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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Deskriptions-Logik basierte räumlich-topologische Repräsentation anatomischer Strukturen mit dem Region Connection Calculus

Meeting Abstract

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  • Martin Boeker - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • Djamila Raufie - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • Stefan Schulz - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds415

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds272.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Boeker et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Die Abbildung räumlich anatomischer Strukturen ist für viele Anwendungen in der Medizin eine wichtige Voraussetzung. Zur Repräsentation von räumlichen Informationen gibt eine Reihe von Ansätzen, die auch das Schließen auf diesen erlauben [1]. Der Region Connection Calculus ermöglicht auf Grundlage von acht bzw. fünf Relationen (RCC-8 und RCC-5, siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) die Abbildung von topologischen und mereologischen Relationen zwischen Regionen und das Schließen auf ihnen [2]. Der RCC-8 ist eine prädikatenlogische Sprache, für die das Entscheidbarkeitsproblem für eine Menge von Relationen ungünstigerweise NP-hart ist [3]. Es konnte allerdings empirisch gezeigt werden, dass es Heuristiken gibt, die das Entscheidbarkeitsproblem auch auf großen Instanzen des RCC-8 (> 500 Regionen) effektiv lösen können [4].

Im Bereich der Anatomie steht mit dem Foundational Model of Anatomy (FMA) bereits eine umfassende, formal ausgereifte und anerkannte Ontologie mit über 70.000 anatomischen Entitäten und 1,5 Mio. Relationen zur Verfügung [5], die auch die anatomisch-räumlichen Beziehungen abbildet. Das automatisierte Schließen auf dem FMA ist allerdings durch seine Implementation in einer frame-basierten Sprache nur eingeschränkt möglich. Ebenso ist das räumliche Modell des FMA nicht Logik-basiert formalisiert [6], [7], so dass auch das räumliche Schließen auf dem FMA nicht oder nur sehr bedingt möglich ist. Diese Einschränkungen motivieren die Transformation von Teilen des FMA in die Web Ontology Language (OWL) in der Form die Schließen mit Deskriptions Logic Reasonerns wie Racer, Pellet oder Fact++ unterstützt (OWL-DL). Allerdings gibt es bisher erst wenige Vorschläge zur Verwendung von OWL-DL, um die räumlichen Relationen des RCC-8 in der Anatomie [8] bzw. allgemein unabhängig von einer Anwendungsdomäne [9] auszudrücken.

Wir untersuchen in dieser Arbeit wie räumlich anatomische Modelle auf Grundlage des RCC-8 in OWL-DL aufgebaut werden können und inwieweit sich Protege als Ontologie-Editor dafür in praktischer Hinsicht eignet. Kann die Konsistenz der Modelle mit drei Deskriptions Logik Reasonern überprüft werden und lassen sich einfache Klassifikationsaufgaben mit ihnen lösen? Eine weitere Frage ist, ob durch die Reifikation von Relationen [10], die Performance von Reasonern verbessert werden kann, wobei allerdings ein Verlust an Ausdrucksstärke des Modells in Kauf genommen werden muss.

Material und Methoden

Als Modellregion wurde der Magen ausgewählt; für 10-14 Organteile des Magens wurden sowohl die topologischen als auch die mereologischen Relationen abgebildet. Repräsentationen wurden mit dem Ontologie-Editor Protege und den OWL-Plugins in OWL-DL implementiert. Um die Komplexität des Modells möglichst gering zu halten, wurde zunächst nur ein Teil des RCC-8 zur Abbildug verwendet: externally_connected (EC), partial_overlap (PO) und proper_part_of (TPP or NTPP) und has_proper_part (TPP-1 or NTPP-1). Die generelle Struktur der Repräsentation wurde entsprechend des FMA unter Reduktion auf die wichtigsten Klassen aufgebaut, dabei wurden räumliche Strukturen des FMA in Relationen des RCC-8 „transformiert“, d.h. sie wurden in den fundamentalen Relationen des RCC-8 ausgedrückt. Es wurden verschiedene Möglichkeiten der Abbildung implementiert, die sich in der Zahl der Entitäten und in der Repräsentation der Relationen entweder als „konventionelle“ binäre Relation oder als Reifikator in der Subsumptionshierarchie unterschieden.

Die verschiedenen OWL-DL Modelle wurden mit drei aktuellen DL-Reasonern, Racer Versionen 1.81 und 1.9 (http://www.racer-systems.com/), Pellet Versionen 1.3 beta 1 und beta 2 (http://www.mindswap.org/2003/pellet/) und Fact++ Versionen 1.1.2 und 1.1.3 (http://owl.man.ac.uk/factplusplus/), auf Konsistenz geprüft.

Ergebnisse

Auf Grundlage der Klassenstrukturen des FMA wurde eine entsprechende Hierarchie der Modellregion Magen mit Protege in OWL-DL aufgebaut, sowohl nur unter Verwendung von binären Relationen als auch unter Verwendung von Reifikatoren. Die Arbeit mit Protege und den OWL Plugins stellte sich für uns subjektiv schwieriger und weniger intuitiv dar als das Modellieren unter Verwendung der frame-basierten Protege Versionen. Obwohl höchstens bis zu 10 Constraints, hier jeweils voll qualifizierte existentielle Quantifikationen, verwendet wurden, wird die Arbeit mit den OWL Plugins schnell unübersichtlich, da Constraints lediglich textuell dargestellt werden. Es erscheint zweifelhaft, ob es ohne bessere visuelle Unterstützung für Domänen-Experten möglich ist, größere und komplexere medizinische OWL-DL Wissensbasen mit Protege aufzubauen.

