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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Übergewicht und Adipositas bei Einschulkindern in Baden-Württemberg

Meeting Abstract

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  • Iris Kompauer - Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, Stuttgart, Deutschland
  • Daniela Krämer - Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, Stuttgart, Deutschland
  • Günter Pfaff - Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, Stuttgart, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocEPI5-2

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2008/08gmds022.shtml

Veröffentlicht: 10. September 2008

© 2008 Kompauer et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Aus nahezu allen wohlhabenden und mittlerweile auch aus einigen ärmeren Ländern wird über eine steigende Prävalenz von Übergewicht und Adipositas berichtet. Wie bei Erwachsenen wird auch bei Kindern der Body Mass Index (BMI) zur Einschätzung des Gewichts verwendet, die BMI-Werte sind bei Kindern jedoch niedriger, und das Verhältnis von Größe und Gewicht verändert sich geschlechts- und altersabhängig. Daher werden zur Einschätzung von Übergewicht und Adipositas statistisch erhobene Grenzwerte verwendet. Neben internationalen Referenzwerten existieren in vielen Ländern auch nationale Referenzsysteme, und je nach Studie werden unterschiedliche Referenzsysteme herangezogen, was den Vergleich der verschiedenen Studienergebnisse erschwert. Die vorliegende Arbeit untersucht zum einen, ob die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in den Jahren von 1999 bis 2007 bei den Einschulkindern in Baden-Württemberg angestiegen ist, zum anderen, wie sich die Prävalenzen bei der Anwendung von zwei in Deutschland häufig verwendeten Referenzsystemen unterscheiden.

Material und Methoden

An wechselnden Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg werden im Rahmen der Einschuluntersuchung auch Gewicht und Größe der Kinder erfasst. Wird die Messung standardisiert durchgeführt, werden die Kinder in leichter Kleidung ohne Schuhe mit einer geeichten Waage auf 100 g bzw. 0,1 cm genau gemessen. Von Kindern im Alter zwischen 69 und 80 Monaten (6-6,5 Jahre) lagen aus den Jahren 1999 bis 2007 insgesamt 47790 biologisch plausible und standardisiert erhobene Daten zu Größe und Gewicht vor. Daraus wurde der BMI als kg/m² berechnet.

Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas wurde mit folgenden Referenzsystemen ermittelt:

1.
Deutsche Referenzwerte von Kromeyer-Hausschild et al. [1], nach denen ein BMI über der 90. Perzentile als Übergewicht, über der 97. Perzentile als Adipositas definiert ist.
2.
Die Referenzwerte der IOTF (International Obesity Task Force) von Cole et al. [2], die im Alter von 18 Jahren in einen BMI von 25 kg/m² (Übergewicht) bzw. 30 kg/m² (Adipositas) münden.

Alle Berechnungen wurden mit SAS Version 9.1 durchgeführt.

Ergebnisse

Bei einer Auswertung der BMI-Daten aller Jahre von 1999 bis 2007 mit den Referenzwerten von Kromeyer-Hauschild et al. [1] ergibt sich bei den Mädchen im Alter von 6 Jahren eine Prävalenz von 10,0 % für Übergewicht und 4,0 % für Adipositas, bei den 6,5-jährigen sind die entsprechenden Prävalenzen 10,1 bzw. 4,0 %. Unter den 6-jährigen Jungen sind 10,0 % übergewichtig und 4,3 % adipös, von den 6,5-Jährigen sind es 11,0 % bzw. 4,7 %. Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas war bei den Jungen im Jahr 1999 am niedrigsten, im Jahr 2001 bei den 6-jährigen, im Jahr 2002 bei den 6,5-jährigen Jungen am höchsten. Bei den 6-jährigen Mädchen war die Prävalenz von Übergewicht im Jahr 2000 am niedrigsten, im Jahr 2002 am höchsten. Die Prävalenz von Adipositas war bei den bei den 6-jährigen Mädchen im Jahr 2001 am niedrigsten, bei den 6,5-jährigen Mädchen am höchsten. Insgesamt ist bei den Einschulkindern von 1999 bis 2007 kein einheitlicher Trend bei Übergewicht und Adipositas zu erkennen, die schwankenden Prävalenzen der Jahre 1999 - 2001 lassen sich eher durch die geringe Zahl der untersuchten Kinder erklären, die hohe Prävalenz im Jahr 2001 durch den hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund (definiert über die Staatsangehörigkeit). Je nach Referenzsystem sind deutliche Unterschiede in den ermittelten Prävalenzen erkennbar. Bei den Mädchen führt die Verwendung der Referenzwerte von Cole et al. zu 4-5 %, bei den Jungen zu ca. 2 % höheren Prävalenzen bei Übergewicht im Vergleich zu den Prävalenzen berechnet nach Kromeyer-Hausschild et al. Dagegen waren nach Cole et al. ca. 1 % weniger Jungen adipös, bei den Mädchen wurde die Prävalenz von Adipositas mit diesen beiden in Deutschland am häufigsten verwendeten Referenzwerten ungefähr gleich geschätzt. Bei Kindern mit Migrationshintergrund waren die Prävalenzen von Übergewicht und Adipositas 2-3 mal so hoch wie bei den deutschen Kindern.

Diskussion

Eine Zunahme von Übergewicht und Adipositas in den letzten neun Jahren ist bei Einschulkindern in Baden-Württemberg nicht zu erkennen. Die Prävalenzen für Übergewicht liegen bei Verwendung der Referenzwerte von Kromeyer-Hauschild et al. im erwarteten Bereich von 10 %, auch die Werte für Adipositas übersteigen mit 4,0-4,7 % den erwarteten Wert von 3 % nur geringfügig. Die Ergebnisse stimmen mit denen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGs) überein, die darüber hinaus zeigt, dass die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas allerdings auch erst mit Beginn der Schulzeit ansteigt [3]. Die Wahl des Referenzsystems führte zu Unterschieden in der Prävalenz von Übergewicht bis zu 5 %, eine einheitliche Definition für Übergewicht und Adipositas bei Kindern in Deutschland wäre daher sinnvoll. Wie in anderen Bundesländern zeigt sich auch in Baden-Württemberg eine deutlich höhere Prävalenz von Übergewicht bei Kindern mit Migrationshintergrund.


Literatur

1.
Kromeyer-Hauschild K, Wabitsch M, Kunze D, Geller F, Geiß HC, Hesse V, Von Hippel A, Jaeger U, Johnsen D, Korte W, Menner K, Müller G, Müller JM, Niemann-Pilatus A, Remer T, Schaefer F, Wittchen H-U, Zabransky S, Zellner K, Ziegler A, Hebebrand J. Perzentile für den Body-mass-Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde 2001; 149: 807-818.
2.
Cole TJ, Bellizzi MC, Flegal KM, Dietz WH. Establishing a standard definition for child overweight and obesity worldwide: international survey. BMJ 2000 May 6;320(7244):1240-3.
3.
Kurth BM, Schaffrath Rosario A. Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2007 May-Jun;50(5-6):736-43..