stärker gewichtet. Um Segmentierungsfehler zu vermeiden ist es notwendig, dass der Benutzer bei der Pfadsuche mit der Maus so genannte Stützpunkte setzt. Dabei wird durch einen Mausklick ein endgültiger Knoten hinzugefügt, der nicht mehr durch den Dijkstra Algorithmus geändert wird.

Für die Flächenberechnung in digitalen Bildern ist eine Kalibration erforderlich. Hierzu wird bei der Fotografie der Wunde ein Lineal als Referenzmaßstab aufgenommen. Der Anwender markiert im digitalen Bild zwei Punkte auf dem Lineal und gibt die Entfernung der Punkte auf dem Lineal an. Mit Hilfe dieser Daten wird die Fläche der segmentierten Wunde berechnet. Dies stellt eine subpixelgenaue Methode dar.

Evaluation

Die Evaluation erfolgte zum einen kontinuierlich durch die optische Kontrolle verschiedener Testpersonen (Ärzte, Pfleger). Die Kontrolle der Kalibration erfolgte mit Hilfe eines Testbildes. Dabei wurde ein Polygon einer definierten Größe mit dem beschriebenen Verfahren untersucht. Die Fläche des Polygons wurde im Vorfeld rechnerisch ermittelt und galt als Referenzwert. Die Referenzfläche betrug 25,65cm2, die mittlere Abweichung –0,05cm2 bei einer Standardabweichung von 0,3cm2.

Diskussion und Schlussfolgerung

In der Arbeit stellte sich der Live-Wire-Algorithmus dem Region-Growing Verfahren bei der Wundsegmentierung als Überlegen heraus. Die besten Segmentierungsergebnisse zeigte das Verfahren mit einer starken Gewichtung des Blaukanals. Dies kann mit der unterschiedlichen Durchblutung des subcutanen Gewebes korrelieren, sollte aber weiter untersucht werden.

Die Qualität der computerassistierten Wundflächenberechnung in der klinischen Routine ist noch in einer Studie zur Inter- und Intraobservervariabilität zu untersuchen.


Literatur

1.
Panfil E, Linde E. Kriterien zur Wunddokumentation. 2006
2.
Oien RF, Hakansson A, Hansen BU, Bjellerup M. Measuring the size of ulcers by planimetry: a useful method in the clinical setting. J Wound Care 2002;11(5):165-8.
3.
Lehmann TM, Hiltner J, Handels H. Medizinische Bildverarbeitung. In: Lehmann T, Meyer zu Bexten E, editors. Handbuch der Medizinischen Informatik. 2 ed. München: Hanser; 2005. p. 363-423.
4.
Houghton PE, Kincaid CB, Campbell KE, Woodbury MG, Keast DH. Photographic assessment of the appearance of chronic pressure and leg ulcers. Ostomy Wound Manage 2000;46(4):20-30.
5.
Rajendran PJ, Leachtenauer J, Kell S, Turner B, Newcomer C, Lyder C, et al. Improving the detection of stage I pressure ulcers by enhancing digital color images. Conf Proc IEEE Eng Med Biol Soc 2006;1:5206-9.
6.
Falcao AX, Udupa JK, Miyazawa FK. An ultra-fast user-steered image segmentation paradigm: live wire on the fly. IEEE Trans Med Imaging 2000;19(1):55-62.