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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Kurzfristig erhöhte Feinstaubkonzentrationen und das Auftreten von ST-Hebungsinfarkten

Meeting Abstract

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  • Sabine Hertel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
  • Barbara Hoffmann - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
  • Christoph Naber - Westdeutsches Herzzentrum, Universitätsklinikum Essen, Deutschland
  • Karl-Heinz Jöckel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocEPI3-5

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2008/08gmds015.shtml

Veröffentlicht: 10. September 2008

© 2008 Hertel et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Erhöhte Feinstaubkonzentrationen sind mit einem Anstieg der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität assoziiert. Während einige Studien [1], [2] darauf hindeuten, dass kurzfristige Erhöhungen der Feinstaubkonzentration an der Auslösung von Herzinfarkten beteiligt sein könnten, konnte dieser Zusammenhang in anderen Studien nicht gezeigt werden [3]. Als mögliche Gründe zur Erklärung dieser Diskrepanzen wurden der Grad der Anfälligkeit der untersuchten Population, die Toxizität der Schadstoffe in verschiedenen Studiengebieten oder eine unzureichende statistische Power angeführt [4].

Ziel der vorliegenden Case-crossover-Studie war es zu untersuchen, ob es Hinweise für einen Zusammenhang zwischen einem kurzfristigen Anstieg in der Partikel-Konzentration mit einem Durchmesser kleiner als 10 µm (PM10) und der Auslösung von ST-Hebungsinfarkten in einer industriellen Großstadt in West-Deutschland gibt.

Material und Methoden

In der Studie wurden Daten von 489 Patienten aus dem Herzinfarktverbund Essen verwendet. Dieses klinische Register beinhaltet alle Herzinfarktfälle mit ST-Hebung, die zwischen dem 1. September 2004 und dem 31. August 2005 in ein Essener Krankenhaus eingeliefert worden sind. Stündliche PM10-Werte sowie tägliche Ozon-Mittelwerte aus dem Routine-Monitoring wurden vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) zur Verfügung gestellt. Die gravimetrischen PM10-Messungen wurden an einer Messstation für den städtischen Hintergrund vorgenommen. Tägliche Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsmessungen für Essen wurden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bereitgestellt.

Für jeden ST-Hebungsinfarktfall wurden als relevante Expositionszeiträume 2, 4 und 6 Stunden vor Symptombeginn ausgewählt. Als Latenzzeit zwischen mittlerer Exposition in dem ausgewählten Zeitraum und dem Symptombeginn wurden 0, 2, 4 und 6 Stunden untersucht. Es wurden je nach Kalendermonat drei oder vier Kontrollzeiträume ausgewählt. Hierbei kam ein zeitstratifiziertes Auswahlschema zum Einsatz, in dem die Kontrollzeiträume nach dem Wochentag und dem Monat des Falls ausgewählt wurden. Der Zusammenhang zwischen mittlerer PM10-Konzentration (Kontrollzeiträume und Expositionszeiträume) und dem Auftreten eines ST-Hebungsinfarktes wurde mit einer bedingten logistischen Regression untersucht. Für unabhängige Effekte durch Ozon, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wurde adjustiert. Die Ergebnisse werden als Odds Ratio (OR) für eine Erhöhung der PM10-Konzentration um einen Interquartilsabstand der über den gesamten Untersuchungszeitraum gemessenen PM10-Verteilung angegeben.

Ergebnisse

Es lagen Daten von 489 Patienten vor (mittleres Alter 63 Jahre, mittlerer BMI 28, 27% Frauen, 85% Erstinfarkte). Die mittlere PM10-Konzentration der stündlichen Werte zwischen dem 1. September 2004 und dem 31. August 2005 betrug 26 µg/m³ mit einer Standardabweichung von 14 µg/m³. Die maximale PM10-Konzentration in diesem Zeitraum wurde bei 145 µg/m³ gemessen; das Minimum lag bei der Nachweisgrenze von 10 µg/m³.

Die geschätzten ORs zeigen keine eindeutige Erhöhung. Allerdings zeigt sich bei einem Anstieg des 2-stündigen Mittelwertes um 14 µg/m³ eine geringfügige Erhöhung des Punktschätzers für kurze Latenzzeiten mit Absinken des Schätzers bei längeren Latenzzeiten [für Latenzzeiten von jeweils 0, 2, 4 und 6 Stunden ergeben sich adjustierte ORs von 1.03 (95% KI 0.92, 1.16); 1.04 (95% KI 0.93, 1.17); 1.05 (95% KI 0.94, 1.19); und 1.00 (95%-KI 0.89, 1.13)]. Bei der Wahl längerer Expositionszeiträume (4 und 6 Stunden) lässt sich diese kurzfristige, geringfügige Erhöhung der Punktschätzer nicht in gleichem Maße erkennen. Krude und adjustierte Risikoschätzungen unterscheiden sich in den verschiedenen Szenarien kaum.

Diskussion

In dieser Studie wurde kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen einer kurzfristig erhöhten Feinstaubkonzentration und der Auslösung eines ST-Hebungsinfarkts beobachtet. Ein kleiner wahrer Effekt kann jedoch vor dem Hintergrund der von uns untersuchten Fallzahl nicht ausgeschlossen werden. Hierbei deuten unsere Ergebnisse auf einen sehr kurzfristigen Effekt innerhalb von 4-6 Stunden vor Symptombeginn hin. Eine Untersuchung mit Daten aus weiteren Jahren ist geplant, um die Risiken mit einer höheren statistischen Power berechnen zu können.


Literatur

1.
Sullivan J, Ishikawa N, Sheppard L, Siscovick D, Checkoway H, Kaufman J. Exposure to Ambient Fine Particulate Matter and Primary Cardiac Arrest among Persons With and Without Clinically Recognized Heart Disease. Am J Epidemiol 2003; 157: 501-509.
2.
Sullivan J, Sheppard L, Schreuder A, Ishikawa N, Siscovick D, Kaufman J. Relation Between Short-Term Fine-Particulate Matter Exposure and Onset of Myocardial Infarction. Epidemioloy 2005; 16: 41-48.
3.
Peters A, Dockery DW, Muller JE, Mittleman MA. Increased Particulate Air Pollution and the Triggering of Myocardial Infarction. Circulation 2001; 103: 2810-2815.
4.
Künzli N, Schindler C. A Call for Reporting the Relevant Exposure Term in Air Pollution Case-crossover Studies. J Epidemiol Community Health 2005; 59: 527-530.