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Kongress Medizin und Gesellschaft 2007

17. bis 21.09.2007, Augsburg

Ist die Ungleichheit im Sterbealter ein besseres Gesundheitsmaß als die Lebenserwartung für die Beurteilung des Einflusses von sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit?

Meeting Abstract

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  • Roberto Lorbeer - Institut für Medizinische Soziologie und Sozialmedizin, Universität Marburg, Marburg

Kongress Medizin und Gesellschaft 2007. Augsburg, 17.-21.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07gmds617

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2007/07gmds617.shtml

Veröffentlicht: 6. September 2007

© 2007 Lorbeer.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Gesundheitsmessung von Bevölkerungen erfolgt auf der Makroebene überwiegend durch die Lebenserwartung bei Geburt – dem mittleren Sterbealter der Sterbetafelbevölkerung. Damit wird nicht die Sterblichkeitsverteilung berücksichtigt. Diese muss aber für eine genaue Beschreibung von Gesundheit zusätzlich herangezogen werden. Für die Beurteilung des Einflusses von sozialer Ungleichheit auf die Bevölkerungsgesundheit sollte die Ungleichheit im Sterbealter das bessere Gesundheitsmaß darstellen.

Material und Methoden: Auf der Grundlage von Sterbetafeln werden Zeitreihen für die Lebenserwartungen und für die Ungleichheit im Sterbealter für 22 europäische Länder zwischen 1960 und 2001 vergleichend analysiert. Als Parameter für die Ungleichheit im Sterbealter und der Einkommensungleichheit als Maß der sozialen Ungleichheit wird der Gini-Koeffizient verwendet. Die Datengrundlagen sind die Human-Mortality-Database (HMD), die WHO-Europa (HFA-DB) und die Luxemburger Einkommensstudie (LIS).

Ergebnisse: Lebenserwartung und Sterblichkeitsungleichheit stehen in einem negativen Zusammenhang. In Westeuropa haben Island und Spanien die geringsten und Schweden und Niederlande die höchsten Korrelationen. Vor 1960 ging die Erhöhung der Lebenserwartung mit einer starken Reduktion der Ungleichheit im Sterbealter einher. Danach dominierte die Verschiebung der gesamten Sterblichkeitsverteilung in ein höheres Alter.

Die Ukraine hatte 1960 eine höhere Lebenserwartung (71,06 Jahre) und eine höhere Ungleichheit im Sterbealter (Gini-Koeffizient=0,15) als Finnland (69,01;0,13). Im Jahr 2001 hatte Frankreich eine höhere Lebenserwartung (79,36) und eine höhere Ungleichheit (0,10) als die Niederlande (78,65;0,09).

Die Größen wie Einkommensungleichheit, Pro-Kopf-Einkommen, Ärzte und Gesundheitsausgaben pro Kopf und Arbeitslosigkeit erklären die Lebenserwartung (R2=0,62) mehr als die Ungleichheit im Sterbealter (R2=0,52), Das Pro-Kopf-Einkommen und der Gini-Koeffizient sind aber nur für die Ungleichheit im Sterbealter signifikante Einflussfaktoren.

Schlussfolgerungen: Für die Entwicklung der Sterblichkeit stellen Lebenserwartung und Ungleichheit im Sterbealter gleichwertige Maße dar.

Bei dem Vergleich von Sterblichkeitszuständen können beide Maße zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Im Erklärungsmodell von Bevölkerungsgesundheit hat neben dem Pro-Kopf-Einkommen auch die Einkommensungleichheit einen höheren Einfluss auf die Ungleichheit im Sterbealter als auf die Lebenserwartung.


Literatur

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