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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Der klinische Behandlungspfad „proximale Femurfraktur“ als Routinearbeitsinstrument im Krankenhausinformationssystem (KIS)

Meeting Abstract

  • Christian Biber - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg
  • Martin Bäumlein - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg
  • Tilmann Schunk - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg
  • Oliver Heger - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg
  • Klaus, A. Kuhn - Technische Universität München, München
  • Ina Kopp - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg
  • Michael Schnabel - Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds038

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds290.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Biber et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Die systematische Erstellung, Implementierung und Evaluation klinischer Behandlungspfade ist ein aufwendiger und kontinuierlicher Prozess. Es stellt sich die Frage, ob sich der hohe Aufwand tatsächlich in Qualitätsverbesserungen widerspiegelt. An der Klinik für Unfallchirurgie der Philipps-Universität Marburg wurde der Behandlungspfad „Proximale Femurfraktur“ erstellt. Grundlagen waren eine Leitlinien- und Literaturrecherche, eine prospektive Ist-Analyse mit umfassender Erhebung von Indikatoren der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vom 1.9.2001 bis 31.8.2002 an 168 Patienten mit proximaler Femurfraktur (1-Jahres follow-up mit Nachuntersuchungsquote 96,6%) sowie eine formale Barrierenanalyse. Der Pfadentwurf wurde nach einem strukturierten Konsensusverfahren mit allen an der Versorgung beteiligten Disziplinen vom Klinikumsvorstand verabschiedet. Im ersten Implementierungsschritt wurde das Pfaddokument (Algorithmus des Versorgungsablaufs, Checklisten, Hintergrundinformationen und Fliesstext) als Druckversion und im Intranet eingeführt, begleitet durch Fortbildungsveranstaltungen und Einzelgespräche bzw. gezielte Schulungen in der Routine („academic detailing“). Im zweiten Schritt wurde zusätzlich das elektronische Aufnahmeformular eingeführt: ab 31.8.2004 wurden die im Rahmen der Aufnahme notwendigen Prozesse strukturiert als Routinearbeitsinstrument im Krankenhausinformationssystem (KIS; ORBIS® OpenMed) abgebildet. Die elektronische Aufnahme ersetzt hierbei als pfadkonformes und an den klinischen Workflow adaptiertes Formular das bisher übliche handschriftliche Vorgehen.

Methodik

Es wurden drei jeweils konsekutiv rekrutierte Patientenkollektive verglichen: Gruppe 1: Kollektiv der Ist-Analyse, 168 Patienten; Gruppe 2: Kollektiv nach Implementierung des Behandlungspfads, 85 Patienten mit pfadkonformer Behandlung und Gruppe 3: Kollektiv nach Einführung der elektronischen Aufnahme, 77 Patienten mit pfadkonformer Behandlung. Die Daten wurden anhand eines standardisierten Fragebogens prospektiv dokumentiert und mit der Patientenakte sowie den im KIS zur Verfügung stehenden Daten abgeglichen. Für den prä-post-Interventionsvergleich waren vor allem diejenigen Zielgrößen relevant, für die in der Ist-Analyse Optimierungspotentiale identifiziert wurden: Richtigkeit der Seitenangabe der Fraktur, Dokumentation von Allergien, schriftliche Anordnung der medikamentösen Therapie, Zeitpunkt des erstmaligen Erhalts einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe und präoperative Liegezeit. Letztere sowie die gesamte stationäre Verweildauer sind relevante Indikatoren der Versorgungsqualität.

Ergebnisse

Nach Einführung des Behandlungspfads „proximale Femurfraktur“ mithilfe aktiver Implementierungsstrategien konnte in einigen Bereichen eine Verbesserung des Prozessmanagements erreicht werden. Allerdings zeigten sich in einigen Bereichen kritische Resultate, sogar Verschlechterungen (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Diskussion

Die gegenwärtigen Ergebnisse machten eine genaue Fehleranalyse notwendig. So konnte z.B. als Ursache für eine Verschlechterung bzgl. der Eindeutigkeit der Medikamentenverordnung nach Einführung der elektronischen Dokumentation im Einzelgespräch der im Vergleich zu vorher als zu hoch empfundene Dokumentationsaufwand ermittelt werden. Andererseits reflektiert der Vergleich reiner Zahlenwerte nicht immer die Versorgungsrealität. So waren Angaben zur Medikamentenverordnung im handschriftlichen Aufnahmeformular, wenn auch vorhanden, oft vollkommen unleserlich. Diese Dilemmata illustrieren, dass klinische Pfade und elektronische Entscheidungshilfen allein keine Pauschallösung zur Prozessoptimierung darstellen. Ihre Erstellung und Implementierung sind mit erheblichem Aufwand verbunden. Sie können jedoch zu nachweisbaren Verbesserungen führen. Dies unterstützt die Konzentration auf tatsächlich identifizierte Probleme bei Themenwahl und Ausarbeitung. Zusätzlich bleibt die Frage, wie Verbesserungen nach einer Einführungsphase mit reduziertem Aufwand weiter aufrecht erhalten werden können.

Nach unseren Erfahrungen können Pfade besser und dauerhafter im klinischen Alltag umgesetzt werden, wenn sie in einer Form elektronisch im KIS abgebildet werden, die dem Anwender konkrete und erfahrbare Vorteile (Benefits) bietet. Dabei muss sich die Abbildung des Pfades im KIS an den Bedürfnissen der klinischen Anwender orientieren. Zudem müssen einmal eingegebene Daten vom System bei Bedarf an anderer Stelle wieder zur Verfügung gestellt werden. Da dies innerhalb eines kommerziell erhältlichen KIS realisiert wurde, kann die Pfadapplikation auch von anderen Kliniken übernommen und an ihre Bedürfnisse angepasst werden. Der für die Abbildung weiterer Pfade entscheidende Schritt wird die Modularisierung zur Bereitstellung möglichst vieler generischer Elemente sein. Diese sind dann für andere Pfade und auch von anderen Kliniken nutzbar.