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„Waren Sie im Internet?“: Internetinformierte Patienten als neue Anforderung für die ärztliche Praxis
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Veröffentlicht: | 6. September 2007 |
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Einleitung/Hintergrund:
Patienten informieren sich heute im Internet auch unabhängig von ihrem Arzt zu gesundheits- und krankheitsrelevanten Themen. Die vorliegende Studie untersuchte die Bedeutung dieser neuartigen Informationsquelle für die Arzt-Patient-Interaktion.
Material/Methoden: Es wurden semi-strukturierte Leitfadeninterviews mit 29 internetinformierten Patienten und 17 niedergelassenen Ärzten der Stadt Bern (Schweiz) durchgeführt. Die Analyse erfolgte auf Basis der Grounded Theory in einem iterativen, permanent komparativen Prozess und mündete in einer modellhaften Synthese der Ergebnisse aus Ärzte- und Patienteninterviews.
Ergebnisse: Die Analysen zeigen, dass das Internet als Informationsquelle für Patienten bei Fragen zu Gesundheit und Krankheit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ebenso berichten die Ärzte, in Konsultationen immer häufiger mit internetinformierten Patienten zu tun zu haben. Obwohl das Internet eine selbstständige Aneignung von Gesundheitsinformationen erlaubt, bleibt jedoch der Arzt als Berater, Motivator, Koordinator und Fachexperte zentral.
Das Einbringen von Internetinformationen in die Konsultation stellt für Patienten eine Möglichkeit zur aktiven Partizipation dar. Internetinformierte Patienten prägen die Konsultation mit, indem sie ihre Informationen präsentieren, Vorschläge einbringen, konkrete Fragen stellen, gezielt Ratschläge einholen oder Internet- und ärztliche Informationen vergleichen. Das Einbringen von Internetinformationen ist begleitet von spezifischen Erwartungen und Anforderungen an die Arzt-Patient-Interaktion: Eine offene, patientenzentrierte Konsultationsgestaltung, die Gewichtung der Patienteninformation und Patientenberatung von Ärzteseite und die Gesundheitskompetenz der Patienten begünstigen die Interaktion zwischen Ärzten und internetinformierten Patienten. Spannungsfelder zwischen den Akteuren ergeben sich zum Einen, wenn aufgrund von divergierenden Haltungen gegenüber der Internetnutzung für Gesundheitsfragen keine gemeinsame Verständigung erreicht werden kann. Zum Anderen kann die Patientenpartizipation eine die Konsultationsgestaltung und den Behandlungsprozess erschwerende Dimension annehmen.
Diskussion/Schlussfolgerung: Internetinformationen zu Gesundheit stehen komplementär zur ärztlichen Beratung und werden für Patienten meist nur in Rücksprache mit ihrem Arzt handlungsrelevant. Der Arzt nimmt im Zusammenhang mit Internetinformationen eine motivierende und/oder beratende Rolle ein. Auf diese Weise kann die aktive Partizipation und Entscheidungsfindung des Patienten unterstützt und seine reflexive Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz gefördert werden.