Überraschender Weise konnte mit keinem der drei verwendeten Reasoner die Modelle, in denen die räumlichen Relationen als binäre Relationen abgebildet wurden, mit der zur Verfügung stehenden Hardware (PC mit Pentium4 und 1GB RAM) erfolgreich auf Konsistenz geprüft werden. Grund für den Abbruch der Konsistenzprüfungen war entweder Systemabsturz, Belegung des gesamten zur Verfügung stehenden Arbeitsspeichers oder eine sehr lange Verarbeitungszeit (> 1h). Nur bei Reduktion der Anzahl der Entities auf weniger als 10 bzw. der Reifikation mindestens einer der räumlichen Relationen waren die Modelle auf Konsistenz überprüfbar. Soweit die Konsistenz der Modelle überprüft werden konnte, waren die Ergebnisse der drei Reasoner das terminologische Schließen auf Klassenebene (T-Box Reasoning) betreffend identisch.

Diskussion

Die Repräsentation von räumlichen Strukturen ist grundlegend für viele Anwendungen in der Medizin. Sollen dabei die Möglichkeiten des automatischen Schließens genutzt werden, muss die Repräsentationssprache formal logisch fundiert sein. Außerdem muss in Hinsicht auf Komplexität und Berechenbarkeit zwischen der ausreichender Ausdrucksstärke und hinreichender Einfachheit abgewogen werden. Für räumlich-topologische Modelle und das Schließen auf ihnen ist der Region Connection Calculus aufgrund der oben genannten Kriterien besonders geeignet. Obwohl enge Beziehungen zwischen Deskriptionslogiken, Modallogiken und bestimmten Familien des RCC-8 bestehen wurde die Repräsentation des RCC-8 durch OWL-DL bisher überwiegend theoretisch untersucht [8], [9].

Mit dieser Arbeit wird untersucht wieweit OWL-DL geeignet ist, anatomisch-topologische Modelle mit einer Teilmenge des RCC-8 zu repräsentieren und wieweit heutige Reasoner in der Lage sind die Konsistenz der Modelle zu überprüfen. Es stellte sich dabei heraus, dass schon „kleine“ und bezüglich der Anforderungen für medizinische Anwendungen gering komplexe Modelle mit weniger als 20 Entitäten nicht durch die heutigen DL Reasoner auf Konsistenz überprüft werden können, sobald räumliche Beziehungen als binäre Relationen ausgedrückt werden. Vermutlich besteht das Problem für die Reasoner in den sehr vielen zirkulären Bezüge, die durch die hoch vernetzte Struktur der symmetrischen (EC, PO) bzw. inversen (PP, PP-1) Relationen entstehen und während der Konsistenzprüfung nicht aufgelöst werden können. Es wurden qualitative Unterschiede zwischen den Reasonern bezüglich ihrer Performance festgestellt aber noch nicht systematisch untersucht. Die Unterschiede zwischen den Raesonern traten in Hinsicht auf die Anzahl der verwendeten Klassen auf, die ein Modell gerade noch enthalten konnte, um es noch auf Konsistenz überprüfen zu können und bezüglich der Speicherbelegung.

Die Repräsentationen der Modellregion waren durch die Reasoner auf Konsistenz überprüfbar, sobald statt binärer Relationen Reifikatoren verwendet wurden, was darauf zurückgeführt werden kann, dass einerseits die Ausdrucksstärke der verwendeten Deskriptionslogik reduziert wird und andererseits keine zirkulären Bezüge mehr auftreten. Allerdings ist das „händische“ Modellieren mit Hilfe von Reifikatoren nur für kleine Modelle möglich, da die Klassenhierarchie durch die Reifikatoren schnell unübersichtlich werden. Eine Möglichkeit zur Verwendung von Reifikatoren auch in größeren Modellen ist es, zur Repräsentation binäre Relationen zu nutzen, die dann vor dem Schließen Skript gesteuert durch Reifikatoren ersetzt werden.

Es konnte prototypisch gezeigt werden, dass sich OWL-DL grundsätzlich zur Abbildung der räumlichen und mereologischen Relationen des RCC-8 für medizinische Anwendungen eignet. Es wurden allerdings schnell die Grenzen bezüglich des Schließens auf diesen Modellen deutlich, wobei möglicherweise Repräsentationen, die statt binärer Relationen Reifikatoren nutzen, Möglichkeiten zur Verbesserung bieten.


Literatur

1.
Nebel B, Scivos A. Formal Properties of Constraint Calculi for Qualitative Spatial Reasoning. Künstliche Intelligenz. 2002; 4: 14-8
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3.
Grigni M, Papadias D, Papadimitriou C. Topological Inference. In: Mellish C, Hrsg. Proceedings of the 14th International Joint Conference on Artificial Intelligence. 1995
4.
Renz J, Nebel B. Efficient Methods for Qualitative Spatial Reasoning. Journal of Artificial Intelligence Research 2001; 15: 289-318
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Neal PJ, Shapiro LG, Rosse C. The Digital Anatomist Spatial Abstraction: A Scheme for the Spatial Description of Anatomical Features. Proceedings of the American Medical Informatics Association Fall Symposium. AMIA. 1998; : 423-7
7.
Mundy JL. The Image Understanding Environment program. IEEE Expert. 1995; 10(6): 64-73
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10.
Schulz S, Romacker M, Hahn U. Part-Whole Reasoning in Medical Ontologies Revisited: Introducing SEP Triplets into Classification-Based Description Logics. Proceedings of the Annual Symposium of the American Medical Informatics Association. AMIA. 1998; 830-4.